Beiträge von Kitsune im Thema „Greta [Arbeitstitel]“

    Guten Tag, schenkt mir keine Beachtung, ich bin nur die Putzhilfe. *wedelt mit dem regenbogenfarbenen Staubwedel*


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    Ich reaktiviere vorsichtig dieses Projekt, auch wenn ich zeitlich immer noch etwas gebunden bin. Es bessert sich aber.
    Ich hoffe, ihr wisst alle noch, worum es halbwegs die letzten Male ging. Ansonsten schreien und ich lasse eine kleine Zusammenfassung per Brieftaube zukommen.


    ~+~+~

    Schweigend fuhren wir vom Haupthaus aus zurück Richtung Stadt. Je näher wir dieser kamen, desto intensiver umschlang uns künstliches Licht von Straßenlaternen, überdimensionalen Reklamen, Häusern und Ampeln. Nichts wollte den Tag der kommenden Nacht überlassen.
    Die Zivilisation holte uns schneller ein als mir lieb war. So sehr ich versuchte, mich nicht in Gedanken zu verstricken, so hatte ich doch die Ruhe der Abgeschiedenheit ein wenig genossen.
    Ich klammerte mich an Klagers Taille, während wir an Autos vorüberzogen, schloss die Augen, wann immer er beschleunigte. Mein Puls jagte mein Blut durch die Adern; zeitgleich nahm mich eine Leichtigkeit gefangen, überrumpelte mich, flüsterte mir ins Ohr, die Arme zu lösen und sie zu beiden Seiten auszubreiten. Ich drückte mich fester an Klager, der mir für einen Bruchteil einer Sekunde eine Hand auf meine verkrampften Finger legte.
    Geschickt umfuhren wir den einen oder anderen Feierabendstau, arbeiteten uns tiefer in die Stadt vor, während sich die Häuser um uns herum merklich in die Höhe schraubten. Ich musterte die unnatürlich erstrahlenden, mit einem leichten Gelbstich versehenen Fassaden, blickte in vorbeiziehende Gesichter, von denen ich kaum mehr als Konturen erkannte.
    In einem der belebteren Viertel des Stadtkerns hielten wir in einer Seitenstraße neben einer größeren Einkaufsmeile. Mehrstöckige, vollkommen verglaste Bauten erstreckten sich neben und vor uns.
    Ich saß langsam ab und streifte den Helm ab, während ich mich neugierig umsah. Mein Blick schweifte über das erhellte Haus vor uns, musterte eine Reihe edel anmutender Restaurants und schicker Bars, die sich zu beiden Seiten angesammelt hatten. Mit dunklen Holzmöbeln eingerichtet, wirkten sie etwas zu verkrampft auf alt und doch modern getrimmt, mit ihren absichtlich dreckig wirkenden Lampen und gedämpften Lichtern.
    »Wollten wir nicht bei dir kochen? Ich weiß nicht, ob ich das Geld dafür habe, hier etwas zu essen«, bemerkte ich bemüht gefasst, als ich stumm durchging, wo mein Geldbeutel überhaupt war und wie wenig sich darin noch befand.
    Klager gesellte sich zu mir und nahm seinen Helm in die Hände, bevor er sich die platten Haare zurechtstrich. »Mach dir darum keine Sorgen. Ich wohne hier.«
    Ich schnappte geräuschvoll nach Luft. »In einer Bar?«
    »Mir gehört das ganze Haus«, bemerkte er monoton, schmiss die Lederhandschuhe in seinen Helm, bevor er mir den anderen abnahm. Blinzelnd und mit vielleicht zu großen Augen sah ich zu ihm herum. Seine unbewegliche Miene bröckelte und ein schiefes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. »Du müsstest dich jetzt sehen.« Er nickte die Glasfassade hinauf. »Ich wohne ganz oben zur Miete.«
    »Ha, ha«, brummte ich und folgte Klager, der zu einem beinahe versteckten Eingang zwischen einem schummrigen Burgerrestaurant und einer blau erleuchteten Bar ging, in der sich bereits eine Reihe Gäste eingefunden hatte.
    Ich presste die Lippen aufeinander und tapste meinem Kollegen zu einem gläsernen Innenlift hinterher. Derweil hatte ich beständig das Gefühl, die filigranen, hellen Bodenfließen mit meinen grobschlächtigen Schritten zu zertrampeln. Ich war nun einmal keine grazile Ballerina.
    Im Aufzug schnaufte ich tief durch. »Und Schmitti ist regelmäßig hier?«
    »Bisher nur einmal«, sagte Klager, der dabei auf seine lackierten Schuhe sah. Ein paar Spritzer Dreck rieb er wie beiläufig an den Waden fort.
    »Aha.« Wieder verfielen wir in Schweigen. Ich starrte auf meine Sneaker, selbst als wir den Lift wieder verließen und schließlich den kurzen Gang zu einer von zwei Wohnungstüren stiefelten. Flüchtig warf ich einen Blick auf das Klingelschild der anderen Wohnung. Mit gerunzelter Stirn musterte ich jenes direkt vor mir.
    Bevor ich etwas sagen konnte, kam Klager mir zuvor. »Mein Bruder.«
    »Du hast einen Bruder?«, schoss es schneller über meine Lippen, als dass mein Hirn diese dümmliche Frage wieder zum Verstummen bringen konnte. Innerlich verpasste ich mir selbst eine Kopfnuss.
    Mein Kollege lächelte schwach. »Und eine Schwester. Die wohnt auf dem Land bei unseren Eltern«, erklärte er beim Aufschließen.
    »Du kommst also vom Land«, stellte ich erneut laut fest und ohrfeigte mich in Gedanken, während ich endlich Klagers Wohnung betrat. Wieso musste ich mich manchmal nur so selten dämlich anstellen?
    Statt in einem Flur landete ich direkt in einem Wohnraum, der durch seine schlichte Einrichtung auffiel. Rechterhand sah ich mich anders als erwartet keiner riesigen Fensterfront gegenüber, die wahrscheinlich einen fantastisch kitschigen Blick über die Innenstadt geboten hätte. Stattdessen begrüßte mich ein mit Grünpflanzen zugestelltes, kleines Fenster, davor ein abgewetztes Ledersofa mit ordentlich aufgereihten Kissen und einer darüber ausgebreiteten Decke. Links und rechts an den Wänden stand jeweils eine Reihe Bücherregale. Einen Fernseher suchte ich in diesem Moment vergebens. Das einzig weitere Möbelstück war eine Anrichte direkt neben dem Eingang, auf der sich etliche Fotorahmen zusammenkuschelten.
    Eine halb geöffnete Tür links vom Eingang führte in einen weiteren Raum, der sich nach einem raschen Blick als Klagers Schlafzimmer entpuppte. Mehr als ein ungemachtes Bett in einem abgedunkelten Zimmer erkannte ich allerdings nicht, bevor Klager die Tür zuzog.
    »Möchtest du etwas trinken?«, fragte mein Kollege, legte seine Lederjacke über die Rückenlehne des Sofas und verschwand plötzlich um eine Ecke.
    »Tee wäre nett«, murmelte ich, streifte meine eigene Jacke ab und klammerte mich an ihr fest. Ich strich mit den Fingern über die Anrichte, erwartete Staub wie bei Schmitti, doch meine Finger blieben sauber. Dabei schweifte mein Blick über die Fotografien. Die meisten davon zeichneten eine freudige Erinnerung von drei jungen Leuten vor sonnigen oder verschneiten Urlaubsmotiven, an Stränden oder vor Bergen mit schneebedeckten Gipfeln, stets mit einem Grinsen auf den Gesichtern. Im ersten Moment erkannte ich weder Klager noch die Ähnlichkeit zu den beiden anderen Personen. Dieser Klager auf den Bildern war mir fremd. Eines der Fotos zeigte wiederum ein älteres Pärchen vor einem heruntergekommenen Bauernhäuschen. Ich beugte mich ein wenig nach vorn, kniff die Augen zusammen und lächelte, als ich in einem offenen Scheunentor einen jungen Mann in Latzhose und Gummistiefeln entdeckte.
    Ein letztes Bild stand etwas abseits von den anderen, doch als ich es mir gerade genauer betrachten wollte, klappte Klager den Rahmen um. Erschrocken wandte ich mich zu ihm, der mir mit ruhiger Miene eine dampfende Tasse hinhielt.
    »Ich wollte nicht neugierig sein«, bemerkte ich wie ertappt, obwohl ich nicht einmal wusste, weswegen ich mich schämen sollte. Ungelenk nahm ich die Tasse entgegen, verfrachtete sie von der einen in die andere Hand, um erstere leise fluchend auszuschütteln.
    Klagers Mundwinkel zuckten kurz, dann wurde seine Miene wieder wie ein ruhiger See.

    @Xarrot @Rebirz ( Rainbow)

    Bevor es untergeht, kurze Zwischenmeldung.
    Ich komme derzeit mal wieder überhaupt nicht voran. Das liegt zum einen daran, dass ich mich selbst behindere, und zum anderen ich bis Juli/August wahrscheinlich keinen freien Kopf für Geschichten haben werde. Weder von anderen noch bei meinen eigenen.
    Deshalb habe ich mich entschlossen, auch dieses Projekt erst einmal zu pausieren. Vielleicht kommt in dem Zeitraum eine Kleinigkeit, aber zur Zeit wären die Abstände einfach zu groß.
    Hoffe, dass ihr die Geschichte nicht vergessen werdet.

    Jedenfalls: Bis die Tage. =)

    @Rebirz
    Ja, manchmal dauert es ein wenig, aber auch wenn ich es zwischenzeitlich ein weeeenig verflucht habe, gebe ich das hier nicht auf. Frage ist nur, wie spannend es momentan überhaupt ist. :/
    Weil - allein von Gesprächen geht's net weiter. xD

    ___

    Bin mir uneins, ob der nächste Abschnitt die nächste Überarbeitung so überleben wird, aber irgendwie muss es weitergehen.

    ~+~+~

    Meine Wangen glühten, während sich meine Hände eiskalt anfühlten. Die anfängliche Erleichterung wandelte sich erneut in Schuld, die schwer auf die Brust drückte. Wie konnte ich Hans einfach allein lassen?
    Ich merkte nicht, wie Klager sich neben mich stellte, wurde mir dessen erst bewusst, als seine Finger auf meiner Schulter ruhten. Er sagte nichts, worüber ich froh war. Langsam senkte ich die Lider, zählte stumm bis zehn, bevor ich tief ein- und ausatmete. Mein Brustkorb fühlte sich weiterhin an, als lägen mehrere Ziegelsteine darauf. Stumm löste ich mich von meinem Kollegen, schob mit klammen Fingern Schmittis Stuhl zurück an seinen Platz.
    »Lass uns Feierabend machen«, bemerkte Klager, der mich aufmerksam beobachtete. »Für heute kommen wir ohnehin nicht weiter.«
    Mit gerunzelter Stirn schaute ich erst zu ihm, dann zu dem kleinen Haufen an Akten auf meinem Tisch, die ich eigentlich noch hatte durcharbeiten wollen. Ich wollte bereits protestieren, brachte jedoch keinen Ton heraus. Wusste ich doch ganz genau, dass ich nur auf verschwimmende Buchstaben starren würde. Also gab ich klein bei.
    Klager reichte mir wortlos meine Jacke, bevor er in seinen eigenen kleinen Raum verschwand, um seine Sachen zu holen. Ich kramte mein Handy aus meiner Hosentasche, stutzte, als direkt eine Nachricht aufploppte. Manchmal erschreckte ich regelrecht, wenn Schmitti genau in dem Moment schrieb, in dem ich vorhatte mich selbst zu melden.Als ich die Nachricht überflog, runzelte ich die Stirn.
    »Ist etwas passiert?«, fragte Klager, der in Lederjacke und mit seinem Helm unter den Arm geklemmt zurückkam.
    »Schmitti ist bei Noah«, antwortete ich, überrascht, dass er noch nicht abgehauen war. »Wir sollen ohne ihn Feierabend machen.«
    Klager schnaubte. »Hat die kleine Ratte doch ihren Willen bekommen.«
    Ich sah auf. »Was hat er angestellt?«
    Seufzend verstaute mein Kollege sein eigenes Telefon im Inneren seiner Jacke. »Er hat ihn gelockt, mehr über mich herauszufinden. Natürlich hat er es ihm gerade so laut vorgeschlagen, dass ich es nicht überhören konnte.«
    Ich schob die Brauen zusammen. Dass Schmitti auf so etwas eingehen würde, konnte ich mir zwar gut vorstellen, aber … »Warum erzählst du ihm das nicht? So quasi als – Mann im Mittelpunkt?«
    Klager zuckte kaum sichtlich mit den Schultern. »Er könnte ja einfach fragen.«
    Ich stöhnte auf, rieb mir gleichzeitig die Stirn. »Worüber redet ihr eigentlich die ganze Zeit, wenn ich nicht dabei bin? Übers Stricken?« Genervt schloss ich das Fenster neben Schmittis Schreibtisch und löschte die Lichter, während draußen neuerliche Blitze durch die Wolkendecke zuckten. Eine Antwort blieb mein Kollege mir schuldig. Stattdessen wich er meinem Blick aus, bevor er mir den Rücken zukehrte und den Raum verließ.
    »Aber du weißt, dass Schmitti dich mag, oder?«, fragte ich etwas zu laut und folgte ihm nach draußen.
    Klager schloss etwas zu energisch das Büro ab. »Anscheinend aber nicht genug, um mehr von mir als Person wissen zu wollen«, brummte er.
    »Das glaub ich nicht«, sagte ich, folgte ihm hastig den Gang hinab, bis ich ihn mit großen Schritten einholte. »Viel wahrscheinlicher ist, dass er sich nicht traut.«
    Klager prustete, ein Geräusch, das bizarr aus seinem Munde klang. »Schwer vorstellbar bei seiner großen Klappe«, raunte er.
    Abrupt blieb ich vor dem Fahrstuhl am Ende des Flures stehen, wobei Klager fast in mich hineinlief. Energisch tippte ich mit dem Zeigefinger gegen seine Brust. »Du bist genauso oberflächlich wie er, weißt du das? Ernsthaft, worüber habt ihr euch bisher unterhalten? Was wisst ihr voneinander?«
    »Gegenfrage: Was wissen wir denn schon voneinander?« Klager schnaubte, während er den Aufzug rief. »Ich bin seit drei Monaten in eurem Team und bisher haben wir kaum mehr als über die Arbeit gesprochen.« Er musterte mich von schräg oben. »Ehrlich gesagt seid ihr mir beide ein Buch mit sieben Siegeln. Alles was ich über dich und Schmitt weiß, habe ich aus Gesprächen zwischen dir und ihm.«
    Einen Moment wusste ich nichts zu erwidern. Er hatte recht. Schmitti und ich waren es zu sehr gewohnt, uns in- und auswendig zu kennen – und zudem nur als Zweierteam zu arbeiten. Uns kam gar nicht in den Sinn, etwas vom jeweils anderen nicht zu wissen. Wir hatten keine Ahnung, wie es anderen ergehen musste dabei.
    Wahrscheinlich hatte uns der Chef deswegen einen dritten Mann aufgebrummt.
    »Greta?« Klagers ruhiger Tenor riss mich gemeinsam mit dem Öffnen der Fahrstuhltür aus den Gedanken.
    Kopfschüttelnd ging ich an meinem Kollegen vorbei. Ich kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe, während wir schweigend hinabfuhren und draußen vor dem Haus schlussendlich vor Klagers Motorrad stehenblieben. Leichte, kleine Tropfen besprenkelten unsere Gesichter, während über uns lauter Donner grollte.
    Wortlos hielt Klager mir einen Ersatzhelm hin, von dem ich nicht wusste, woher er ihn so unvermittelt gezaubert hatte. Ungewollt griff ich danach, starrte darauf wie auf ein exotisches Tier.
    »Vorschlag«, begann Klager, der aus seinem Helm Handschuhe holte und hineinschlüpfte. »Ich koche uns etwas, bei mir. Und dann reden wir einfach?«
    Langsam hob ich den Blick, musterte seine dunklen Augen. Im Licht einer Außenlampe neben uns an der Wand erkannte ich in seiner rechten Iris einen schwarzen Fleck, dessen Ränder ausgefranst wirkten. Wieso war er mir vorher nie aufgefallen?
    Ich zuckte zusammen, als Klager einen Schritt auf mich zumachte. Es irritierte mich seit jeher, zu ihm aufblicken zu müssen. Die meisten Männer waren sonst auf meiner Augenhöhe oder sogar kleiner als ich.
    »Grenze«, flüsterte ich, als er nun dicht vor mir stand, und drückte meine Finger gegen das weiche Leder seiner Jacke. Ich senkte die Lider, schlug sie jedoch sofort entschlossen wieder auf, verfing mich einen Moment im Anblick des Flecks in seinem Auge, bevor ich tief Luft holte. Da war noch etwas anderes, das mich innehalten ließ. Ein Geruch, der einen Schauer über meinen Rücken jagte. Feuchte, frisch aufgewühlte Erde. Ich schnappte einen Moment nach Atem.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Klager, wollte nach meinem Arm greifen, als ich merkte, dass mir beinahe die Beine wegsackten. Ungewollt schlug ich seine Hand fort und taumelte einen Schritt zurück.
    Ich kannte diesen Geruch – und er bedeutete nie etwas Gutes. Hastig sah ich zu meinem Kollegen zurück, der mich mit unruhigem Blick betrachtete. Noch einmal traf mich eine Welle, die meine Knie weich werden ließ. Dann war es mit einem Mal verschwunden. Von jetzt auf gleich roch ich nur mehr den nahenden Regen und das feuchte Leder seiner Kleidung.
    Zittrig atmete ich ein und aus. Schluckte den Klumpen in meinem Hals herunter.
    »Geht es?«, bemerkte Klager gefasst, während er mir den Abstand gewährte, den ich in diesem Moment brauchte. Dennoch entgingen mir weder die Furche zwischen seinen Brauen noch das ungewohnte Zucken seiner Lider. Als hätte meine Reaktion eine Wunde in ihm aufgerissen.
    Seltsamerweise beruhigte mich dieser Gedanke. Das Zittern verebbte, als ich mich gerade aufrichtete. Obwohl ich zögerte, mich ihm wieder zu nähern, machte ich kleine Schritte auf ihn zu. Nein, der Geruch war verschwunden. Ein mulmiges Gefühl blieb.
    Was, wenn ich mich getäuscht hatte?
    »Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte Klager, doch die Ruhe in seiner Stimme klang fremd, beinahe verzerrt.
    Ich schüttelte den Kopf, presste den Helm, den meine Linke umklammert hielt, gegen meine Seite.
    »Dein Vorschlag klingt gut«, setzte ich unser Gespräch etwas stockend fort. »Du kochst für uns. Und währenddessen reden wir.« Es gibt einiges, das ich über dich wissen möchte, fügte ich gedanklich hinzu.

    @Xarrot
    Weil ich gerade Zeit habe ...

    Ääääh, warte, was?! Vögelt Schmitti jetzt etwa auch noch den Chef? Wenn das Klager erfährt ...

    Oh Gott, Hilfe! xD Wenn das so rüberkommt, dann muss ich das polieren. Halt, das klingt auch falsch ... Eh ... Jedenfalls ... Nein! xD Jetzt habe ich Bilder im Kopf, die ich nicht haben wollte.

    "AAAH! ICH MUSS NOCH DEN BERICHT FERTIG SCHREIBEN UND BEIM CHEF ABGEBEN! AAAAAAAAAAAAAAAAAH!"

    :rofl: Ich glaube, das ist das kleine Männchen in Gretas Kopf.

    Jedenfalls Danke für die Herr der Ringe Parallelen. :D Die bekomme ich jetzt auch nicht so schnell weg.
    Und: Ich werde diese Woche noch den nächsten Abschnitt reinstellen. *voll motiviert*

    Ja, ich lebe. Ja, es geht weiter. Ja, ich habe es wieder nicht geschafft, zeitgleich auf eure Kommentare einzugehen - wobei da nicht viel ist, worauf ich eingehen könnte. Mir bleibt nur zu sagen, dass ich mich im letzten Teil einfach wahnsinnig schwer mit dem Schreiben getan habe, weil ich den dreimal umgeworfen habe, bis er stand wie er jetzt steht.

    Wie dem auch sei, ich danke euch wie immer für eure Worte. Genauso wie es mich freut, dass ihr den guten Dieter gelungen findet. So viele Auftritte wird er leider nur nicht haben.

    So, weiter geht's. Habe die letzten Wochen etwas weiter vorausgeschrieben und möchte das eigentlich beibehalten, deswegen kommen die nächsten Teile wohl nun wieder etwas schneller und regelmäßiger.

    ~+~+~


    Den gesamten Tag versuchte ich, meinen Kopf mit sinnvollen Dingen zu beschäftigen. Ich beschloss, mich konzentriert erneut unserem Fall zu widmen, doch meine Gedanken gingen weiterhin auf Wanderschaft. Entweder kehrten sie Wort für Wort zurück zum Gespräch mit dem Chef, rätselten um die Begegnung mit Leo oder ließen sich von Hans‘ Nähe einfangen, der am Fenster auf Schmittis Stuhl hockend die Nase an die Scheibe drückte. So stark, dass sogar mir die Nasenspitze juckte.
    Schmitti selbst war nach meiner Rückkehr grummelnd Richtung Büro des Chefs verschwunden und seitdem nicht wieder aufgetaucht. Wahrscheinlich würde er es auch nicht mehr. Die Unterredungen zwischen den beiden endeten immer darin, dass mein alter Freund sofort nach Hause fuhr, während der Chef urplötzlich einen Außentermin zu pflegen hatte.
    Klager saß derweil halb auf der Fensterbank auf Schmittis Seite des Büros und sah seit geschlagenen zwei Stunden nachdenklich hinaus. Ich folgte für den Moment seinem Blick. In tiefgrauen Wolken flammte eine kurze Folge von Blitzen auf. Instinktiv rutschte ich ein wenig von meinem Schreibtisch fort, auch wenn ich wusste, dass das magische Blitzen in den Lampen bereits vor Wochen von Leo behoben worden war. Dennoch kostete es mich einiges an Überwindung, mich mitsamt Stuhl zurück an den Tisch zu ziehen. An meinem rechten Unterarm juckte die verblasste flache Narbe, die ich einem dieser Blitze zu verdanken hatte. Weder unser Hausarzt noch Leo hatten sie vollständig verschwinden lassen können.
    Seufzend zog Klager unterdes ein schwarzes Lacketui aus der Brusttasche seines Hemdes, fischte eine Zigarette heraus und öffnete das Fenster. Eine frische Brise hob raschelnd die Zettel auf Schmittis Tisch an. Zeitgleich trug der leise Wind einen Hauch von Regen mit hinein, während draußen Donner grollte.
    »Du rauchst viel heute«, bemerkte ich, ohne zu ihm zu sehen. Stattdessen las ich zum gefühlt zwanzigsten Mal einen Satz in der Akte von Hahnstein, verstand aber den Sinn dahinter noch nicht. Alle Buchstaben verschwammen nur mehr. Leise stöhnend gab ich auf, rieb mir mit den Knöcheln der Zeigefinger über die Augen, bis sie schmerzten.
    Ich spürte, wie Klager den Blick mir zuwandte. »Entschuldige«, sagte er lediglich, doch ich winkte ab.
    »Mir soll es egal sein, lass das nur den Chef nicht wissen. Rauchen ist im Gebäude verboten.«
    Deutlich hörte ich Klagers Schmunzeln in der Stimme, als er sagte: »Dann passe ich mich wohl langsam den Gepflogenheiten des Teams an.«
    Ich senkte die Hände, blinzelte mit schiefgelegtem Kopf zu ihm. »Wird ja auch Zeit.«
    Seine Mundwinkel glitten herab; zwischen seinen linken Fingern zwirbelte er die unverbrauchte Zigarette. »Alles in Ordnung?«
    Ich kräuselte die Stirn. Fragte er das allen Ernstes? Einen Moment war ich geneigt, laut loszulachen. Andererseits war da wieder diese Furche zwischen seinen Brauen, also schluckte ich jegliche bissige Bemerkung herunter. Demonstrativ schlug ich die Akte zu und faltete die Hände darüber, bevor ich mich über den Tisch beugte. »Was hältst du davon, wenn wir heute Abend ausgehen.«
    Kaum hatte ich das Wort »ausgehen« über die Lippen gebracht, fiel Klager die Zigarette aus der Hand. Hastig beugte er sich hinab und ich hörte noch den dumpfen Aufprall, als sein Kopf Bekanntschaft mit der Tischplatte machte.
    Hastig stand ich auf, kam zu ihm herum und sah noch, wie er sich die Stirn rieb. »Alles okay?«
    »Was? J-ja.« Er räusperte sich, richtete sich auf und strich sich das schwarze Hemd glatt. »Entschuldige. Was hattest du gefragt?«
    Meine Nasenspitze zuckte kurz. »Gehen wir heute Abend aus?«
    »Allein?«
    Irrte ich mich oder schoss dem sonst blassen Klager in diesem Moment Farbe ins Gesicht? Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Das soll kein Date werden.«
    »D-das dachte ich auch nicht. Es - es ist nur - nur das erste Mal, dass du mich fragst und nicht Schmitt.«
    »Siehst du Schmitti hier irgendwo?« Ich neigte den Kopf erneut. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie Hans derweil herausfand, dass man sich mit dem Stuhl drehen konnte.
    »Nein«, antwortete Klager mit einer Spur seiner sonstigen Ruhe.
    »Also. Ausgehen. Heute Abend? Du entscheidest wohin.«
    Es war amüsant zu sehen, wie viel Klagers sonst stoisches, fast schon ausdrucksloses Gesicht mitzuteilen bereit war, wenn er anscheinend nicht recht wusste, was er erwidern sollte. Seine Mundwinkel zuckten, die Ränder seiner Augen zierten erste kleine Fältchen und selbst die Furche vertiefte sich, nur um sich einen Moment später zu glätten. Zudem wusste Klager nicht recht, wohin mit seinen Händen. Mal stemmte er sie in die Seiten, dann ließ er sie lässig zu den Seiten herabbaumeln, bevor er sie letztendlich in die Hosentaschen steckte.
    Innerlich fragte ich mich, ob Schmitti diese Seite von ihm kannte und ob ich wieder die Einzige war, die dieses Schauspiel bisher verpasst hatte. Mein Entschluss stand fest. Ich musste endlich mehr über ihn in Erfahrung bringen. Schon allein, um Noahs Plappermaul zuvorzukommen.
    »Also?«, drängte ich, während ich mit flauem Magen entdeckte, dass Hans sich mehrfach im Kreis drehte.
    Klager streckte den Rücken durch, straffte die Schultern und sah mit festem Ausdruck zu mir. »Gern.«
    Ein Klopfen ließ uns beide zusammenzucken. Leise fluchend drehte ich mich herum, als Leo bereits den Kopf ins Zimmer streckte. »Störe ich?«
    Bei ihrem Anblick zog sich meine Brust zusammen. Unwillkürlich huschte mein Blick zu Hans, der genau so den Stuhl stehenbleiben ließ, als er Leo direkt anschaute. Sein Gesicht war so unbewegt wie immer, doch mir entging das schwache Funkeln in seinen stechenden Augen nicht. Er musterte Leo eingehend, die hingegen keinen zweiten Blick für ihn übrig hatte, als sie die Tür von innen schloss. Mit vor der Brust verschränkten Armen stellte sie sich mir gegenüber. Noch immer trug sie diesen unsagbar hässlichen Anzug, der ihr partout nicht stehen wollte und dessen Jackett sich vor ihrer Brust aufplusterte. »Schau mich nicht so an.«
    Ertappt senkte ich die Lider. Ich merkte, wie verspannt sich mein Gesicht anfühlte, also lockerte ich meine Kiefernmuskeln. Beinahe hätte ich mir zusätzlich kreisend die Wangen mit den Fingerspitzen gerieben, doch ich beherrschte mich.
    »Ich weiß, dass es dir nicht gefällt, aber Hans …«, begann Leo, doch ich unterbrach sie augenblicklich.
    »Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, dass er es gut bei dir haben wird.« Ich versuchte zu lächeln, als ich zu ihr aufsah, doch sofort tat mir jeder Gesichtsmuskel weh. Gezwungenermaßen senkte ich die Mundwinkel.
    Leo runzelte die Stirn, ohne jedoch etwas zu erwidern. Derweil wandte ich mich etwas zu schwungvoll zu Hans herum. »Du gehst heute mit Leo nach Hause. Verstehst du?«
    Hans sah ohne Blinzeln zu mir. Ich wollte ihn anlächeln, doch meine Lippen fühlten sich wie festgefroren an. »Und du bleibst bei ihr. Verstanden? Du kommst nicht zu mir. Du wirst es gut bei ihr haben. Nur solange, bis wir wissen …« Ich stockte. Wusste ich wirklich, ob er zu mir zurückkommen würde? In mir sträubte sich weiterhin alles, ihn in fremde Obhut zu geben. Und doch machte sich ein Hauch von Erleichterung breit, zu wissen, dass er dann nicht mehr mein Problem war.
    Doch ich hatte eine ungesunde Vorliebe für Probleme.
    Hans stierte weiterhin unbewegt zu mir, während sich kaum sichtbar seine Nasenflügel aufblähten.
    »Gretchen, wir testen es ja nur. Der Chef möchte nicht, dass du dir zu viel aufbürdest, zumal wir immer noch nicht wissen, was Hans genau ist«, versuchte Leo die Situation ein wenig zu entspannen.
    Klager räusperte sich. »Es wird das Beste sein, wenn ›Hans‹ in magische Hände gelangt. Und für dich immerhin besser als bei den Spezialisten, oder nicht?«
    Ich war kurz davor aufzuschreien, presste jedoch die Lippen aufeinander. Was die beiden sagten, wusste ich alles und ich war bereit, doch als ich nun Hans direkt in die Augen schaute, fühlte ich mich auch unsagbar schuldig, ihn einfach weiterzureichen. Die Hoffnung, dass er später einfach wieder in meiner Wohnung auftauchte wie zu unserer ersten Begegnung, blieb ebenfalls.
    Durch meinen Magen rumorte es, während vor den Fenstern ein greller Blitz durch die Wolken rauschte. Keine Sekunde wandte ich mich von Hans ab, bis Leo eine Hand auf meine Schulter legte.
    »Gretchen«, flüsterte sie an mein Ohr, während ihre Wärme in meinem Rücken mir einen Schauer über selbigen jagte, »lass ihn los.«
    Kaum hatte sie ausgesprochen, wurde mein Kopf leichter und das Ziehen in der Brust ließ nach. Ich holte tief Luft, blinzelte mehrmals, um das trockene Gefühl in den Augen loszuwerden. Im selben Moment ließ Hans die Schultern sinken. Fast sah es aus, als würde er den Mund verziehen, doch als ich ein zweites Mal hinschaute, hatte er das Gesicht bereits zurück zum Fenster gedreht. Schließlich kehrte er mir den Rücken zu. Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass er mich von nun an nur noch ignorierte. Als Leo sich leise von mir löste, um Hans an der Hand zu nehmen, richtete sich seine Aufmerksamkeit auf seine eigenen Füße, die noch immer in meinen ausgelatschten Turnschuhen steckten.
    Ich hörte kaum noch, wie Leo sich verabschiedete. Stattdessen starrte ich auf das schmächtige Kreuz von Hans, bis es hinter der sich schließenden Tür verschwand.

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    Es lebt!
    Es tut mir so leid, dass das Ganze hier so eingeschlafen ist. Ich kann nicht einmal fürs nächste Mal Besserung geloben, da ich nicht weiß, wie ich das Schreiben momentan packe.

    Nebenbei: Ich geh später noch auf Kommentare ein. u.u"

    Für alle, die nicht mehr wissen, worum es ging, eine kurze Zusammenfassung:

    Greta findet bei einer Untersuchung eine geheimnisvolle Schatulle. Und nicht nur das.
    Schnell stellt sich Hans, das merkwürdige, stumme Wesen als ziemlich anhänglich heraus - und knüpft eine Verbindung nicht nur zu dem vermissten Hexer von Hahnstein, sondern auch zu Ober, einem längst Totgeglaubten.
    Doch es scheint auch eine Verbindung zu Greta zu geben, denn mit einem Mal empfindet sie viel intensiver als sie je für möglich hielt. Und manchmal spürt sie ein zweites Herz.
    Gemeinsam mit ihren Freunden und Kollegen versucht sie dem Geheimnis weiter auf die Spur zu kommen.
    Ist Hans wirklich ein Homunkulus wie der Spezialist Noah behauptet? Und was steckt hinter der Ähnlichkeit von Hahnstein und Ober?

    -

    Ich bin mit dem neuen Abschnitt nicht ganz zufrieden, was vor allem daran liegt, dass ich den Teil mindestens dreimal neu- und noch viel mehr umgeschrieben habe. Mal schauen. Viel Spaß.


    Eine Kopie, zwei Kaffee und ein großes Stück Streuselkuchen später ging es mir besser. Der dumpfe Druck an Stirn und Schläfen ließ nach, ebenso wie das beklemmende Gefühl in der Brust. Nur meine Gedanken schwirrten weiterhin kreuz und quer. Ich befürchtete, etwas Wichtiges zu übersehen, konnte aber den Finger nicht auf die Einzelheiten legen. Seufzend beschloss ich, noch einmal nach und nach alle Fakten unseres Falls durchzugehen.
    Ich mopste mir von der Anrichte ein weiteres Stück Kuchen und bog von der Küche aus nach links in den fast leeren Flur, als ich meinen Namen hörte. Mit vollem Mund drehte ich mich um. Leo kam schnellen Schrittes auf mich zu, wobei ihr locker gebundener Zopf hin und her schwenkte.
    Ich kaute auf den Streuseln herum. Leos Anblick irritierte mich. Es dauerte einen Moment, bis mein Verstand schaltete. Ihr Anzug. Sie trug gern elegante Hosenanzüge des ganzen Farbspektrums, aber an diesem Tag erschien er mir falsch. Die Hose gerade geschnitten und dunkelblau, trug sie unter einem steifen Jackett derselben Farbe statt einer luftigen Bluse ein frisch gebügeltes Hemd. Zudem fehlte ihr geliebtes Halstuch, ohne das sie nie das Haus verließ.
    Blinzelnd betrachtete ich ihr kantiges Gesicht, studierte eingehend die hohen Wangen, die normalerweise eine leichte Röte überzog. Ungeschminkt zu sein war für Leo ein Unding. Genauso wie ihre unlackierten Fingernägel.
    Kaum stand sie vor mir, stupste ihre Hand gegen mein Kinn. »Dein Essen fällt gleich wieder hinaus.«
    Ich schluckte die letzten Bissen herunter. »Aber ... Du ... Was?«, stammelte ich, konnte den Blick nicht von ihrem Adamsapfel abwenden.
    Leo verschränkte die Arme vor der Brust. »Sehe ich so schlimm aus?«
    »Das bist nicht du!«, platzte es aus mir heraus.
    »Danke für die Blumen«, brummte sie. »Ich bin nicht freiwillig so angezogen.« Sie legte mir einen langen Zeigefinger schmerzhaft auf den Mund, als ich zu einer Frage ansetzen wollte. »Wichtigeres, Liebes.« Sie zog mich an der Schulter zur Seite, kam so dicht zu mir heran, dass ihr Atem an meiner Haut prickelte. »Ich muss dir etwas sagen, bevor ...« Weiter kam sie nicht, denn im nächsten Moment ertönte erneut mein Name.
    »Endlich erwische ich dich«, rief der Chef, der sich mit ausladenden Schritten näherte. Seine Brille war ihm bis vorn auf die fleischige Nasenspitze gerutscht. In seinem dichten Bart hatten sich Reste eines hastigen Mittags verfangen. Seine schwarzen Haare standen an diesem Tag an den Ohren besonders auffällig zu den Seiten ab.
    Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie mir das Herz in die Magengrube rutschte, als ich in sein unbewegtes Gesicht sah. Stattdessen bemühte ich mich um ein sorgloses Lächeln, das mir spürbar misslang.
    Leos Anwesenheit neben mir war mit einem Mal zu viel. Ihr herbes Parfüm stach in meiner Nase. Mich befiel der unwiderstehliche Drang, jeden einzelnen Partikel nach draußen zu niesen und mich zu schnäuzen.
    »Manchmal habe ich das Gefühl, ihr geht mir aus dem Weg«, schnaubte Dieter und schob sich das dünne Brillengestell bis zur Nasenwurzel.
    »Es ist viel zu tun. Viel liegengeblieben. Die Villa ...«, begann ich, wurde jedoch durch seine gehobene Hand unterbrochen, wobei er Leo keinerlei Beachtung schenkte. Kurz darauf winkte er mir, ihm zu folgen. Starr blieb ich stehen.
    »Ich wollte dich warnen«, flüsterte Leo. »Mir blieb keine andere Wahl.« Ihre dunkle Stimme hatte jegliche Melodie verloren.
    Ich schluckte den Klumpen in meiner Kehle herunter. Als der Chef einige Schritte den Flur hinab über die Schulter sah, schlich ich ihm allein hinterher. Leos Blick brannte in meinem Rücken, doch den konnte sie mir in diesem Moment gehörig herunterrutschen.
    Auf dem Weg zu seinem Büro schwieg Dieter beharrlich. Mein Kopf fühlte sich so schwer an, dass ich ihn kaum heben konnte; unnachgiebig hielt ich die Augen auf meine staubigen Sneaker gerichtet, die abwechselnd in mein Blickfeld gerieten.
    Kaum erreichten wir unser Ziel, hielt er mir die milchige Glastür auf. Mit gestrafften Schultern betrat ich den Raum dahinter, dessen raumhohe Fensterfront im Schatten lag. Links neben mir stand direkt der Schreibtisch, dessen ergonomisch korrekt geformter Stuhl anders als erwartet nicht verwaist war.
    Meine Gedanken überschlugen sich. Mit geweiteten Augen saß dort Hans, eine Glasmurmel in den Händen haltend. Als er mich bemerkte, fiepte er leise. Meine Brust zog sich zusammen, als sein Mund sich zu einem spitzzähnigen Lächeln verzog. Er wirkte beinahe verloren vor der Reihe hoher Regale, die sich von einer Zimmerecke zur anderen auftürmten und mit Akten, Ordnern und verstaubten Rechtsbüchern vollgestopft waren.
    »Setz dich.« Der Chef deutete zu dem runden Eichentisch rechts von uns. Hastig beschriebene Papiere lagen darauf kreuz und quer, ein alter Kaffeefleck stach dunkel auf dem Holz hervor. Mit einem tiefen Seufzen ließ sich Dieter in einen der beiden Ohrensessel fallenließ. Er lehnte sich zurück und schlug ein Bein über das andere. »Bitte.«
    Bevor ich seiner Aufforderung nachkam, wanderte mein Blick über seinen Kopf hinweg zu der schmalen Vitrine direkt hinter seinem Sessel. Fein säuberlich sortiert lag dort allerlei Firlefanz. Amulette mit tropfenförmigen, bunten Edelsteinen, Schriftrollen mit intakten Siegeln, Phiolen und Gläser, deren zähflüssiger Inhalte in allen Farben des Regenbogens schimmerten. Alles strahlte einen Funken greifbarer Magie aus, doch es war nur billiger Tand. Magie schmeckte anders, roch anders: ein wenig süßlich, manchmal bitter, ein weiteres Mal wie aufsteigender Kerzenrauch oder eine Wildblumenwiese im Sommer. Hier und da sogar wie feuchte Erde.
    Doch alles in der Vitrine verströmte nur den Geruch von Staub und schalem Schweiß, der sich in die Materialien gebrannt hatte. Kein Wesen mit einem Hauch von magischem Verständnis würde sich mit diesen Gegenständen länger befassen. Einzig seiner Sentimentalität verdankten sie eine weitere Daseinsberechtigung.
    Kurz vergaß ich den Grund, weswegen ich hier war, und schmunzelte. Dann riss mich das Räuspern meines Chefs zurück in die Realität. Zögerlich setzte ich mich, konnte nur mit Mühe verhindern, zu Hans zu schauen. Aus dem Augenwinkel heraus erkannte ich, wie er inzwischen auf der Murmel herumkaute.
    »Also?«, begann mein Gegenüber ruhig. »Hast du etwas zu sagen?«
    Ich öffnete den Mund, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Noch einmal schnappte ich nach Luft, verkrampfte dann jedoch nur die Hände im Schoß ineinander. Eindringlich, aber ohne verkniffene Miene musterte Dieter mich, wartete geduldig auf eine Erklärung, während Hans am Schreibtisch die Murmel ausspuckte und über die Tischplatte rollen ließ.
    Wo sollte ich anfangen? Wie viel wusste er? Was hatte Leo ihm erzählt und wieso war Hans hier, aber nicht die anderen?
    Mir wurde schwindlig, mein Herz klopfte vor Aufregung und ich konnte nicht einmal sagen, ob es meine eigene war.
    »Du hättest mir von eurem - deinem - Fund berichten sollen«, sprach Dieter leise. Seine Ruhe ließ meinen Mageninhalt verklumpen. Ich kaute auf meiner Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. »Weißt du, von Schmitti erwarte ich so etwas beinahe. Aber das da«, er deutete zu Hans, der die Murmel nun mit seiner Nasenspitze anschob, »ist eine Nummer größer als ein Hausgnom.«
    »Schmitti hat damit nichts zu tun«, platzte es schließlich aus mir heraus.
    »Darum geht es nicht. Es interessiert mich wenig, wer damit zu tun hatte oder nicht. Du leitest das Team. Du bist verantwortlich, dass alles seinen Gang geht. Und was ihr dort in der Villa aufgespürt habt ...« Er stieß schwer den Atem aus und stand auf. Aus einer weiteren Vitrine neben dem Rundtisch holte er zwei Whiskeygläser heraus, die er anschließend mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit füllte. Eines davon reichte er mir.
    Der Brandy stach scharf in meiner Nase, doch ich nahm das Glas wortlos entgegen und nippte daran. Mit geschlossenen Augen verzog ich das Gesicht.
    »Ich sollte euch von dem Fall abziehen.«
    Als ich die Lider aufschlug, saß Dieter mir erneut gegenüber. »Das kannst du nicht!«
    »Sag mir warum. Nenn mir einen Grund, warum ich euch nach dieser Aktion nicht alle nach Hause schicken soll.« Er schwenkte den Inhalt seines Glases hin und her, bevor er daran roch.
    »Weil Hans mit mir verbunden ist.« Hinter mir hörte das Rollen der Murmel abrupt auf. Mein Puls pochte in meinen Ohren.
    Langsam schielte der Chef über den Rand seiner Brille. »Hans? Ah, Leo meinte, ihr hättet es so genannt. Weißt du überhaupt, was ›Hans‹ ist?« Eisern hielt er seinen Blick auf mich gerichtet.
    »Ein Homunkulus - vermutlich.« Ich flüsterte beinahe.
    »Das ist Noahs Theorie, nicht?« In seinen fast schwarzen Augen spiegelte sich mein eigenes verdutztes Gesicht.
    »Schon«, stammelte ich.
    »Viel wichtiger ist doch«, setzte Dieter wieder an, »ob es dann nicht erst recht besser wäre, dich von dem Fall abzuziehen?« Er nahm einen kräftigen Schluck Brandy. »Ich könnte es nicht verantworten, wenn du in Gefahr gerätst.«
    »Ich gerate ständig in Gefahr«, brummte ich und wich seinem mahnenden Blick aus. Seufzend rutschte ich tiefer in den Sessel. »Es muss einen Grund geben, warum Hans so auf mich fixiert ist.« Dass ich befürchtete, dass es nur daran lag, weil ich die Schatulle zuerst gefunden hatte, behielt ich für mich. »Und warum er so mit der Spieluhr verbunden ist.« Kaum hatte ich die Worte gesprochen, hielt ich den Atem an. Die Schatulle! Ich richtete mich kerzengerade auf und schaute hastig zu Hans. Ich konnte sie nirgendwo entdecken.
    »Die Spieluhr ist bei den Spezialisten. Dort wo sie hingehört.«
    Ich biss mir auf die Zunge, schluckte die bissige Erwiderung herunter. Eine Weile beäugte der Chef mich nachdenklich, trank erneut und schnalzte schließlich mit der Zunge. Er betrachtete seine kurzen Finger, die mit alten Tintenflecken beschmiert waren.
    »Leo hat mich gebeten, euch nicht abzuziehen«, sagte er nach einer beinahe endlosen Welle des Schweigens. Hans hatte derweil von der Murmel abgelassen und starrte unnachgiebig zu Dieter herüber, den das wenig zu stören schien. »Es wäre unverantwortlich, aber ...«
    »Aber?« Ich wollte die Hoffnung in mir niederringen.
    Dieter seufzte. »Es bleibt unverantwortlich. Ab jetzt keine Geheimnisse mehr. Verstanden?«
    Ich nickte, runzelte im nächsten Moment jedoch die Stirn. »Was passiert jetzt mit Hans?«
    Das erste Mal, seit wir den Raum betreten hatten, schaute der Chef zu seinem Schreibtisch. »Noah hat Interesse an ihm angemeldet.«
    »Noah?«, rief ich mit einem entsetzten Keuchen.
    Ein flüchtiges Lächeln verbreiterte seinen schmalen Mund ein wenig. »Keine Sorge, Leo wird sich um Hans kümmern.«
    »Ich glaube nicht, dass er lang bei ihr bleiben wird«, murmelte ich, wusste jedoch im gleichen Moment, dass ich mich nur selbst belog. Dass ich hoffte, dass Hans bald wieder vor meiner eigenen Haustür stehen würde.
    Dieter betrachtete mich schweigend, ehe er seufzend den Kopf schüttelte. »Ich erwarte jeden Abend einen Bericht von euch.« Damit war ich entlassen. Mit wackligen Beinen erhob ich mich, sah aus dem Blickwinkel heraus, wie Hans ebenfalls langsam von seinem Stuhl aufstand. Mein Herz hüpfte. Als wir gemeinsam an der Tür standen, rief der Chef noch etwas hinterher. »Tu mir den Gefallen und schicke Schmitti gleich her, sobald du ihn siehst.«

    @Rebirz @Xarrot
    Ich geh morgen auf eure Anmerkungen ein. Bin abends meistens nur noch mit dem Handy online ...


    Tante Edith:

    Spoiler anzeigen

    Wie bekannt schön geschrieben und angenehm wenige Fehler. Ich muss ja sagen, dass mich mittlerweile fast mehr die Hintergrundgeschichte deiner Protas interessiert, als Hans' Ursprung. Ist das schlecht? xD

    Nö. :D Ich würde am liebsten immer vorwarnen, dass ich gerne sehr charakterbezogene Geschichten schreibe ...

    Vermutlich sitze ich damit zwar gerade auf der Leitung weil es noch so früh ist, aber ich kapier gerade nicht, warum Klager geraucht hat, auch wenn es Greta offenbar getan hat ...

    Da muss ich kurz aufklären: Das sind von vornherein nicht Klagers Zigaretten, sondern Schmittis. (Freund = Schmitti, Kollege = Klager bei Gretchen) Da Schmitti allerdings nur Partyraucher ist (oder er ist im Stress :whistling: ), wundert es Greta, warum er seit neuestem immer eine Schachtel in der Schreibtischlade aufhebt. (Hint: Klager. :D)

    "Mein Vater ist zur Tankstelle Rubbellose kaufen gegangen. Hat wohl gewonnen, ist schon 10 Jahre her ..."

    :rofl:
    Ich weiß, das ist so klischeehaft, aber dass Gretchens Vater verschwunden ist, ist noch von Bedeutung. ^^' Aber ja ... Er könnte auch nur kurz Zigaretten holen gegangen sein. :D

    Wie wärs? Sobald Schmitti noch Klager rumbekommen hat, können die vier dann auf ein Doppeldate gehen

    :grinstare:


    ~+~


    »Hä?«, war Schmittis äußerst schlaue Erwiderung.
    Klager nickte zur Akte, die ich mit leicht bebenden Fingern aufschlug. Von Hahnsteins Antlitz war das Erste, das mir entgegenschmollte; die Mundwinkel fast bis zum Kinn heruntergezogen, hohlwangig, die Augen trostlos und dunkel in ihren tiefen Höhlen. Über seine obere Gesichtspartie zogen sich etliche Falten, als wäre über Jahrzehnte hinweg seine einzige Tagesbeschäftigung Stirnrunzeln gewesen. Sein schwarzes Haar war von Grau durchzogen und klebte ihm vom Seitenscheitel aus fettig am Kopf. Kein schmeichelhafter Anblick.
    Schmitti neigte sich über meine Schulter. Einen Moment verlor ich mich im Duft seines Lieblingsparfüms, gespickt mit einer erdigen Note. Es erinnerte an frischen Regen, der das Erdreich aufwühlte. Sofort beruhigte sich mein Herzschlag. Als stünde mein Freund absichtlich nah bei mir. Vorsichtig lehnte ich mich gegen ihn, was er mit einem Stups gegen meine Schulter quittierte.
    »Reizendes Bild«, murmelte Schmitti, holte dann das Foto unter der Mappe hervor, was er auf der Unterlippe kauend musterte. Er hielt es neben jenes von Hahnstein und schnaubte. »Da braucht es aber viel Fantasie, Rudi.«
    Schmitti hatte nicht unrecht. Das Bild von Ober zeigte einen durch und durch gestriegelten Mann in seinen Mittdreißigern. Ich roch förmlich sein herbes Aftershave, das ich mir gut bei seinem säuberlich rasierten Wangen vorstellen konnte, während seine Oberlippe ein gezwirbelter Schnurrbart zierte. Einzig seine hohen Wangenknochen und die verborgenen Augen ließen einen Hauch von Ähnlichkeit erahnen.
    Klager straffte die Schultern, erhob sich zu seiner vollen Größe, ehe er Schmitti von oben herab musterte. »Ich weiß, worauf ich achten muss. Da ist keine Fantasie nötig.«
    »He, Anthropologenjunge, halblang«, ertönte es von der Tür aus, kaum dass Schmitti den Mund zu einer Erwiderung geöffnet hatte. Ich zuckte zusammen, als ich Noah mitsamt Hans im Türrahmen entdeckte. Geistesgegenwärtig eilte Schmitti zu ihnen, schob sie in den Raum und schloss die Tür, nachdem er sich im Flur umsah.
    Noah pustete seine Haare aus dem Gesicht. »Keine Panik, Karlchen, der Flur war leer.« Seine Augen huschten durch das Büro. »Sieht ja immer noch so unordentlich aus.« Seine Aufmerksamkeit blieb auf mir haften, wobei er die Nase hochzog.
    »Kann ja nicht jeder so einen Putzfimmel haben wie du«, murrte ich, ignorierte den giftigen Blick der kleinen Ratte und wandte mich stattdessen Hans zu. Die Augen geweitet, starrte dieser gebannt zum Fenster hinaus. Ehe ich mich versah, schritt er mit seinen schlaksigen Beinen an mir vorbei, legte die Handflächen auf die gewärmte Scheibe, nur um sich wenig später die Nase daran plattzudrücken. Aufregung und ein leiser Schwindel ließen meinen Puls höher schlagen. Ich schluckte, versuchte mich wieder auf die anderen zu konzentrieren.
    »Was willst du eigentlich hier?«, fragte Schmitti, der sich auf meinen Tisch setzte.
    »Ich hatte Sehnsucht?« Noahs feistes Grinsen in Schmittis Richtung ließ meinen Freund schaudern. Dann winkte Noah ab. »Euer Kollege hat da einen Kern getroffen.«
    »Hast du etwa wieder gelauscht?«, knurrte ich, während Klager im nächsten Atemzug brummte: »Dieser Kollege hat einen Namen.« Er kramte erneut eine Zigarette aus Schmittis Schubfach.
    Unterdes funkelte Noah angriffslustig zu ihm. »Rudi, oder?«
    Klager holte tief Luft, doch Schmitti kam ihm zuvor: »Es reicht, Pausbacke. Verrat uns lieber, wie du das eben gemeint hast.«
    Mit aufgeplusterten Wangen hielt Noah den Atem an; er erinnerte dabei an einen beleidigten Hamster, worauf ich innerlich schmunzeln musste. Mich über Noah lustig zu machen beruhigte ungemein, wie ich feststellte. Wenigstens war sein unvermitteltes Auftauchen zu etwas nutze.
    Schließlich stellte er sich gerade hin - und war dennoch nicht größer als ich im Sitzen -, bevor er mit geschwollener Brust offenbarte: »Ich hab etwas recherchiert und bin da auf was gestoßen.«
    Als er nicht weitersprach, hob ich die Brauen. »Muss man dir erst 'ne Münze einwerfen, damit du den Mund wieder aufmachst?«
    »Quatsch, Gretchen, du musst den Schlüssel auf seinem Rücken aufziehen«, frotzelte Schmitti. Der finstere Blick, den Noah ihm zuschoss, machte das Grinsen meines Freundes nur breiter.
    »Ha-ha, sehr witzig«, moserte unser Spezi, der sich noch einmal im Raum umsah, als suche er eine Sitzmöglichkeit. Als er die Nase wiederholt kräuselte, machte ich innerlich drei Kreuze, denn wenn Noah nicht sitzen konnte, blieb er selten lang. Abgesehen davon, dass er sein Heiligtum im Keller ohnehin ungern mehr als eine halbe Stunde alleinließ.
    »Kurzfassung: Von Hahnstein ist erst seit etwa siebzehn Jahren offiziell zu finden. Vorher gab es weder eine Geburtsurkunde noch sonstige Dokumente.«
    »Ach, wirklich?«, bemerkte Klager trocken und ich blickte irritiert zu ihm.
    Noah schien ebenfalls einen Moment aus dem Konzept gebracht. »Was?«
    Unser Kollege stand abermals rauchend am Fenster, zuckte nun mit den Schultern. »Die Information kostet etwas.« Dieser bissige Unterton, der durchklang, war so ungewohnt, dass mir die Spucke im Hals steckenblieb. Nur Schmitti schien das ewige Grinsen nicht entfliehen zu wollen.
    Nur zögernd fand Noah die Stimme wieder. »Witzig, Anthropologenjunge. Ich hab übrigens auch etwas über dich herausgefunden. Soll ich es den anderen erzählen?«
    Kaum hatte die Ratte die Frage ausgesprochen, war Klager in wenigen Schritte bei ihm; um ihn am Kragen zu packen. Seine Miene wirkte gelassen, auch wenn mir die pochende Stirnader nicht entging. Bevor jedoch einer der beiden einen weiteren Mucks machen konnte, ging Schmitti dazwischen. Er legte die Hand auf Klagers und mahnte Noah, seine spitze Zunge im Zaum zu halten.
    »Wenn wir hier schon dabei sind, Dinge auszuplaudern, könnte ich mich über deine eigenen auslassen bis einem die Ohren abfaulen«, sagte Schmitti in einem beschwingten Tonfall, doch innerlich brodelte er. Seine geballte Faust und sein aufrechter Körper, der Noah um gut anderthalb Kopf überragte, sprachen Bände.
    Die Anspannung lähmte die drei Männer vor mir, während Hans hinter mir noch immer vor Aufregung bebte. Mir wurde schummrig, ich hörte den Puls in meinen Ohren, was nicht zuletzt daran lag, dass Zorn einen ganz bestimmten Geruch absonderte. Kurz hielt ich den Atem an.
    »Schluss jetzt!«, rief ich, schlug mit den Händen flach auf den Tisch, um mich zu erheben. »Klärt euren Hahnenkampf woanders, aber ganz sicher nicht hier. Klager: Lass Noah los, sonst brichst du dir die Zähne an seinem Ego aus.« Ich warf einen warnenden Blick in die Richtung meines Freundes. »Schmitti: Beruhige dich und komm wieder her.« Ich wanderte weiter zu unserem Spezialisten. »Und Noah: Sag einfach was Sache ist oder verschwinde wieder.« Auf den Hacken drehte mich zu Hans und brummte: »Und du komm endlich vom Fenster zurück. Was du hast ist Höhenangst!«
    In der entstandenen Stille heftete ich das Foto von Ober neben das seines entfernten Ebenbildes, klopfte die Akte zurecht und stapfte schließlich an allen vorbei. Als ich die Tür erreichte, um mich zum Kopierer aufzumachen, wandte ich mich noch einmal um. Noah wich meinem Blick aus, Klager trat einen Schritt von der Ratte zurück und Schmitti legte den Kopf schief, während er mich eingehend beäugte. Hans stand mit dem Rücken zum Fenster, sein Herz noch immer wie ein flatterhafter Schmetterling geisterhaft in meiner Brust pumpend.
    »Wenn ich wiederkomme, habt ihr neue Infos für mich und Noah ist wieder in seiner Höhle.« Damit ließ ich die Streithähne mit einem Türknall im Raum zurück.

    Spoiler anzeigen


    @Rebirz

    Hoffe nur es wird dir nicht zu viel. Ich würde derzeit auch wieder viel lieber mehr Schreiben, aber mein Zeitplan lässt das einfach nicht zu.

    Nah, das passt schon. Wie gesagt, ich wollte hier ohnehin weiterschreiben.
    Momentan macht mir eher meine fehlende Zeit nur für mich einen Strich durch die Rechnung.

    Interessant, was Hans so alles drauf hat. Heilende Spucke. Schlabberspaß pur.

    Hans steckt voller Überraschungen, hö.

    @Rainbow @Xarrot

    Wieder mal ganz interessante Entwicklungen, die du da schilderst, obwohl es schon ein bisschen verwunderlich ist, dass der doppelte Boden dieser Kiste nicht schon vorher gefunden wurde....gut aber, dass denen das selber auffällt...wahrscheinlich gibt es eine plausible Erklärung dafür?

    Aber echt he ... das kann ja wohl nicht nur Zufall sein ... wollte eine gewisse Schreiberin dadurch etwa Spannung und Drama erzeugen?! Wer weiß? Illuminati confirmed auf jeden Fall!

    Ehrlich gesagt: Ich hab mich damit selbst etwas auf die Schippe genommen. :lol:
    Denn ich muss gestehen, dass mir das Tagebuch beim ersten Schreiben erst an dieser Stelle in den Sinn kam. Bei der Bearbeitung wollte ich das nicht ändern, das Tagebuch sollte erst später gefunden werden.
    Vielleicht ist die Schatulle auch einfach nur eigensinnig. :D


    Meine Welt verstummte; sie verblasste, verschwamm. Es schien mir wie eine Ewigkeit, bis mein Atem, der wie Feuer in der Kehle brannte, zur Ruhe kam. Äonen, bis mein Zittern verebbte und mein Schluchzen verklang.
    Mit einem tiefen Atemzug schlug ich die Augen auf und zuckte ob der Wärme an meinen Füßen zusammen. Blinzelnd drehte ich den Kopf etwas zur Seite. Nur langsam sickerte das Bild vor mir ins Bewusstsein. Einige Schritte von mir entfernt standen Schmittis und mein Schreibtisch, beide Stühle davor verwaist, umhüllt von schummrigen Sonnenlicht.
    Nur dumpf formte sich die Erkenntnis, dass ich im Büro auf dem Sofa lag. Ich blickte zurück zur Decke hinauf, einige Sekunden gefangen im Spiel wabernder Schatten – und träger Gedanken.
    »Ausgeschlafen?«, fragte Klager leise. Ich nahm erst in diesem Moment wahr, dass er direkt neben mir auf Schmittis Klapphocker saß, die Arme vor der Brust verschränkt. Stirnrunzelnd schaute ich zu ihm; trotz der Furche zwischen seinen Brauen wirkte er besorgt.
    »Was ist passiert?«, stellte ich mit belegter Zunge die Gegenfrage. Mein Mund war trocken, während es in meinem Kopf dröhnte. All das war ein solch vertrautes Gefühl, dass es mir die Galle in die Kehle steigen ließ und ich sie angewidert herunterschluckte.
    »Du hast plötzlich angefangen mit Hans im Duett zu heulen«, sagte Schmitti unvermittelt. Mein Blick glitt zu ihm, der am Fußende auf der Lehne hockte, ein Bein über das andere gelegt. »Hat sich angehört, als würde einer Katze über den Schwanz gefahren.«
    Ich hörte bereits seit der Erwähnung von Hans kaum mehr zu, fuhr stattdessen mit einem Ruck auf, der wie ein Stoß durch meinen Körper fuhr. Als sich der Raum nicht mehr um mich drehte, schwang ich die Beine vom Sofa, doch als ich aufstehen wollte, drückte Klager mich unnachgiebig wieder zurück.
    »Wo ist Hans?«, fragte ich, das Herz bereits wieder schmerzhaft in der Brust spürend.
    »Bei Noah«, erklärte Schmitti mit gerunzelter Stirn. Ich öffnete den Mund, aber bevor ich etwas sagen konnte, fuhr mein Freund fort: »Er hat hoch und heilig versprochen, ihn in Ruhe zu lassen. Abgesehen davon, dass er noch immer schmollt wegen seines Bildschirms.«
    Ich fuhr mir durch das zerzauste Haar und blieb fluchend an einem Knoten hängen.
    »Was war los?«, fragte Klager unterdessen.
    Ratlos zuckte ich mit den Schultern. »Keine Ahnung.« Was nicht gelogen war. Nur blass konnte ich mich entsinnen, mich nicht von Hans lösen zu können. Zusammen mit noch etwas: Das vertraute Gefühl von physisch schmerzendem Verlust. Das leere Pulsieren eines Herzens, welches tief vernarbt war.
    »Du hast immer wieder Papa gewimmert«, erklärte Schmitti ruhig, auch wenn seine Stimme ein wenig bebte. »Gretchen, dein Vater ist seit über zwanzig Jahren fort und ich hab dich nie nach ihm rufen hören.« Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. In diesem Moment wirkte er weitaus älter als dreißig. Selten zeigten sich die Spuren seiner Vergangenheit, die ihn so rasch aus einer unschuldigen Kindheit geworfen hatten, so tief wie im Angesicht von Sorge. Sein kindisches Verhalten, das er manchmal an den Tag warf, war wie ein Schutzmantel, den wir beide bis ins kleinste Zipfelchen kannten. In den wir uns beide gern hüllten.
    Ich atmete langsam tief ein, hielt einen Moment die Luft an, um sie schließlich schleppend wieder auszustoßen. Das spurlose Verschwinden meines Vaters war eine andere Baustelle. Schmitti wusste, dass er mir natürlich fehlte seit jenem Tag, an dem er sich wie schon so oft davor für eine Reise verabschiedet hatte.
    Am Ende war er nie wiedergekommen. Dabei hatte er mir geschworen, mich eines Tages mitzunehmen, mir zu erklären, wohin er immer so dringend und unvermittelt aufbrechen musste.
    Ich schob die Erinnerung an meinen Vater beiseite. Seit Jahren rechnete ich mit einer Todesnachricht, die nicht kam. Ich war vorbereitet, hatte mit dem Thema abgeschlossen, anders als meine Mutter, die bis zum Schluss jeden Abend hoffnungsvoll vom Fenster aus die Auffahrt hinabgestarrt hatte.
    Ich kniff die Augen zusammen, als sich ein anderer Film in meinem Inneren abspielte. Ein Pick-Up, der sich von schräg rechts so rasant näherte. Meine Mutter, wie sie panisch das Lenkrad rumriss. Eine Leitplanke und einen Überschlag später, Glassplitter und Rauch …
    Ich versuchte meinen Atem zu kontrollieren, als sich die Enge in meiner Brust breitmachte.
    Ruhig bleiben. Ich musste ruhig bleiben. Ich war weder im Fahrzeug noch im Krankenhaus, sondern in meinem Büro. Doch meine Finger verkrampften und Schweiß rann meine Schläfe hinab.
    Also konzentrierte ich mich auf die wichtigen Dinge. Auf Hans.
    »Wie geht es Hans?« Ich schwang mich erneut auf, ließ dieses Mal nicht zu, dass Klager mich zurückwies. Einen Moment zitterten mir die Knie, kaum dass ich stand. Erneut atmete ich tief durch, streckte mich, wobei meine Gelenke beunruhigend knackten.
    »Viel wichtiger ist doch die Frage, wie geht es dir? Und warum reagierst du gemeinsam mit Hans so heftig?«, erkundigte sich Klager, der sich mitsamt Hocker immer in die Richtung drehte, wo ich gerade stand.
    Ich schlang die Arme um mich selbst, auch wenn ich nicht fröstelte, und ging zum Fenster, um mich von der Sonne ein wenig wärmen zu lassen. Ich zuckte mit den Schultern, hatte keine flinke, schlaue Antwort parat. Dennoch erschien es mir notwendig, den anderen von meiner Erfahrung mit Hans‘ und meiner emotionalen Verbindung zu erzählen. Also tat ich es. Stockend, immer wieder mitten im Satz unterbrechend, beiden den Rücken zugewandt, weil ich das Gefühl hatte, so wenigstens etwas freier sprechen zu können. Die Wahrheit war, ich wollte ihnen nicht ins Gesicht blicken müssen. Ich hätte weder Klagers ruhiger, aber nachdenklicher Miene standhalten können noch Schmittis großen Hundeaugen.
    Nachdem ich endete, war es eine Weile still im Raum. Ich öffnete mein Fenster am Schreibtisch, hielt das Gesicht in eine frische Brise, die Haut nun deutlicher von der Wärme der Sonne erfüllt.
    Schmitti war der Erste, der seine Stimme wiederfand. »Und war das nun dein Ausbruch oder Hans‘?«
    Eine Weile dachte ich ratlos darüber nach. »Vielleicht war es eine Verbindung von uns beiden. Wie …«, ich suchte abermals nach der richtigen Umschreibung, »… zwei Seelen, die denselben Schmerz durchlitten haben. « In meinen Ohren klang das furchtbar kitschig, altbacken und überzogen, aber es war das Beste, was ich über die Lippen brachte.
    Schmitti stand auf, nur um anschließen im Raum auf und ab zu gehen. »Wisst ihr, was das bedeutet?«
    »Unsere Vermutung ist richtig?«, fragte Klager, ging zu Schmittis Schreibtisch und holte eine Schachtel Zigaretten aus einem Schubfach. Mein Freund rauchte nur auf Partys, weswegen ich nie verstand, warum er neuerdings immer eine Schachtel im Büro aufhob. Als ich nun Klager beobachtete, wie er das Fenster neben dem Tisch öffnete und sich den Glimmstängel anzündete, dämmerte mir, warum.
    »Welche Vermutung?«, hakte ich nach, der Kopf noch immer zu benebelt, um klar denken zu können.
    Schmitti blieb stehen. »Dass Ober es geschafft hat, künstliches Leben zu erschaffen. Mit Hans. Wahrscheinlich hat er ihn wie einen eigenen Sohn aufgezogen. Soweit ich weiß, hatte Ober keine Kinder.«
    »Soweit ich weiß«, seufzte ich, »hat er Kinder gehasst.«
    »Können wir uns da denn so sicher sein?« Schmitti kaute einen Moment auf seiner Unterlippe, eine Unart, die er schon als Kind entwickelt hatte. »Wir wissen nur das von Ober, was an der Akademie als Gerücht rumging.«
    »Das waren Spukgeschichten«, wandte ich ein. »Sachen, die wir uns nachts in den Gemeinschaftszimmern mit Taschenlampen erzählt haben. Was wissen wir schon wirklich über ihn?« Ich rieb mir die Stirn.
    »Vielleicht hilft uns ja das Tagebuch weiter.« Klager blies den letzten Rauch hinaus und drückte die Zigarette auf dem Fensterbrett aus, bevor er sie nach draußen schnippte.
    »Das von Hahnstein?« Schmitti klang mehr als skeptisch. »Wüsste nicht, inwiefern uns das mehr über Ober erzählen könnte.«
    »Hans tauchte erst auf, als wir in der Villa waren, nicht?«, bemerkte Klager. Er sah eindringlich zu Schmitti und lenkte seine ganze Aufmerksamkeit dann auf mich. »Greta hat die Schatulle in Hahnsteins Villa gefunden.«
    Mein Freund schnappte kurz nach Luft. »Und Hans ist fixiert auf sie.«
    »Was hat das mit seinem Tagebuch zu tun?«, fragte ich, spürte, wie das Pochen im Kopf einseitiger, stärker wurde. Langsam schloss ich das Fenster und setzte mich schließlich an meinen Schreibtisch.
    »Was, wenn von Hahnstein und Ober was miteinander zu tun hatten?«, überlegte Schmitti laut, der bereits wieder den Raum durchwanderte.
    »Ich gehe noch einen Schritt weiter«, murmelte Klager. Als wir beide irritiert zu ihm blicken, seufzte er. Dann griff er nach Hahnsteins Akte und zauberte im nächsten Moment ein altes Schwarzweißfoto aus seiner Hosentasche. Beides warf er zusammen zu mir herüber auf den Tisch. »Hahnstein ist Ober.«

    Spoiler anzeigen


    @Xarrot

    Und das kann der da einfach so machen? Was`n das für ne Akademie?!

    :D
    Um Missverständnisse vorzubeugen: Ober war nie an der Akademie. Sollte ich vielleicht bei Gelegenheit deutlicher machen.

    @Rebirz

    Warum kurz? Macht er den Mund sofort wieder zu?

    In der Tat. =] Wenn's zu sehr straucheln lässt, bearbeite ich das nochmal bei Gelegenheit.

    Das ist jetzt die Frage eines unwissenden Lesers: Was ist Sera? Und ist es ein was oder ein wer?

    Sera, die, Singular: Serum
    Auch möglich: Seren, die.
    Heilserum; eine Flüssigkeit, die zur Heilung von Krankheiten, Biss- und Stichwunden eingesetzt wurde; Immunserum

    Konnte ich helfen? xD

    Kurz noch, bevor der nächste Abschnitt kommt: Ich bin erfreut, dass ihr die Geschichte nicht gehen lassen wollt. Und das motiviert mich, erst recht weiterzuschreiben. Was im Grunde von Anfang an der Plan war, nur mit einem anderen Anfang. Und eigentlich auch nicht gerade jetzt, weil ich mich vermehrt wieder Sternenstaub widmen wollte, aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht zwei Geschichten parallel schreibe ... Irgendwie.


    ~+~+~


    Eine Weile musterte ich Hans mit gerunzelter Stirn, wusste nicht, wie ich diesen unerwarteten Ausbruch einordnen sollte. Dennoch stahl sich durch meine Verwirrung etwas anderes. Aufregung rauschte wie ein reißender Fluss durch meine Adern, während zeitgleich eine unbeschreibliche Sehnsucht mein Herz erfüllte.
    Da dämmerte mir, dass Hans mehr mit Ober verband. Wahrscheinlich mehr als mit von Hahnstein. Dies bedeutete auch, dass Hans weitaus älter sein musste als einige Monate. Himmel, ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie ein Homunkulus auf die Welt kam und wie er alterte. Ob er überhaupt alterte.
    Ich schreckte aus meinen Gedanken, als Hans‘ Blick sich auf mich richtete, seine eisblauen Augen zu meinen Händen wanderten, die vom Stoff meines Shirts im Schoß ein wenig verdeckt wurden. Ich nahm all meinen Willen zusammen, nicht vor ihm zurückzuweichen, kaum dass er näher zu mir trat. Selbst durch das Vlies des Pullovers hindurch spürte ich die unnatürliche Kühle seiner Haut.
    Mit fast schon sanftem Nachdruck zog er meine verletzte Hand unter der gesunden hervor und hob sie vor sein Gesicht. Er schielte ein wenig, während er sich auf den blutenden Kratzer konzentrierte. Die Kälte kroch mir von den Fingerspitzen bis in die Gelenke, schließlich den Unterarm hinauf, doch etwas anderes ließ mich schaudern.
    Eine gräuliche Zunge schnellte aus Hans‘ Mund hervor und leckte feucht über meinen Handrücken. Sie wirkte ein wenig kratzend, erinnerte mich ungewollt an meinen Kater Louis, den ich als Kind besessen hatte.
    »Bah!«, quiekte es aus Noahs Richtung, während Schmitti laut rief: »Pfui! Aus, Hans, aus!« Noah sah aus, als würde er sich jeden Moment übergeben wollen; unter seinem Haarschopf wirkte er verdächtig blass um die Nasenspitze. Zumindest mehr als ohnehin.
    Klager hingegen stand dicht neben mir, beobachtete ebenso erstaunt wie ich, wie die Blutung stoppte und sich eine dünne Schicht neuer Haut über der Wunde bildete.
    Schmitti stieß pfeifend die Luft zwischen den Zähnen hindurch.
    »Interessant«, murmelte Klager. Er streckte die Hand aus, zuckte jedoch zurück, als Hans ihm einen langen Blick zuwarf.
    Noah würgte und trat einige Schritte von uns zurück, holte dabei keuchend Luft, bevor er sich ganz abwandte. Ich verdrehte die Augen. Natürlich musste er sich wieder wie eine Drama Queen aufführen.
    Hans hielt meine Hand noch einige Sekunden länger fest, bis sich seine Finger langsam von meinen lösten. Fasziniert betrachtete ich die frische, leicht rosa schimmernde Haut. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich, wie Hans den Kopf herumwandte; sein Blick huschte durch den Raum auf der Suche nach etwas.
    Mit einem Schreck fiel mir die Schatulle wieder ein, die Hans nicht mehr in Händen hielt. Ich sah mich danach um, doch Klager entdeckte sie schneller. Dort, wo Hans vor wenigen Minuten noch gestanden hatte, lag sie; anscheinend hatte er sie einfach fallengelassen. Was mir wiederum zahlreiche Furchen auf die Stirn zauberte und mich nur erneut in meiner Vermutung bestärkte, dass Ober für Hans weitaus wichtiger war.
    Klager las mit einer einzig fließenden Bewegung das Kästchen auf, doch als er es Hans reichen wollte, lockerte sich etwas Holz und landete mit einem sanften Klappern zu seinen Füßen.
    Mit gehobenen Brauen betrachtete mein Kollege den herausgelösten Boden, drehte die Schatulle herum und schnaubte auf, bevor er mit zwei Fingern ein dünnes Büchlein herausfischte. Der lederne Einband wirkte rissig, während ein dunkles Lederband darum herumgewickelt war.
    »Was ist das?«, fragte ich und gesellte mich mitsamt Hans zu ihm.
    Klager drehte sein Fundstück zwischen den Händen, bevor er es aufschlug und durchblätterte, die Schatulle unter einen Arm geklemmt. »Sieht aus wie ein Tagebuch.«
    Schmitti sprang vom Stuhl auf. »Von unserem Hexer?«
    »Die Handschrift ist dieselbe wie beim Brief«, stellte ich fest, als Klager mir das Büchlein weiterreichte; die Spieluhr drückte er Hans in die Arme. Ohne großes Zaudern öffnete Klager dabei den Deckel und augenblicklich erfüllte die leiernde Spielweise den Raum. Hans senkte das Kinn bis auf seine Brust, ließ sich unvermittelt im Schneidersitz zu Boden plumpsen und hielt sich das Holz ans Ohr.
    Da war sie wieder – die Enge in meiner Brust, die mir mittlerweile so vertraut war, als wäre sie tatsächlich ein Teil von meinem Selbst. Gleichzeitig erfüllte die Melodie mich mit unendlicher Traurigkeit, so sehr, dass mir die Augen erneut brannten und ich einen dicken Kloß im Hals herunterschlucken musste.
    Schmitti lehnte sich mit der Schulter gegen meine und linste ins Büchlein, während ich versuchte, mich nicht weiter auf Hans zu konzentrieren. Auch wenn es mir schwerfiel, den Blick von ihm abzuwenden.
    »Ich glaube, wir sollten das Ding ganz genau lesen«, murmelte mein Freund. »Komisch, dass Leo das nicht gefunden hat.«
    »Verwunderlich, dass der Boden erst jetzt rausgefallen ist«, brummte Klager.
    Ich hörte beiden nur mit halbem Ohr zu, starrte stattdessen doch wieder zu Hans, bis ein Ruck durch mich hindurchging. Ich presste Schmitti das Tagebuch gegen die Brust, der es verdattert an sich nahm, kniete mich dann vor Hans, die Hände auf seine gelegt.
    Sofort sah er zu mir auf, ein Schimmern in den Augen. Während ich überrascht die Feuchtigkeit in seinen Augenwinkeln musterte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er wurde weicher, feine Linien zogen sich über die sonst glatte Stirn, seine schmalen Lippen verzogen sich zu einer schiefen Linie, die sich langsam spaltete, als er den Mund öffnete.
    »Um wen trauerst du?«, fragte ich, die Frage wie ein aufloderndes Feuer in meinem Kopf. Dieses vertraute Empfinden von nagendem Kummer, der sich von meiner Brust bis tief in mein Innerstes zog und mich dort zu zerfressen drohte, war mir jahrelang wie ein zweites Ich gefolgt, bis es mehr einem Schatten gleichkam. Es hatte mich betäubt und stumpf werden lassen. Es tat weh, es so deutlich zu spüren als wäre all die Gram nie verschwunden.
    Ich bemerkte, wie sich von tief unten Bilder an die Oberfläche zu kämpfen drohten, auf die ich vor Monaten erst ganz viel neue Erde geschüttet hatte.
    Als ich mein eigenes Schluchzen hörte, fühlte ich Schmittis Hand auf meiner Schulter, erkannte Klagers Bemühungen, mich von Hans fortzuziehen, hinter einem Schleier aus Verzweiflung. Ich zitterte am ganzen Körper, bekam einen Schluckauf und konnte doch den Blick von dem Wesen vor mir nicht abwenden, das inzwischen eine Miene zog, die ein Spiegel meiner eigenen war.
    Schmitti nannte mich immer wieder beim Namen, packte mich an den Schultern und schüttelte mich sanft, versuchte meine Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken.
    »Papa«, wimmerte ich leise, ohne es wirklich gewollt zu haben. Nur dieses eine Wort schwirrte mir noch im Kopf. Papa. Nichts anderes. Wie ein pulsierender Schmerz, auf den man sich so sehr fokussierte, alles andere ausgeblendet.

    Da ich gerade noch ein wenig Zeit habe ...

    @Rainbow

    Müsste es vielleicht heißen "seine Leiche wurde nie gefunden" (?)

    Das ist eine sprachliche Eigenheit (von Noah). Er verschluckt gern für ihn unwichtige Wörter, gerade wenn für ihn ersichtlich ist, was er meint.

    Von Gefühl her würde ich sagen, dass Akten "geschlossen" werden und nicht "verschlossen" .

    Eine geschlossene Akte ist für mich noch etwas anderes, als eine verschlossene. Noah weiß, dass der Fall nicht abgeschlossen ist. Verschlossen in dem Sinne, wie ich es hier meinte, ist die Tatsache, dass sie nicht öffentlich (und wie hier auch nicht intern) zugänglich ist und das ganz offiziell. Vielleicht sollte ich das genauer herausheben, wenn das so nicht rüberkommt. : )

    Das wirkt mir ein bisschen aufgesetzt. Noah weiß, dass etwas auffällig war, aber nicht was? Vielleicht kann man hier zumindest schon mal eine Andeutung einbauen...zum Beispiel....es gab Abweichungen in der DNA, aber die Leiche war zu stark verkohlt....blabla ... keine Ahnung...ansonsten wirkt das so unwirklich. Denn er scheint ja ein Alleswisser zu sein.

    Hm, wenn das zu merkwürdig ist, setze ich mich da nochmal ran, allerdings ist Noah auch kein Allwissender o.ä. Er weiß viel, er vergisst nichts, was er einmal irgendwo aufgeschnappt hat, das heißt aber nicht automatisch, dass er alles weiß oder auch nur annähernd. (Zumal: Wenn ihn etwas nicht weiter interessiert, beschäftigt er sich nicht zusätzlich noch mit. Das sollte ich dann wohl besser herausschimmern lassen.)

    So, neues Jahr, neues Glück. Frohes Neues, meine Lieben.
    Dabei muss ich euch heute etwas gestehen: Mir geht mein Material aus. Die Geschichte neigt sich dem Ende zu. Es gibt noch eine Kleinigkeit, die ich bisher nur im Kopf, aber noch nicht abgetippt/geschrieben habe. Das wird aber in absehbarer Zeit dann endlich mal in Angriff genommen. Ich will hier ja niemanden dumm sterben lassen. Oder doch?

    Eh, wie dem auch sei:

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    Aber ist es nicht "vom" statt "von"

    Öhm, mein Hirn sagt ja, mein Gefühl will das so aber nicht stehenlassen.

    Aber sonst ... Homunkuli also? Jetzt muss ich wieder an Bartimäus und das Auge des Golems denken ... Vielleicht ist der gesuchte Zauberer ja Tscheche und kommt aus Prag?

    Pscht, den Band hab ich noch nicht gelesen! D:
    :D Wer weiß.

    okay, Noah ist wirklich strange.

    Das will ich doch hoffen. :D Noah war gar nicht geplant, der tauchte einfach urplötzlich auf und wollte nicht mehr weg.

    Ich finde es herrlich, wie du Noah schilderst.

    Noah hat einen amtlich bestätigten Knall und wenn er so herüberkommt, dann hab ich meinen Soll erfüllt. =]


    »Homunkulus?«, fragte Schmitti naserümpfend.
    »Ein künstlich erschaffener Mensch«, antwortete Klager, der sich hinter uns stellte. »Bisher habe ich nur in Theorien davon gelesen. Es hatte auch kein Hexer oder Alchemist bisher wirklich belegbaren Erfolg.«
    »Soweit wir wissen«, murmelte Noah und warf einen Blick zurück.
    »So was wie ein Klon?« Schmitti lehnte sich auf der Unterlippe kauend zurück.
    »So ähnlich, ja«, sagte Klager und nickte zum Bildschirm. Selbst dort schien die abgebildete Seite von der Zeit gezeichnet: vergilbt und am Rand deutlich eingerissen, bevor sie in der digitalen Datenbank gelandet war. Neben dem Text war eine skizzenhafte Zeichnung abgebildet. Ein menschenähnliches Geschöpf mit überdimensional großem Kopf und langen, dünnen Gliedmaßen. Zumindest von der Statur her ähnelte es Hans.
    Noah schaltete den zweiten Monitor an; weitere Zeichnungen platzten wie Seifenblasen auf. Eine davon zeigte etwas, das nur im Entferntesten an einen Menschen denken ließ. Es besaß die Form eines Tropfens, dessen Ende zu einem langen Fortsatz, einem Schwanz gleich, verzerrt war. Ein einziges Auge nahm die gesamte obere Hälfte des Kopfes ein. Das Wesen selbst besaß kindliche Glieder, hatte dabei die Arme um die Beinchen geschlungen. Es erinnerte mich mehr an eine Assel als einen Menschen.
    Weitere Bilder sprangen auf; jedes schien die anderen an Absurdität übertreffen zu wollen.
    »Und wie erschafft man so einen Homunkulus?«, fragte Schmitti. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt und seine Augen huschten über die Abbildungen. »Besonders ähnlich sehen die sich ja alle nicht.«
    »Viele Theorien«, bemerkte Noah, der seine Hände kreisen ließ. »Die meisten reden von menschlichen Zellen, Blut oder Wasser und Blut ... Nichts bewiesen, alles nur Gelaber.« Dennoch leuchteten seine Augen.
    »Und du meinst, Hans ist einer?«, fragte ich und konnte mich von dem ersten Bild nicht losreißen. Das Wesen dort war haarlos und man konnte nichts über Haut- oder Augenfarbe sagen.
    »Es wäre eine Erklärung. Aber auch nur eine Vermutung. Woher soll ich auch wissen, aus was ein Homunkulus zusammengesetzt ist?« Noah schnaubte laut. »Mir ist noch keiner begegnet und Gott bin ich auch nicht.«
    »Aber jemand hat versucht, Gott zu spielen«, raunte ich, spürte dabei den stechenden Blick von Hans im Nacken, der mein Herz rasen ließ.
    »Unser Hexer?« Klager legte die Stirn in Falten. »Das würde zu dem Brief passen.«
    »Erklärt aber immer noch nicht, wie er sich das mit seinem Sohn vorgestellt hat.«
    Noah schloss einige Bilder, nur um in rascher Folge neue zu öffnen. Mir tränten die Augen, sodass ich einen Moment beiseite sah. Unvermittelt fauchte es hinter uns.
    Erschrocken wandten wir uns herum; Noah klappte kurz die Kinnlade herunter. Hans gesamte Haltung war angespannt, die Schultern gestrafft. Er starrte direkt auf den Bildschirm, auf dem inzwischen einige Zeitungsartikel prangten, die Noah gerade unbeachtet hatte schließen wollen.
    Mit dem nächsten Herzschlag war Hans zwischen uns. Schmitti wich mitsamt Stuhl zurück, Noah sprang quiekend zur Seite und Klager fing mich auf, als ich rücklings gegen ihn stolperte. Es wurde merklich kälter im Raum und fast meinte ich, meinen eigenen Atem als feine Wölkchen zu erkennen.
    Hans presste sein Gesicht auf den Bildschirm. Sein Fauchen wandelte sich zu einem heiseren Schrei und schließlich zu einem Wimmern. Als er begann, mit den Fingernägeln am Monitor zu kratzen, brüllte Noah auf, doch Schmitti hielt ihn an der Taille umschlungen fest.
    »Was ist das für ein Artikel?«, fragte ich bemüht ruhig, doch mein Herz wummerte noch immer. Ich versuchte Hans eine Hand auf die Schulter zu legen, doch er schüttelte sie nur mit einem Zischen ab.
    Zähneknirschend duplizierte Noah das Fenster und zog es auf den anderen Bildschirm. Er vergrößerte den Ausschnitt einer Tageszeitung, der kaum mehr als eine Randspalte war. Das Schwarzweißfoto eines Mannes beim Verlassen eines Amtsgebäudes ergänzte die Überschrift.

    Anklage gegenüber Ober fallengelassen


    »Viktor Ober, ehemaliges Mitglied der Hexervereinigung«, raunte Noah und warf einen mürrischen Blick zu Hans, der mittlerweile die Handflächen gegen den Bildschirm drückte. »War vor vierzig Jahren ein ziemlich hohes Tier in der Liga.«
    »Ich erinnere mich an den Namen«, grübelte Schmitti. »An der Akademie ging er herum wie eine Spukgeschichte.«
    »Hieß es nicht, dass er kleine Kinder fing, um aus ihnen Sera herzustellen, die ihm ein langes Leben schenken sollten?«, fragte ich und versuchte ein weiteres Mal, Hans zu beruhigen. Er stieß mich erneut beiseite, kratzte mir dabei den Handrücken auf. Mit verzogener Miene trat ich einen Schritt zurück.
    »Offiziell starb Ober vor dreißig Jahren bei einer Explosion in seinem Haus. Anscheinend ein Anschlag von seinen zahlreichen Gegnern. Leiche wurde nie gefunden«, murmelte Noah weiter. »Oder besser gesagt, man fand Jahre später eine, aber etwas kam den Spezis damals seltsam daran vor.«
    Schmitti setzte sich gerade hin. »Weißt du zufällig, was?«
    »Dafür müsste ich nach der Akte suchen.« Noah schnalzte mehrfach mit der Zunge, blies sich immer wieder das Haar aus dem Gesicht und begann auf seinen Tisch zu trommeln.
    »Das kannst du doch«, sagte ich, während ich mir die geschundene Hand rieb. Der Kratzer war wesentlich tiefer als angenommen. Ich spürte das Blut unter meinen Fingern, verbarg es aber vor den anderen.
    »Sicher kann ich das«, sagte Noah mit diesem schrillen Unterton, der sich immer bei ihm einschlich, wenn ihm etwas nicht passte. »Aber die Akte ist offiziell verschlossen. Soweit ich weiß, gibt es nicht einmal eine digitale Kopie davon.«
    Schmitti rieb sich mit einem Finger im Ohr. »Das würde bedeuten, unser hohes Tier von Hexer hatte gewaltig Dreck am Stecken. Vielleicht lebt er auch noch und die Obersten wissen davon oder ...«
    »Oder er hat etwas erschaffen, das so nicht nach draußen dringen soll«, schloss ich.
    Unsere Blicke richteten sich auf Hans. Seine Brust hob und senkte sich hektisch. Als Noah den zweiten Bildschirm verdunkelte, wich Hans vom Tisch zurück und starrte ein wenig verloren vor sich hin.
    Fahrig fischte Noah nach seinen Tüchern und wischte jammernd über den zerkratzten Monitor. »Den setze ich euch auf die Rechnung.«

    Spoiler anzeigen

    Ich nutze das jetzt flink als Platzhalter, weil ich derzeit nur mit dem Handy dahocke und der neue Abschnitt frühestens morgen kommt.

    Möchte aber bereits was loswerden.
    @Rebirz
    Danke! Ich mag es, wenn mich jemand auf Kleinigkeiten (oder andere Stolpersteine) aufmerksam macht. Von daher freue ich mich über jeden Schnippsel. :D
    Auf paar Dinge gehe ich morgen ein, dann behebe ich auch erst die eingeschlichenen Fehlerchen.

    Edit:

    Spoiler anzeigen


    @Xarrot

    Ich glaube da müsste es "die ich ihn fragend ..." heißen. Der Satz fühlt sich sonst doch recht seltsam an

    Hast schon recht, der Satz klingt merkwürdig. Ich schau da nochmal, was sich als Alternative finden lässt.

    Warum Schokolade Geschlechtsverkehr vorziehen, wenn man auch beides gleichzeitig haben kann?

    :grinstare:
    Noah zieht Schokolade tatsächlich vor. :D

    Also manchmal übertreibt Greta ja auch schon ein wenig, muss ich sagen

    Manchmal? :D

    @Rainbow

    Wie geil die Vorstellung ist, dass die quasi sowas wie "Frundschaftssocken" haben. Ich kenne allerdings keinen Mann, der freiwillig Regenbogensocken tragen würde...

    Schmitti mag's halt bunt. :D Außerdem ist Regenbogen bei ihm so ein "Statement", also bewusst.

    Aber Schmitti is ja auch nicht mit der breiten Masse vergleichbar, oder?

    Wahrscheinlich nicht wirklich, schon allein wegen seiner Orientierung, was sein Liebesleben angeht. Wobei er sich nicht als was Besonderes sieht, klar.

    @Rebirz
    So, jetzt ausführlicher. Die sprachlichen Anmerkungen von dir werde ich umsetzen, helfen mir wirklich sehr. ^^

    Eine Frage in eigener Sache: Schreibt man nach einem solchen Einschub zwischen der Wörtlichen Rede klein weiter? Muss gestehen, dass ich mir nicht sicher bin und daher so etwas meist vermeide.

    In der Tat, die wörtliche Rede wird hier nur unterbrochen (für den Einschub). Sprich, wenn ich jetzt groß weiterschreiben würde, wären das zwei unvollständige Sätze.

    - Ich frage mich schon die ganze Zeit über, was denn diese Spürnasen sind. Hunde? Oder doch nur ein Spitzname für eine Art Spurensuchertruppe? Wie können sie wissen, dass bestimmte Räume belanglos sind?

    Hier sollte ich in der Geschichte wahrscheinlich wirklich etwas ausholen. Gleich nochmal was zu dem Thema ...
    Kurz gesagt: Spürhunde ist ein interner Spitzname für die Spurensucher, ja. Sie haben ein ziemlich feines Gespür für magische Hinterlassenschaften aller Art. Aber wie gesagt, das sollte ich bei der Überarbeitung deutlicher machen, auf jeden Fall. ^^

    Das Gespräch zwischen den beiden fühlt sich echt an und auch ihre Handlungen passen optimal zur Stimmung.

    Ich freu mich jedes Mal, so etwas zu hören. Dann weiß ich, dass das Verhältnis von meinem Kumpel und mir, das mit als Inspiration diente, gut dafür war. :D

    Nur der Abschluss den ich hier markiert habe, hat mich verwundert. Wirkt mir etwas plump, fast so als wolltest du dich hier aus dieser Gesprächsszene flüchten. Kann sein, dass ich dir Unrecht tue, aber es hat bei mir den Eindruck erweckt. Ich hätte eher damit gerechnet, dass Greta sich noch im selben Atemzug selbst Gedanklich rügt, dass sie so schnell zugestimmt hat.

    Guter Einwand, teilweise muss ich auch recht geben, dass ich ein wenig wohl "geflüchtet" bin. Lustig nur, dass sich Greta in der ersten Version wirklich mehr gerügt hat. :hmm:

    Vielleicht den Teil mit dem Essen noch vor den Absatz setzen und dann mit z.B. "Kurze Zeit später schnarchte ..." weiter machen.

    Übergänge und ich. :whistling: Ich schau nochmal drüber.

    Zum einen leckt er ihre Hand, obwohl er weiß, dass sie es nicht stört. Warum also? Wenn sie sich so gut kennen wie ich den Eindruck habe, hätte er dann nicht etwas machen können, dass sie nicht mag? Außerdem wird eine feuchte Handfläche sie ja wohl kaum vom telefonieren abhalten.

    Erneut guter Einwand, das hab ich gar nicht bedacht. Ich könnte mich jetzt mit rausreden, dass Schmitti machen könnte was er wöllte, Greta ist stur wie ein Esel. Ehrlich gesagt leckt er ihr auch nur die Hand, weil er es hasst, wenn sie ihm die Hand vor den Mund hält. Hm ...

    Ein bisschen Geheimniskrämerei ist ja gut, aber langsam artet das in Folter aus. Jetzt weiß ich schon nicht, für was für eine schräge Firma die Truppe arbeitet und in was für einer Art Welt sie überhaupt leben und jetzt willst du mir obendrein auch nicht verraten, was Leo ist?

    Was Leo ist wird später von Schmitti geäußert. Hatte am Anfang einen größeren Wink mit dem Zaunpfahl drin, kam mir aber zu klischeehaft vor. Dabei ist Leo alles andere als Klischee ...

    Doppelt gebuddelt

    Schmitti halt. :D (War sogar so gewollt, aber wenn's negativ auffällt, schau ich mir das nochmal an.)

    Im Zweiten lässt du Greta Hans wieder als Wesen bezeichnen. Erscheint mir etwas seltsam, da sie doch so darauf beharrt hat, das man ihn besser behandeln sollte und ihm auch den Namen gegeben hat.

    Argh, hier war das eher unbeabsichtigt, später ist der Sprung allerdings bewusst. Distanz etc.

    Sagt man nicht "in einem Stück"?

    Ich muss gestehen, dass ich das gerade selbst nicht weiß. Ich kenne beides, was nun wirklich richtig ist, müsste ich nachschauen.

    Du sprichst hier in der Vergangenheit, aber es ist ja noch gar nicht passiert... Glaube ich zumindest Bin verwirrt.

    Wenn es bereits passiert wäre, hätte ich wohl Plusquamperfekt gewählt hier. :hmm:

    Was ich ein wenig bemängeln möchte, ist die spärliche Information bezüglich deiner Welt. Einen Infodump will man natürlich immer vermeiden, aber das ich z.B. nach so vielen Seiten noch immer nicht ansatzweise sicher bin, was Spürhunde und Spezis sind, stört mich persönlich etwas.

    Ist mir bewusst. Mein Problem beim Schreiben war, dass es wie anfangs gesagt eigentlich in einen größeren Zusammenhang gehört, sprich, die Geschichte sollte eigentlich an einem ganz anderen Punkt beginnen. Bisher habe ich vor dieser Erzählung aus dem Universum nur kleine Schnippel verfasst.
    Was jetzt nicht als Ausreden gelten soll. Ich schau, dass ich bei der zweiten Überarbeitung mehr Infos zusteuere - oder auch eher bzw. ausführlicher. :)


    Es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis zumindest Klager zu uns stieß und die Tür mit einem beherzten Rums hinter ihm zufiel. Noah blickte sich nicht zu ihm um, winkte ihn nur heran, bevor er die Hand nach seiner Bezahlung ausstreckte. Ohne die Miene zu verziehen, reichte mein Kollege zwei kleine Schachteln an den Spezi.
    Während Klager sich schließlich in Noahs Heiligtum umsah, wirkte er wenig beeindruckt; mit verschränkten Armen blieb er neben mir stehen und reckte nur den Kopf in alle Richtungen. Noah machte sich derweil mit leisem Murren über die Mitbringsel her.
    Die Zigaretten warf die Ratte lediglich in eine Kiste unter seinem Schreibtisch, in der sich weitere Schachteln stapelten. Noah rauchte gar nicht, er sammelte nur die Hüllen; den Inhalt verteilte er an Kollegen, von denen er etwas benötigte. Den Mikrochip hingegen musterte er eine Weile, dann nickte er, strich über die verschweißte Verpackung und verstaute sie sorgfältig in einer Schublade, die er mit einem Schlüssel absperrte. Anschließend öffnete er mit spitzen Fingern die Pralinenschachtel, streifte sich einen dünnen Einweghandschuh über und schnabulierte die erste Süßigkeit. Dabei grunzte er wie ein kleines Schweinchen. Wenigstens einer von uns dreien schien für den Moment zufrieden.
    Kauend drehte Noah sich auf seinem Stuhl herum. »Wie lange braucht Karlchen noch?«
    Seufzend hob ich die Schultern, beobachtete Klager dabei, wie er sich einige der Regale nun doch aus nächster Nähe betrachtete - unter den wachsamen Augen von Noah, dessen Nase stets zuckte, wenn Klager zu nah an einen seiner Schätze kam.
    »Je nach Verkehr ...«, setzte ich an, ließ Noah den Rest sich selbst zusammenreimen. Meine Zweifel, die seit dem Aufbruch meines Freundes an meinen Nerven nagten, musste ich dem Spezi nicht auf die Nase binden.
    Ich wusste nicht, ob Hans mit Schmitti mitgehen würde. Immerhin war die Schatulle inzwischen geöffnet und es bestand für das Wesen kein Grund mehr, in unserer Nähe zu bleiben. Sicher, Hans hatte auch danach weiter bei mir ausgeharrt, doch warum? Gab es noch etwas, das ihn hier hielt? Ich konnte es kaum sein, auch wenn mich das dumpfe Gefühl beschlich, dass diese Sache mit den Emotionen auch andersherum wirken könnte. Wahrscheinlich hätte ich ihn gleich mitnehmen sollen.
    Ich schreckte aus der Grübelei, als die Tür hinter mir ohne ein vorheriges Klopfen aufgerissen wurde.
    »Sorry, dass es so lange gedauert hat, aber Hans wollte nicht ohne etwas Bestimmtes aus dem Haus und statt vorne wollte er unbedingt hinten im Wagen sitzen. Er ist einfach während der Fahrt über den Sitz geklettert! Ich bin froh, noch am Stück zu sein«, schnaufte Schmitti, der gleichzeitig den Weg für das Wesen freimachte, das wie erwartet die Schatulle vor der Brust umklammerte. Unwillkürlich musste ich schmunzeln; ich musste mich regelrecht zwingen, die Mundwinkel zu senken.
    Noah sprang von seinem Stuhl. »Kommt rein, kommt rein! Setz dich, Karlchen, setz dich«, rief er aufgeregt und schob meinen Freund regelrecht zum Sitzplatz, der sich durch den vorherigen Schwung noch drehte.
    Ich rollte mit den Augen, holte Hans in den Raum, sah mich im sterilen Weiß des Ganges um und schloss langsam die Tür. Als ich mich umdrehte, stand Noah direkt vor mir; ich wich vor ihm zurück, doch er ging lediglich an mir vorbei, lief dann um Hans herum. Er betrachtete ihn von allen Seiten von oben bis unten. Das Wesen selbst wirkte ein wenig verloren mit seinen hängenden Schultern, zusammen mit den schlaksigen Gliedern. Allerdings ließ es Noah nicht aus den Augen und in diesem Moment fiel mir noch etwas an ihnen auf. Irrte ich mich oder waren sie inzwischen wacher, aufmerksamer?
    »Interessant«, murmelte Noah, blieb plötzlich stehen, beugte sich vor und schnupperte. »Wahrlich interessant.«
    Fröstelnd gesellte ich mich zu Schmitti, der mit den Beinen wippend auf dem Stuhl hin und her wackelte. Klager musterte die Situation von der Seite aus, derweil Hans inzwischen meinen Blick suchte. Sofort kehrte die Enge in meiner Brust zurück. Ich sah, wie sich seine Nasenflügel ein wenig hoben und senkten. Als röche er selbst an Noah, während dieser erneut wie ein Geier seine Kreise um ihn zog.
    »Hab mir ja alles ausgemalt von deiner Beschreibung und den Daten her, Karlchen, aber das ist echt der Hammer«, bemerkte Noah, der endlich wieder vor Hans stehenblieb. »Menschlich, dann wieder nicht.« Er streckte einen Zeigefinger aus und pikte dem Wesen in die Wange. Nur Sekunden später tat Hans dasselbe bei ihm. Noah quiekte auf. »Wirklich interessant.«
    »Noah«, knurrte ich, doch er schenkte mir keine Beachtung. Stattdessen begann er, Hans zu berühren; erst nur mit den Fingerspitzen, dann mit der ganzen Handfläche. Prüfend hob er Hans' dünne Arme an, zupfte an der losen Kleidung, bevor er den Stoff hob und flink darunter schlüpfte, um seinen Oberkörper abzutasten.
    »Kriegst du raus, was Hans ist?«, fragte Schmitti. Mittlerweile zuckten nur mehr seine Füße.
    Noah fuchtelte mit der Hand durch die Luft. »Kann ich euch auch so sagen.«
    »Wenn du jetzt sagst, er ist kein Mensch, hau ich dir eine rein«, murrte ich, woraufhin die kleine Ratte kicherte.
    »Seine DNA gleicht der eines Menschen«, sagte er schließlich ruhig. »Sie ist aber anders. Feine Unterschiede.« Er murmelte bereits wieder vor sich hin und betastete Hans' Gesicht. »Eine wie seine ist mir bisher noch nie untergekommen.«
    Ich zog die Brauen zusammen. »Auch nicht bei den Menschenähnlichen? Oger, Elfen und so weiter?«
    Noah schüttelte den Kopf. »Das macht es ja so spannend.«
    In diesem Moment wirkte er wieder wie der siebenjährige Knirps, der mir an der Akademie in die Hacken gelaufen war, während er einen um sich schlagenden Kobold vor sich hertrug. Mit großen Augen, gestraffter Haltung und einem gierigen Blick, der einen schaudern ließ. Der einem bewusst machte, dass er alles andere als klar im Kopf war.
    »Du wirst Hans nicht auseinandernehmen. Er ist kein Kobold«, sagte ich betont gefasst, auch wenn meine Hände zitterten.
    Noah blinzelte unter seinem Haarschopf hervor zu mir. »Bist du mir etwa deswegen immer noch böse? Das ist zwanzig Jahre her! Und der Kobold hat mich gebissen.« Statt einer Antwort warf ich ihm nur einen finsteren Blick zu. Er zuckte mit den Schultern, widmete sich bereits wieder Hans, als wäre das Gespräch ohnehin verlorene Zeit für ihn. Was es wohl auch war. »Gibt mittlerweile andere Wege«, brummte er leise.
    »Was meinst du, wie lange du brauchen wirst?«, fragte Schmitti, der nun mit den Fingern auf den Oberschenkeln trommelte.
    Noah hob erneut die Schultern. »Solange ich nichts Vergleichbares finde, wird es schwierig.«
    »Also kannst du uns auch nicht weiterhelfen. Sag das doch gleich.« Ich warf die Hände in die Luft.
    Die Ratte schnalzte mit der Zunge, dann klarte sich sein Blick mit einem Mal auf und sein Kopf ruckte herum. Er hastete zu seinem Schreibtisch, schob Schmitti beiseite und tippte mit schnellen Fingern auf seiner Tastatur. Einer der Bildschirme leuchtete auf; etliche Fenster öffneten sich schneller als ich schauen konnte. Noah wechselte zwischen ihnen hin und her, schloss das ein oder andere wieder und schien schließlich gefunden zu haben, wonach er suchte - eine alte Seite aus einem Lexikon.
    Mit einem zufriedenen Grunzen lehnte er sich zurück. »Schon mal was von Homunkulus gehört?«

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    Zitat von Rainbow

    Ist die Wiederholung von dir beabsichtig?

    Öhm - nein. ^^'

    Zitat von Rainbow

    Greta scheint wirklich durch nichts so leicht aus der Ruhe zu bringen zu sein.

    Um Greta aus der Fassung zu bringen, braucht es eigentlich nicht viel. :D Aber stimmt, bei solchen Sachen wie mit Hans hat sie die Ruhe weg.

    Zitat von Rainbow

    Aber Hans strahlt ja auch irgendwie was Unschludiges beinahe Kindliches aus.

    ^^ Freut mich, wenn es so wirkt wie es soll.


    Noah zupfte derweil einige Tücher aus einem Plastikbehälter und begann langsam, Finger für Finger zu säubern. »Jedenfalls hab ich mir für Karlchen mit Freuden die Finger schmutzig gemacht. Gern geschehen.« Er wandte sich ein wenig von der Kamera fort. Wahrscheinlich verzog er auch den Mund zu einem Flunsch, allerdings war das unter dem Haufen wirrer Haare manchmal schwer zu sagen.
    »Danke, Noah, wirklich«, sagte Schmitti hastig. Dann wurde er für einen Moment nachdenklich still. »Du, Noah?«
    Die kleine Ratte hielt in ihrer Säuberungsaktion inne. »Was?
    »Kann ich dich um noch einen Gefallen bitten?« Mein Freund sah flüchtig zu mir auf, die ihn fragend und mit gerunzelter Stirn beäugte. »Es gibt da noch etwas, das du für mich untersuchen könntest. Etwas, was nicht unbedingt an die große Glocke gehängt werden sollte. Wenn du verstehst.«
    Ich ballte ungewollt die Hände zu Fäusten, während sich mein Magen verkrampfte. Mir dämmerte, worauf Schmitti hinaus wollte – doch auch wenn es mir nicht gefiel, so sah ich doch ein, dass seine Idee alles andere als einfältig war.
    Noah gähnte ausgiebig und rieb sich kurz das linke Auge. »Wird dich was kosten. Die Untersuchung der Skelette war frei Haus. Außerdem stehe ich wegen der letzten Sache schon mit einem Bein vorm Ausschuss, falls du's vergessen haben solltest.«
    »Wie viel?«, fragte Schmitti monoton; seine Nase zuckte kurz.
    »Lass mich überlegen«, begann Noah, tippte sich wie beiläufig mit dem Zeigefinger gegen das flache Kinn. »Ein gemeinsames Essen, was zu rauchen, einen neuen Chip, Sex ...«
    Mein Freund zog den Mund schief, bevor er Noah unterbrach: »Essen, Zigaretten und der Mikrochip gehen klar.«
    »Reicht nicht«, kicherte Noah.
    Die Haut über dem Nasenrücken meines Freundes kräuselte sich; bevor er zu einer Erwiderung ansetzen konnte, schaltete ich mich dazwischen: »Irgendwo habe ich doch noch diese Schachtel belgische Pralinen, oder?«
    Augenblicklich saß Noah aufrechter und drehte uns wieder sein volles Profil zu. Seine Augen funkelten unter dem Haarschopf auf. »Echte? Nicht dieses Billigzeug aus dem Supermarkt?«
    Ich schmunzelte unwillkürlich in mich hinein. Wenn es etwas gab, dem Noah nicht widerstehen konnte, dann war es teure Schokolade. »Denkst du etwa, Schmittis Mutter schenkt mir Billigzeug?«, fragte ich gelassen.
    Noah schnalzte mit der Zunge. »Von Karlchens Mama?« Er pustete sich einige Strähnen aus dem Gesicht, dann kehrte jenes schiefe Grinsen auf seine Miene zurück, das mir jedes Mal einen Schauer über die Haut jagte. »Her damit.«
    Schmitti lehnte sich schnaufend zurück. »Wird sie echt freuen, wie du das gute Zeug jemand anderem schenkst«, sagte er, ohne zu mir aufzusehen.
    »Für einen guten Zweck«, flüsterte ich, doch mein Freund schüttelte nur den Kopf.
    »Also gut«, rief Noah. »Morgen essen wir zwei zusammen, Karlchen. Du suchst aus. Den Rest schickst du mir einfach runter.« Er legte eine seiner nervigen Kunstpausen ein, in der ich leise bis zehn zählte, um nicht an die Decke zu springen. »Was soll ich für euch untersuchen?«
    Einen Moment sahen Schmitti und ich uns schweigend entgegen, dann begann mein Freund, Noah von Hans zu erzählen.

    Letztendlich überließ ich es Schmitti, Hans abzuholen. Mich beschlich das ungute Gefühl, weiterhin auf Abstand bleiben zu müssen. Ich musste mir wieder bewusst werden, was in mir vorging und welche emotionalen Regungen wirklich meinem eigenen Geist zuzuschreiben waren und nicht Hans. Mittlerweile war ich mir mehr als sicher, dass sich die Empfindungen des Wesen auf mich übertrugen – wie auch immer das möglich war. Eines wusste ich genau: War ich nicht in seiner Gegenwart, fühlte sich mein Herz etwas leichter an.
    Ich fröstelte, während ich mit der Schachtel Pralinen bewaffnet vom vierten Stock in den Keller fuhr. Welche Gefühle der letzten Stunden waren meine eigenen gewesen? Es war nicht das erste Mal, dass ich mich fragte, warum ich so versessen darauf war, Hans nicht wegzugeben. Warum fiel es mir nun um so vieles leichter, ihn quasi Noahs gierigen Fingern auszuliefern, auch wenn sich mir der Magen schmerzhaft zusammenzog?
    Als sich die Türen des Fahrstuhls vor mir öffneten, blinzelte ich in das grelle, schneeweiße Neonlicht, das den geraden, fensterlosen Gang regelrecht überflutete. Die weißen Wände waren zu beiden Seiten in unregelmäßigen Abständen von grauen, massiven Türen durchbrochen. Hier unten befanden sich zwar vorrangig die Büros der Techniker, doch einige der Zimmer wurden auch von der Spezialabteilung in Beschlag genommen. Was sich genau hinter allen Türen verbarg, war mir bis heute unbekannt. Jeder Gang hier herunter kostete mich neue Überwindung.
    Auch Noah nannte einen kleinen Raum am Ende des Flures sein eigen. Ich trat mit tränenden Augen vor die letzte Tür; auf dem kalten Metall prangte in roter Farbe ein liebevolles »Verpiss dich«. Sogar mit einem schiefen, langgezogenen Herzchen daneben. Wie ich den Humor des Jungen liebte.
    Ich holte tief Luft, bevor ich anklopfte.
    »Offen!«, schrillte Noahs Stimme.
    Kaum trat ich durch die Tür, die fast augenblicklich hinter mir zufiel, fand ich mich in dem schummrigen Licht wieder, das Noah bevorzugte. Ich brauchte einen Moment, meine Augen daran zu gewöhnen; langsam stahl sich ein warmer Farbton hindurch, bis sich schließlich mehr als nur Umrisse vor mir bildeten.
    Seit dem letzten Mal hatte sich kaum etwas verändert. Wenn überhaupt, war lediglich neuer Krimskrams hinzugekommen, der sich in den überfüllten Wandregalen und Schränken links und rechts vom Eingang aus sammelte. Platinen, Kabel, Ersatzteile, von denen ich nicht einmal den Namen wusste, alles türmte und stapelte sich in krakelig beschrifteten Kisten. Mir direkt gegenüber stand ein länglicher, weißer Schreibtisch, auf dem zwei breite Bildschirme genau nebeneinanderstanden. Die Wand dahinter nahm ein blinkendes Inferno ein. Mal blau, dann wieder grün und rot bis hin zu orange blitzte es stakkatoartig auf. Hastig wandte ich den Blick ab, als ich merkte, wie mir schummrig wurde.
    Meine Ohren waren erfüllt von einem stetigen Geflüster einer verborgenen Lüftung und dem Rumoren von arbeitenden Rechnern.
    Genau davor saß Noah mit dem Rücken zu mir, den Kopf gesenkt.
    »Stell sie einfach hierhin«, sagte er, ohne sich umzudrehen. Seufzend riss ich mich vom Eingang los, trat neben ihn und legte die Schachtel Pralinen auf seinen sorgsam aufgeräumten Tisch. Bis auf die Bildschirme, Tastatur und einer Packung Reinigungstücher fand sich nichts darauf. Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal ein Staubkorn.
    Noah schielte zur Seite. »Oh, sogar mit Schleifchen. Wie komm ich zu der Ehre?«
    Irritiert sah ich hinab. »Es war ein Geschenk. Bild dir nichts drauf ein«, raunte ich, strich beiläufig das rote Band glatt.
    »Weshalb allein?« Noah tippte etwas, doch auf seinen Bildschirmen tat sich nichts. Ich beugte mich vor, um ihm über die Schulter zu blicken. Vor ihm lag ein Tablett, auf dem er irgendein Kreuzworträtsel löste.
    »Schmitti holt du weißt schon was und Klager besorgt deine Bezahlung«, erklärte ich, rieb mir gleichzeitig über die Arme. Hier unten war es immer so kalt, trotz der vielen laufenden Rechner. Während ich die Wand vor mir hinaufblickte, fragte ich mich stirnrunzelnd, wer eigentlich den ganzen Strom bezahlte.
    »Zumindest die Anzahlung.« Noah gähnte. »Ich würde dir ja gern einen Platz anbieten, aber auf dem sitze ich schon.«
    »Schon gut«, murmelte ich, lehnte mich stattdessen mit dem Rücken zur Rechnerwand an den Tisch. Ich schreckte auf, als Noah mir unvermittelt an den Hintern packte.
    »Runter«, knurrte er. »Du machst alles dreckig.«
    Kurz plusterte ich die Wangen auf, zählte bis zehn und entfernte mich zwei Schritte. Wie nebenbei und ohne hinzusehen zupfte Noah eines der Tücher aus seinem Behälter und wischte über die Stelle, an der ich gelehnt hatte. Unterdes pustete er sich ständig die Haare aus dem Gesicht.
    Mit angehaltenem Atem und geschlossenen Augen betete ich inständig, dass die anderen bald auftauchten. Ich konnte sonst nicht dafür garantieren, dass ich Noah nicht eins über den Schädel zog, um ihm eine Glatze zu rasieren.

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    @Xarrot

    Zitat von Xarrot

    Das hätte Greta wohl gerne

    Glaub mir, das ist das Letzte, was Greta reizvoll findet. :D

    @Rainbow

    Zitat von Rainbow

    Leo ist genauso cool, wie die anderen

    Yaaaay. :panik:
    Ja, Leo stellt sie etwas in den Schatten, aber hey, sie hat auch diverse Vorteile ihnen gegenüber. :D


    »Was?« Klager setzte sich aufrechter in den Stuhl, während er sich näher an den Tisch schob.
    »Sie bestehen nicht einmal aus echten Knochen«, erklärte Schmitti weiter, wenn auch leiser als zuvor.
    »Bitte? Woher weißt du das überhaupt?«, fragte ich mit gerunzelter Stirn.
    »Weil«, setzte Schmitti an und zog sich den kleinen Klapphocker heran, der sonst in der Ecke zwischen Wand und Aktenschrank ein trostloses Dasein fristete, »Noah mir noch einen Gefallen schuldig war. Ich hab ihn gebeten, sie sich genauer anzuschauen.« Er wich meinem langen Blick aus, fummelte stattdessen am Mausrad, während er sich etwas zu intensiv auf den Bildschirm konzentrierte.
    »Noah?« Mir zog es den Magen zusammen.
    »Wer zum Teufel ist Noah?«, schaltete sich Klager dazwischen.
    »Ein Freund«, bemerkte Schmitti kleinlaut.
    Ich lachte freudlos auf, bevor ich mich an unseren Kollegen wandte. »Er ist ein Spezialist.«
    »Und das ist schlimm, weil ...?«, hakte Klager ruhig nach, als er zu mir aufsah.
    Im Grunde sagte Spezialist schon alles über Noah aus, was man wissen musste, doch Klager war noch nicht lang genug dabei, um mit dieser Abteilung bereits ausgiebig Bekanntschaft geschlossen zu haben.
    Schulterzuckend stieß ich schwer den Atem aus. »Er ist etwas - speziell.«
    »Aber er ist schnell, nicht wahr?« Schmitti blinzelte vorsichtig in meine Richtung. Ich hob nur erneut die Schultern. Zugegeben, ich konnte meinen Freund verstehen. Wir kannten Noah seit der Grundschulzeit auf der Akademie und er hatte uns schon mehrfach aus der Patsche geholfen, besonders wenn wir kurz davor standen, einen gewaltigen Fehler zu begehen. Was nichts an der Tatsache änderte, dass ich die kleine Ratte nicht ausstehen konnte.
    »Nur, damit ich es richtig verstehe«, bemerkte Klager und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, »dieser Freund bei den Spezis hat also herausgefunden, dass die Skelette nicht echt sind, ja?«
    »Kann man so sagen.« Schmitti kaute auf seiner Unterlippe. »Zumindest sind es keine Knochen - weder menschlich noch anderer Art.«
    »Das auch noch«, seufzte Klager, der einen Moment die Augen schloss. Zwischen seinen zusammengerückten Brauen bildete sich eine kleine Furche.
    »Was soll es denn dann sein, wenn kein Knochen?«, knurrte ich, worauf Schmitti ein Stück mitsamt Hocker zurückwich.
    »Plastik«, nuschelte er abgewandt.
    Einen Moment herrschte Stille. »Bitte - was?«, fragte Klager langsam, den Blick direkt auf Schmitti gerichtet.
    »Plastik«, wiederholte mein Freund lediglich. Seine Schultern sackten nach vorn, sein Rücken war gekrümmt und sein Kopf hing ihm fast auf der Brust.
    »Moment.« Klager hob die Hand. »Ich hatte den Arm des Skeletts in der Hand. Ich weiß, wie sich menschlicher Knochen anfühlt. Ich habe jahrelang in der Rechtsmedizin gearbeitet.« Er legte die Stirn in etliche Falten. »Das war keine Plastik.«
    »Genaugenommen ist es auch keine alltägliche Plastik«, erklang unvermittelt eine kratzige Stimme aus den Lautsprechern von Schmittis Rechner. Wir fuhren zusammen - bis auf Schmitti, der wie ein scheues Reh in den Hintergrund rückte. Ein Fenster sprang auf dem Bildschirm auf und prompt starrte uns das rundliche Gesicht von Noah entgegen. Sein schulterlanges Haar hing ihm halb vor den hellgrauen Augen; ständig pustete er es sich aus der Stirn. Immer, wenn ich das sah, stieg in mir das dringende Bedürfnis auf, ihm mit einer Schere diese wirren Zotteln abzuschneiden.
    »Wer ist das?«, fragte Klager ohne eine Miene zu verziehen.
    »Darf ich vorstellen?«, sagte ich gedehnt. »Klager, Noah. Noah, Klager. Hast du wieder heimlich zugehört, Ratte?«
    »Liebenswürdig wie immer, Stinkstiefel«, sagte Noah mit einem Naserümpfen. »Dafür, dass ich dir letztens den Hintern gerettet hab, könntest du etwas netter sein.« Mit dem letzten Wort blies er sich erneut die Haare aus dem Gesicht.
    »Du hast meinen Rechner repariert, mehr nicht.« Darum hasste ich es, ihn um Hilfe zu bitten. Immer bildete er sich etwas darauf ein, hielt mir stundenlange Vorträge, wie unfähig ich doch sei – in dreifacher Ausführung, jeweils mit anderem Wortlaut.
    »Auf dem wichtige Daten sind!« Noahs Stimme schrillte kurz, bevor er sich räusperte. »Jedenfalls, um auf die Plastik zurückzukommen: Fühlt sich echt an, ist es aber nicht.«
    »Wer macht denn so was?«, fragte Schmitti von hinten.
    »Jeder, der seinen Schülern oder Studenten keine echten Skelette zutrauen will?« Noah grinste. »Vielleicht hat euer Freund doch schon vorher Bekanntschaft mit gemacht. Was bist du? Studierter Mediziner?«
    »Anthropologe«, brummte Klager. Er schien nicht besonders begeistert von dieser Offenbarung Noah gegenüber zu sein.
    »Oha, und dann fällt dir so etwas nicht auf?« Noah kicherte. »Aber keine Sorge, selbst euch unterlaufen mal Fehler.«
    »Anscheinend will uns jemand an der Nase herumführen«, murmelte Klager, ging damit nicht auf die Beleidigung von Noah ein.
    »Bing, bing, bing!«, rief Noah aus, klatschte begeistert in die Hände und drehte sich auf seinem Stuhl einmal im Kreis. »Ich mag euren neuen Kollegen. Er denkt mal einen Schritt weiter.«
    »Wie bist du eigentlich so schnell zu einem Ergebnis gekommen?«, fragte ich, obwohl ich mir die Antwort bereits denken konnte. »Außerdem sind die Skelette doch mit Sicherheit nicht frei zugänglich?«
    »Beziehungen, Stinkstiefel, Beziehungen«, sagte Noah mit einem breiten Grinsen. Schließlich tippte er sich gegen die Schläfe und wackelte dann mit den Fingern vor der Kamera. »Und deswegen.«
    Klager runzelte die Stirn. »Ein schlauer Verstand ersetzt keine Gewebeprobe.«
    Ich musterte meinen Kollegen einen Moment. Sein rechter Fuß scharrte mit der Spitze über den Teppich. Ihn schien es anzufressen, dass er die Sache mit den Skeletten nicht selbst eher bemerkt hatte. Schon als Leo auf den Gedanken kam, dass die Skelette nicht immer im Keller gewesen sein konnten.
    In diesem Moment fiel mir ein, dass ich Klager nie gefragt hatte, warum er nicht mehr in der Rechtsmedizin arbeitete. Oder warum er bei uns im Büro gelandet war und nicht in unserer eigenen Medizinabteilung. Soweit ich wusste, war er nicht gerade der Depp vom Dienst gewesen. In seiner Akte stand zwar ›aus gesundheitlichen Gründen‹, doch dasselbe konnte man von der Hälfte unserer Besatzung behaupten. Alles ›Quereinsteiger‹, die zuvor in ganz normalen Berufen gearbeitet hatten, bevor sie urplötzlich vor unserer Haustür standen. Leute wie Schmitti und ich, die von der Akademie direkt in der Zentrale für spezifische Sonderfälle anfingen, waren eine zusätzliche Ausnahme.
    »Noah meint seinen Chip im Kopf und die Sensoren in den Fingerspitzen«, riss Schmitti mich aus den Gedanken, wobei er nur den irritierten Blick von Klager auf sich zog. Mein Freund hob die Schultern. »Noah ist ein Technikfreak«, sagte er, als würde das alles erklären.
    Noah war nicht nur ein Freak - er war vollkommen übergeschnappt. Amtlich bestätigt. Seit seiner Kindheit stand er unter ständiger Beobachtung. Er sah es nicht als Beleidigung. Im Gegenteil: Noah wusste, dass er nicht sauber tickte. Was sein Vorteil war. Dass er dazu bewusstseinserweiternde Stimulanzen zu sich nahm, stand jedoch nicht in seiner Akte. Es wurde toleriert, schließlich halfen sie ihm, die rasenden Gedanken in seinem Kopf zu ordnen. Gemeinsam mit der ganzen Technik, die er in seinen Körper verpflanzt hatte.
    Genau deswegen war er nach der Akademie direkt bei den Spezis gelandet – zwei Jahre, bevor Schmitti und ich unseren Abschluss in der Tasche hatten; dabei war er drei Jahre jünger als wir.
    Nicht nur Noah machte es einem nicht leicht, die Spezis leiden zu können; dort half jeder in irgendeiner Weise seiner Gabe nach. Bei dem Gedanken lief es mir kalt den Rücken hinab.
    Klager schwieg einen Moment, dann holte er tief Luft. »Ändert nichts an meiner Aussage.«
    »Bei Noah schon«, grummelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Sensoren in seinen Fingern sind hypersensibel. Sie leiten die Informationen, die sie aufnehmen, direkt an den Chip in Noahs Gehirn weiter.«
    »Es ist wie eine eigene kleine Festplatte«, erklärte Schmitti weiter, der wieder näher heranrückte. »Noah hat schon vor dem ganzen Technikzeug im Kopf nichts vergessen, aber die Verarbeitung war ihm zu langsam, deswegen ...« Schmitti tippte leicht gegen seine Schläfe. »Anders gesagt: Fährt Noah beispielsweise mit den Fingern über Knochen, leiten die Sensoren die Informationen an den Chip weiter, der dann wiederum Noahs Gedächtnis schneller auf die Sprünge hilft, die richtige Erinnerung herauszusuchen, die er braucht.«
    »Zum Beispiel, dass die Plastikknochen eine andere, feinere Struktur aufweisen als echte Knochen«, schloss Noah, der sich wieder das Haar aus der Stirn pustete. Kannte der Junge eigentlich keinen anständigen Friseur?
    »Ihr meint das ernst, oder?«, fragte Klager. Skeptisch sah er von Schmitti zu mir und schlussendlich zu Noah, dessen Grinsen sein gesamtes pausbäckiges Gesicht einnahm.
    Ich klopfte Klager leicht auf die Schulter. »Mach dir nichts draus, mir schwirrte davon anfangs auch der Kopf.« Ehrlich gesagt verstand ich bis heute nicht genau, wie alles bei Noah funktionierte. Es interessierte mich auch nicht weiter.

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    @Xarrot

    Zitat von Xarrot

    Du deutest ständig solche Sachen an, schon mit dem Mammut ... ich kann nicht anders, als mich zu fragen, was bei denen auf der Arbeit alles abgeht?

    Das ist auch Sinn der Sache. :D
    Was speziell jetzt Leos Äußerung betrifft muss ich sagen, dass das wohl ein Geheimnis zwischen Leo und dem Chef bleiben wird. D:
    Zum Mammut ... Vielleicht schreib ich dazu noch irgendwann eine Geschichte. Auch was normalerweise bei ihnen auf Arbeit alles so läuft. Ist derzeit alles Ausnahmezustand. Wah. :panik:

    Zitat von Xarrot

    Da verstehe ich nicht ganz, was Greta mit "Filter" meint.

    Hm, da gehe ich bei Gelegenheit nochmal drüber.

    @Rainbow
    Wie immer ein Dank für deine Anmerkungen. ^^

    Zitat von Rainbow

    By the way, warum hat sie das eigentlich? Gibt es nicht irgendwelche Statuten, dass Beweismaterial irgendwo abgegeben werden muss?

    Die gibt es in der Tat. Ich schau, dass ich da noch etwas genauer drauf eingehe. Wobei ich sagen muss, dass Gretchen und Schmitti, was das Thema betrifft, etwas ... die Regeln dehnen. *hüstel*


    Müde und aufgewühlt fuhr ich am nächsten Morgen in der beginnenden Dämmerung mit dem Bus zur Arbeit. Zu meinem Glück waren um halb Fünf noch nicht allzu viele Menschen unterwegs, schon gar nicht aus der Stadt heraus. Ich verzog mich auf die freie Rückbank, die Kapuze meiner Jacke tief ins Gesicht gezogen, den Kopf gegen die milchig verdreckte Scheibe gedrückt. Die Musik, die aus meinen Ohrstöpseln in meine Gehörgänge schallte, übertönte alle Umgebungsgeräusche. Ich versank in harten Rhythmen und eindringlichen Bässen, in der Hoffnung, sie bliesen mir jegliche unliebsamen Gedanken aus dem Hirn.
    Hans war in meiner Wohnung zurückgeblieben. Bei der Schatulle. Sollte sich das Ding doch jemand anderes holen. Ich hatte jedenfalls nicht den Mut aufgebracht, sie Hans wegzunehmen, geschweige denn mich ihm noch einmal zu nähern. Stattdessen war ich ohne Frühstück verschwunden, hatte mich davongestohlen wie ein Dieb.
    Als der Bus von der Schnellstraße ins Gewerbeviertel abbog, erhob ich mich seufzend, drückte im Vorbeigehen einen der dunkelblauen Halteknöpfe. Ich stieg gerade eine Querstraße vor dem Haupthaus aus dem Bus, als neben mir ein Motorrad hielt, das mich mit seinem Scheinwerfer einen Moment blendete. Ich hüpfte auf den Gehweg, ließ den Bus weiterfahren und blinzelte unter einer Laterne zu dem Idioten, der noch immer an Ort und Stelle verharrte. Ich rupfte mir bereits die Kopfhörer aus den Ohren, bereit zu meckern, als mir die ersten Worte im Hals stecken blieben.
    Klager klappte das verdunkelte Visier seines Helms hoch, grüßte mich dabei leise. Er wirkte in seiner dunklen Lederkleidung mehr wie ein Schatten.
    Schweigend nickte Klager hinter sich. Ich haderte einen Moment mit mir, dann setzte ich mich wortlos hinter ihn auf die Maschine, hielt mich an ihm fest, während er uns durch die Dämmerung Richtung Haupthaus lenkte. Am Tor schob er seine ID Karte in die Vorrichtung; noch bevor sich das Tor halb zur Seite geschoben hatte, fuhr Klager hindurch.
    Ich stieg bereits ab, als Klager auf dem Parkplatz Motor und Licht abstellte. Er blieb noch einen Moment sitzen, nahm den Helm vom Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch das geplättete Haar, um es wieder etwas aufzurichten. Die ganze Zeit beäugte er mich dabei von der Seite. »Du siehst nicht besser als vorgestern aus.«
    Brummend ließ ich ihn auf seiner Maschine zurück und ging zum Seiteneingang, vor dem er stets hielt. Klager folgte mir ohne Eile, war am Ende dank seiner ausladenden Schritte vor mir an der Tür, um sie mir aufzuhalten. Mit finsterer Miene betrat ich vor ihm das Haus.
    »Schmitt meinte gestern, du würdest besser aussehen«, sagte Klager auf dem Weg zum Fahrstuhl. Kurz war ich geneigt, auf die Treppe umzusteigen, drückte jedoch bereits auf den runden Rufknopf, der nun rot unter meinem Finger leuchtete.
    »Gut, kein Gespräch heute«, seufzte Klager, als ich eisern schwieg, und drängte sich vor mir in die Aufzugkabine.
    Ohne ein weiteres Gespräch fuhren wir hinauf, folgten schlussendlich dem gespenstisch leeren Flur hinab. Die grauen Türen links und rechts von uns waren verschlossen; einzig jene zu unserem Büro am Ende des Ganges stand bereits einen Spaltbreit offen. Warmes Licht erfüllte den kalten Flur, dessen Deckenbeleuchtung vollkommen weiß erscheinen ließ.
    Klager und ich hielten inne, sahen fast zeitgleich mit gerunzelter Stirn zum jeweils anderen. Ich sah auf meine Uhr. Fünf.
    »Leute, das müsst ihr euch ansehen«, begrüßte Schmitti uns, kaum dass wir den Raum betraten. Er winkte uns heran, huschte dann zur Tür, um sie zu schließen, bevor er uns zu seinem Schreibtisch schob. Wir hatten nicht einmal die Gelegenheit, richtig anzukommen, die Jacken auszuziehen oder einen Kaffee zu trinken. Sein Bildschirm war bereits voll von geöffneten Dateien, die er hastig sortierte, dann vergrößerte er eine von ihnen.
    Klager zog stoisch seine Jacke aus und warf sie über Schmittis Stuhl, auf den er sich wie selbstverständlich setzte. Mein Freund lehnte sich derweil so dicht neben ihn auf den Tisch, dass ich mich wunderte, warum er ihm nicht gleich die Zunge in den Hals steckte.
    Ich schob meine schlechte Laune vorerst beiseite, sah über Klagers Schulter auf den Bildschirm. »Was ist das?«
    »Das vorläufige DNA Ergebnis von der Haarlocke. Die aus der Schatulle, mein ich«, erklärte Schmitti.
    »Und?« Ich verspürte keine große Lust zu lesen, was Schmitti mir auch in wenigen Worten erläutern könnte. Zudem verschwammen die Buchstaben vor meinen Augen.
    Klager überflog den Text. »Die Haarlocke stammt nicht von Simon von Hahnstein. Das Vergleichsmaterial aus der Villa, das wir haben, stimmt nicht überein.«
    »Dann ist sie von Hans?«, fragte ich gähnend. Murrend rieb ich mir über die Augen, ignorierte dabei Schmittis Seitenblick.
    »Nein«, sagte Klager. Er griff nach der Maus, um in der Datei nach unten zu scrollen. »Hier. Ich habe ›Hans‹ ein paar Haare abgenommen, als es mit der Spieluhr beschäftigt war, und sie ebenfalls an die Spezis gegeben.«
    Ich rieb mir die pochende Stirn. Dann wussten sie nun bereits über Hans Bescheid und es wäre nur noch eine Frage der Zeit, bis einer von ihnen vor der Tür stand. Oder der Chef bei uns auf der Matte. »Und sie stimmt auch nicht überein?«
    »Nope«, schaltete sich Schmitti dazwischen. »Sie stimmt aber auch nicht ansatzweise mit der von Simon überein.«
    Langsam ließ ich die Hand sinken. »Das heißt?«
    »Das heißt, dass Hans nichts mit dem Sohn des Hexers zu tun hat.« Er griff nach der Akte neben dem Bildschirm, blätterte auf eine bestimmte Seite und hielt sie mir schließlich unter die Nase. »Hans sieht dem Jungen nicht einmal ähnlich.«
    Ich kniff die Augen ein wenig zusammen, als ich auf das verblasste Abbild starrte. Simon von Hahnstein war ein pickeliger, pausbäckiger Teenager, dessen dunkelbraunes Haar ihm fettig und strähnig ins kugelrunde Gesicht hing. »Verblüffende Ähnlichkeit«, murmelte ich.
    »Ja, nicht?« Schmitti warf die Akte schulterzuckend zurück auf den Tisch.
    »Ich bezweifle langsam, dass Hans das ist, was unser Hexer in seinem Brief erwähnte«, bemerkte Klager, der sich nun mit verschränkten Armen zurücklehnte, nachdenklich.
    »Steht denn fest, dass der Brief echt ist?«, hakte ich nach.
    »Noch nicht ganz«, erklärte Schmitti, der sich zu seinem Aktenschrank herumdrehte und die oberste dünne Papierakte herunterholte. »Allerdings zeigt ein rascher Schriftvergleich, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist. Unter welchen Umständen der Brief verfasst wurde - keine Ahnung.«
    Klager drehte sich auf dem Stuhl zu mir. »Das heißt aber auch, dass dieses Wesen etwas vollkommen Fremdes sein kann, das nichts mit unserem Hexer zu tun hat.«
    »Aber die Schatulle?« Meine Hände kribbelten. »Es ist eindeutig auf die Schatulle fixiert.«
    »Möglich, dass es einfach nur verrückt nach der Melodie ist«, sagte Schmitti und setzte sich mit dem Rücken zum Bildschirm auf seinen Tisch. Sein Blick ruhte eingehend auf mir. »Es wäre besser, wenn das Ding endlich zu den Spezis gebracht wird.«
    Die Blicke meiner beiden Kollegen richteten sich auf mich. Ich selbst sah wie gebannt auf den Monitor. Mir wurde heiß und kalt zugleich; seufzend gab ich mich geschlagen, meine Schultern sackten nach vorn. »Ihr habt recht.«
    Schmitti atmete hörbar auf, wohingegen Klager mich weiterhin stumm betrachtete. Bevor ich jedoch noch etwas sagen konnte, blinkte plötzlich ein Fenster auf Schmittis Statusleiste, begleitet von einem schrillen Pfeifen. Mein Freund tippte ohne Hast auf seine Tastatur, um sein Mailprogramm zu öffnen. Ich streckte mich derweil und schlenderte zu meinem Schreibtisch, um endlich meine Jacke von mir zu werfen.
    Es war seltsam, doch die Entscheidung ließ mich mit einem Mal freier atmen. Hans gehörte in die Hände der Spezis. Er war kein Mensch, egal wie oft ich versuchte, es mir einzureden. Dennoch stimmte es mich gleichzeitig unheimlich traurig. So einfach war es doch nicht. Es zog mir beinahe die Brust zusammen, wenn ich mir vorstellte, wie sie Hans aus meiner Wohnung holen würden. Wie er schrie und sich mit Händen und Füßen dagegen wehrte, während er die Lippen zurückzog, um fauchend seine Zähne zu zeigen.
    »Oha«, fuhr Schmitti auf. Ich sah fragend zu ihm. »Oha, oha, oha.« Seine Augen huschten hin und her, als er seine Nachricht weiterhin hastig las.
    »Was?«, fragte ich ungehalten, stapfte bereits wieder zu ihm, um selbst nachzuschauen.
    »Unsere Skelette? Die im Keller der Villa?« Sowohl Klager als auch ich sahen gespannt zu Schmitti, der erst nach kurzem Luftschnappen weitersprach: »Sind nicht menschlich.«

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    Zitat von Xarrot

    Vielleicht könnten ein paar Szenen in ihrer Äußeren Beschreibung hier und da noch ein wenig ausladender sein,

    Gut, dass du das ansprichst. Es fällt auf, ne? Da muss ich mich an manche Stellen nochmal ransetzen. Ich verliere mich zu gern in Dialogen ... Gnargh. xD

    Zitat von Sandlov

    Die Dialoge klingen glaubwürdig, als ob es so gewesen sein könnte.
    Und Hans erst mal, da wird man schon neugierig. So kann nur ein Hans sein.

    Danke. Es freut mich jedes Mal, wenn meine Dialoge gut ankommen. Natürlich auch bei allem anderen, aber keine Ahnung warum ich immer hoffe, dass meine Dialoge auch so verstanden werden, wie sie ankommen sollten. *schwitzt* ^^
    Ja, der Hans. Ich will den ulkigen Kerl nicht mehr missen ...

    @Rainbow
    Willkommen an Bord! ^^ Und wie immer danke für deine Eindrücke - und Anmerkungen.

    Zitat von Rainbow

    Was genau ist da jetzt eigentlich passiert? Was war das für ein lautes Geräusch, das Greta ins Taumeln brachte? War es überhaupt ein Geräusch? Du schreibst, es habe sich angefühlt, als würde etwas in ihrem Ohr zerplatzen, weshalb sie gegen die Kisten rempelt...und dann ist mit einem Mal alles wieder okay? Sie wundert sich nicht weiter darüber und erzählt den anderen nichts davon?

    Hm, du hast recht, sie verschwendet danach keinen Gedanken mehr daran. Mag daran liegen, das Schmitti sie da ziemlich schnell von ablenkt.
    Vielleicht mach ich das noch deutlicher. Ne gewisse Bewandnis hatte das "Geräusch" sogar, aber darauf geh ich noch nicht ein. Man, manchmal könnt ich mich für meine winzig verstreuten Hinweise, an die sich am Ende keiner mehr erinnert, selbst hauen.


    »Wir kriegen das schon hin«, murmelte ich mehr zu mir selbst als zu Hans, der seinen Kopf nun zur anderen Seite neigte. Resigniert ließ ich die Schultern sinken.
    Statt weiter stumm und grüblerisch am Tisch zu sitzen, machte ich mich daran, meine winzige Küche und schließlich den Rest meiner Zweiraumwohnung auf Vordermann zu bringen, doch die ganze Zeit spürte ich den sturen Blick von Hans auf mir, der mir langsam mehr wie eine Last erschien. Beinahe wie eine Anklage. Kurzzeitig tauchte die Erinnerung eines Gefühls auf, etwas, das mich bereits in der Villa des Hexers nicht losgelassen hatte. Als müsste ich auf alles eine Antwort finden, so schnell wie möglich, am besten schon gestern.
    Während ich versuchte, mich mit Saugen und Wischen von dem Karussell in meinem Kopf auszusperren, klammerte sich die Unruhe wie ein verängstigtes Tier an mich. Und kaum sah ich nach Hans, der noch immer mit angewinkelten Beinen an meinem Küchentisch saß, kehrten die Gedanken wie eine Woge zurück, schwemmten mein Hirn auf, sodass es sich schwer wie ein Felsbrocken anfühlte.
    Was, wenn Schmittis Bedenken mehr als berechtigt waren? Was, wenn jemand auf meiner Türschwelle auftauchte, der Hans ohne Rücksicht auf Verluste haben wollte? Ich konnte mich zwar durchaus zur Wehr setzen und kannte einige Kniffe, mir unliebsame Gestalten vom Hals zu halten, doch auch dies hatte Grenzen, wenn mein Gegenüber das Kaliber eines von Hahnstein besaß. Was, wenn er es am Ende war, der vor meiner Tür stand? Zumindest wäre dann unser Fall einer Aufklärung ein Stück nähergerückt …
    Frustriert schnaubend warf ich den Mopp von mir, dessen Stiel mit einem Klappern gegen die Flurwand schlug. Vor mir taten sich nur neue Abgründe auf. Ich sah ein, dass Hans nicht auf ewig bei mir bleiben konnte, aber ihn kampflos den schmierigen Klauen der Spezialabteilung überlassen? Niemals.
    Ich sah durch die geöffnete Wohnzimmertür, direkt zum Fenster hinaus. Draußen sprangen die ersten Lichter an, während über den Himmel graue Schatten zogen. Die Baumwipfel vor meinem Wohnhaus tanzten im Wind, als wollten sie meine Unruhe mit Hypnose besänftigen.
    »Ich hab so die Schnauze voll!«, schimpfte ich unvermittelt laut. »Klappe, Hirn, Mensch!« Ich raufte mir die kurzen Haare, wuschelte sie durcheinander und beschloss, den Tag sein zu lassen. Ich warf meine Kleider von mir, ließ sie einfach an Ort und Stelle liegen, während ich ins Schlafzimmer tapste. Dort schlüpfte ich in einen übergroßen Pullover und steifte mir die regenbogenfarbenen Ringelsocken über, die mir bis zu den Knien reichten und eigentlich Schmitti gehörten - ihm waren sie allerdings zu klein.
    Mit Chips, Bier und einer gesamten Staffel Doctor Who bewaffnet verkroch ich mich aufs Sofa, fest eingewickelt in meine dickste Decke.
    Ich rief nach Hans, der kurz darauf wie ein Hund aus der Küche zu mir kam, um sich neben mich auf meinen Zweisitzer zu hocken.
    Kaum war der Fernseher jedoch eingeschaltet, rutschte Hans wie eine Schlange vom Sofa und kroch auf die gegenüberliegende Seite. Am Ende konnte ich ihn nur mit der Fernbedienung davon abhalten, sich die Nase am Bildschirm plattzudrücken. Ich lockte ihn damit, pfiff sogar leise, worauf er seltsamerweise mit gehobenem Kopf reagierte. Ich klopfte auf den Platz neben mich, bis er sich wieder hinsetzte.
    Eine Weile starrte er auf die Fernbedienung in seinen Händen, dann begann er, die Programme zu ändern. Anfangs wollte ich protestieren, doch ich schloss den Mund wieder, kaum dass er offenstand. Hans hielt inzwischen beinahe verbissen den Knopf für die Programmwahl, während sich die Fernsehbilder in rascher Abfolge änderten. Zu allem Übel entdeckte er bald darauf die Lautstärke, stellte lauter, dann wieder leiser, ließ die Gespräche einer Talkshow, bei der er zuvor stehengeblieben war, ganz verstummen. Dann fand er den Knopf zum Ein- und Ausschalten ...
    Seufzend erhob ich mich vom Sofa und schleppte mich mitsamt Decke in den Flur, wo ich die Tür heranzog. Nach einer kurzen Suche mit meinem Telefon bewaffnet, setzte ich mich in die Küche und tippte eine Kurzwahl.
    »Du schaffst es immer wieder, im schlechtesten Moment anzurufen«, ertönte Leos dunkle Stimme nach dem ersten Freizeichen, auch wenn sie nicht im Geringsten verärgert klang. Im Hintergrund raunten leise Stimmen, deren Gespräch für mich keinen Sinn ergab. »Was gibt es? Ärger unterm Sonnenschein?«
    Schmunzelnd sah ich zum Fenster hinaus, lehnte die Stirn gegen das kühle Glas, während ich im Dunkeln hockte. Im Haus gegenüber gingen mehrere Lichter an und aus; hier und da huschte eine Gestalt hinter Vorhängen oder an offenen Fenstern vorbei. Manchmal fragte ich mich, was meine Nachbarn für Leben führten; ob sie glücklich waren oder Probleme hatten, die sie ebenfalls nicht so einfach lösen konnten.
    »Ich brauche gerade einfach deine Stimme«, murmelte ich.
    Das Gespräch bei Leo wurde leiser, bis es ganz verstummte. Leo schien sich inzwischen ein ruhiges Plätzchen gesucht zu haben. Gut, denn das bedeutete, dass sie mir zuhören wollte. »Mit Schmitti kannst du wohl gerade nicht reden?«
    »Nicht wirklich«, seufzte ich, bevor ich ihr die Lage erklärte. Die ganze Zeit sprach sie kein Wort. Als ich endete, schwiegen wir uns einige Sekunden an.
    Es war Leo, die zuerst tief Luft holte. Ich hörte ihr Feuerzeug zünden, das kurz darauf achtlos auf einen Glastisch geworfen wurde. »Liebes, ich muss mich den Jungs anschließen.«
    »Dachte ich mir.« Ich war auf niemanden böse. Natürlich nicht, denn in ihrer Situation hätte ich genau dieselben Argumente vorgebracht. Nur stellte mich diese Erkenntnis nicht zufrieden.
    »Du solltest mit Dieter reden. Zusammen findet sich eine Lösung. Und den Kopf wird er dir auch nicht gleich abreißen.«
    »Dir vielleicht nicht - mir schon«, murrte ich. »Er wird Hans zu den Spezis zerren.« Ich lehnte mich zurück, legte den Kopf dabei in den Nacken, starrte an die Zimmerdecke, die dringend mal wieder gestrichen werden müsste. Oder ich lud Schmitti einfach nicht mehr zum Kochen ein ...
    »Er lässt dich sicher dabei sein und Händchen halten, wenn es sein muss. So sehr vertraut er den Spezis auch nicht, seit sie ...« Leo hielt inne; ich wartete, dass sie den Satz fortführte, doch sie stieß nur lautstark die Luft aus. »Jedenfalls kann ich bei Dieter auch ein gutes Wort für dich einlegen.«
    »Lass stecken«, raunte ich und schloss die Augen. »Ich will dir dein gutes Verhältnis zum Chef nicht verderben.«
    »Was ist eigentlich los mit dir, Greta? So niedergeschlagen und pessimistisch habe ich dich seit Jahren nicht erlebt. Ist alles in Ordnung? Fühlst du dich nicht gut?« Leo klang ernsthaft besorgt. Kurz blitzten Bilder vor mir auf, die ich tief vergraben glaubte. Ungemütliche Zeiten, aus denen nicht nur Schmitti mich mit Arschtritten hinausbefördert hatte. Kurz huschte ein trauriges Lächeln über meine Lippen, dann schubste ich die Erinnerungen zurück den Abgrund hinab und schüttete einen frischen Haufen Erde hinterher.
    Nur zu gut konnte ich mir vorstellen, wie Leo sich inzwischen aufrechter setzte und ihre Ohren verräterisch zuckten. Ich konnte ihr keine Antwort geben. Tatsächlich fühlte ich mich schwermütiger als ich es von mir gewohnt war. Als hätte sich etwas auf meinen Schultern mit scharfen Zähnen festgebissen.
    Ich runzelte die Stirn. »Kann ich dich zurückrufen?«
    »Du doch immer, Liebes«, sagte Leo, doch ihr typisches Lachen, das diese Aussage stets begleitete, fehlte.
    Ich legte einfach auf. Mit einem flauen Gefühl im Magen und leicht zittrigen Knien schlich ich zurück zum Wohnzimmer. Unsicher blieb ich im Türrahmen stehen, sah zu Hans, der die Fernbedienung inzwischen auf den Teppich geworfen hatte, wo sie nun mit offenem Batteriefach lag. Der flimmernde Fernseher war das einzige Licht und ließ Hans' langes, hohlwangiges Gesicht noch gespenstischer wirken.
    Das Wesen saß im Schneidersitz mit der Schatulle im Schoß, klappte den Deckel hoch und schloss die Augen wie in Zeitlupe, als die Walze sich leiernd in Bewegung setzte. Fast zeitgleich spürte ich einen Stich im Magen, während Tränen unter meinen Lidern brannten. Ich straffte die Schultern.
    »Hör auf«, flüsterte ich in seine Richtung. Hans sah nicht zu mir, lauschte stattdessen nur weiterhin der lückenhaften Melodie. Ich ballte die Hände zu Fäusten, stapfte auf Hans zu und riss ihm die Schatulle aus den Händen. Fauchend fuhr das Wesen herum, doch ich warf die Schatulle achtlos beiseite und packte Hans an den schmalen Schultern. »Ich sagte: Hör auf!«
    Ich rüttelte regelrecht an ihm, während die Tränen sich formten und ihren Weg ins Freie fanden. Trotzig zog ich die Nase hoch. »Ich bin nicht dein Gefühlsfilter! Verstanden? Hör auf damit!«
    In diesem Moment brach alles über mir zusammen. Alles wollte zeitgleich aus mir herausplatzen. Meine Schlaflosigkeit, unser laufender Fall, der Stress, die Gewissheit, dass Hans mich mit seinen Gefühlen manipulierte - dabei wusste ich nicht einmal, ob er es mit Absicht tat. Vielleicht irrte ich mich ja doch und es steckte etwas anderes dahinter.
    Nein. Stimmungsschwankungen waren mir nicht fremd, doch das, was ich in den letzten Stunden wie eine Achterbahn durchlebt hatte, war etwas ganz anderes. Ich wusste es einfach.
    Hans musterte mich mit aufgerissenen Augen. Seine Nasenflügel blähten sich auf und fielen wieder zusammen. Sonst geschah nichts. Mein Herz schlug so heftig in meiner Brust, dass mir schwindelig wurde. Ich taumelte einen Schritt von Hans zurück und hielt mir den Kopf.
    »So geht das nicht weiter«, raunte ich, bevor ich die Fernbedienung wieder zusammensetzte und den Fernseher ausstellte. Ohne ein weiteres Wort wankte ich hinaus.
    Ich schloss mich in meinem Schlafzimmer ein, auch wenn ich befürchtete, dass es das Wesen nicht aufhalten konnte. Ich kroch so wie ich war unter meine Decke und zog sie mir über den Kopf. Fest kniff ich die Augen zusammen; mein Blut rauschte in meinen Ohren, als ich die Luft anhielt.
    Schließlich entspannte sich mein Körper, doch innerlich kam ich nicht zur Ruhe, auch nicht nach mehrmaligem tiefen Ein- und Ausatmen. Während sich langsam der Mond vor meinem Fenster zwischen den dunklen Wolken hindurchschob, lauschte ich die ganze Zeit auf verräterische Geräusche. Wartete regelrecht darauf, dass das Wesen plötzlich neben meinem Bett stand, um mit diesen kalten Augen auf mich herabzustarren.
    Fluchend setzte ich mich auf, warf mein Kissen gegen die Tür und mich wieder längs aufs Bett. Schlaf fand ich die ganze Nacht keinen.

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    @Xarrot :panik:
    Ich wollt beim letzten Mal übrigens nicht ausdrücken, dass ich nicht weiß, ob der Teil gut ist, sondern nur, dass ich ihn fast um die Hälfte eingestrichen hätte - mehr als ich schon habe. Bin mir nicht sicher, was davon bleiben kann und was nicht weiterhilft. .-.

    Zitat von Xarrot

    Klager erscheint mir dafür aber doch etwas sehr fürsorglich, der scheint Greta ja wirklich sehr gern zu haben Steckt da vielleicht mehr dahinter?!

    :grinstare:
    Mein Name ist Hase ...


    Gegen Mittag gesellte sich Schmitti zu unserer kleinen gemütlichen Runde in der Küche. Ich stopfte mir gerade mehrere der Pommes in den Mund, die mein Freund mitsamt einem saftigen Burger von meinem Lieblingsimbiss mitgebracht hatte. Er selbst süffelte nur ab und zu an seiner Cola, während er mich beim Essen beobachtete.
    »Was hast du eigentlich nun mit ihm vor?«, fragte Schmitti.
    Mit aus den Mundwinkeln hängenden Pommes sah ich zu ihm auf. »Waff?«
    Er nickte zu Hans, der auf dem Stuhl gegenüber hockte. »Du kannst ihn nicht einfach behalten wie ein Haustier.«
    Ohne Eile kaute ich auf, trank einen Schluck Wasser, bevor ich nach einem Rülpsen verkündete: »Vorerst bleibt Hans hier.«
    Schmitti stützte das Kinn auf die Hand. »Du hast das Ding gern.«
    »Nicht Ding«, schalt ich, während ich mit der Gabel vor seiner Nase fuchtelte. »Hans.«
    »Willst du echt dabei bleiben?« Er sah zu dem Wesen. »Mein Beileid. Heißt wie unser mürrischer Hausarzt, dem langsam die Haare ausfallen.«
    »Wer ist denn Schuld, dass ihm die Haare ausfallen?«, fragte ich mit einem Seitenblick zu meinem Freund.
    Er hob die Hände. »Ich habe mir ewig nichts eingefangen.«
    »Was war das dann letzte Woche? Waren das keine Greifenflöhe?«
    Schnaubend stibitzte Schmitti eine Pommes von meinem Teller, um sie sich hastig in den Mund zu stecken. »Fass dir an die eigene Nase«, bemerkte er kauend und klaubte eine weitere Pommes auf. Ich klopfte sie ihm aus den Fingern, doch er fing sie geschickt auf, bevor sie ihm in den Schoß fiel.
    Hans sah derweil schweigend zwischen Schmitti und mir hin und her. Er hatte die Beine angewinkelt vor sich auf der Sitzfläche, die Arme fest um die Knie geschlungen. In den Falten des Pullovers lag die Schatulle verborgen. Seit das Wesen mich heute früh so sitzen gesehen hatte, völlig in Gedanken versunken, ahmte es dieses Verhalten nach. Selbst wenn ich aufgestanden war, verharrte es dort am Tisch, schaute mir nur stumm nach.
    »Jetzt ernsthaft, Gretchen.« Schmitti lehnte sich zurück, rieb sich die Hände an der Hose. »Hans kann nicht hierbleiben. Du wirst ihn früher oder später den Spezis überlassen müssen.«
    »Nein.« Ich stopfte mir die restlichen Pommes in den Mund, eine nach der anderen.
    »Nein? Weißt du eigentlich, was du damit ins Rollen bringst?«, fragte Schmitti, doch ich zuckte mit den Schultern, legte die Gabel beiseite und leckte die Finger sauber. Er beugte sich vor. »Greta, ich mein's ernst. Hans ist in einen Fall verwickelt. Wir wissen nicht einmal, was er ist! Selbst einer, der die Magie vergessen hat, sieht, dass er kein Mensch ist.«
    »Sie sehen auch jeden Tag Elfen um sich herum. Und?«
    »Elfen wie Leo haben aber im Gegensatz zu unserem künstlichen Wesen hier«, er zeigte mit dem Daumen zu Hans, »eine gesunde Hautfarbe und starren dich nicht die ganze Zeit ohne ein Blinzeln an.« Er wandte sich herum. »Hör auf damit!«
    Das Wesen legte den Kopf schief, ohne etwas an seinem eindringlichen Blick zu ändern. Seufzend sprach Schmitti wieder zu mir: »Und sie sind auch nicht so eiskalt.«
    »Hans lernt«, bemerkte ich zögernd. »Er könnte auch lernen, menschlicher zu werden.«
    »Und wie? Mag ja möglich sein, aber deswegen wird aus einer Eispuppe nicht plötzlich ein richtiger Junge.«
    »Lass das meine Sorge sein.« Ich stand auf, um das Geschirr in die Spüle hinter uns zu räumen.
    »Es ist aber nicht allein deine Sorge. Greta, wir sind ein Team, vergessen? Alleingänge gibt's nicht. Wenn du was verbockst, dann sind wir alle dran.«
    »Dann geh doch zum Chef und erzähl alles!«, fuhr ich auf und wirbelte herum. »Ach, warte, das hat Klager sicher schon erledigt.«
    Schmitti musterte mich schweigend mit ruhiger Miene. »Er wird es, wenn du nicht zur Vernunft kommst.«
    »Die Spezis werden Hans nicht mehr aus ihren Fittichen lassen.«
    »Die Spezis sind dafür da, dass wir endlich Gewissheit haben, was es mit Hans auf sich hat. Wir wissen nicht, ob er gefährlich ist. Oder ob unser von Hahnstein nicht irgendwann bei dir auftaucht, um ihn sich wiederzuholen. Und was dann? Hm? Deine Magie reicht bei Weitem nicht aus, sich mit einem Hexer höchster Güte anzulegen.« Er legte den Kopf schief. »Überhaupt ist deine Magie nicht körperlicher Natur. Ebenso wenig wie meine. Deswegen sind wir nicht bei den Spürhunden oder den Spezis.«
    »Danke. Hatte ganz vergessen, dass wir die Deppen vom Dienst sind. Die Einäugigen unter den Blinden«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als ich seinem drängenden Blick auswich.
    »Ich mach mir doch nur Sorgen um dich«, flüsterte Schmitti, der langsam aufstand und schließlich die Hände auf meine Schultern legte. Ich starrte nur auf seine regenbogenfarbenen Ringelsocken. Irgendwo im Schrank hatte ich das passende Gegenpaar. »Ebenso wie Klager. Seit wir in der Villa waren, benimmst du dich merkwürdig.«
    »Ich kann ihn aber nicht einfach den Spezis überlassen«, wisperte ich, schlang die Arme um mich selbst, weil ich mit einem Mal furchtbar fröstelte. »Sie werden Hans bis auf die Knochen untersuchen. Und wer weiß, ob er das überhaupt überlebt?«
    »Der Oger letztens hat es überlebt«, erklärte Schmitti leise.
    Ich lachte schnaubend. »Weil sie Oger kennen. Aber so etwas wie Hans?«
    »Na ja, er war schon anders. Er hatte einen ziemlich hohen Intellekt, deswegen ist er ja auch abgehauen ...«
    »Karl, Klappe!« Ich lehnte meine Stirn gegen seine und schloss die Augen. Einige Zeit lauschte ich nur seinem Atem, der über meine Wangen kitzelte. Schmitti war in keiner Weise hilfreich. Dazu war er viel zu sehr in seine Meinung verbissen. Aber war ich denn anders? Wieso bestand ich eigentlich wirklich so vehement darauf, Hans nicht an die Spezis zu geben? Wirklich allein deswegen, weil ich Angst hatte, ich würde ihn nicht wiedersehen? Oder nicht mehr an einem Stück? Am Ende verschwand er wie alle anderen Dinge, die von den Spezis als zu gefährlich eingestuft wurden.
    »Du kannst ihn nicht behalten«, sagte mein Freund leise. Er drückte seinen Nasenrücken gegen meinen, dann löste er sich von mir. »Vorschlag: Wir besprechen es mit dem Chef. Okay?«
    Ich verzog das Gesicht. »Nein. Ich kenne seine Antwort.« Wie ein bockiges Kind verschränkte ich die Arme vor der Brust.
    »Wenn du meinst.« Schmitti seufzte. »Ich muss jedenfalls zurück ins Büro. Überleg dir bis morgen, was du machen willst, aber irgendwann wird Hans' Dasein Fragen aufwerfen.« Damit drückte er mir einen sanften Kuss auf die Stirn und ließ mich allein mit Hans zurück.
    Er hatte ja recht. Ich wusste das, dennoch wollte ich nicht nachgeben. Wollte der Vernunft trotzen. Langsam sah ich zu Hans auf, der mich unerbittlich betrachtete. Ich versuchte zu lächeln, doch es wurde schief und einseitig.

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    @Xarrot Danke für die bayrisch sprechende Greta in meinem Kopf. :rofl:


    Tja, das ist wieder so ein Abschnitt, wo ich mir noch nicht sicher bin, ob er so komplett am Leben bleibt ... Übergänge, gnargh.

    ~+~


    Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment wie eine unter Druck stehende Dose in der Sonne mit einem lauten Knall explodieren. Knurrend riss ich die Arme in die Luft, drehte mich herum und sprang vom Stuhl hoch. Schmitti schreckte hoch, um mich verschlafen vom Sofa aus zu mustern, während Klager seinen Kopf durch den Türrahmen streckte.
    »Ich dreh noch durch. So kommen wir nicht weiter!«, sagte ich schnaufend, machte mit einem Ruck das Fenster vor mir auf und hielt das Gesicht in den kühlen Wind, wobei mir einige kurze dunkle Haarsträhnen in die Stirn fielen.
    »Du hast recht. Aber darüber können wir auch noch morgen reden«, bemerkte Klager, der mich spürbar von hinten musterte. »Mach Schluss für heute.«
    Seufzend schloss ich die Augen, rieb mir fröstelnd über die Oberarme.
    »Rudi hat recht«, gähnte Schmitti. »Geh nach Haus, Gretchen. Siehst scheiße aus.«
    »Wie charmant«, murmelte Klager. Mit einem schwachen Lächeln gab ich mich wortlos geschlagen. Ich wusste selbst, dass ich an diesem Tag zu nichts mehr zu gebrauchen war und bevor ich jedem auf den Senkel ging ... So protestierte ich auch nicht gegen die Bekundungen meiner Kollegen, sie würden meine Arbeit schon schultern und mit dem Chef reden.
    Also räumte ich schweigsam meine Sachen zusammen, bevor ich Hans die Schatulle aus den Armen nahm. Mit einer beherzten Geste zog ich ihm die Kapuze tief ins Gesicht, bis nur mehr sein bartloses Kinn auszumachen war. Ich hievte ihn auf die dürren Beine, wobei ihm die Jogginghose lose um die Knie schlapperte, und führte ihn an der Hand hinter mir her. Wortlos, ohne mich von den anderen zu verabschieden, verließen ich gemeinsam mit Hans das Büro. Zusammen schlichen wir über den noch leeren Flur bis hin zum Fahrstuhl. Die Lampe über uns flackerte und ich drückte den Knopf, entschied mich jedoch um, als ich aus dem Schacht das laute Lachen der ersten Kollegen hörte. Treppe ging ohnehin schneller.
    Hans stolperte hinter mir her, strauchelte über einen geöffneten Schnürsenkel, den ich geduldig auf einem Absatz zusammenband, ehe es weiter ging - hinaus aus dem Gebäude, quer über den Parkplatz, hin zum Bus, der uns nach Hause bringen würde.

    Der Tag zog wie im Zeitraffer an mir vorbei. Ich konnte mich am Ende nicht einmal mehr entsinnen, wie ich überhaupt ins Bett gekommen war. In dieser Nacht schlief ich wie ein Stein. Ich schlief so gut, dass ich am nächsten Morgen erst durch das schrille Piepsen meines Weckers hochschreckte. Mit fahrigen Bewegungen suchte ich bäuchlings und blind auf der anderen Seite meines Bettes nach dem Handy, fand jedoch nur eine eiskalte Hand. Ich wich zurück, mit wummerndem Herzen, bis ich mich erinnerte. Langsam drehte ich den Kopf herum, sah in das Gesicht von Hans, das nur wenige Zentimeter von mir entfernt war. Irgendwann in der Nacht musste er zu mir ins Bett gekrochen sein.
    Ich fand mein Handy unter meinem Kissen, schaffte es endlich, den Weckton abzustellen. Stöhnend warf ich das Telefon auf die Decke hinter mir. Eine Weile starrte ich vor mich hin, vergrub dann das Gesicht im Kissen. Hans rutschte ein weniger näher zu mir, als suche er neuerdings meine Wärme. Schmunzelnd drehte ich mich auf die Seite, sodass unsere Gesichter erneut auf gleicher Höhe waren.
    »Was mache ich mit dir?«, murmelte ich, ohne eine Antwort zu erwarten. Vielleicht war es besser, ihn gemeinsam mit der Schatulle den Spezis zu überlassen. Doch vieles in mir sträubte sich dagegen. Es erschien mir nicht richtig. Hans war kein Gegenstand, über den man einfach so hinweg entscheiden konnte. Zudem konnte ich die Methoden der Spezis nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Hätten sie Hans erst einmal in ihren Fittichen, würden sie ihn nie wieder aus den Tiefen der Kellerräume gehen lassen. Ihre Gier für alles Unnatürliche war grenzenlos - und beängstigend.
    Dennoch: Hans' gesamte Existenz schien ein Rätsel. Wahrscheinlich war er einst eine Hoffnung gewesen, doch nun? Warum hatte man ihn allein zurückgelassen?
    Mir schwirrte bereits wieder der Kopf. Ich zuckte zusammen, als Hans unvermittelt seine kalte Hand auf meine Wange legte. Mir kamen die Tränen, dabei fühlte ich mich nicht traurig, nur - verwirrt.
    »Bist du traurig?«, fragte ich. Hans sah mir nur ausdruckslos entgegen. Zögernd streckte ich meine eigene Hand aus, berührte nun im Gegenzug seine Wange. Sofort schmiegte er sie der Berührung entgegen.
    In diesem Moment vibrierte mein Telefon zweimal kurz hintereinander. Ich wollte es nicht weiter beachten, doch mit einem Mal richtete sich Hans auf, beugte sich über mich und schnappte nach dem Handy, um es mir kurz darauf direkt vor die Nase zu halten. Ich blinzelte, dann lachte ich auf, als er es mir gegen die Nasenspitze drückte, dann seine Finger zwischen meine schob und sie gegen das schwarze Gehäuse presste.
    »Okay, okay, du hast gewonnen«, sagte ich, setzte mich auf und sah nach meinen Nachrichten. Klager. Überrascht hob ich die Brauen und las:

    Bleibe du heute zuhause. Ruh dich aus. Du sahst gestern ziemlich bleich aus. Ich gebe dem Chef Bescheid, keine Sorge.

    Schmunzelnd sah ich auf die Zeilen, bis sich das Display verdunkelte, dann vibrierte es erneut, kurz darauf ein weiteres Mal.

    Ich schicke Schmitt gegen Mittag vorbei, in Ordnung?
    Und: Ich sage dem Chef vorerst nichts von »Hans«. K.

    Ich schluckte und schrieb mit leicht zittrigen Fingern meine Antwort, dass es in Ordnung war, wenn Schmitti vorbeikam, und einen Dank, dass Hans vorerst unser Geheimnis blieb.
    Sogleich kam eine Nachricht zurück.

    Darum kümmern wir uns, wenn es dir besser geht. Schlaf dich aus. K.

    Seufzend warf ich das Handy auf den Nachttisch. Ich legte mich zurück ins Kissen und schloss die Augen, merkte jedoch schnell, dass ich nicht wieder einschlafen konnte. Brummend stieg ich aus dem Bett und tapste Richtung Küche. »Ich mach uns Frühstück.« Dabei wusste ich nicht einmal, ob Hans überhaupt etwas aß. Nun, Zeit, es herauszufinden.

    »Gibt es noch weitere Briefe? Oder eine Art Aufzeichnung, was es hiermit auf sich hat?«, fragte Klager, der sich nun hinter Leo hockte.
    »Da ist nur noch eine kleine Schachtel«, erklärte sie, nachdem sie die Schatulle mit Hans' Erlaubnis noch einmal genauer in Augenschein nahm.
    Klager streckte die Hand aus, bis Leo nachgab und etwas hineinlegte, das kaum größer als eine Streichholzschachtel war.
    »Was ist drin?«, erkundigte sich Schmitti und reckte den Hals, während er sich auf seinem Stuhl hin und her drehte.
    »Eine weiße Haarlocke«, bemerkte unser Kollege erstaunt, klappte die Schachtel wieder zu und beäugte Hans einige Zeitlang schweigend. »Wir werden um die Spezis nicht mehr herumkommen.« Er richtete sich auf, wobei er sich den kleinen Gegenstand in die Tasche steckte.
    »Vielleicht sollten wir dann auch Hans eine Strähne abschneiden«, überlegte Schmitti und drehte sich mit Schwung einmal um sich selbst.
    »Hans?« Klager blickte zu meinem Freund.
    »Hans«, sagte ich und kniete mich vor das Wesen. »Wir konnten es nicht einfach Vieh nennen.«
    »Ich schon«, raunte Schmitti, worauf ich ihm hinter meinem Rücken den Mittelfinger entgegenstreckte.
    »Was auch immer ihr zu tun gedenkt, macht es schnell.« Leo stellte sich neben mir auf, drückte den Rücken durch. »Meine Arbeit ist vorerst getan.« Sie hielt noch einmal inne. »Ich verlasse mich darauf, dass ihr mich auf dem Laufenden haltet.«
    Ich schmunzelte zu ihr herauf. »Klar.«
    Sie verabschiedete sich kurz angebunden. Schmitti trank inzwischen schweigsam seinen Kaffee, während er zum Fenster hinaussah, vor dem sich der Morgen wolkenverhangen und trüb präsentierte; Nebel legte die Welt in einen seltsam melancholischen Schleier.
    Klager lief im Zimmer auf und ab, wobei er deutlichen Abstand zum Wesen hielt, das weiterhin der Spieluhr lauschte. Zwischendurch schloss es den Deckel der Schatulle, nur um ihn kurz darauf behutsam anzuheben, bis die Melodie leiernd den Raum erfüllte.
    Ich selbst setzte mich an meinen Tisch, die Ellenbogen aufgestützt, und verbarg das Gesicht in den Händen. Mich beschlich das Gefühl, dass etwas nicht zusammenpasste. Dass wir weiterhin etwas übersahen. Stück für Stück ging ich den ganzen Fall gedanklich durch, versuchte jedes Teil dieses Puzzles neu zusammenzusetzen. Doch entweder passte der eine Rand nicht zum anderen oder ich versuchte ein Dreieck in einen viel zu kleinen Kreis zu stopfen.
    »Das passt doch alles nicht zusammen«, sagte Klager unvermittelt und blieb direkt vor meinem Schreibtisch stehen.
    Schmitti sah träge zu ihm herum. »Häh?«
    »Die ganze Sache mit den Skeletten, mit der Villa an sich, wie leicht die Schatulle zu finden war. Da passt was nicht zusammen«, sprach unser Kollege mit Nachdruck weiter. Seine Augen glänzten, als er von Schmitti zu mir sah.
    »Du meinst, jemand hat das alles inszeniert?«, versuchte ich Klager zu folgen.
    »Genau.« Er schlug die Hände gegeneinander. »Als habe jemand gewollt, dass wir genau das finden, was wir gefunden haben.«
    Schmitti stöhnte auf. »Ich schwöre euch, wenn das ein Scherz der Spürhunde ist, dann dreh ich denen den Hals um!«
    »Dann hätten sie aber mehr als nur dich als Problem«, sagte ich, während ich auf der Unterlippe kaute. »Unser Hexer?«
    »Oder jemand, der mit ihm zu tun hat«, überlegte Klager weiter.
    »Warum?«, stellte ich die Frage, auf die alles am Ende hinauslief.
    »Es steckt mehr dahinter. Das da«, er deutete mit einem Nicken zu Hans, »ist sicher nicht zufällig mit der Schatulle bei dir aufgetaucht.«
    »Aber letztendlich war es nur Zufall, dass ich die Schatulle gefunden habe.« Ich zog die Brauen tief ins Gesicht.
    »Kannst du dir da so sicher sein? Warum war am Ende genau das Zimmer nicht verschlossen?«
    »Warum war der Keller nicht verschlossen?«, schaltete sich nun auch Schmitti wieder ins Gespräch ein. Mittlerweile saß er aufrecht an seinem Tisch.
    »Nachlässigkeit?«, versuchte ich eine mögliche Erklärung, auch wenn ich daran selbst nicht glaubte. »Keine Zeit?« Ich rieb mir über die pochende Stirn. »Letztendlich bringt uns spekulieren nicht weiter.« Hans klappte zum wiederholten Male die Spieluhr auf und zu. »Herrgott, Hans, entscheide dich endlich, ob du dieses verdammte Gedudel hören willst oder nicht!«, fuhr ich auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass der Aktenstapel neben mir ins Wanken geriet. Augenblicklich spürte ich die Blicke aller auf mir - auch jenen des Wesens, welches die Schatulle in seinen Schoß sinken ließ, worauf der Deckel zuklappte.
    »Ich denke, ihr beide solltet noch eine Runde schlafen«, sagte Klager, der mich lange aus dunklen Augen betrachtete. »Besonders du, Greta.«
    »Dem stimme ich zu.« Schmitti stemmte sich von seinem Platz hoch und ging zu dem zweisitzigen Ledersofa in der hinteren Ecke des Raumes, das zwischen einem Aktenschrank und der Tür dicht an die Wand gerückt war. Das Polster gab sichtlich unter ihm nach, als er sich darauf warf.
    Klager beobachtete ihn skeptisch dabei. »Gibt man nicht der Dame das Sofa?«
    »Lass stecken«, seufzte ich, schnappte mir meine Kaffeetasse, um daran zu nippen. »Ich kann mich ohnehin nicht auf dem Ding ausruhen.« Schmitti konnte derweil überall schlafen. So wie jetzt; kaum hatte er die Augen geschlossen, schnarchte er bereits. Klager schüttelte den Kopf, sah ein letztes Mal zu mir, um sich dann schweigend in sein eigenes Büro zu begeben.
    Ich versuchte mich mit Arbeit abzulenken, ebenso wie ich bemüht war, Hans zu ignorieren. Inzwischen war er zwar wieder dazu übergegangen, die Spieluhr zu öffnen und zu schließen, doch sein Blick ruhte weiterhin starr auf mir.

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    Zitat von Xarrot

    Ach du lieber Himmel ... was haben die denn für einen Job?!

    Tjaaaaa, entlaufene Mammuts sind da noch harmlos bei. :D Vielleicht schreib ich irgendwann genauer, was sie machen. ^^


    Ich bin dann mal wieder in Unsicherhausen, weil ich bei einem Teil des neuen Abschnitts nicht weiß, ob das nicht zu ... merkwürdig klingt. Also mehr als sonst. Möh.


    »Eine Spieluhr?«, sprach Schmitti meinen Gedanken aus. Er beugte sich zu meinem Tisch herüber und rümpfte die Nase.
    »Warte«, sagte Klager und drückte ihn leicht zurück, um selbst einen besseren Blick zu erlangen.
    Ich öffnete die Schatulle ganz, offenbarte die längliche Walze mit ihren feinen Erhebungen, die sich langsam drehte. An manchen Stellen fehlten bereits Stifte; ein paar Töne sprangen und blieben aus. Die Melodie kam mir vertraut vor, doch ich konnte den Finger nicht darauf legen.
    Mit einem Mal schnappten dürre Hände nach der Schatulle. Das Wesen zog sie zu sich, hielt sie nah vor das eigene Gesicht, schielte sogar etwas, während es die Walze beobachtete.
    »Okay, das ist echt enttäuschend«, sagte Schmitti und sprang von seinem Tisch. »All der Aufriss für eine lächerliche Spieluhr.«
    »Dennoch merkwürdig, sie magisch zu verschließen, auch wenn das Schloss etwas ...« Leo hielt inne, dann griff sie unvermittelt nach der Schatulle. Sie zuckte zurück, als das Wesen sie mit zurückgezogenen Lippen anfauchte.
    »Vorsicht, bissig«, raunte Schmitti. Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Gebissen hatte Hans noch nie. Gekratzt vielleicht, aber nicht gebissen.
    Leo spitzte die Lippen, dann fragte sie das Wesen, ob sie die Schatulle nur kurz haben dürfe. Hans sah zu mir; ich nickte, ermutigte ihn stumm. Ohne weitere Umschweife drückte Hans die Spieluhr in Leos Hände. Sie zuckte sichtlich bei der Berührung mit seinen Fingern zusammen, sagte jedoch nichts. Stattdessen stellte sie die Schatulle wieder auf meinen Arbeitsplatz, friemelte schließlich an der Innenseite des Deckels. Sie bat um Schmittis Taschenmesser, das er in seiner Schublade aufbewahrte, und löste damit eine dünne Platte heraus.
    Schmitti stellte sich hinter uns und stieß einen leisen Pfiff aus. »Geheime Botschaften.« Er rieb sich die Hände und wollte nach den Papieren greifen, die nun hervorquollen, doch ich klopfte ihm auf die Finger.
    »Leo hat sie gefunden, also darf sie zuerst«, schalt ich. Mein Freund rieb sich grummelnd den Handrücken.
    »Ich mach Kaffee«, seufzte Klager. Er verschwand durch eine schmale Tür, umgeben von mannshohen Aktenregalen, welche die gesamte Wand hinter uns einnahmen; im Nebenraum befand sich sein eigenes kleines Reich – und dort stand, aus welchem Grund auch immer, eine Kaffeemaschine. Bevor Klager zu uns gestoßen war, hatten wir nicht einmal gewusst, dass neben unserem Büro noch ein Zimmer existiert.
    Schmitti und ich drängten uns um Leo; sie hatte die Schatulle an Hans zurückgereicht, der sich nun mitten auf den Boden setzte, um gebannt der Melodie zu lauschen.
    Ich sah über Leos Schulter, während sie das gebleichte Papier auseinanderfaltete und laut las:

    »Mein Kind,

    es tut mir leid, dass es so kommen musste, doch du musst verstehen, dass du mir keine andere Wahl gelassen hast.
    Du weißt, ich habe stets alles für dich getan. Alles Erdenkliche habe ich versucht, um dir ein gutes Leben zu ermöglichen. Doch seit dieses Mädchen in dein Leben getreten ist, hast du hierfür keine Augen und Ohren mehr.
    Ich habe es nicht mehr ertragen, euch so zu sehen, nein, dich so zu sehen.
    Tag und Nacht diese Geräusche, als würdet ihr euch zerfleischen. Die Bissspuren am Morgen. Der Gestank. Und ihre böse Zunge erst! Ich hätte dieses Weibsbild vor die Tür setzen sollen, als ich noch die Möglichkeit dazu hatte. Doch ich wollte nicht auch dich verlieren.
    Euch anzuketten schien die einzige Möglichkeit. Du wirst es verstehen. Eines Tages, dessen bin ich mir sicher. Anders als von dir behauptet, besitze ich nämlich ein Herz und seit dem Tod deiner Mutter gehört es nur mehr dir, meinem einzigen Kind.
    Ich kenne nun einen Weg, dir das Leben zu schenken, das du verdient hast, seit du zur Welt kamst. So winzig. Ich hoffe nur, für deine Seele ist es noch nicht zu spät. Denn ich habe Wahnsinn in deinen Augen gesehen. Es bricht mir das Herz, wenn ich daran zurückdenke, wie entrückt du mich angestarrt hast, als ich ...

    Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Es bewegt sich bereits. Sein Verstand wird begrenzt sein, es braucht nur für dich am Leben zu bleiben. Es sieht dir sogar ähnlich, was ich nicht für möglich hielt.
    Ich warte auf den Tag, an dem ich mein Kind wieder bei mir habe ...«

    Leo ließ den Brief sinken.
    »War das alles?«, fragte Schmitti mit gehobener Augenbraue. »Ziemlich wirr.«
    »Es scheint, er habe immer wieder ab- und neu angesetzt«, murmelte ich, als ich Leo über die Schulter blickte, um den Brief genauer in Augenschein zu nehmen.
    Klager kam mit einem Tablett klappernder Tassen zurück zu uns und stellte es auf Schmittis Tisch, wobei er Stifte und Zettel beiseiteschob. »Wenigstens scheinen wir auf eine Spur wegen der Skelette gelangt zu sein«, sagte unser Kollege.
    Schmitti schnappte sich die oberste Akte von meinem Stapel und blätterte sie durch. »Simon von Hahnstein. Sechzehn. Laut medizinischer Anmerkung ist er mit einem Gendefekt geboren worden. Keine genaueren Angaben - verschlossene Akte.« Er murmelte: »War ja klar.« Und wieder lauter: »Jedenfalls gilt er seit mehr als einem Jahr als vermisst.«
    Ich sah zu Hans. Das Wesen hielt die Spieluhr weiterhin fest umklammert; es lächelte schief, neigte den Kopf, bis sein Ohr auf dem Holz der Schatulle lag. »Meint ihr, dass ist es, wovon von Hahnstein in seinem Brief gesprochen hat?«
    »Alles ist möglich bei einem Wahnsinnigen«, sagte Leo schulterzuckend. »Ich habe diese Hexer ohnehin noch nie verstanden. Und noch weniger, dass die Regierung sie schützt.«
    »Und wenn sie verschwinden, sind wir wieder für die Drecksarbeit zuständig«, brummte Schmitti und ließ sich gegenüber auf seinen Stuhl fallen, der dabei gefährlich quietschte.
    »Aber warum etwas zurücklassen, was eine Hoffnung für den Sohn sein sollte?«, überlegte ich laut.
    Klager musterte Hans ebenfalls einen Moment. »Sein Sohn ist an was auch immer gestorben und er hatte keine Verwendung mehr dafür. Das würde auch das Verschwinden des Hexers erklären. Hier hat ihn wohl nichts mehr gehalten.«
    »Wirklich?«, fragte ich mit krauser Stirn. »Hätte er dann nicht auch versucht, es zu beseitigen und seine Spuren so besser zu verwischen?«
    »Vielleicht konnte er das nicht.«
    »Ihr Menschen denkt nicht so weit«, flüsterte Leo vor mir. Ich stupste ihr leicht in den Rücken ohne ein weiteres Wort über ihre Bemerkung zu verlieren.
    »Oder aber«, begann Schmitti, »jemand hat das ominöse Mädchen vermisst, sich auf die Suche begeben, es gefunden und den Hexer - schwupps - verschwinden lassen.« Er nahm sich eine Tasse vom Tablett und pustete über den Rand hinweg.
    Leo wirkte inzwischen nachdenklich; sie las die Zeilen noch einmal, dann fragte sie: »Die Skelette wurden im Keller gefunden, richtig?« Ich bejahte. »Und es war trocken? Kein Ungeziefer?«
    »Ich wusste doch, dass mir was merkwürdig vorkam!«, rief Schmitti auf und schimpfte im nächsten Moment, als Kaffee auf einige seiner Zettel schwappte.
    »Also sind sie nicht dort verrottet«, mutmaßte Klager. Leo nickte.
    »Wahrscheinlich sind beide angekettet gestorben. Wo auch immer«, sagte Schmitti und tupfte mit einem Papiertaschentuch auf seinem Tisch herum. »Unser Hexer hat sie verbuddelt, ist dann auf den Trichter gekommen, wie er seinen Sohn zurückholen kann und hat sie wieder ausgebuddelt. Dazu kam er aber nicht mehr, weil ihn irgendwas dabei gestört hat und seitdem ist er verschwunden.« Er sah zu uns auf. »Möglich, oder?« Er schauderte über seinen eigenen Gedanken. »Darf ich anmerken, dass man mit Toten nicht rumspielt?«
    »Warum sollte er auch das Mädchen wieder ausgraben? Und warum erst als sie bereits skelettiert sind?«, hakte Klager nach.
    Mir kam ein anderer Gedanke. »Unser Hexer kann sie nicht wieder ausgegraben haben, er ist seit mindestens einem halben Jahr verschwunden. Wir haben den Fall nur erst jetzt erhalten, weil er zuvor nicht bei uns, sondern bei der Vermisstenstelle der Polizei gelandet ist.«
    »Wer hat das dort gemeldet?«, fragte Leo, während sie vor dem Wesen in die Hocke ging.
    Schmitti blätterte noch einmal in den Akten. »Eine gewisse Manon - kein Nachname. Sie soll unseren von Hahnstein angeblich im Internet kennengelernt haben.«
    »Im Internet?« Ich schnaubte. »Wo? Auf einer Plattform für einsame Hexerherzen?«
    »Gibt es so etwas überhaupt?«, fragte Schmitti.
    »Bin ich Hexer?«, stellte ich die Gegenfrage. »Oder einsam?«
    »Hexer nicht, aber einsam ...«
    »Klappe.« Ich funkelte Schmitti finster an, nickte zu Klager und grinste, als mein Freund das Gesicht zu einer Grimasse verzog.
    »Könntet ihr das auf später verschieben?«, meldete sich unser Kollege zu Wort, bevor er sich an Leo wandte. »Woran denkst du?«
    »Es ist ein Unding, Gott spielen zu wollen«, raunte Leo. Sie fuhr Hans sanft über den Kopf. Augenblicklich drückte er seine Wange gegen ihre Hand und Leo lächelte schwach. »Es ist wie ein Kleinkind.«
    »Oder ein Tier«, murmelte Schmitti, der sofort abwehrend die Hände hob, als ich ihm einen weiteren bösen Blick zuwarf.