Beiträge von Tarani im Thema „Weird Tales (Thread zum Mitmachen)“

    So, da ich jetzt eine wohlige Gruselgänsehaut hab, reihe ich mich mal hier ein. Mit einer Geschichte, die ich geschrieben hab, als ich sechzehn war. Darin geht es um eine Angst, die vielleicht manch einer als Kind auch mal hatte.

    Jenny

    Jenny hat Angst. Sie liegt zitternd im Bett, ganz eng an die Wand gedrückt und die Decke bis zur Nasenspitze hochgezogen. Ihre Blicke huschen immer wieder zur gegenüberliegenden Wand.

    Zum Schrank.

    Mamas neuer Mann hat ihn mitgebracht, als er bei ihnen einzog, und in Jennys Zimmer gestellt. Und Jenny weiß auch, warum!

    Ihr neuer Stiefvater mag sie nicht. Sie ist ihm im Weg, weil er ihre Mama ganz allein für sich haben will. Aber er traut sich nicht, ihr was zu tun. Darum der Schrank. Denn in dem Schrank wohnt ein Monster. Jenny weiß das ganz genau. Manchmal, mitten in der Nacht, öffnet sich die Schranktür, nur einen kleinen Spalt breit, und dann schaut das Monster Jenny an. Groß ist es, mit bösen roten Augen. Es hat viele lange Arme, wie Tentakel, und es sondert einen ekligen grünen Schleim ab. Noch beobachtet es Jenny nur, aber eines Nachts wird es aus dem Schrank herauskommen und Jenny fressen. Das weiß sie ganz genau.

    Es ist ganz still im Zimmer. Der Vollmond leuchtet und wirft sein gespenstisches Licht direkt auf den Schrank.

    Plötzlich quietscht etwas leise, ganz leise. Jenny setzt sich auf und presst sich noch fester gegen die Wand. Ihre Augen weiten sich vor Angst und sie wagt kaum zu atmen.

    Die Schranktür öffnet sich. Jenny wimmert leise. Am liebsten würde sie nach ihrer Mama rufen, aber Jenny hat Angst, dass das Monster ihr dann auch was tut. Das will Jenny nicht. Sie hat ihre Mama ja sehr lieb.

    Es wäre natürlich etwas anderes, wenn das Monster ihren Stiefvater ... Jenny erschrickt. Sowas darf man sich nicht wünschen, das ist böse. Aber trotzdem...

    Jenny wird langsam wütend auf ihren Stiefvater. Sie hat ihm nie was getan. Aber er hat ihr was getan: er hat ihr ihre Mama weggenommen! Und er hat das Monster auf Jenny gehetzt.

    Jetzt lässt Jenny den Gedanken freien Lauf. Sie stellt sich vor, wie es wäre, wenn das Monster nicht sie, sondern ihren Stiefvater fressen würde.

    Sie schließt die Augen. Ganz deutlich sieht sie alles vor sich: sie sieht, wie das Monster den Schrank verlässt, eine grüne Schleimspur hinter sich herziehend. Es kommt ganz langsam auf Jenny zu. Vor ihrem Bett bleibt es stehen und starrt sie an. Aber jetzt ist es kein Feind mehr, sondern Jennys Diener. Und es wartet nur auf ihre Befehle.

    In ihren Gedanken malt sie sich aus, wie das Monster ihr verstehend zunickt und sich dann auf ihre Zimmertür zubewegt. Es öffnet sie und kriecht auf den Flur. Jenny weiß, dass es jetzt zum Arbeitszimmer ihres Stiefvaters kriechen wird. Da schläft er manchmal, wenn er viel am Computer arbeiten muss. Auch heute Nacht.

    Jenny öffnet die Augen. Der Schrank steht weit offen, eine grüne Schleimspur zieht sich zu ihrem Bett und von da zur Kinderzimmertür. Auch diese ist offen.

    Jenny lauscht. Und dann hört sie schreckliche Geräusche. Ein Knirschen und einen unterdrückten Schrei.

    Einen Augenblick lang herrscht Stille. Und dann beginnt das Schlürfen und Schmatzen.

    Jenny legt sich wieder hin und kuschelt sich zufrieden in ihre Bettdecke. Jetzt hat sie keine Angst mehr. Sie weiß, dass jetzt alles wieder gut ist. Jetzt gibt es wieder nur sie und ihre Mama. Und so muss das auch sein. Und vielleicht merkt Mama jetzt auch endlich, dass sie gar keinen Mann braucht, sondern nur ihre Jenny.

    Bevor sie einschläft, lächelt sie zufrieden und denkt, wie praktisch doch so ein Monster im Schrank ist!