Beiträge von Ralath im Thema „Moralität? Nix wissen! oder: Ich gut, du böse. Basta!“

    Ich verstehe natürlich deine Ansichten. Obwohl ich dir auch teilweise vehement widersprechen muss. Deine These, dass mit der Zeit auch "böse Taten" weniger schlimm werden, kann ich nicht zustimmen. Eine Tötung wird zum Beispiel niemals als gute Tat interpretiert, auch wenn der schlimmste Alptraum damit vernichtet wird. Maximal ist es dann ein notwendiges Übel.

    Das bewerten wir dann auf persönlicher Ebene wohl beide anders. Ein notwendiges Übel ist ja namentlich schon eine bessere Variante des schlimmsten Übels. Allerdings fehlt mir hier der Maßstab einer konkreten Situation, um dazu mehr zu sagen.

    Allerdings wäre folgendes vorstellbar:

    Nehmen wir an, wir schlachten eine Ziege.
    Für die Ziege ist das natürlich der worst case, wir sind in diesem Moment das größte Unheil, dass dem Tier überhaupt widerfahren kann.
    Allerdings... wir verhungern, wenn wir die Ziege nicht verzehrfertig machen. Also ist das Schlachten der Ziege aus unserer Sicht (eigentlich) etwas Gutes, auch wenn ein Tier dafür sterben muss. Ein einzelnes Leid sorgt so für das Gedeihen von mehreren Wohlergehen - mein Gott, was für ein Satz. *pffff*
    Und der Vegetarier steht daneben und kann sich nicht entscheiden. Er findet es schlecht, dass alle Leute die Ziege schlachten wollen, weil sie Hunger haben, aber da es nichts anderes zu essen gibt und wir die einzigen Personen sind, die kräftig genug sind, um ihn von der elenden Insel herunter zu rudern, auf der wir alle gemeinsam festsitzen, ist es für ihn ein notwendiges Übel.

    Bescheuertes Beispiel, ich weiß. :D
    Ich kriege langsam den Eindruck, dass man sich zu jeder Moralvorstellung eine Szene schneidern kann, die darauf zutrifft. Zumindest darin, dass die Moral an sich keine einheitliche Größe darstellt, sondern wandel- und formbar ist, sollten wir übereinstimmen.

    -

    Und was die Idee für einen Plot angeht: So ähnlich geht es schon bei Games of Thrones, Schwert und Rose, Dracyr...
    "..."
    Sorry, das funktioniert dann doch nicht so gut.


    Yeah, well, I'm gonna go write my own fantasy story...
    with blackjack and hookers!


    :D

    @Tom Stark

    ABER, wer einen Krieg anfängt nur um einen Mann zu stürzen, oder wer sein ganzes Volk in einen Krieg stürzt nur um seine Familie zu beschützen ist nicht "gut".

    Das habe ich auch nicht behauptet, bzw. wollte ich mit dem Beispiel nicht ausdrücken.
    Bevor wir anfangen, aneinander vorbei zu diskutieren:
    Ich wollte keine allgemeine Stellungnahme zum Grundsatz Gut vs. Böse schreiben, mir ging es eigentlich eher darum, dass Charaktere oft viel zu viele Facetten haben um ausschließlich gut oder essenziell böse zu sein und dass sich die Position zwischen diesen Seiten immer wieder sehr schnell und sehr drastisch verschieben kann.
    Mag sein, dass das vielleicht anders rüber gekommen ist. War schon ziemlich spät gestern Abend :D

    Anders ausgedrückt: Einzig der besessenen König in deinem Beispiel ist weiterhin der Gute. Alle anderen entscheiden sich aus vielleicht verständlichen Gründen zu Bösewichtern zu werden.

    Aus der Perspektive des Lesers stimmt das. Der König ist in einer tragischen Situation gefangen und auf diese Weise eigentlich unschuldig. Der General in meinem Beispiel sieht das womöglich anders. Beide haben einen unterschiedlichen Wissensstand und damit eine völlig andere Wahrnehmung, beurteilen somit die Umstände völlig anders. Der General weiß nicht, was im Hintergrund geschieht und will nur seine Familie in Sicherheit wissen - können wir ihm das wirklich ankreiden, weil wir für den Moment schlauer sind? Können wir dem Mann Unwissenheit zur Last legen?

    Und das ist die Problemstellung auf die ich hinauswollte und nach der jeder für sich selbst entscheiden muss.

    Wie moralisch verwerflich ist es denn, ein Unrecht aus ehernen Gründen zu tun? Ein Kriegstreiber zu sein, weil man seine Familie beschützen will. Kann man sich wirklich ein moralisches Urteil erlauben, wenn man selbst vielleicht genauso gehandelt hätte? Vielleicht hätte man das Selbe getan. Und nun? Wie aussagekräftig wäre die moralbasierte Entscheidung von jemandem, der selber keine blütenreine Weste hat?
    Wie viele Tode wiegen auf, dass meine Familie am Leben bleibt? Wenn ich ein Unrecht aus Liebe begehe - der reinsten Emotion, die man im Stande ist zu fühlen, wie böse bin ich dann?
    Schwierige Fragen. Könnte ich selber nie beantworten.

    Oder, anders. Wie bösartig kann eine Tat sein, die man aus reiner Unwissenheit begangen hat - weil man es nicht besser wusste, weil man vielleicht in dem Glauben gehandelt hat, das Richtige zu tun - oder dazu gezwungen war?

    Oder noch ein gedanklicher Anstoß.
    Hätte jemand Hitler während seiner 12. Geburtstagsfeier erschossen, wäre derjenige ein sadistischer Verbrecher gewesen. Anderthalb Jahrzehnte später hätte man denjenigen als Volkshelden gefeiert, weil er damit vermutlich Milionen von Menschen das Leben gerettet und ein Weltkrieg verhindert hätte.
    Ab wann, ab welchem Zeitpunkt, welchem Tag zwischen diesen Ereignissen, wäre der Schuss moralisch vertretbar gewesen?
    Würden wir jemanden aus dem Jahre 193x dazu fragen können, würde dessen Antwort allein dadurch anders ausfallen, dass er im Gegensatz zu uns vielleicht noch gar nicht hätte ahnen können, was Hitler noch anrichten würde.

    Kurzum: Darüber wird es nie eine einheitliche Meinung geben, weil jeder seine moralischen Grenzen anders zieht. Das Fundament mag heutzutage einheitlich und mehr oder weniger das Gleiche sein, aber was auf diesem Fundament steht, verästelt sich und unterscheidet sich von Mensch zu Mensch in diversen Nuancen. Jede einzelne moralische Entscheidung ist in ihrer Form einzigartig.

    Ich fürchte, du bist in eine ganz moderne (deutsche?) Falle getappt. Nur weil es "menschlich" ist zu handeln, wie man handelt, ist es noch lange nicht ok.

    Völlig richtig. Der Mensch wird immer und immer wieder im Affekt handeln und dabei Fehler begehen. Und Mitgefühl mindert die Schwere dieser Tat nicht. Ich kann aber auch kein Mitgefühl für jemanden empfinden, der abgrundtief böse ist. Das kann ich (persönlich) einfach nicht. Im Umkehrschluss, ist jemand, der es schafft, sich mein Mitgefühl zu verdienen, nicht grundsätzlich ein böser Mensch, gleichzeitig aber auch kein Guter. Wo ich ihn auf der 1 (Gut) - 10 (Böse) Skala einordne, erschließt sich mir selbst erst dann, wenn ich ihn mit mir selbst vergleiche.

    Zusammengefasst: Mir tun zwar auch die Opfer in Fantasy-Romanen leid, aber so ein echter Fantasy-Guter, der muss den Druck abkönnen ohne vom "rechten Pfad" abzukommen

    Ich bin eher der Freund von Kompromissen, die auch ein bisschen die Schurkenseite des strahlenden Helden ankratzen. Macht denjenigen... menschlicher und bringt mir eher einen Bezug, mit dem ich etwas anfangen kann...

    ... wenn ich so drüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich die guten Bösewichte eigentlich fast mehr mag als die Helden :D


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    @Schreibfeder

    @Ralath : Du hast jetzt nachvollziehbare Bösewichte erschaffen, aber "böse" bleiben sie dennoch.

    Würde ich persönlich nicht so sagen. Mein eigenes Moralempfinden speist sich in gewisser Weise auch dadurch, ob ich eine Handlung nachvollziehen kann und wie ich selber in dieser Situation vielleicht gehandelt hätte. Das ist der Maßstab, nach dem ich dann nach Gut und Böse unterscheiden würde.

    Jetzt nur folgene Frage: Wenn massenhaft Soldaten desertieren, was macht der Magier dann? Massenhaft den Deserteuren hinterher rennen und jeden einzelnen verbrennen? Klingt nicht schlecht, denn damit können die anderen Soldaten nicht mehr das Land verwüsten, weil ihnen ihr Kommandant fehlt. Zudem werden weitere Soldaten desertieren, weil nun ihre Führung fehlt.

    ...

    Das der König von einem anderen Wesen beherrscht ist, was sich nur wehren will, macht besagtes Wesen auch nicht automatisch "gut". Es bleibt ein bösartiges Wesen, denn es hätte andere Möglichkeiten gegeben, als ein möglichst grausames Vernichten von Menschen.

    Das ist natürlich alles Richtig und es wären wichtige Gedankengänge und Fragen, die man sich stellen sollte, wenn man daraus eine Handlung bauen wollte.
    Wie oben schon gesagt, das Fallbeispiel war in seiner Tiefe nicht sooo ausgereift und ein Schnellschuss mitten in der Nacht. Die ganzen Argumentationslücken meinerseits und die Gegenmaßnahmen um die Bösewichte zu stoppen, überfordern mich grade ein bisschen. :S
    Ich wollte damit nur kenntlich machen, dass jeder Charakter in einer Grauzone agiert, und der Farbton sich mit jedem Twist, jeder Szene, jeder Handlung eines Charakters und jeder Information und sogar durch das schlichte vergehen von Zeit, wesentlich ins hellere oder dunklere wandeln kann, ohne dass der Charakter zu 100% als schlicht gut oder schlicht böse abgestempelt werden kann.

    Wie gesagt: Jetzt ist deine Geschichte zwar nachvollziehbar, da deine Bösewichte nicht eindimensional sind, aber sie bleiben "böse". Natürlich ziehe ich eine solche Geschichte lächerlichen HdR-Abklatsch vor, aber es kommt auch darauf an, wie es umgesetzt wird. Gibt es Mordversuche gegen den General? Versucht der Magier den König zu hintergehen? Inwieweit sind auch die Motivation der einzelnen Soldaten nachvollziehbar? Einfach nur sich sagen zu hören, dass man Befehle folgt, klappt nur bedingt. Und ein übermächtiger Magier ist auch nicht unbedingt logisch, denn warum gibt es keine anderen so mächtigen Magier? Irgendwie muss er seine Macht ja so bekommen haben. Und warum greifen die anderen Magier nicht ein? Was passiert, wenn gar ein kompletter Magierzirkel den Morden ein Ende bereiten möchte?

    Puh, ich habe ehrlich nicht damit gerechnet, dass sich jemand so viel Mühe macht und dort so viel hineininterpretiert :)
    An sich wäre das alles gar keine so schlechte Idee für einen Plot :thumbsup:

    Jahaaa *händereib & fingerknack* das mit der Moral ist so eine Sache.
    Ich lasse jetzt mal die rassenspezifischen Klischees bei meiner Argumentation unter den Tisch fallen, weil ich mich eher in wenigen großen Fantasyuniversen aufhalte, die aus 10 und mehr Bänden bestehen. Aufgrund dessen sehe ich das mit den schematischen "bösen Orks" und den "guten Elfen" und den "gierigen Zwergen" nicht so eng.
    Stattdessen widme ich mich einfach mal ein paar eigenen Gedanken zum Thema "Aufbau der Moral".

    Die Moral ist für mich immer sehr sehr stark an das Motiv gekoppelt (wie hier auch einige vor mir es schon angedeutet haben) und bietet einen gewaltigen Hebel um die Weichen für einen überraschenden Plot zu stellen.

    Ein Land überfällt ein Anderes, die Angreifer metzeln alles und jeden nieder. Alle, die noch übrig sind, sind stinksauer auf die Soldaten des angreifenden Landes.
    >>>> Buuuh! Böse Soldaten! Schämt euch was!

    Aber halt.
    Der General, der die Armee befehligt, hat gedroht, jeden lebendig zu verbrennen, der seinem Befehl nicht gehorcht. Und er kann das per Fingerschnippen bewerkstelligen. Es wäre nicht mehr als ein Klacks, denn er ist der einzige Magier weit und breit. Also MÜSSEN sich die Soldaten fügen, ob sie wollen oder nicht. Sie haben keine Wahl.
    >>>>> Buuuh! Böser Magiergeneral! Du fieser Kerl!
    Aber halt.

    Der General tut dies aber ebenfalls nicht freiwillig. Sein König hat seine Frau und sein Kind in der Gewalt und wird sie hinrichten lassen, wenn der General den grausamen Feldzug nicht ausführt. Also ist er dazu gezwungen, die Soldaten in das fremde Land zu führen, fast schon, sie einzeln über die Grenze zu knechten, wenn er seine Familie wiedersehen will.
    >>>>> Buuuh! Böser König! Es könnte alles so schön friedlich sein ohne dich!
    Aber halt.

    Der König jedoch, ist nicht mehr er selbst, sonder von einem Wesen besessen. Sein eigentlicher Verstand ist nur noch stummer Zuschauer und kann sich, gefangen in seinem eigenen Kopf, nicht gegen den Einfluss der Kreatur wehren und leidet mit jedem Befehl, der aus seinem eigenen, fremden Mund kommt, stille Qualen. Er war immer ein rechtschaffener Herrscher gewesen. Niemals hätte er solche Abscheulichkeiten zugelassen.
    >>>> Buuuh! Also ist das Wesen an allem Schuld!
    Aber halt.

    Doch dieses Wesen wird eigentlich vom Herrscher desjenigen Landes gejagt, dass es gerade attackiert und nach dessen Vernichtung es trachtet. Einst war der Geist nur eine geknechtete arme Seele, die seinem bösen Herrn entkommen ist und sich nur seiner Haut erwehren will, frei nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Und um nie wieder den unvorstellbaren Höllenqualen ausgesetzt zu sein, die sein Herr ihm angetan hat, schickt es nun seine eigene, gestohlene Streitmacht gegen den Unterdrücker.
    >>>> Buuhhh... also... sind die Guten jetzt... die Bösen? Ok. Buuuuh, nieder mit den Guten, die jetzt die Bösen sind!

    ... aber halt.


    Und hier rutscht die Moral, mit jeder weiteren Information, die der Leser bekommt, von einer Waagschale in die andere.
    Jetzt erschließt sich langsam das große Ganze und man fühlt sich als Leser... schlecht. Weil man dem Falschen Unrecht getan hat. Weil man begreift, dass sie alle nur Marionetten gewesen waren und dass man selbst den Umständen auf den Leim gegangen ist, ebenso wie der kleine dumme Fußsoldat, der es auch nicht besser wusste. Nun weiß man aber um den den Drahtzieher, den Oberbösewicht, das Böse in Person. Denjenigen, der den ganzen Hass und die Missgunst wirklich verdient hat, die bisher fälschlicherweise andere abbekommen haben! Es sei denn, uns offenbart sich wieder ein Motiv, das wir auf menschlicher Ebene nachvollziehen können und das unser Moralverständnis um den Finger wickelt, bis wir vielleicht sogar Mitleid mit dem Schlimmsten der Schlimmen haben.