Beiträge von Sensenbach im Thema „Weird Tales (Thread zum Mitmachen)“

    Die Welt der Girons

    Nur wenn die Sonne den Himmel verlassen hatte und der Silbermond am Horizont stand, konnten wir den Tunneln für einen Moment entfliehen und einen Blick auf die Welt werfen, die wir verloren hatten. Unsere Städte und Länder, die Flüsse und Meere, selbst der Tag, gehörte nun den Girons.

    "Ich möchte den Wald und das Meer sehen, Papa. Zeigst du mir das Meer?"

    "Deine Großmutter setzt dir zu viele Flausen in den Kopf, Mirja", sagte ich streng.

    Eine stille Träne rann die Wange meiner Tochter herab. Ich beugte mich zu ihr, wischte die Träne beiseite und umarmte sie sanft.

    "Es tut mir leid mein Schatz. Natürlich wirst du das Meer sehen. Eines Tages …"

    To be continued?

    Lebenslicht

    In Zeiten wie diesen ist Aufräumen eine gute Beschäftigung. Selbst der stolzen Kommode am Fenster schien Staub nicht mehr fremd zu sein. Das Mondlicht verfing sich verräterisch in einem Belag von Ruß und Vergängnis. Ich öffnete das untere Fach des Möbels und bemerkte die Phiole aus dickem Bleiglas.

    Nachdenklich nahm ich das Gefäß und stellte es auf den Tisch neben meinem geliebten Sessel aus Kamelleder. Die Phiole glitzerte im Mondlicht, oder besser, der Inhalt glitzerte im Lichte.

    Das war ihr gutes Recht. Denn in dem Glas befand sich nichts anderes als das Lebenslicht einer jungen Frau, die ich einst getroffen habe.

    Der Abend war lang gewesen. Bald schon würde die Sonne die Nacht erobert und in den Tag gezwungen haben. Ich aber schritt mit beschwingtem Schritt nach Hause zu. Die Beute der Nacht war reichlich gewesen. Ich bin ein leidenschaftlicher Sammler. Die Gefäße klapperten in der Tasche meines Mantels. Ein leiser Nieselregen setzte ein und ich zog den Kragen hoch.
    Die Joggerin überholte mich kurz vor der Brücke über den Main. Ein Mädchen auf der Schwelle zur Frau, mit einem Pferdeschwanz und hohem Tempo. Wir leben in einer hektischen Welt.
    Mein Stock half mir die Treppe zur Mainbrücke hinauf. Ich schlenderte zügig voran.

    Das Sonnenlicht war nicht fern.

    Da wurde ich der jungen Joggerin gewahr. Sie stand auf der anderen Seite der Brüstung und starrte auf Wasser.
    „Darf ich fragen. Was sie dort planen?“
    „Na wonach sieht das aus, alter Mann?“
    „Nun. Wenn ich es nicht anders wüsste, würde ich denken, dass sie sich in die Fluten stürzen wollen. Was ihren Tod bedeuten könnte.“
    Ich dachte nach. „Aber das wissen sie sicherlich.“
    „Der verdammte Idiot hat mich sitzen lassen, wegen dieser Schlampe. Das wird er noch bereuen!“
    „Hmm… “
    „Was hmm?“
    „Nun. Ich kenne mich mit derlei Dingen nicht gut aus. Aber es scheint mir als wollten sie ihr Leben beenden, weil sie sich der Liebe eines „Idioten“ nicht sicher sind.“
    „Reden sie nicht so geschwollen daher. Der Typ hat mich verarscht. So etwas passiert mir andauernd. Ich hab echt keine Lust mehr.“
    Ich muss erwähnen, dass mir die Beweggründe von Menschen oft im Verborgenen bleiben. Hier erschien es mir jedoch ganz klar.
    „Dann legen sie wegen dieses Typen keinen Wert mehr auf ihr Leben?“
    „So kann man es ausdrücken. Ich bringe mich jetzt um, dann kann er sehen, wo er bleibt.“
    Die Frau machte Anstalten sich in die Fluten zu stürzen.
    „Warten sie einen Moment!“
    „Was!?“
    Sie hielt inne.
    „Wenn sie keinen Wert mehr auf ihr Leben haben. Kann ich es dann haben?“
    „Hey Alter. Bist du irgendein Perverser, oder was?“
    „Nein ich habe keinerlei perverses Interesse an ihnen. Ich dachte nur, wenn sie ihr Leben nicht mehr brauchen… “
    „Klar!“ Die junge Frau lachte und sah mich abschätzend an. „Kannst du haben.“
    „Dankeschön!“
    Ich nahm die Phiole aus meiner Manteltasche.
    Die junge Frau sah mich erstaunt an. Es schien mir für einen Augenblick, als sei sie irritiert und wolle noch etwas sagen. Wer weiß schon genau was?

    Das Lebenslicht verließ ihren Körper. Die leere Hülle fiel von der Brücke hinab. Die Strömung würde sie zum Meer hin treiben.

    Was für ein schöner Gedanke.

    Die Phiole glänzte im Mondlicht. Ein guter Tropfen. Würdig die Nacht zu beschließen.
    Ich schenkte mir ein.


    Elfe hat einen schlechten Tag

    Seit Stunden stand sie bereits in dieser grotesken Position auf dem Steg. Sie war einfach zu vertrauensselig gewesen. Aber das süße blonde Mädchen hatte wirklich nicht wie ein Schattendämon ausgesehen.
    „Tanzt du für mich?“, hatte das Biest gefragt und sie mit unschuldigen blauen Augen angeblickt. Niemals würde sie das zuckersüße Lachen vergessen, als die Kleine fröhlich hüpfend ihrer Wege ging.
    Der regungslose See reflektierte die letzten quecksilbrigen Strahlen der Sonne wie ein magischer Spiegel. Das sah hübsch aus, wären nur die grauen Schatten unter der glatten Oberfläche nicht gewesen. Sie wusste, wenn die letzten Sonnenstrahlen den Horizont verließen, würden die Schatten mehr als ein ästhetisches Ärgernis darstellen.
    Ein leichtes Kribbeln in den Fingerspitzen kündigte das Abklingen des Bannzaubers an. Das war gut! Schon konnte sie den kleinen Finger ein wenig bewegen.
    Das schmatzende Geräusch ließ sie angstvoll aufstöhnen. Ihr war, als glitten riesenhafte tentakelhafte Schatten die hölzernen Pfosten des Steges hinauf.
    Eine kalte Entsetzlichkeit berührte ihre Wade.
    Die Tiere der Nacht hielten nur kurz inne, dann setzten die Nachtzikaden ihr Abendkonzert fort.

    Lieber @Myrtana222
    Eine schöne Idee und eine klasse Geschichte. Mal ganz anders an die Sache mit den Gespenstern herangegangen. ^^
    Ich nehm den Stab mal auf.

    Der Weidenmann
    In der Blüte meiner Jugend fand ich meinen Liebsten. Meine Haare waren golden und meine Lippen rot.
    Wir trafen uns bei der Bank am Fluss, wo der alte Weidenmann stand. Mein Liebster war sanft und als wir uns liebten, rauschten die Blätter in der Frühlingsluft.
    Aber als es Sommer wurde, erkalteten die zärtlichen Hände. Allein saß ich beim Weidenmann und weinte. Als meine Tränen verebbten, strichen die Blätter tröstend über meine Wangen.
    Komm zu mir“, flüsterte die alte Weide. „Der Herbst naht und einsam ist der Winter.“
    Ja, ich würde mit ihm gehen, wenn das Jahr sich neigte.
    Am letzten Tag des Sommers küsste ich die raue Rinde und stand an der einsamen Bank am Fluss. Meine Hände reckten sich 'gen Himmel. Feines Blattwerk glitt raschelnd aus meinen Fingern. Arme wurden zu Ästen und Füße verbanden sich mit dem Erdreich.
    Jahrein jahraus stand ich nun neben dem Weidenmann. Im Frühling wuchsen mir wunderschöne Blüten. Sie waren golden und rot. Im Herbst trug ich rote Früchte, aber sie schmeckten sauer und bitter.
    Kein Vogel wollte kosten, nicht einmal die alte Krähe.
    Eines Tages, als sich der Frühling lautlos dem Sommer ergab, setzte sich ein Pärchen auf die einsame Bank am Fluss. Es war mein Liebster mit seinem Weibe und sie trug ein Kind unter ihrem Herzen.
    Komm zu mir, schau meine herrlichen Blüten“, flüsterte ich. Die junge Frau bewunderte das Goldene und das Rote meiner Blütenpracht.
    „Wie schön“, sagte sie. Da öffnete ich die Erde unter mir und zog sie hinab in das Wurzelreich. Mein Liebster sprang ihr zu Hilfe, aber ihre Schreie verstummten in feuchter Erde.
    Der Herbst naht und einsam ist der Winter“, hauchte ich und der Weidenmann rauschte zustimmend. Da wurden die Augen meines Liebsten groß und er ertränkte sich im Fluss.
    Im Herbst aber, schmeckten meine Früchte süß wie Honig.
    Und mein Geäst erklang voller singender Vögel.