Guten Tag, schenkt mir keine Beachtung, ich bin nur die Putzhilfe. *wedelt mit dem regenbogenfarbenen Staubwedel*
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Ich reaktiviere vorsichtig dieses Projekt, auch wenn ich zeitlich immer noch etwas gebunden bin. Es bessert sich aber.
Ich hoffe, ihr wisst alle noch, worum es halbwegs die letzten Male ging. Ansonsten schreien und ich lasse eine kleine Zusammenfassung per Brieftaube zukommen.
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Schweigend fuhren wir vom Haupthaus aus zurück Richtung Stadt. Je näher wir dieser kamen, desto intensiver umschlang uns künstliches Licht von Straßenlaternen, überdimensionalen Reklamen, Häusern und Ampeln. Nichts wollte den Tag der kommenden Nacht überlassen.
Die Zivilisation holte uns schneller ein als mir lieb war. So sehr ich versuchte, mich nicht in Gedanken zu verstricken, so hatte ich doch die Ruhe der Abgeschiedenheit ein wenig genossen.
Ich klammerte mich an Klagers Taille, während wir an Autos vorüberzogen, schloss die Augen, wann immer er beschleunigte. Mein Puls jagte mein Blut durch die Adern; zeitgleich nahm mich eine Leichtigkeit gefangen, überrumpelte mich, flüsterte mir ins Ohr, die Arme zu lösen und sie zu beiden Seiten auszubreiten. Ich drückte mich fester an Klager, der mir für einen Bruchteil einer Sekunde eine Hand auf meine verkrampften Finger legte.
Geschickt umfuhren wir den einen oder anderen Feierabendstau, arbeiteten uns tiefer in die Stadt vor, während sich die Häuser um uns herum merklich in die Höhe schraubten. Ich musterte die unnatürlich erstrahlenden, mit einem leichten Gelbstich versehenen Fassaden, blickte in vorbeiziehende Gesichter, von denen ich kaum mehr als Konturen erkannte.
In einem der belebteren Viertel des Stadtkerns hielten wir in einer Seitenstraße neben einer größeren Einkaufsmeile. Mehrstöckige, vollkommen verglaste Bauten erstreckten sich neben und vor uns.
Ich saß langsam ab und streifte den Helm ab, während ich mich neugierig umsah. Mein Blick schweifte über das erhellte Haus vor uns, musterte eine Reihe edel anmutender Restaurants und schicker Bars, die sich zu beiden Seiten angesammelt hatten. Mit dunklen Holzmöbeln eingerichtet, wirkten sie etwas zu verkrampft auf alt und doch modern getrimmt, mit ihren absichtlich dreckig wirkenden Lampen und gedämpften Lichtern.
»Wollten wir nicht bei dir kochen? Ich weiß nicht, ob ich das Geld dafür habe, hier etwas zu essen«, bemerkte ich bemüht gefasst, als ich stumm durchging, wo mein Geldbeutel überhaupt war und wie wenig sich darin noch befand.
Klager gesellte sich zu mir und nahm seinen Helm in die Hände, bevor er sich die platten Haare zurechtstrich. »Mach dir darum keine Sorgen. Ich wohne hier.«
Ich schnappte geräuschvoll nach Luft. »In einer Bar?«
»Mir gehört das ganze Haus«, bemerkte er monoton, schmiss die Lederhandschuhe in seinen Helm, bevor er mir den anderen abnahm. Blinzelnd und mit vielleicht zu großen Augen sah ich zu ihm herum. Seine unbewegliche Miene bröckelte und ein schiefes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. »Du müsstest dich jetzt sehen.« Er nickte die Glasfassade hinauf. »Ich wohne ganz oben zur Miete.«
»Ha, ha«, brummte ich und folgte Klager, der zu einem beinahe versteckten Eingang zwischen einem schummrigen Burgerrestaurant und einer blau erleuchteten Bar ging, in der sich bereits eine Reihe Gäste eingefunden hatte.
Ich presste die Lippen aufeinander und tapste meinem Kollegen zu einem gläsernen Innenlift hinterher. Derweil hatte ich beständig das Gefühl, die filigranen, hellen Bodenfließen mit meinen grobschlächtigen Schritten zu zertrampeln. Ich war nun einmal keine grazile Ballerina.
Im Aufzug schnaufte ich tief durch. »Und Schmitti ist regelmäßig hier?«
»Bisher nur einmal«, sagte Klager, der dabei auf seine lackierten Schuhe sah. Ein paar Spritzer Dreck rieb er wie beiläufig an den Waden fort.
»Aha.« Wieder verfielen wir in Schweigen. Ich starrte auf meine Sneaker, selbst als wir den Lift wieder verließen und schließlich den kurzen Gang zu einer von zwei Wohnungstüren stiefelten. Flüchtig warf ich einen Blick auf das Klingelschild der anderen Wohnung. Mit gerunzelter Stirn musterte ich jenes direkt vor mir.
Bevor ich etwas sagen konnte, kam Klager mir zuvor. »Mein Bruder.«
»Du hast einen Bruder?«, schoss es schneller über meine Lippen, als dass mein Hirn diese dümmliche Frage wieder zum Verstummen bringen konnte. Innerlich verpasste ich mir selbst eine Kopfnuss.
Mein Kollege lächelte schwach. »Und eine Schwester. Die wohnt auf dem Land bei unseren Eltern«, erklärte er beim Aufschließen.
»Du kommst also vom Land«, stellte ich erneut laut fest und ohrfeigte mich in Gedanken, während ich endlich Klagers Wohnung betrat. Wieso musste ich mich manchmal nur so selten dämlich anstellen?
Statt in einem Flur landete ich direkt in einem Wohnraum, der durch seine schlichte Einrichtung auffiel. Rechterhand sah ich mich anders als erwartet keiner riesigen Fensterfront gegenüber, die wahrscheinlich einen fantastisch kitschigen Blick über die Innenstadt geboten hätte. Stattdessen begrüßte mich ein mit Grünpflanzen zugestelltes, kleines Fenster, davor ein abgewetztes Ledersofa mit ordentlich aufgereihten Kissen und einer darüber ausgebreiteten Decke. Links und rechts an den Wänden stand jeweils eine Reihe Bücherregale. Einen Fernseher suchte ich in diesem Moment vergebens. Das einzig weitere Möbelstück war eine Anrichte direkt neben dem Eingang, auf der sich etliche Fotorahmen zusammenkuschelten.
Eine halb geöffnete Tür links vom Eingang führte in einen weiteren Raum, der sich nach einem raschen Blick als Klagers Schlafzimmer entpuppte. Mehr als ein ungemachtes Bett in einem abgedunkelten Zimmer erkannte ich allerdings nicht, bevor Klager die Tür zuzog.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte mein Kollege, legte seine Lederjacke über die Rückenlehne des Sofas und verschwand plötzlich um eine Ecke.
»Tee wäre nett«, murmelte ich, streifte meine eigene Jacke ab und klammerte mich an ihr fest. Ich strich mit den Fingern über die Anrichte, erwartete Staub wie bei Schmitti, doch meine Finger blieben sauber. Dabei schweifte mein Blick über die Fotografien. Die meisten davon zeichneten eine freudige Erinnerung von drei jungen Leuten vor sonnigen oder verschneiten Urlaubsmotiven, an Stränden oder vor Bergen mit schneebedeckten Gipfeln, stets mit einem Grinsen auf den Gesichtern. Im ersten Moment erkannte ich weder Klager noch die Ähnlichkeit zu den beiden anderen Personen. Dieser Klager auf den Bildern war mir fremd. Eines der Fotos zeigte wiederum ein älteres Pärchen vor einem heruntergekommenen Bauernhäuschen. Ich beugte mich ein wenig nach vorn, kniff die Augen zusammen und lächelte, als ich in einem offenen Scheunentor einen jungen Mann in Latzhose und Gummistiefeln entdeckte.
Ein letztes Bild stand etwas abseits von den anderen, doch als ich es mir gerade genauer betrachten wollte, klappte Klager den Rahmen um. Erschrocken wandte ich mich zu ihm, der mir mit ruhiger Miene eine dampfende Tasse hinhielt.
»Ich wollte nicht neugierig sein«, bemerkte ich wie ertappt, obwohl ich nicht einmal wusste, weswegen ich mich schämen sollte. Ungelenk nahm ich die Tasse entgegen, verfrachtete sie von der einen in die andere Hand, um erstere leise fluchend auszuschütteln.
Klagers Mundwinkel zuckten kurz, dann wurde seine Miene wieder wie ein ruhiger See.