Beiträge von Lukosamurai im Thema „Meister des Chaos I - Schwerter und Zorn“

    @aval.b.bado

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    Ich weiß sehr zu schätzen, dass du es trotz allem (ich bekomme ja auch mit, dass du viele Reviews schreibst) hier schaffst, hilfreiche Reviews zu verfassen. Sie sind mittlerweile ein tragender Grund geworden, warum ich meine Geschichte noch weiterführe. Danke dafür. :)

    Zu den Anmerkungen:

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    Ich finde "konstituiert" klingt hier zu wissenschaftlich.

    Finde ich auch. ^^ Habe es jetzt in "erschaffen" geändert.

    beanspruchen

    Ups. ^^

    Du kannst deine Tage natürlich nennen wie du willst, aber das Wort "Umlauf" beschreibt eigentlich den vollen Umlauf eines Himmelskörpers um seine Bahn. Daher hat man in Fantasy als "Umlauf" meist Monate oder Tage. Vielleicht ist dir das auch bewusst und du hast absichtlich so entschieden, ich weise nur drauf hin

    So gesehen "umläuft" die Sonne ja im Laufe eines Tages die Welt - zumindest hat sich diese Vorstellung im Sprachgebrauch Vyrs etabliert. ^^ Mit "Umlaufsmitt" ist einfach nur Mittag gemeint.

    Die Beschreibung des Meeres gefällt mir eigentlich recht gut. Aber wenn es schon dunkel ist kann man ein Schiff am Horizont unmöglich sehen. Wenn die Schiffslaternen, aber auch das eher nicht, wenn das Schiff wirklich am Horizont wäre.
    Auch fände ich an der Stelle glaub ich ein paar Gedanken Taoreths schön, wie das auf ihn wirkt. Schließlich ist es sein erstes Mal am Meer

    Also genaugenommen ist das Schiff ja nicht am Horizont, bloß ragt sein Mast über ihn hinaus. Gut, damit muss es trotzdem sehr weit weg sein, allerdings habe ich jetzt tatsächlich Laternen als Beleuchtung hinzugefügt. Auch eine Zeile zu Taoreths Gedanken bei dem Anblick fand ich nicht schlecht als Idee, wie findest du die Stelle jetzt? ^^

    Da die Ritter sehr förmlich sprechen, wäre: "Wie lauten Eure Namen?" vielleicht schöner?

    Ochjoa... Halte ich jetzt nicht für so wichtig, dass die Ritter förmlich sprechen. Zu viel Förmlichkeit gefällt mir auch nicht und entspricht meiner Meinung nach auch nicht der historischen Realität bzw. der fantastischen Authentizität, wobei ich früher dazu geneigt habe, in mittelalterlichen Settings in eine Art förmliches Shakespeare-Altdeutsch zu verfallen. Ich weiß, dass einige das ziemlich cool finden, mich selbst im Prinzip eingeschlossen, aber letztlich ist mir doch wichtiger, dass die Dialoge zugänglich und somit heutiger Sprache entsprechend sind. Zumal die Gemeinsprache Vyrs eigentlich ja eine Fantasiesprache ist und damit ganz einfach in die Sprache des Erzählers übersetzt wird und nicht in ein Mischmasch aus Deutsch und geschwollenem Altdeutsch. (Über Altdeutsch wissen wir übrigens oft nur das, was von denen überliefert ist, die schreiben konnten bzw. die geschrieben haben. Also hauptsächlich von Mönchen und Adeligen. Das "gemeine Volk" hatte vermutlich eine viel simplere Sprache, natürlich mit anderen Wörtern als heute, aber bestimmt nicht mit den hochtrabenden Wort- und Satzkonstruktionen, die man heutzutage in so manch mittelalterlichem Reenactment erleben darf.) Dass Ritter als Mitglieder eines gehobenen Standes eine jedenfalls andere Sprache benutzen - klar. Allerdings muss der Unterschied jetzt nicht unbedingt in der Sprache so stark zum Ausdruck kommen. Ist ja auch heute nicht so, insbesondere, wenn die "Stände" untereinander Kommunizieren. Es kommt meiner Meinung nach vor allem auf den Kontext und nicht auf das Bildungsniveau an: Eine Belanglos Begrüßung von Bauern wird jedermann mit anderer Sprache angehen, als wichtige Staatsaffären. Hmm, naja, es ist ein komplexes Thema - zu dem ich mich jetzt unnötig lange ausgelassen habe, im Prinzip habe ich weit übers Ziel hinausgeschossen, denn von dir kritisiert war ja bloß eine Kleinigkeit, bei der, wie ich finde, du sogar Recht hast. Lange Rede, kurzer Sinn: Hab es also geändert, aber erwarte deshalb nicht zu viel dieser Sprache in Zukunft. xD Weiter im Text. :D

    Wortwiederholung Dunkelhaarig

    An der Stelle Wortwiederholung endlich.

    Wiederholte Wortwiederholungen nach meiner wiederholten Überholung nun behoben. :D

    Ich finde es ein bisschen komisch, dass der zweite Ritter direkt abhaut und sogar seinen Bruder im Stich lässt, ich weiß natürlich nicht, wie das in deiner Welt läuft, aber in der "realen" Welt waren Ritter ja schon meist sehr gut ausgebildete Krieger, da würde ihn vermutlich ein Bauernjunge mit Schwert nicht schrecken.

    Der Hintergrund ist tatsächlich nicht nur die Angst, sondern vielmehr, dass Lutkarn glaubt, das Templerprotokoll zu befolgen. Dieses besagt nämlich, dass in einer solchen Situation - 2 Bewaffnete gegen einen Bewaffneten und einen Unbewaffneten - der Unbewaffnete lieber fliehen soll um Unterstützung anzufordern. Als frisch ausgebildeter und in realen Konflikten unerfahrener Ritter nimmt er das zu wörtlich und wägt noch nicht richtig ab. Vor dem Kirchengericht wird ihm das natürlich nicht zur Entschuldigung gereichen, aber das ist eine andere Geschichte. ;)

    Du schreibst fortwährend "Kutsche" mit Anführungszeichen, vllt böte sich auch mal Karren oder so an.

    Ups, habe jetzt drei oder vier mal "Kutsche" durch etwas anderes ersetzt. ^^

    Ansonsten würde ich jetzt ja Geld darauf wetten, dass die Reiter bereits Elben sind Da freu ich mich schon drauf, die Beschreibungen aus Vyr haben mir sehr gut gefallen. Bin mal gespannt, wie da endlich der Zusammenhang aufgelöst wird

    Nun, wie sich diese Theorie bewährt, kannst du im folgenden Kapitel selbst erfahren. xD


    LG
    Luko

    Weiter geht es...

    12 - Prinzenehre

    Hinter ihnen waren drei dunkle Schemen aufgetaucht. Drei Reiter, die allmählich in einen Galopp verfielen. In etwa hundert Herzschlägen würden sie sie einholen. Sie konnten es also vielleicht noch gerade bis zum Waldrand schaffen.

    Taoreth verdrängte den panischen Wunsch, Telzion zurück zu lassen um mit Gwerion wegzulaufen, und packte die Holzkarre. Mit aller verbleibenden Kraft schob er, dank Gwerion – der schob mit schmerzverzerrtem Gesicht mit – konnte er sogar rennen. Das Aufschlagen der Hufe auf Pflasterstein war nun deutlich hörbar, viel lauter als das Keuchen Gwerions und fast so laut wie das nur sporadisch unterdrückte, zungenlose Kreischen Telzions. Ein Schaben kündete davon, wie ein Schwert aus der Scheide gezogen wurde.

    Plötzlich endete die Straße, als der umgebaute Ochsenpflug über den letzten Pflasterstein knatterte. Taoreth verlor das Gleichgewicht und stürzte zur Seite, kam jedoch relativ weich auf moosigem Boden auf – Waldboden. Neben sich hörte er Telzion gotteslästerlich zischen. Der Magier war aus seinem Gefährt gestürzt. Die Riemen, mit denen er festgebunden gewesen war, mussten gerissen sein. Der alte Mann bemühte sich um eine aufrechte Position, wozu ihm jedoch seine Bauchmuskeln offenbar nicht gereichten. Immerhin schaffte er es, sich auf den Rücken zu drehen. Gwerion, der als einziger stand, hatte mit seiner Linken eines der Templerschwerter hervorgeholt und hielt es drohend über seinem Kopf.

    Die Bäume um sie herum wirkten riesenhaft. Die turmdicken, tief gerillten Stämme standen relativ weit auseinander; deren Kronen, in denen Glühwürmchen zu tanzen schienen, waren wundersamerweise voller Blätter und begannen erst weit über ihren Köpfen. Auf dem Waldboden wuchsen dazu dichtes, blumengesprenkeltes Gras bis zu den Knien sowie einige, verstreute Büsche und dünnere Bäumchen. Auch, wenn dieser widersprüchliche Ort daher keinen wesentlichen Geländevorteil gegenüber berittenen Verfolgern barg, fühlte sich Taoreth etwas wohler in ihm als auf offenem Gelände.

    Auch ihre Verfolger schienen zu zögern. Sie waren nur noch einen kurzen Steinwurf entfernt und hatten angehalten. Zwei der drei Reiter waren in der bekannten Templertracht gekleidet, der Mittlere jedoch war vollständig in Metall gedeckt. Die Plattenrüstung schien seinen Körper vollständig zu umschließen und ließ bloß zwei dünne Sehschlitze im Visier des rotgefiederten Vollhelms offen. Auf der Brustplatte war eine stilisierte, goldene Sonne imprägniert. Zwar hatte Taoreth ein paar Jahre bei einem der begabtesten Schmiede Himmelsteins gearbeitet, doch so eine Rüstung hatte er noch nie gesehen. Selbst das Pferd war in Kettengeflecht gepanzert – Kopf und Brust waren gar mit Platten versehen.

    Der gepanzerte Krieger hatte sein Schwert gezogen – eine lange Klinge, die gewiss auch zweihändig geführt werden konnte. Überraschend gelenkig sprang er aus dem Sattel, wobei seine Rüstung schepperte, doch es klang wie das hohe Rascheln dünner Blätter. Seine beiden Begleiter taten es ihm nach. Erst jetzt offenbarte sich seine Größe: Der Gepanzerte war ein Hüne – er überragte seine Gefolgsleute um mehr als einen Kopf.

    Einen Moment standen ihre Verfolger nur dort, das Mondlicht mit ihrem Metall in Taoreths Richtung funkelnd reflektierend. Einige Glühwürmchen näherten sich neugierig dem Trio, wurden jedoch schnell von Schwertern verscheucht. Dann machte der Gepanzerte einen klirrenden Schritt nach vorne. Den nächsten Schritt taten alle drei synchron, sie verfielen in Marsch. Endlich schaffte Taoreth, sich aufzurichten, was angesichts seiner erschöpften Muskeln schon einen Kraftakt darstellte. Er zog nun ebenfalls ein Schwert aus der gekenterten Kutsche und positionierte sich gemeinsam mit Gwerion vor Telzion.

    „Ich liebe dich, Taoreth“, flüsterte der Dunkelhaarige plötzlich, jedoch ohne eine Gelegenheit zur Antwort zu geben. „Ich fordere ein Duell!“, schrie er die Templer an. „Besiegt mich und schwört bei Isgaad, uns ansonsten in Ruhe zu lassen.“

    Ohne den Marsch zu unterbrechen oder ein Wort zu sagen, streckte der Gepanzerte seinen Schwertarm nach vorne. Der rechts flankierende Templer brach daraufhin aus der Formation und rannte auf Gwerion zu, der ebenfalls loslief.

    „Nicht!“, schrie Taoreth, doch der Dunkelhaarige hieb mit seinem Schwert schon von oben auf den Templer, der jedoch mit Leichtigkeit die Klinge mit seinem Schwert auffing, gleichzeitig einen Seitschritt nach rechts vollführte und über Gwerions Klinge diesem mitten in den Bauch stach. Mit einem Schritt nach vorne spießte der Templer den Jungen geradezu auf und befreite seine Klinge danach mit einem Tritt, der Gwerion regungslos im Waldboden liegen ließ.

    „Gwerion …“, Taoreths Stimme war ein gebrochenes, unhörbares Flüstern, Tränen rannen ihm übers Gesicht, „Ich liebe dich auch.“

    Hinter dem Visier erklang ein schallendes, helles Lachen: „Bald wirst du deine Großmutter wiedersehen, Elben-Abschaum – im ewigen Feuer!“

    Er wusste also, dass er ihr Enkel war! Nicht, dass das jetzt noch wichtig war. Der Gepanzerte stand nun direkt vor ihm. Taoreth führte mit der Kraft der Verzweiflung einen Schwertstreich gegen dessen Kopf, traf sogar. Doch der Helm selbst erlitt nur einen Kratzer und war darüber hinaus offenbar mit der Brustplatte verschraubt, sodass auch die Wucht des Schlages sich kaum auswirkte. Mit einem kraftvollen Armschwung warf der Hüne Taoreth zur Seite und entwaffnete ihn gleichzeitig.

    Neugierig wendete er die erbeutete Klinge in seiner gepanzerten Linken. „Dieses Schwert gehörte Ellea, der Ruhmreichen. Ihren Titel hat sie sich gegen zahlreiche Feinde meiner Herrschaft verdient. Außerdem hatte sie einen erlesenen Geschmack, was Gaukler und Weine angeht. Sie bereitete mir immer viel Vergnügen.“ Taoreth erahnte ein melancholisches Lächeln hinter dem Visier des Gepanzerten, als dieser das Schwert dem Templer zu seiner Linken überreichte. Der fixierte Taoreth daraufhin bedrohlich. Derweil blickte der Hüne auf Telzion herab, der bloß trotzig zurückstarrte. „Da sie nun nichtmehr lebt, werdet ihr zwei mir von nun an Vergnügen bereiten. Natürlich wird es das für euch nicht – obwohl, wer weiß. Oh, Magier – du wirst mir zudem als Forschungsobjekt dienen. Freust du dich nicht, der Wissenschaft förderlich zu sein? Das ist doch eines der hohen Ziele von euch Magiern – das Wissen der Menschen zu erweitern.“ Er lachte erneut kraftvoll und höhnisch. „Immerhin wissen wir nun, dass meine Alchemisten doch nicht gelogen haben und das Magiergift wirkt. Tragisch für sie, dass ich es erst jetzt erfahre. Naja, wie auch immer: Ein weiterer Sieg für Isgaad!“

    Taoreth wollte sich aufrichten, um gegen diese – aus seiner Sicht – absurde Gotteslästerung zu protestieren, wurde jedoch von einem Templerstiefel niedergetreten. Als er sich wieder bewegen wollte, hielt ihn ein übermächtiger Schmerz im Brustbereich davon ab. Im Augenwinkel nahm er einen goldenen Schimmer wahr – vermutlich einen Schwarm Glühwürmer. Es sammelten sich immer mehr golden-leuchtende Punkte um den Schauplatz, sodass er taghell erleuchtet war.

    „Mein Prinz, wir sollten uns beeilen, die beiden zu den Pferden zu bringen. Das ist eindeutig Elbenmagie.“

    „Was scheren mich ein paar leuchtende Insekten. Die werden vermutlich von dem Blutgeruch angezogen.“

    Vielleicht hatte der „Prinz“ recht, denn es sammelten sich einige Insekten bei Gwerions Körper und ließen sich bei dessen Wunde nieder. Viel mehr umschwirrten jedoch die drei Templer.

    „Es werden immer mehr, mein Prinz“, bemerkte nun auch Gwerions Mörder.

    „Pah! Ihr seid unglaubliche Spaßverderber, meine treuen Ritter, wisst ihr das? Nun gut, packt den Fluchspeier auf eines der Pferde und legt den Jungen in Ketten – der kann noch laufen. Zack zack!“, klatschte der Prinz mit seinen Panzerhandschuhen.

    Schon stapfte der Templer, der Gwerion getötet hatte, auf Taoreth zu, in seiner Hand feingeschmiedete Eisenketten.

    „Arme nach vorn!“, blaffte er mit rauer Stimme. Unter der Helmhaube kamen fettige, graue Haarsträhnen zum Vorschein, die ein eingefallenes Gesicht mit tiefliegenden, kleinen Augen einrahmten.

    Plötzlich blendete ihn ein greller Lichtschein, und als er die Augen wieder öffnete, war der Krieger einige Schritt zu Gwerions Leiche zurückgetaumelt, als hätte ihn eine unsichtbare Druckwelle dorthin befördert. Auch der Mann, der Taoreth niedergetreten hatte, lag rücklings im Waldboden, eine grelle Wolke schwirrte um seinen Kopf.

    „Was? Nein!“, der Templer zuckte plötzlich wild und versuchte, wie eine Krabbe rückwärts zu robben. Taoreth ergriff die Gelegenheit und packte Elleas Klinge, die der Krieger beim Sturz fallengelassen hatte, sprang auf, obwohl seine Brust noch immer schmerzte, und stellte sich schützend vor den wehrlosen Magier.

    „Lauf, du Topf!“, ertönte erstaunlich klar dessen Stimme, doch Taoreth ahnte, dass die Templer ihn ohnehin mit ihren Pferden einholen würden und er wollte außerdem Telzion nicht im Stich lassen. Überhaupt, was war schon ein Leben ohne Gwerion?

    Auch der Hüne und der andere Krieger waren von Tausenden von leuchtenden Insekten umgeben, doch der Schwarm um den Mann auf dem Boden leuchtete am hellsten. So hell leuchtete er, dass der Templer selbst nicht mehr zu erkennen war, er glich einer kleinen Sonne. Ein Schrei, dann ließ der Schwarm von ihm ab. Zurück blieb ein regloser, dunkler Körper.

    „Isgaad vergib mir …“, raunte der ältere Ritter, machte auf dem Absatz kehrt und rannte auf sein Pferd zu, doch die Insekten verfolgten ihn nicht.

    „Nutzloser, undankbarer Schwächling!“, kreischte es aus der Rüstung des Prinzen, um den sich die Insekten nun scharten. Wütend ließ er sein großes Schwert in einer Hand wirbeln, wie das Blatt einer tödlichen Windmühle. Tatsächlich schienen sich die Insekten ängstlich von dem Gepanzerten zu entfernen. Auch, wenn er es nicht sah, spürte Taoreth nun geradezu dessen Grinsen.

    „Dann mache ich eben kurzen Prozess mit dir und nehme den Magier selbst mit.“ Der Hüne hob die Waffe. Taoreth schloss die Augen – es war vorbei.

    Duck dich!

    Schnell warf er sich auf den Boden, als ein greller Blitz über ihn donnerte. Doch diesmal erstrahlte ein bläulich schimmerndes Weiß. Scheppernd landete der Gepanzerte mehrere Schritt weiter hinten in einem Busch mit silbrigen Blättern und blauen Blüten. Als Taoreth sich überrascht zu Telzion umdrehte, blickte ihm dessen ebenso verwirrtes Gesicht entgegen. Hinter ihm jedoch zeichneten sich aus dem Schatten der Bäume die Konturen einer kleinen, schmalen Gestalt und es trat eine Frau in den Leuchtkegel der noch immer anwesenden Glühwürmchen.

    Sie war von verblüffender Schönheit. Wildes, kurzes Haar, silberdunkel wie die Nacht, fiel strähnig herab auf ihr blasses Gesicht. Ihre olivgrünen Augen, durchsetzt mit rötlich-glühenden Sprenkeln, die langsam wieder abflauten, waren entschlossen zu einem schmalen Schlitz zusammengezogen. Am ungewöhnlichsten jedoch waren ihre unnatürlich langen und spitze Ohren, die in einem fast rechten Winkel von ihrem Kopf abstanden. Ebenso erstaunlich war die Tatsache, dass sie nackt war. Deutlich zeichnete sich ihr schlanker, muskulöser Körper ab. Nur eine dünne, dunkelgrüne Körperbemalung zierte ihr linkes Bein von Fuß bis Oberschenkel.

    „Noch ein Fluchspeier“, murmelte es aus der Rüstung, als der Prinz sich schwungvoll aufrichtete und dabei fast den gesamten Busch niederwälzte. Er hatte sein Schwert nicht losgelassen, wenngleich ein glühender, roter Punkt inmitten eines rußigen, dampfenden Flecks auf seiner Brustplatte prangte.

    „Heh“, kicherte er, „Eure Magie wird Euch nichts nützen, Elbenschlampe. Wie es scheint, haben wir einen weiteren Weg gefunden, eure verfluchte Kunst zu kontern.“

    Sooo ... nach zwei schier endlosen Wochen ohne WLAN in unserer Wohnung (Jaja, ich weiß, verwöhnte Generation etc.), kleineren Überarbeitungen in den bisherigen Teilen und abschließendem Gewerkel an dem Folgenden geht es nun weiter. :) Ich freue mich wie immer auf jegliches Feedback, ob Lob oder Kritik. Viel Vergnügen! :D

    11 - Ritterehre

    Grüngrenze, Provinz des Vyrtanischen Imperiums, den 297., 1292 Neues Zeitalter

    Nachdem sie sich am nächsten Morgen von Svina und Nadfin verabschiedet hatten, kamen sie auf ihrem Weg in Richtung Westküste an immer mehr Gehöften vorbei. Nackte Laubbäume hatten den Fichtenwald abgelöst und ihr Weg war gepflastert von bunten Blättern, Matsch und Gras. In der Nacht hatte es stark geregnet und die Gerüche von Tau und von Regenwürmern durchwühltem Erdreich hingen in der Morgenluft. Ein leichter Nebel bedeckte noch den Horizont, als sie gegen Umlaufsmitt auf einen Feldweg stießen, der bei einem weiteren Bauernhof begann und in westliche Richtung führte. Auf diesem rollten die hölzernen Räder der „Kutsche“ mit vergleichsweise großer Leichtigkeit.
    Trotzdem war es eine anstrengende Arbeit. Taoreth wunderte sich jeden Tag aufs Neue, wie Gwerion es schaffte, relativ unbemüht zu wirken, während er die Karre schob. Seit Stunden dachte er darüber nach, wie der Junge ihn gestern geküsst hatte und was der Kuss zu bedeuten hatte. Der Dunkelhaarige hatte sich seitdem verhalten, als sei nichts gewesen und tatsächlich war Taoreth der Kuss so richtig und überfällig vorgekommen, als hätte er nichts Neues erschaffen, sondern bloß Bestehendes besiegelt. Es war dennoch schwer gewesen, sich danach zurückzuhalten. Fest stand, dass der Kuss ihrer Freundschaft keinen Abbruch getan hatte: Gwerions Lächeln und freundschaftliche Art waren herzerwärmend wie eh und je.
    Obwohl, lag dies wirklich an Gwerion? Oder waren es seine eigenen Gefühle, die ihm dies vorgaukelten?
    Er wollte darüber reden, doch das Schubkarrenschieben schien Gwerions volle Konzentration zu beanspruchen. Taoreth würde erst mal abwarten. So schritten sie größtenteils schweigend nebeneinander her, jeder in seine eigenen Gedanken versunken.
    Immer mehr zweifelte Taoreth an dem Sinn ihrer Reise. Jedenfalls, was die Rettung seiner Großmutter betraf. Vermutlich lebte sie nicht mehr und es war hoffnungslos, noch nach ihr zu suchen, denn seit ihrer Entführung war schon sehr viel Zeit vergangen. Seltsamerweise spürte er bei dieser Erkenntnis kaum Trauer, obschon seine Großmutter – freilich nicht immer liebevoll, doch in bester Absicht – sich stets um sein Wohl gekümmert hatte.
    Welche Verbindung sie wohl zu den Elben hatte? Und warum hatte sie ihm nie etwas darüber gesagt? Er beschloss, bei den Elben nachzufragen, was es mit den Anschuldigungen der Templer gegen seine Großmutter auf sich haben könnte.
    Selbst, wenn er seine Großmutter außen vor ließ, blieb ihm kaum eine Wahl, als mit Gwerion und Telzion zu ziehen. Beide waren zurzeit nicht in ihrem Zuhause willkommen. Auch er konnte nicht wieder in der Waldhütte leben, da sie nun Gegenstand von Templerermittlungen war. Telzion hatte zwar gesagt, dass Fürst Meneldus etwas gegen diesen Zustand unternehmen würde, allerdings konnte er nichts Genaueres ausführen.
    Schamvoll gestand er sich ein, dass es ihm vor allem wichtig war, mit Gwerion wieder in Himmelstein einziehen zu können.
    Reisende begegneten ihnen auf ihrem Weg kaum: ein Bauer mit seinem Ochsenkarren, eine fellbehangene Jägerin und eine mit hellgrauen Stoffbahnen überzogene Pferdekutsche, die von einem kettengepanzerten Mann begleitet wurde. Von allen wurden sie schlicht ignoriert.
    Gegen Abend, als Taoreth mit Schieben an der Reihe war, erreichten sie endlich die Westküste, eine schroffe, felsige Steilklippe mit zahlreichen Einbuchtungen und Rissen, aus denen trotz der späten Umlaufszeit das Geschrei Tausender nistender Vögel erschallte. Entlang der Küste verlief in großzügigem Abstand eine mit Kopfsteinen gepflasterte Straße. Zum ersten Mal sah Taoreth das Meer. Wie zähe Tinte beanspruchte das dunkle Wasser sein Sichtfeld - bis hin zum dunkelblauen Sternenhorizont, in den ein einzelner, laternenbeleuchteter Schiffsmast hochragte. Zu weit weg, als dass Gwerion ihn würde erkennen können, für Taoreth aber, der dichte Wälder und das beengte Himmelstein gewohnt war, barg die Vorstellung, auf hoher See so viel offenes Wasser um sich herum zu haben einen faszinierenden Hauch von Freiheit.
    Die Sonne war hinter den Inselbergen im Westen früh untergegangen, sodass Schatten über dem fruchtbaren Ackerland, den kleinen Wäldchen und Gehöften lag.
    Gerade, als sie sich im Schutz einiger Bäume ein gutes Stück abseits des Weges zur Nachtruhe legen wollten und schon ein Feuer entfacht hatten, hörte Taoreth ein lautes Knacken, gefolgt von einem Rascheln. Nun wurden sie doch noch zur Beute von Wölfen!
    „Wer da?“ Gwerion hatte es offenbar auch gehört.
    „Keine Angst, Bauernvolk. Wir sind Männer Isgaads!“ Eine helle Stimme. Aus dem Schatten heraus stoben zwei, in Ketten gepanzerte Berittene. Ihr Wams war blau mit rot-weißen Schulterborten, die Sonne Isgaads auf rotem Grund als Brustwappen. Es waren die bekannten Templeruniformen, spitzförmig nach oben zulaufende Metallhauben mit zusätzlichen Wangen- und Nasenplatten schützten dazu die Schädel. Beide Krieger wirkten jung, hatten ein glattgeschorenes Gesicht und grinsten derbe. Die Ähnlichkeit zwischen ihnen war verblüffend.
    „Mein Name ist Lutkarn von Nachtshem“, verkündete der Linke laut, „und dies ist der edle Ritter Maclémo von Nachtshem, mein Zwillingsbruder!“
    Unsicher blickte Taoreth zu Gwerion und Telzion. Die Miene seines Freundes war düster, während Telzion die Ritter ausdruckslos anstarrte.
    Maclémo von Nachtshem rollte mit den Augen, als niemand antwortete. „Und wie lauten eure Namen?“
    Doch als einzige Reaktion richteten Telzion und Gwerion ihre Blicke wieder aufs Lagerfeuer.
    „Wir wollen keine Geschäfte mit euch Herren“, sagte Taoreth an ihrer statt.
    „Hm“, machte Lutkarn, „Man verbeugt sich vor Herren und Rittern, sobald man ihnen begegnet und steht ihnen Rede und Antwort! Sind diese guten Sitten euch Gesindel denn nicht bekannt?“
    „Ich glaube, sie kennen die Sitten, mein lieber Lutkarn. Mir scheint, sie wollen uns durch ihr Verhalten herausfordern.“
    Das Grinsen des Lutkarn wurde breiter, als er sein Schwert zog und zu ihnen ans Feuer herüberwarf. Es landete direkt neben Gwerion.
    „Ihr tretet zuerst gegen Maclémo an. Einen solchen Angriff auf seine Ehre muss sich ein Ritter nicht gefallen lassen!“
    „Verteidige dich!“, rief Maclémo, stieg von seinem Ross ab, übergab dessen Zügel seinem Bruder und zog sein Schwert, wobei er langsam auf Gwerion zuging. Dieser machte keine Anstalten, die ihm hingeworfene Waffe aufzuheben, sondern starrte den Ritter, der auf ihn zukam, bloß finster an.
    Taoreths Herz raste. Er musste sich doch wehren!
    Erst, als Maclémo Gwerion mit der flachen Seite seiner Klinge einen Stoß gegen die Schläfe versetzte, sprang der wie eine gespannte Feder auf, das ihm hingeworfene Schwert in der Rechten gepackt. Taoreth stand auch auf und ging langsam zum Holzpflug, in der Telzion noch immer ausdruckslos starrend lag. Er war nun in Reichweite der Schwerter, von deren Existenz die Ritter bestimmt nichts ahnten.
    „Na bitte“, grinste Maclémo, der einen Schritt zurückgetreten war und seine Deckung einladend und mit ausgebreiteten Armen öffnete.
    Gwerion hielt die Klinge nun relativ niedrig auf Kniehöhe, attackierte jedoch nicht. Er wirkte unsicher. Hoffentlich wusste er, was er tat. Der Ritter hielt nun, da Gwerion nicht angriff, die Spitze seiner Klinge stets auf Gwerion gerichtet, während er sie mal über dem Kopf, mittig oder tief hielt und dabei in scheinbar sinnlosen Halbkreisen um den dunkelhaarigen Jungen herumschritt. Der hingegen beschränkte sich bloß darauf, sich Maclémo zuzudrehen. Auf einmal machte der Templer einen Schritt nach vorne, holte blitzschnell von unten-rechts aus, auf Gwerions Beine zielend – doch änderte er die Schlagrichtung geschickt und wirbelte die Klinge nun herum, auf Gwerions Brust.
    Zur Überraschung aller war der auf ein solches Manöver vorbereitet, ließ Maclémos Klinge mit einer Parade harmlos zur Seite abgleiten und verpasste ihm in derselben Bewegung einen Schnitt über die Schulter seines Schlagarmes.
    „Aah!“, schrie der Ritter und taumelte zu seinem Pferd zurück, „Der Bengel hat meine Uniform aufgerissen. Na warte, diesmal überraschst du mich nicht!“
    Weitaus mehr Konzentration lag nun in des Ritters Blick, als er erneut auf Gwerion zu stapfte. Taoreth tastete derweil in dem Fach der „Kutsche“ nach einem der Templerschwerter, bekam endlich einen Griff zu fassen.
    Gwerion war derweil in großer Bedrängnis. Es wurde diesmal schnell klar, dass der Ritter ihm im Fechten haushoch überlegen war. Nach zwei Hieben von Maclémos Schwert war er schon in der Defensive, taumelte rückwärts, um der tödlichen Klinge zu entgehen. Stolperte er, war er tot.
    Taoreth fasste endlich seinen Entschluss und holte mit einem Ruck eine der Templerklingen hervor und sprang damit Gwerion zur Seite. Maclémos Bruder gab überrascht einen Schrei von sich, er wirkte unsicher. Offenbar entschied er nach einem kurzen Moment des Zögerns, dass es besser war, Unterstützung zu holen, als unbewaffnet in den Kampf einzugreifen, denn er gab seinem Pferd die Sporen und ritt mit beiden Reittieren in Richtung Süden davon, was von Maclémo nur mit einem Grunzen quittiert wurde. Kein sehr tapferer Ritter, dieser Lutkarn.
    Von zwei Schwertern bedrängt, wich Maclémo nun wieder zurück. Geschickt tänzelte er um die beiden Jungen herum, ließ sich nicht umzingeln. Dazu merkte er schnell, dass Taoreth mit dem Schwert sehr unbeholfen war und griff vorwiegend diesen an. Des Templers Uniform erlitt noch zwei weitere Schnitte, doch sein Kettenpanzer war nicht zu durchdringen.
    Nachdem der Ritter einen von Gwerions Hieben parierte, holte er erneut nach Taoreths Kopf aus, doch diesmal änderte er nicht nur die Schlagrichtung, sondern auch den anvisierten Gegner. Mit einem Mal steckte Maclémos Klinge eine Hand breit in Gwerions rechter Schulter, der schockiert zurücktaumelte. Mit einem geschickten Dreh befreite der Ritter seine Klinge, während Gwerion sein Schwert losließ und nach hinten fiel. Er schaffte es jedoch noch, seinen Gegner mit dem linken Arm am Schwertarm zu packen, was Taoreth wiederum Gelegenheit zum Angriff gab. Mit aller Kraft stach er die schmale Templerklinge in das Kettengeflecht des Ritters, welches endlich klirrend auseinanderbarst.
    Maclémo schrie erneut kurz auf, ließ sein Schwert los, presste mit ungläubigen, entsetzt aufgerissenen Augen beide Hände auf seine Wunde und fiel vornüber auf Gwerion. Der Stich war mitten in des Ritters Brust gegangen. Schnell kniete Taoreth neben seinem Freund nieder und gemeinsam hievten sie – unter Stöhnen und Schmerzensschreien – den schon reglosen Ritter von seinem Körper. Langsam bildete sich eine Blutlache um den Kampfplatz, die zwar hauptsächlich vom Ritter stammte, jedoch blutete auch Gwerion stark aus der Schulterwunde.
    „Ich glaube, es geht schon“, keuchte der Dunkelhaarige. Er versuchte zu lächeln, doch seine dunklen Augen verrieten seinen Schmerz.
    „Bleib sitzen!“, befahl Taoreth, „Lass mich die Wunde behandeln.“ Hastig riss er – nach einigem angestrengten Zerren – einen Stofffetzen von seinem Hemd, umwickelte damit Gwerions Schulter über die Achselhöhle und band einen festen Knoten. Die Blutung hatte schon etwas abgenommen.
    Gwerions Lächeln wurde breiter. „Wird schon gehen, danke Tao.“ Mithilfe seines Freundes richtete sich Gwerion wieder auf und stützte seinen rechten Arm mit dem gesunden. „Ich kann den Arm nicht bewegen … das wird unsere Reise wohl erschweren.“
    „Ihr müfft den Arm schienen!“, exklamierte der Magier plötzlich, „Aber ers bei den Eiben. Schell, isch nist mehr weit!“
    „Telzion hat Recht“, sah Taoreth ein, „Wir können die Nacht nicht hier verbringen. Dieser andere ‚Ritter‘ wird sicher bald mit Verstärkung hier aufkreuzen.“
    „Du kannst jetzt unmöglich weiterschieben, Tao. Ich wäre jetzt dran gewesen, aber … nur mit der Linken wird es schwer.“
    „Halte deinen Arm, dass er auch gesundet, das ist das wichtigste. Ich schaffe das schon.“ Auch, wenn seine Arme tatsächlich schon von der Anstrengung des Tages schmerzten, packte er die magierbeladene Holzkarre und schob sie mühsam in Richtung Nordwesten, zurück zur Küstenstraße. Telzion gab sich wenigstens Mühe, mit seinen wenigen funktionsfähigen Muskeln den eigenen Körperschwerpunkt möglichst mittig über den Holzrädern zu halten, was das Schieben erleichterte. Dennoch war es erschöpfend – Taoreth würde bald eine Pause brauchen. Die entfernte Küste war in der Dunkelheit vor dem Hintergrund des Meeres kaum auszumachen.
    „Siehst du Reiter auf der Straße?“, fragte Gwerion, dessen Sicht weniger ausgeprägt war als Taoreths.
    „Nur eine Kutsche weit im Süden, sonst niemand. Wir können …“, Er keuchte außer Atem, „ … die Straße nutzen.“

    Seit sie auf der Straße waren, fiel das Fortkommen leichter, doch Taoreths Kraft schwand und bald verengte sich sein Blick auf den gepflasterten Weg. Das ständige, hektische Umsehen überließ er Gwerion.
    „Ich kann nicht mehr!“, stöhnte er nach einer Weile und stellte Telzions Gefährt unsanft ab, was den alten Ochsenpflug fast aus dem Gleichgewicht brachte und dem Magier ein unzufriedenes Brummen entlockte.
    „Du schaffst es Tao, ich helfe dir das letzte Stück. Sieh doch, dort ist schon der Wald!“
    Taoreth streckte sich erschöpft und wollte sich am liebsten auf der Stelle hinlegen. Vorher blickte er sich jedoch um, als plötzlich der Schweiß auf seinem Körper zu Eis gefror. „Hinter uns sind Reiter.“

    Hey Liki,

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    Danke für dein Review. ;)

    Muss das Komma hier unbedingt sein ?!

    Ich denke schon. :hmm:

    "zu Ende" würde ich sagen; Google sagt das auch.^^

    Da hat Google recht. :D

    Also du benutzt oft das Wort "doch" in deinen Texten.

    Wow! Du hast Recht. Daran muss ich arbeiten. Deswegen schätze ich Reviews so sehr, denn mir wäre das nicht aufgefallen. ^^

    Bin mir zwar unsicher aber trotzdem mal rot.^^ klingt für mich komisch mit dem "oder sonstige Lichtquelle erhellte ihn"

    Ich hab's mal geändert in "weder Feuer noch eine sonstige Lichtquelle...". ^^

    Zehrt das nicht irgendwie an seinen Kräften, weil ich würde gerne noch ein Verhältnis sehen

    Keine Sorge, du wirst im nächsten Kapitel darüber aufgeklärt! :D

    Bin schon gespannt, was du dazu zu sagen hast. ^^

    LG

    Lukosamurai

    Nach einigen kleinen Edits in den vorherigen Parts geht es nun weiter mit Kapitel 10 - was haltet ihr davon? :)


    10 - Romantik des Reisens

    Provinz Himmelstein, den 296., 1292 Neues Zeitalter


    Nach zwei weiteren Tagen erschöpfender Schubkarrenschieberei, endlosem, zungenlosem Fluchen und schlaflosen Nächten war der Nadelwald schließlich lichter geworden und sie hatten tiefere, wärmere Regionen erreicht, in denen der Winter sich noch nicht angekündigt hatte. Gegen Abend begegnete dem Trio erstmals wieder ein Bauernhof, und obwohl die Meisterbäuerin – eine freundlich blickende, alte Frau namens Svina – nicht allzu viel ihres Wintervorrats hergeben wollte, wurden sie – wohl auch dank Taoreths Beutel mit Silberstücken – freundlich empfangen und bewirtet. Sie beschlossen, den Abend bis zum Morgen auf dem Hof zu verbringen. Taoreth konnte es kaum erwarten, endlich wieder auf richtigem Stroh und ohne Angst vor Wölfen schlafen zu können.
    Beim gemeinsamen Abendessen mit der Bäuerin und ihrer einzigen Tochter gab es Fleisch von frisch geschlachteten Schweinen, hellbraunes Brot, jungen Käse, eingesäuerten Kohl und gesalzene Butter – ein Festmahl im Vergleich zu ihren Reiserationen. Das Speisezimmer war geräumig, erleuchtet durch ein Kaminfeuer und zwei Öllampen – Armut war hier kein Problem. Den Magier hatten sie mit vereinten Kräften von der „Kutsche“ losgebunden und stattdessen in einem Holzstuhl fixiert, wo Taoreth ihn nun mit einem Holzlöffel fütterte.
    Die alte Bäuerin beobachtete ihre Gäste aus schlitzförmigen Augen. Sie hatte eine schlanke Figur, dazu ein spitzes Gesicht und dunkelgraue, strähnige Haare auf ihrem gebeugten Haupt. Ihre Tochter – Nadfin – war in Gwerions und Taoreths Alter und mit einem hübschen Gesicht voller Sommersprossen gesegnet, wenngleich sie ungewöhnlich groß gewachsen war und breite Schultern aufwies. Ständig warf sie Gwerion verstohlene Blicke zu; der jedoch tat so, als bemerkte er nichts und lächelte nur höflich.
    Der Buckel der Bäuerin knackte unüberhörbar, als sie sich zum Sprechen aufrichtete: „Wenn ihr also nichts von den Grenzkonflikten wissen wollt, was treibt euch dann hierher? Ich bin neugierig. Sucht ihr einen Heiler?“ Ihre Stimme war etwas kratzig, jedoch tief und unaufdringlich.
    Gwerion nickte, während er schon nach dem nächsten Stück Fleisch griff. „So ist es. In Himmelsstein – der Stadt – gibt es keinen, der unserem Vater helfen kann.“
    „Dann werdet ihr in Grüngrenze auch keinen finden, falls dies euer Ziel ist“, mischte sich die Tochter ein, „Dort ist schon seit Wochen nur noch gottgefällige Heilung erlaubt.“
    „Ist … ist das schlecht?“, wunderte sich Taoreth, wobei er kurz den Löffel voller Sauerkohl in Telzions Mund vergaß, was ihm einen verärgerten Blick des Magiers eintrug.
    Gwerion klärte ihn eifrig auf: „Das bedeutet, dass jegliche magische Heilmethode untersagt ist. Sogar der Besitz magisch hergestellter Medizin ist mit Strafe bedroht.“
    „Es ist sogar noch schlimmer geworden“, klagte die sommersprossige Nadfin, „Die Priester sagen, wenn keine menschengemachte Ursache vorliegt, dann sei die Krankheit Isgaads Wille und es dürfe für die Patienten nur noch gebetet werden. Bei den Geistern, was für ein Unsinn!“
    Svina erschrak bei den zuletzt gesprochenen Worten ihrer Tochter, beruhigte sich aber etwas, als Gwerion, Telzion und auch Taoreth verständig nickten. Taoreth glaubte zwar an Isgaad und nicht an die Geister, stimme jedoch Nadfins Wertung zu.
    „Keine Sorge, ihr müsst von uns nichts befürchten“, bekräftigte Gwerion erneut.
    Svina funkelte ihre Tochter dennoch böse an – jedoch nur, bis diese es bemerkte. „Nadfin, ich denke, du solltest noch das restliche Vieh füttern gehen, während ich unseren Gästen ihre Zimmer zeige.“
    „Aber die haben doch schon …“
    „Geh jetzt!“
    Missmutig stapfte Nadfin hinaus, nicht, ohne Gwerion einen weiteren, schelmischen Blick zuzuwerfen. Der lächelte sogar! Aber … warum ärgerte ihn das überhaupt?
    „Entschuldigt das“, murmelte die Bäuerin nun kleinlaut. Sie wirkte etwas unsicher, wie eine Katze, die man in einer Ecke konfrontiert.
    „Wir verstehen das schon“, sagte Taoreth, um sie zu beruhigen.
    Es hatte nicht die erhoffte Wirkung.
    „Nein! Ihr habt bestimmt keine Ahnung, wie es ist, ein solch Balg im rechten Glauben zu erziehen. Aber seid beruhigt: ich werde es angemessen bestrafen. Zehn Mal siebenfach wird Nadfin das Isgaad-Bekenntnis heute noch aufsagen müssen. Ich … also … eigentlich ist sie gar nicht so schlimm. Nur manchmal spricht sie lästerlich über Isgaad – das mit den Geistern hat sie von meinem Vater – ihm möge vergeben werden. Es ist wie eine Krankheit, doch sie denkt sich nichts Ernstes dabei.“ Die Bäuerin schloss kurz die Augen und atmete auf. „Ihr müsst also den Priestern nicht Bescheid geben, ich habe alles im Griff …“
    Diesmal waren es Telzions noch tiefer werdende Falten, die Svina ihren Redeschwall abbrechen ließen.
    „… Ich … ich werde euch eure Zimmer zeigen. Ihr beiden sollt oben schlafen, für euren Vater wäre es das Beste, sich hier im Esszimmer einzurichten. Ich werde Nadfin eine Strohmatratze herbringen lassen.“
    Die alte Bäuerin kletterte überraschend schnell eine stabil wirkende Leiter an der Wand hoch, öffnete eine Falltür mit einem plumpen Eisenschlüssel, den sie sich aus den Kleidern gefischt hatte, und stieg hindurch. Als Taoreth mit Gwerion und der Bäuerin oben stand, hatte diese auch schon eine offenbar bereitstehende Talgkerze entzündet.
    „Vorsichtig mit dem Licht hier drin, damit das klar ist!“, betonte sie unnötigerweise: Sie befanden sich in der Strohscheune des Bauernhofes, welche das gesamte obere Stockwerk ausmachte. „Ich würde sagen, ihr habt hier genug Platz. Gute Nacht!“
    Mit diesen Worten stieg sie – fast, wie auf der Flucht – wieder über die Leiter hinunter und legte die Falltüre ab, schloss sie jedoch nicht.
    „Glaubst du, die Bäuerin meinte das ernst? Du weißt schon, wegen ihrem ‚Balg‘ und der Bestrafung?“
    „Ich weiß nicht … auf mich wirkte sie nicht, als hätte sie das nur aus Angst gesagt“, zuckte Gwerion mit den Schultern, „Aber wer weiß.“
    „Oh, Jungs. Sie meinte das ganz bestimmt nicht ernst.“ Hinter einem Heuhaufen hervor kam Nadfin.
    „Wie bist du hier reingekommen?“, wunderte sich Taoreth.
    „Na, als ob wir unser Heu durch eine winzige Falltür schleusen“, grinste das Mädchen. Erst jetzt bemerkte Taoreth, da sich seine Augen mehr an die minimale Beleuchtung gewöhnten, dass die gesamte Rückwand des Stockwerks aus einem Scheunentor bestand.
    „Oh.“
    „Jedenfalls – Mutter meinte das wirklich nicht ernst. Sie hatte nur Angst und traut euch eben nicht, was ich ihr nicht verüble. Aber sie wird mich ganz bestimmt nicht irgendwelche Bekenntnisse aufsagen lassen. Im Prinzip will sie mich schützen.“
    „Offenbar traust du uns dagegen schon“, bemerkte Gwerion, „Wie kannst du dir sicher sein, dass wir deinen mangelnden Respekt vor Isgaad nicht den Priestern melden?“
    „Ihr scheint mir einfach vernünftige Leute zu sein. Und außerdem … Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Junge mit so schönen und edlen Augen so etwas tun würde.“
    „M… meinst du mich?“, Gwerion trat einen Schritt zurück, Nadfin einen Schritt vor. Taoreths Anwesenheit schien sie nicht zu stören, während Gwerion nervös zu ihm hinüberschielte. Er wunderte sich, dass Gwerion so unsicher wirkte, war er doch auf den Adelsfesten, von denen er immer erzählte, stets von schönen Frauen umringt.
    „Natürlich dich, Schöner! Naja … jetzt ist keine Zeit, ich muss Mutter mit eurem Vater helfen. Aber keine Sorge, ich komme zur Mitternacht nochmal vorbei, dann können wir auch allein sein – ist ja wirklich viel Platz hier. Gute Nacht Jungs!“, kicherte Nadfin und verschwand dann, ohne eine Antwort abzuwarten, rasch durch das Scheunentor.
    „Nun … Meinen Glückwunsch, sie mag dich offenbar“, brachte Taoreth hervor, wenig überzeugend.
    „Mach dich nicht lustig – ich mag sie nämlich gar nicht!“, sagte Gwerion, was beruhigte. Doch nicht ganz.
    „Hey, wir sind beste Freunde – du kannst es mir schon sagen, wenn du sie …“, Taoreth überlegte, wie er den Satz am besten beenden sollte, „… willst.“
    „Unsinn …“
    „Ich glaube dir nicht.“ Taoreth wollte sich gerade wegdrehen.
    „Tao!“, Gwerion hielt plötzlich Taoreths Hand, trat einen Schritt auf ihn zu und presste die Lippen mit leichtem Druck auf seinen Mund. Er erstarrte, wagte jedoch nicht, Gwerions Kuss zu erwidern. Er trat jedoch auch nicht davon zurück.

    Hey @Blindseher! :)

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    Danke erstmal für dein Review. :)

    ich war in der letzten Zeit echt gut beschäftigt (neuer Job und Krank und Leben)

    Dann willkommen zurück. Ich hoffe, es geht Dir in all diesen Hinsichten jetzt gut! :)

    Dieser Teil der Geschichte gefällt mir besser als der andere Handlungsstrang.

    Da bist Du in guter Gesellschaft. ^^ Es geht hier sämtlichen Lesern so, ich versuche seitdem, die Qualität der anderen Teile anzugleichen.

    ich fand die Jagd irgendwie zu einfach. Das habe ich hier schon oft gesagt, ich weiß und vielleicht ist es gar nicht so.
    Aber im Grunde schien es mir tarnen, Lasso werfen, Lasso werfen und Lasso werfen gewesen zu sein.

    Ein wenig mehr Aufwand war es dann schon. Und es ist schon beabsichtigt, dass Kajim dieser doch eigentlich sehr gefährliche und anspruchsvolle "Tanz" mit Nist mit relativer Leichtigkeit gelingt. Er ist eben - wie er selbst meint - ein sehr guter Jäger. ;) Aber ich kann verstehen, dass das einen stutzen lässt.

    - ich finde es etwas komisch, wenn eine Figur in einem Text oft von ihrer (Helden)Geschichte spricht. Ich glaube das bricht etwas die 4. Wand für mich.

    Darüber habe ich mir auch schon Sorgen gemacht - vielleicht gestalte ich das etwas subtiler. Es wird aber doch klar, dass er nicht selbst der Erzähler der Geschichte ist und sich viel mehr bloß darum Gedanken macht, wie er als Held in die Geschichte eingehen könnte. Ob er denn auch tatsächlich ein Held ist oder auch nur Teil einer Helden(!)geschichte, bleibt abzuwarten. ^^

    ich habe jetzt mal noch die 8 gelesen und finde sie recht gut.

    Freut mich sehr. ^^

    Vielleicht kannst Du mir da ja mehr zu sagen als Schöpfer

    Am Anfang von Kapitel 8 hatte ich dazu etwas:

    Erstaunlich schnell für ihre Größe bewegte sich Mecham durch die Wüste – langsamer, als Lutin zu Pfote waren, doch brauchte sie nur alle paar Umläufe eine Rast.

    Da Kajim nun eine Rast bei Sonnenuntergang einlegt, finde ich es durchaus plausibel, dass Firiya sie irgendwann in der Nacht einholt.

    LG

    Hey @aval.b.bado

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    Danke für die Mühe deines Reviews erstmal! :)

    Aber man merkt, dass du die Anmerkungen alle berücksichtigt hast und es ist definitiv schon wesentlich gelungener.

    Ich arbeite dran. Freut mich, dass es offenbar erträglicher wird. ^^"

    Kleinliche Erwiderungen:

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    v-förmig klingt nicht so schön, finde ich

    finde ich auch - was hältst du von "kerbenförmig"?

    Insgesamt hast du Telzion so inflationär mit Magie umgehen lassen, dass man den Eindruck hätte, es wäre etwas selbstverständliches.

    Das ist Magie in Vyrtana sicher nicht, wie im Kapitel ja explizit erwähnt wird. Jedenfalls nicht für einfaches Volk. Es passt ja auch, dass von Telzions Magie nur sehr wenige etwas mitbekommen, die dieser Gruppe zugeordnet werden könnten.
    Vielleicht ist öffentliches Magiewirken zu politisch gefährlich? Vielleicht sind Magier sehr selten? Vielleicht verwenden sie ihre Magie so gut wie nie und Telzion hatte bestimmte Gründe, an jenem Tag eine Ausnahme zu machen? Vielleicht gibt es aber auch keine zuverlässige Nachrichtenverbreitung, sodass überzeugtes Wissen über einzelne, magische Vorkommnisse sich nur schwer im kollektiven Bewusstsein des einfachen Volks etabliert? All dies sind Erklärungen, die mMn nicht explizit in die Geschichte müssen. (Auch, da Taoreth noch nicht so weit denkt. Der Autor tut dies gewiss! ;) )

    und was von beidem lässt ihn Soldaten mit Blitzen grillen

    Mondaffinität. Aber das wird später noch erklärt. :)

    Warum sollten die französische Begriffe benutzen, die wir in unserer Alltagssprache verhunzen?^^

    Verhunzen? Es ist ein korrektes, deutsches Wort, soweit ich weiß. Ich sehe nicht, warum alle Wörter aus dem germanischen stammen müssen. Außerdem passt es mir inhaltlich besser als "unumwunden".

    hat unmöglich keinen Komparativ. Es ist nicht möglich. Weniger möglich geht nicht.

    Stimmt, was hältst du stattdessen von "unwahrscheinlicher"?

    Etwas ragt auf, aus etwas hinaus oder in etwas hinein, aber einfach nur ragen ist ziemlich ungebräuchlich.

    Ich denke doch, dass ich nicht klarstellen muss, in welche Richtung die Tanne ragt... ^^

    Ich frage mich einzig und allein, ob dass jetzt die vollständige Beschreibung des "komplexen" Magiesystems war?

    Natürlich nicht. ^^ Es sollte einen groben Überblick liefern. Die Details sind im Moment für die Geschichte ja auch irrelevant. :)

    LG :hi1:

    Tut mir leid für die Fans für Firiya und Kajim, aber jetzt geht es erstmal mit Taoreth weiter. ;) Ich hoffe, der Infodump ist erträglich gestaltet. ^^"

    9 - Nervenkitzel des Reisens

    Provinz Himmelstein, den 294., 1292 Neues Zeitalter

    „Also, wenn wir nach ‚Nordwesten‘ gehen, dann bedeutet das, dass wir etwa … in diese Richtung gehen. In die Provinz Grüngrenze!“, verstand Taoreth, während er mit einem Zweig eine Linie in den halbgefrorenen Waldboden zeichnete. Sie war in dem schwachen Licht des Lagerfeuers kaum zu erkennen.
    Sie hatten die Stadt Himmelstein und das Trogtal um den Fluss Lea verlassen und befanden sich nun auf dem Weg in tiefergelegene Ebenen, entlang zahlreicher, kleinerer Bachläufe, Schluchten und kerbenförmig ausgeschnittenen Tälern. Die Fichten hier standen dicht an dicht und es war schwierig, Telzion mit dem Karren durch die kalten Nadeln und den gefrorenen Humus zwischen den Stämmen hindurch zu manövrieren.
    Sie hatten es tatsächlich geschafft, mithilfe des Meisterbauern, einen Ochsenpflug zwecks Telzions Beförderung umzubauen. Dazu hatten sie das Pflugmesser entfernt und einige Bretter auf die dreieckige Konstruktion genagelt – Ein paar Decken und Felle waren dazugegeben worden und schon war das Traggestell auf zwei Rädern fertig.
    Es ließ sich wie eine Schubkarre schieben, doch war es erschöpfend, so zu reisen, obwohl Taoreth sich mit Gwerion halbtäglich abwechselte. Erst zwei Nächte hatten sie hinter sich, und schon war er am Ende seiner Kräfte. Hoffentlich würde das Gelände bald einfacher werden.
    „Ja, wir gehen nach Nordwesten, bis wir hier an die Küste gelangen. Dort folgen wir einer uralten Straße, die direkt nach Norden führt und hier … beginnen die Feentürme“, lächelte Gwerion verschmitzt.
    „Feentürme?“
    „So nennt man die Bäume des Elbenreiches. Es heißt, sie seien wunderschön und erfüllten dem aufrechten Reisenden allerlei Wünsche.“
    Taoreth hatte mittlerweile von Gwerion – immer wieder korrigiert durch Telzion, der sich langsam daran gewöhnte, ohne Zungengefühl zu sprechen – einiges über die Magie der Welt erfahren. Sie existierte in vielfältigerer Form, als er es sich je hätte vorstellen können. Ihm, wie den meisten einfachen Menschen Vyrtanas, war Magie bisher bloß in Märchen, Legenden oder Liedern begegnet. Leibhaftige Zauberer bekamen die Wenigsten zu Gesicht, selbst dann meistens nur zweifelhafte „Verzauberer“, die mit allerlei „magischen“ Kräutern, Tinkturen und Glücksbringern handelten, sodass viele gar nicht an die Existenz wahrer Magie glaubten.
    Ein wenig enttäuscht war er gewesen, als er erfahren hatte, dass die Menschen zu den am wenigsten magisch begabten Wesen gehörten, gefolgt nur von Orks und schließlich Zwergen. Es schien auch keine nennenswerte Organisation unter den menschlichen Magiern zu geben, Telzion hatte ihn bloß auf einen unter strengen Auflagen geduldeten „Orden“ in der Hauptstadt des Imperiums – Tir-Isgaad – verwiesen.
    Und dennoch, obwohl sie kaum jemand bemerkte, existierte rund um sie herum Magie.
    Sie durchströmte alles, was lebte, Flora und Fauna, sie war unsichtbarer Bestandteil des Sonnen-, Mond- und Sternenlichts und auch Wind, Regen und Schnee trugen magische Energie in sich. Sogar in einigen Gesteinsarten und Erzen und an Schattenorten, die von weder Licht noch Leben berührt wurden, existierten gewisse Formen magischer Energie.
    Von dieser Vielfalt konnte sich jeder Magier jedoch nur begrenzt bedienen, in der Regel war es ihm bloß möglich, auf eine der Quellen zuzugreifen – man unterschied als Magiequellen die Sonne als Repräsentant von Licht und Hitze, Mondlicht, Sternenlicht, die lebendige Natur, das kraftvolle Wetter und den sogenannten Schatten, der sich an Orten manifestierte, wo über gewisse Dauer kein Licht, kein Geräusch oder sonstiges Leben existierte. Dies war auch deshalb bedeutend, weil der magisch Affine auf Zauber einer gewissen Art beschränkt war, wenn er – durch spezielle Meditation – von seiner bestimmten Quelle schöpfte. So war es etwa denen am häufigsten vorkommenden Magiern – „Sonnenaffinen“ – nur möglich, Hitze- und Lichtzauber verschiedenster Art zu wirken.
    Telzion hatte diesen Umstand das Magie-Konstanz-Gesetz genannt und es – um Worte ringend, die Taoreth verstand und die gleichzeitig ohne Zungengespür aussprechbar waren – damit erklärt, dass rohe Urmagie erst durch den Filter realer Phänomene die Welt erreichte und deshalb entsprechend geformt wurde. Diese Form auch nur geringfügig zu ändern, war mit enormer Anstrengung verbunden, sie zurück in Urmagie zu wandeln, unmöglich.
    Telzion war, wie er nicht ohne Stolz zugegeben hatte, sowohl gegenüber dem Mond als auch gegenüber den Sternen affin. Die Mondaffinität ließ ihn unter anderem auf die Gedanken anderer Wesen Einfluss nehmen, sie verwirren, lesen und mit gewissem Aufwand gar befehligen, während die Sternaffinität, die er Magie der Schöpfung nannte, ihm gewisse seherische Fähigkeiten und gar die Manipulation von Raum und Zeit ermöglichten. Nur der Tod bewahrte – abgesehen von wilden Spekulationen – seine Endgültigkeit selbst gegenüber sternaffinen Magiern. Nur, da Taoreth ebenfalls Mondaffiner war, hatte er die Möglichkeit gehabt, die Illusion in Telzions Zuhause zu durchschauen, auch, wenn dies angeblich für gewöhnlich jahrelang Übung erforderte. Er war also tatsächlich ein Magier und könnte – mit entsprechender Übung – die „Macht des Mondes nutzen“, wie Telzion geschwärmt hatte.
    Als wäre er von alldem nicht schon überwältigt genug, erzählte ihm Gwerion nun auch noch etwas über Bäume, die Wünsche erfüllten. Er war geneigt, ihm einfach bis auf weiteres zu glauben. „Was für Wünsche denn?“, fragte er unschuldig.
    „Was immer dein Herz begehrt, Tao. Solange es rein ist“, zwinkerte der Dunkelhaarige.
    „Hörs auf, Ullsinn zu reden uld hef mir piffen!“
    Taoreth und Gwerion blickten gleichzeitig zum umgebauten Ochsenpflug zurück, in dem Telzion gut verschnürt lag. Taoreth hatte das Gefährt großzügig „Kutsche“ getauft.
    „Ich glaube, du bist dran“, stellte Gwerion nonchalant, jedoch mit dem Hauch einer Erleichterung, fest.
    „Das … wir sollten einfach ein Loch in das Holz schlagen und es dabei belassen!“, dennoch ging Taoreth zu Telzion herüber, um ihm mit der Verrichtung seiner Notdurft zu helfen.
    Der Magier hatte – in Anbetracht seiner begrenzen Kontrolle über seine Zunge recht deutlich – hoch und heilig geschworen, Taoreth nur unter dieser Bedingung weiterzuhelfen. Er zeigte dabei keinerlei Scham und auch Gwerion und Taoreth hatten gelernt, ihre Magierpflege mit Professionalität zu verrichten.
    Erst die Hose, dann die „Kutsche“ im rechten Winkel aufrichten …
    Auf ihrem Weg war ihnen bisher noch niemand begegnet. Zum Glück hatte es auch weder geschneit noch geregnet, seit sie vor ein paar Umläufen aus Elchbrunn aufgebrochen waren und die Reiserationen, die ihnen mitgegeben worden waren – ein gestampftes Gemisch aus Pökelfleisch und getrockneten Früchten – würden noch ein paar weitere Tage ausreichen. Selbst, wenn ihnen Menschen begegnen würden, würden sie keine große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie wirkten immerhin bloß wie zwei elendige Bauerssöhne, die ihren gelähmten, alten Vater unbedingt noch durch den nächsten Winter bringen wollten. Und viel hoffnungsvoller war ihre Situation auch nicht, denn die Reise schien mit der hereinbrechenden Kälte jeden Tag unmöglicher.
    Endlich war der Magier fertig. Nachdem Taoreth ihm seine Hose wieder angezogen hatte, die „Kutsche“ wieder abgestellt und den Magier in einige Felle eingewickelt hatte, stapfte er erleichtert zurück zu Gwerion, der noch damit beschäftigt war, einen einigermaßen geeigneten Schlafplatz zu schaffen. Er hatte einen großen Felsen an einem Bachlauf auserkoren, an dessen Rand eine große Tanne ragte. Er hatte dort, fast zu nah am Bach, ein kleines Feuer entzündet. Taoreth half ihm, unter dieser Tanne einige Felle auszurollen.
    „Hast du vielleicht Lust auf ein paar Fechtstunden?“, fragte der Dunkelhaarige.
    „Ja, klar!“, sagte Taoreth, gähnte dann jedoch unwillkürlich. „Aber… ich bin viel zu erschöpft. Morgen gerne. Gute Nacht.“ Er rollte sich in eines der Felle ein. Nicht das ständige Nagen eines Eichhörnchens in der Nähe oder das leise Knistern des Feuers hinderten ihn daran, einzuschlafen – solche Geräusche war er aus der Waldhütte gewohnt. Doch die Angst vor Wildtieren war neu – im Freien waren sie leichte Beute.
    „Gute Nacht“, flüsterte Gwerion sanft. Er lief noch hinüber zum Magier, der kurz misstrauisch ein Auge öffnete, es dann jedoch wieder schloss, als Gwerion ihn in die Nähe des Lagerfeuers schob. Danach holte er aus der Halterung für das Pflugmesser, welches nun – mit Holzbrettern ausgekleidet – als ein Vorratsfach diente, vorsichtig eines der Templerschwerter hervor, wickelte es aus den tarnenden Stofffetzen und rollte sich neben Taoreth unter der Tanne ein.
    Plötzlich ertönte ein Geräusch aus weiter Ferne. Es war das langgezogene Jaulen eines Wolfes. Unwillkürlich spannte Taoreth sich an. Es war, als zog plötzlich ein eisiger Wind unter sein Schlaffell, der ihm jeglichen Komfort austrieb.
    „Gwerion?“
    „Tao?“
    „Ist das der ‚Nervenkitzel des Abenteuers‘, von dem du immer geschwärmt hast?“
    „Was?“
    „Hast du das nicht gehört? Ein Wolfsheulen. Schon wieder!“
    „Hmm … ich höre nichts. Muss sehr weit weg sein.“
    „Naja … Ich habe trotzdem Angst. Und ich weiß nicht, ob Isgaad mich noch beschützen wird, nachdem … du weißt schon.“
    Gwerion drehte sich zu Taoreth herum und sah ihm in die Augen. „Ich habe auch Angst. Und wenn du willst, bete um die Gunst Isgaads, Aber … meine Meinung ist: Du brauchst keine Götter. Vertraue auf die Freunde, die du sehen kannst. Ich bin hier.“ Er lächelte und präsentierte die Templerklinge. „Damit kann ich jeden Wolf fernhalten, versprochen. Aber in der Regel greifen Wölfe keine Menschen an. Also schlafe ruhig.“
    Tatsächlich fühlte er sich nach den Worten seines Freundes etwas wohler, auch wenn sie ihn ein wenig erschrocken hatten und er besorgt war, dass Gwerion mit dem Satz „du brauchst keine Götter“ den Zorn Isgaads auf sich ziehen würde.

    Bald, als der Magier und Gwerion schon schliefen, hörte er erneut ein Heulen – diesmal schien es näher. Er wachte noch stundenlang und betete viele stille Worte, bevor er endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.

    @Katharina

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    So, ich musste das mehrmals anfangen, weil immer irgendjemand gekommen ist, der was wollte daher hab ich's jetzt nicht ganz so flüssig runterlesen können.

    Hört sich nach Stress an. Danke, dass du es trotzdem einrichten konntest. ;)

    Freut mich, dass die Magie angekommen ist. ^^


    Zum Sex: Nach einigem Überlegen muss ich die Szene grundsätzlich verteidigen. Der Stilbruch war zum Teil nämlich beabsichtigt. ^^"

    sanft (Achtung: solche Adverben und gut ausgewählte Verben sind hier wichtig)

    Immerhin hatte ich schon "kaum merkliches" Reiben und "behutsames" Streichen... :D

    romantischen Sex mit einer Geliebten anders beschreiben als Sex mit einer Hure

    Hmm, genaugenommen spricht an sich nichts dagegen, dass auch Sex mit einer Hure romantisch sein kann, aber ich weiß schon, was du meinst. Mein Punkt ist: Warum kann der Sex zwischen zwei sehr romantisch Verliebten nicht so sein wie der "mit einer Hure"?

    klar hat man nach dem ersten Mal miteinander

    Das war nicht ihr erstes Mal... ^^" Ich dachte, an folgenden Stellen wird das klar:

    Dies entsprach zwar nicht ganz der Realität, denn sie hatte ihm ihre Liebe schon gestanden und war gewisse keine Jungfrau mehr, doch würde Kajim sich etwas künstlerische Freiheit gestatten, sobald er anfing, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben.
    Nur leider war sie für ihn unerreichbar, abgesehen von seltenen, wertvollen Nächten, die sie auf gemeinsamer Jagd heimlich miteinander verbrachten.

    Bisher hatten sie nämlich kaum Gelegenheit gehabt, ihre Leidenschaft auszuleben.

    Vielleicht ändere ich die 1. Stelle in "wertvollen Liebesnächten" und die 2. in "nur selten Gelegenheit", dann wird das eindeutiger.

    Hier wil es mir nicht ganz passen, warum von dem Vogel gesprochen wird (ich verstehe, warum der Einschub wichtig ist, aber die Stelle ist trotzdem irgendwie unglücklich gewählt)

    Das stimmt leider. ^^" Ich lasse den Hinweis vermutlich ganz weg oder stelle das vorher klar.

    wie Kajim sich jetzt fühlt

    Offenbar ist er in "machohafter" Hochstimmung und hat gleichzeitig Vorfreude auf das Kommende. So ist er halt. ;)

    Hey @aval.b.bado

    Spoiler anzeigen

    Danke für das Feedback. ^^ Ich kann ehrlich gesagt niemandem verübeln, der die Geschichte um Kajim bisher interessanter findet. ;) Es ist allerdings auch Teil des Konzepts, Taoreths eher uns bekannte Welt auf eine unbekannte treffen zu lassen. Wir werden sehen, wie das wird. ^^"

    Die Szene zwischen Karim und Firya ist für meinen Geschmack... Naja, ein kleeein wenig zu schmalzig geraten

    Solange mit schmalzig nicht klischeehaft gemeint war, kann ich damit leben. ^^

    Die 1. Version war sogar noch schlimmer. xD Naja, ich habe versucht, es trotz "Schmalz" glaubwürdig zu gestalten..

    Nächster Teil ist in Überarbeitung, ich lasse mir wieder etwas mehr Zeit mit der Veröffentlichung. Bin mir immer noch nicht sicher, welche Frequenz am angenehmsten ist. ^^

    LG

    @aval.b.bado

    Spoiler anzeigen

    Danke für das Feedback. ^^

    Es freut mich, dass der Part offenbar besser ankommt. Das gibt mir einiges zu Denken.

    Ich würde wie gesagt empfehlen, die neueren Teile alle nochmal dahingehend zu überarbeiten.

    Das werde ich definitiv tun!

    Die holprigen Sätze sollten jetzt weniger holprig sein! ;)

    Ein interessanter Gedanke, den du mir bezüglich Doppelpunkten offenbarst. ^^ Selbst hätte ich nicht daran gedacht, aber ich verstehe schon, wie Sätze dadurch etwas weniger "episch", mehr "systematisch" wirken können. Ich versuche, ab jetzt darauf zu achten. ^^

    Es geht direkt weiter mit Kajim:

    8 - Des Helden Schicksal

    Einen halben Umlauf später – Kajim, Mecham und Nist hatten den Lutinstamm weit hinter sich gelassen – sang die Sandkröte ein Lied mit kurzen, tiefen Tönen. Sie hatte Hunger. Dabei kamen diese Tiere für gewöhnlich mit der Hälfte dessen aus, was ein Fuchsbold aß.
    „Fang Du nicht auch noch damit an. Nist wird nicht gegessen!“, tadelte Kajim murmelnd, „Hier, iss ein paar.“ Der Lutin beugte sich vor und fütterte die Echse mit zwei Handvoll getrockneter Datteln.
    Erstaunlich schnell für ihre Größe bewegte sich Mecham durch die Wüste – langsamer, als Lutin zu Pfote waren, doch brauchten sie nur alle paar Umläufe eine Rast. Ihr langer, mit zackigen Hörnern versetzter Schwanz hinterließ eine verhältnismäßig feine Schleifspur im Sand.
    Der einsame, flache Berg vor ihnen schien kaum näher gerückt zu sein. Doch Kajim machte sich keine Sorgen, in der Wüste umzukommen. Er würde Yomin, die berühmte Wüstenstadt, die Cherbos Stamm nie besuchen würde, schon erreichen. Mit Mecham dürfte es nicht mehr lange dauern, die Stadt zu erreichen, und die meisten Raubtiere der Wüste – Schakale, Sandkatzen, Riesenskorpione und Springschlangen – hielten sich von den vergleichsweise langsamen, aber gut gepanzerten, krallenbewährten Sandkröten mit starken Kiefern fern. Vor den Windgeistern fürchtete er sich ebenfalls nicht: Soweit er zurückdenken konnte, wusste Kajim, dass er himmelsaffin war – Sturm, Wind und Bö, diese konnte er kontrollieren. Theoretisch. Bloß wenige Zauber beherrschte der Lutin, doch wie man Windgeister fernhielt, hatte er schon als Fuchsjunges gelernt.
    Der ausgestoßene Lutin machte sich viel mehr Sorgen, wie er in Yomin zurechtkommen sollte. Er hatte weder von dem Metall, das die Menschen als Währung benutzten, noch Waren, die er eintauschen konnte. Außer etwas Proviant, zwei einfachen Bögen, einem Jagdmesser aus Bronze und einigen Fellen besaß Kajim nur seine Flöte. Ob er als Flötenspieler seinen Unterhalt verdienen könnte? Er holte, geschickt auf der sich beständig wankenden Mecham balancierend, das verzierte Instrument aus Buchsbaumholz aus seinem Zelt hervor. Sie war ein Geschenk von seinem Vater, der sie wiederum angeblich von den Elben erhalten hatte, doch Kajims Vater hatte in seinen Erzählungen oft maßlos übertrieben. Sie war relativ kurz, kaum so lang wie Kajims Unterarm, und hatte eine deutlich gebogene Form.
    Auf einer relativ großen Sanddüne, von der er auf dem Rücken Menchams sogar die Gipfel des westlichen Weltgebirges erkennen konnte, gab der Lutin der Sängerin mit einem leichten Zug der Zügel zu erkennen, dass es Zeit für eine Rast war.
    Die Sonne tauchte im Westen Stück für Stück unter die weit entfernten Berggipfel und warf Schatten auf das endlose Meer aus feinem Sand, als er anfing, zu spielen. Mecham blieb stehen und reckte ihren Hals, als wollte sie lauschen, wie sie es immer tat, wenn Kajim auf seiner Flöte spielte. Selten hatte er während seiner Zeit im Stamm Gelegenheit gehabt, zu musizieren, ohne jemanden zu stören oder die Karawane aufzuhalten, weil Mecham lauschen wollte. Nun jedoch improvisierte Kajim ein lautes Lied in zügellosen Tönen, die mal tief, mal hoch waren. Er achtete nicht allzu streng auf den Takt, sondern spielte dafür in einem sich veränderndem, wogenden Rhythmus. Nur wenige Tonfolgen wiederholten sich mehr als einmal, denn unablässig änderte sich die Melodie in etwas Neues, noch nie gehörtes. Dennoch sang Mecham mühelos dazu passende Begleittöne und Kontrapunkte – als wären sie ein eingeübtes Duo. Das Thema der Musik war unterschiedlich: Mal dachte Kajim an seine bevorstehenden Abenteuer mit Vorfreude oder mit Angst und mal an Firiya, die er mehr vermisste, als er sich bisher eingestehen wollte.
    Als er geendet hatte, fiel Kajim etwas auf: Es war still. Der schwarze Riesenvogel war mittlerweile etwas bequemer im Zelt untergebracht worden und hatte über die letzten Stunden wild gestrampelt und mit lautem Blöken gegen seine Gefangenschaft protestiert. Doch nun drang kein Laut aus dem Zelt. Erschrocken sprang der Lutin auf den gepanzerten Rücken und schlug die Zeltplane zurück. Nicht, dass Nist schon verhungert war! Doch der Vogel lag in sitzender Position festgebunden auf dem Boden des Zeltes und blickte Kajim mit großen Augen und schiefgelegtem Kopf an. Hals und Kopf des Vogels waren frei. Zögernd näherte sich der Lutin dem Wüstenläufer, doch der machte keine Anstalten, Kajim gegenüber aggressiv zu werden. Scheinbar hatte das Flötenspiel den Vogel beruhigt. Ohne, Nist aus den Augen zu lassen, setzte Kajim erneut an und spiele ein paar hohe, sanfte Töne. Nist schien es zu gefallen – er legte den Kopf in den Nacken und blickte direkt zu Kajim.
    Dieser legte die Flöte beiseite und bot dem Vogel vorsichtig ein paar getrocknete Datteln an. Nist musste essen. Geschickt und schnell pickte das schwarze Wesen die Früchte mit seinem Schnabel aus Kajims Hand. Dann blickte es erwartungsvoll zu ihm auf.
    „Du willst, dass ich weiterspiele?“, mutmaßte Kajim. Er setzte an, ein neues Lied zu spielen, doch kaum hatte er die ersten Töne in die Flöte gehaucht, unterbrach ihn Nist wenig höflich mit einem krähenden Geräusch. Der Vogel klang fordernd, doch nicht feindlich.
    „Oh, natürlich!“, grinste Kajim. Nist hatte seit Umläufen nichts gegessen. Er brauchte mehr, als nur ein paar Datteln. Eher ein paar Granatäpfel.
    Als Nist gesättigt war, setzte sich Kajim behutsam zu dem Vogel. Er legte eine Pfote auf den gefiederten Kopf und strich mit einem seiner Finger über den Schädel. Der Wüstenläufer zog daraufhin den Hals ein, bettete so seinen Kopf auf dem eigenen Körper und senkte die Lider halb über seine kugelförmigen Augen. Kajim lächelte. Er mochte den Vogel, der seine Flötenmelodien schätzte.
    Doch nun war es höchste Zeit für das Auge des Sturms. Behände sprang er aus dem Zelt und stellte sich aufrecht auf Mechams Nacken. Zwar war es unwahrscheinlich, dass ein Sandgeist in dieser Region der Wüste auftauchen würde, doch wollte Kajim sich nicht auf ein unnötiges, tödliches Glücksspiel einlassen. Er konzentrierte sich daher auf die ihn umgebende Luft, streckte mit geschlossenen Augen die Nase nach oben, spürte die vielen, zarten Luftströme in seinem Fell, doch roch er nichts Ungewöhnliches. Er nahm auch einen Rest der Mittagshitze im Wind wahr, der nach Osten, ihm sanft ins Gesicht blies. Und dann spürte er sie. Die Energie, die in seinem Innern erwachte und sein Fell bis in jede Haarspitze vibrieren lies. Er senkte den Kopf und öffnete die Augen. Mit gestreckten Armen und nach außen gerichteten Pfoten beschrieb er, sich um die eigene Achse drehend, langsam einen Kreis. In Gedanken bestimmte er dabei die Form der Magie, die aus seinen Fingern strömte. Der Wind zerrte stärker als zuvor an seinem Fell und seiner Kleidung, die Zeltplane flackerte und Nist blökte ängstlich. Als er die Drehung beendet hatte, war jeglicher Wind verschwunden. Die Nacht war nun sicher.
    Kajim gähnte vergnügt und beschloss spontan, ein paar Stunden zu schlafen. Er kroch zurück ins Zelt und legte sich in sicherer Entfernung zu Nist auf einige Felle. Doch es fiel ihm trotz seines Erfolges mit Nist nicht leicht, Schlaf zu finden, denn ständig musste er an Firiya denken.

    Sein unruhiger Schlaf wurde durch lautes Rufen beendet. „Kajim!“ Er kannte diese Stimme … „Ich muss mit Dir reden.“ Sie klang aus einiger Entfernung, doch Kajim konnte sie zweifelsfrei erkennen: Es war Firiya! Träumte er? Oder war sie ihm doch noch gefolgt? Hoffnung keimte in dem Lutin, als er aufstand und die hinteren Vorhänge seines Zeltes zurückschob. Es war noch Nacht. Ein schmaler Sichelmond beleuchtete die Umgebung nur spärlich. Auf einer Sanddüne in etwa hundert Schritt Entfernung kam ihm ein dunkler Schemen entgegengelaufen. Firiya trug ihre Jagdausrüstung – eine luftige, kurze, grüne Robe mit Lederstreifen, an denen ihre Habseligkeiten befestigt waren. Kajim erkannte ihre beiden Bögen an der Hüfte, einen Wasserschlauch, ihren Beutel mit Medizin und einige weitere Beutel am Brustbereich und ihr am Rücken befestigtes Krummmesser in einer Holzscheide. Sie war allein.
    „Firiya!“, entfuhr es Kajim, als er mit einem Satz zu ihr heruntersprang, „Warum bist du mir gefolgt?“ Die Fuchsboldin war nun bei der Sandkröte angekommen und stand an der Spitze des langen Schwanzes. Ihr Körper war für Kajim wenig mehr als nur eine dunkle Silhouette, auch wenn sie sich direkt gegenüberstanden.
    „Ich habe meinen Vater überreden können … Du kannst bei uns bleiben und mit dem Vogel anstellen, was immer Du möchtest“, Firiya wollte ihn umarmen, doch er hielt sie zurück. „Ich weiß nicht, ob ich zurück möchte …“, flüsterte Kajim. Mit großen Augen, in denen sich deutlich der Mond reflektierte, blicke sie Kajim an. Ungläubig.
    „Aber der Vogel …“
    „Es geht mir nicht um Nist“, unterbrach Kajim sie lauter, als er vorhatte. Nach einem Moment des Schweigens räusperte er sich und fuhr wieder ruhiger fort: „Es ist einfach nicht mein Schicksal, ein Jäger in Cherbos Stamm zu sein … Ich will die goldenen Dächer und hohen Türme der Menschenstädte sehen, die riesigen Wälder der Elben, die Magie der Dashor sowie die glitzernden Hallen der Zwerge im Westen – wie mein Vater. Ich will reisen, und das nicht nur durch die Wüste. Aber es geht mir auch darum, zu zeigen, dass wir Lutin durchaus auch unter anderen Völkern leben könnten. Wir waren nie dazu geschaffen, in dem kargen Gebirge und der staubigen Wüste umherzuirren. Auch, wenn Cherbo mir den Vogel zugesteht, müsste ich so viel mehr von meinen Träumen einbüßen, wenn ich bleiben würde. Du kennst deinen Vater. Er verachtet mich, auch wenn er es nicht offen zugibt. Ist es da ein Wunder, dass ich gehe?“ Er wollte noch „mich bindet nichts“ hinzufügen, doch im letzten Moment schluckte er es herunter, als er spürte, dass Firiya ohnehin schon enttäuscht war.
    „Kajim …“, die Lutin seufzte tief, „Du redest von Schicksal, doch geht es nur um deine Wünsche und Träume. ‚Ich will, ich will!‘, sagst du ständig und denkst nicht an deine Familie.“
    „Meine Familie ist tot“, entgegnete Kajim bitter.
    „Aber wir sind deine Familie! Verstehst du das nicht? Wir Lutin lieben einander. Selbst Cherbo liebt dich. Was er hasst, ist nur dein Egoismus. Es geht ihm nicht darum, dich zu quälen. Er will nur das Beste für den Stamm. Dass ich ihn überreden konnte, beweist das. Heute hat er überreagiert, doch nun hat er wieder zur Vernunft gefunden. Er hatte sich eben sehr gefreut, als er den großen Vogel gesehen hat.“
    „Dass ich nicht lache! Cherbo liebt mich?“, Kajim gestikulierte wild. „Dich liebt er, und vielleicht die anderen, aber mich, an den er ein Auge verloren hat, liebt er ganz bestimmt nicht. Weißt du: Das, was du Egoismus nennst, ist ein Teil von mir, ohne den ich nicht ich wäre.“
    Als Firiya diese Worte vernahm, weiteten sich ihre Augen: „Ich weiß, dass es ein Teil von dir ist … Und weißt du, wer diesen Teil von dir liebt? Ich! Ich liebe dich, Kajim. Und das habe ich dir auch schon gesagt und du weißt, dass ich Vater aus Liebe zu dir überredet habe.“ Kajim wollte etwas sagen, doch Firiya redete weiter: „Ich dachte, du liebst mich auch! Warum verlässt du mich dann? Wenn du nicht bleiben möchtest für den Stamm, dann warum nicht für mich?“
    Firiya standen Tränen in den Augen, die direkt in Kajims blickten.
    „Firiya … Ich kann nicht. Es tut mir leid.“ Er wollte sie umarmen, doch sie stieß ihn sacht von sich. Plötzlich wurde Kajim wütend. Er wusste, dass er einen Fehler beging, doch hielt ihn das nicht ab, laut zu werden: „Hör auf, so einen Unsinn zu reden, und als wäre es meine Schuld, dass wir nicht … dass wir nicht zusammen sein können. Du weißt genau, wessen Schuld es ist. Cherbo würde niemals zulassen, dass eine seiner Töchter sich mit jemandem wie mir abgibt. Weißt du, ich habe ein Recht, egoistisch zu sein, denn nie hat der Stamm mich vollständig akzeptiert, mir Gemeinschaft geschenkt. Ich war immer ein Außenseiter, weil Cherbo jeden verspotten ließ, der sich auch nur mit mir abgab. Ich bin es leid, Firiya. Du kannst das natürlich nicht nachvollziehen. Du, die du stets von allen geliebt wirst wie eine Königin und du, die du auch in der Wüste lebst wie eine Königin, hast leicht Reden von den hohen Traditionen und Idealen der Lutin. Du machst mir den Vorwurf, dass ich meine Wünsche und Träume, meine Welt, mehr liebe, als dich, dabei könntest du auch mit mir kommen. Du tust es nicht, weil du selbst deine Welt, die der Wüstenstämme, mehr liebst als mich. Im Grunde ist es auch egal, ob Cherbo mich liebt, denn ich hasse ihn!“
    Als Kajim geendet hatte, blickte er betrübt zu Boden und drehte sich herum, um seine Stirn an Mechams Panzer zu lehnen, Firiya die Seite zuwendend. Die Jägerin schluchzte tief, was ihn wunderte, denn er hatte sie noch nie weinen gesehen, auch nicht unter Schmerzen, doch nun ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Kajim hatte erwartet, dass sie weiterdiskutierte, auf ihn eindrosch oder davonlief, aber nicht, dass sie hemmungslos heulte. Schuldgefühle ergriffen ihn, als seine Geliebte sich in den Sand legte, zusammenkrümmte und ihr Gesicht in ihrem Schwanz verbarg. Schluckend überwand Kajim daher seinen Ärger und legte Firiya vorsichtig eine Pfote auf die Schulter, was diese zuließ. Als er sie umarmte, flüsterte er in ihr Ohr: „Verzeih mir … ich wollte nicht so grausam sein.“ Wie konnte ich nur so schlecht zu ihr sein? Er hatte sie einfach verlassen, während sie ihr Bestes versuchte, sowohl ihm als auch ihrem Stamm loyal zu bleiben. Sie verdiente das hier nicht!
    „Ich wollte Dich nicht einfach verlassen, ich …“, der Lutin stockte, als es ihm bewusstwurde: Er hatte von Anfang an gewollt, dass Firiya ihm ohne Aufforderung folgte. Er hatte nicht mal darum bitten wollen. War er dafür zu stolz? Liebte er sie wirklich, oder wollte er nur, dass sie ihn liebte? Kajim erkannte schamvoll, dass zumindest ein Teil von ihm auf diese Weise empfand. Wieso nur? Das entsprach nicht seinen Idealen …
    Firiya war verstummt und hatte behutsam und versöhnlich ihren rechten Arm um Kajim gelegt, während der Linke allerdings traurig herabhing. Kurz entschlossen ergriff Kajim ihre Hand: „Ich wäre zurückgekehrt, hättest du mich nicht vor Yomin eingeholt.“ Zwar wurde der Lutin sich dieser Tatsache jetzt erst bewusst, doch er zweifelte nicht an seinen eigenen Worten. Die Eitelkeit war verflogen und er war sich seiner Gefühle sicher. Firiya erwiderte den Griff seiner Hand, sagte jedoch, ihren Kopf in Kajims Brustfell vergraben, kein Wort.
    „Ich liebe dich. Ich komme zurück zum Stamm. Um nichts in der Welt will ich dich unglücklich machen. Zwar glaube ich, dass ich dir mehr als Ausgestoßener denn als Jäger in Cherbos Stamm bieten könnte, aber wenn wir nur so zusammen sein können, dann sei es so“, fuhr Kajim daher in überzeugtem Ton fort.
    Nach diesen Worten folgte erneutes Schluchzen Firiyas und sie umschlang Kajim mit beiden Armen: „Es tut mir so leid, aber … ich habe gelogen. Cherbo hat nie seine Meinung geändert – ich bin dir gegen seinen Willen gefolgt, damit wir zusammen reisen können. Und genau das werden wir tun.“
    Kajim verharrte und wusste nicht, ob er überglücklich sein sollte oder erschüttert, dass Firiya ihn belogen hatte. Warum hatte sie das getan? Doch dann verstand er: Vermutlich hatte sie sich im Stich gelassen gefühlt, als er ohne ein Wort des Abschieds gegangen war und war deshalb verunsichert gewesen. Sie hatte deshalb sehen wollen, wie er reagieren würde, hatte wissen wollen, ob er seine Wünsche noch für sie aufgeben würde … Sie hatten beide dasselbe Motiv gehabt! Ein Lächeln stahl sich auf Kajims Gesicht: Er hatte Verständnis für ihr falsches Verhalten und war glücklich darüber, Firiya ein wenig besser kennengelernt zu haben. Innig umarmte er sie. Mit solchen unreifen Spielen würden sie ihre Liebe ab jetzt nicht mehr gefährden.
    Und plötzlich bemerkte er, wie warm seine Geliebte war. Der betörende Geruch ihres Felles war überdeutlich. Ihr Brustkorb senkte und hob sich schnell, als sie scharf einatmete und dabei ein kaum hörbarer Seufzer entwich. Kaum merklich rieb sie ihren Kopf an seine Brust, mit ihrer Rechten strich sie behutsam über seinen Rücken und mit ihrer Linken …

    Als sie sich geliebt hatten, stand die Sonne schon hoch über ihren Köpfen. Erschöpft rollte Kajim von Firiya herunter und ließ sich in die weichen Sandkatzenfelle seines Zeltbodens fallen. Nist hatte er an ein Hinterbein Mechams festgebunden, beide Tiere waren während der ganzen Zeit eher unbeteiligt und gelangweilt gewesen. Zwar waren sie immer noch misstrauisch aufeinander, allerdings hatte die Sandkröte immerhin begriffen, dass Nist nicht bloß als Mittagessen gedacht war.
    „Puh“, entfuhr es Firiya, „Das war ...“
    „Fantastisch, atemberaubend, erfüllend?“, wollte Kajim den Satz beenden.
    „... lange überfällig, wollte ich sagen, aber das trifft es auch“, grinste Firiya und sie hatte Recht. Bisher hatten sie nämlich nur selten Gelegenheit gehabt, ihre Leidenschaft auszuleben. Doch nun konnten sie sich ganz der Liebe und dem Abenteuer widmen.

    @Katharina

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    Danke für das Feedback. ^^ Es freut mich, dass der Part mit Kajim so gefällt. Das demotiviert mich fast schon ein wenig für den Hauptstrang der Geschichte. xD

    Und dann kommt das hier und ich frage mich: ist das der gleiche Autor?

    Ja... Ich habe die unterschiedlichen Teile bloß zu komplett anderen Zeiten geschrieben. Kajims Geschichte stand in großen Teilen schon, als ich angefangen habe, Taoreths niederzuschreiben. Zwischenzeitlich war bei mir eine Art Methodenwechsel eingetreten: Ich hatte mit Absicht versucht, lange, beschreibende Stellen auszulassen, um die Geschichte in den Vordergrund zu stellen. Ist wohl nicht so gut angekommen. :pardon: Aber wie heißt es so schön: Es gibt keine gescheiterten Experimente, ich bin also froh über diese Erkenntnis. ^^

    Vielleicht liegt es auch ein wenig daran, dass ich die älteren Teile der Geschichte mehrfach überarbeitet habe. Ich denke, so wird es mir langfristig auch mit Taoreths Geschichte ergehen ^^". Ich werde versuchen, für die Zukunft ein besseres Verhältnis zwischen Beschreibung und Handlung suchen - schon beim 1. Schreiben! Bin gespannt, ob mir das gelingen wird. :D

    was ich in seiner Komik etwas erzwungen fand

    da hast du Recht. ^^

    Nach einigen stilistischen Edits in den vorherigen Kapiteln geht es nun weiter. Nach meiner Überarbeitung des nun folgenden Teils habe ich beschlossen, aus ursprünglich einem Kapitel zwei zu machen. Wie immer freue ich mich über jegliche Anregung und Kritik. Viel Spaß! :D

    7 - Der Held der Lutin

    Die große Wüste, den 293., 1292 Neues Zeitalter
    „Ah, du hast Beute gebracht! Endlich bist du von Nutzen“, der Stammesvater der Fuchsbolde verzog sein faltiges, graues Gesicht zu einem abfälligen Grinsen. Kajim lächelte gezwungen zurück. Er ärgerte sich, ausgerechnet Cherbo, den „Vater“ seines Stammes, als Erstes anzutreffen. Der Alte stand vor seiner Riesenechse, einem Giganten selbst unter seinesgleichen.
    Die sogenannten Sandkröten, auf denen die Lutin reisten, ließen sich als große Echsen mit flachem Hornrücken und zackenbewehrten, langen Schwänzen beschreiben. „Kröten“ nannte man sie aufgrund ihres ledrigen Hänge-Halses, der sich beim Atmen und Schlucken aufblähte. Ausgewachsene Tiere bewegten sich auf vier kurzen, doch kräftigen Stummelbeinen erstaunlich schnell durch den Wüstensand und beherbergten auf ihrem Rücken entweder ihre eigene Brut oder aber die Zeltwohnungen der Lutin, während Neugeborene kaum größer als gewöhnliche Eidechsen waren. Sandkröten fraßen alles, bisweilen sogar ihre eigenen Artgenossen. Dies geschah entweder nach einem tödlichen Rivalenkampf oder wenn der Hunger groß genug war und kleinere Repräsentanten der Spezies vom Rücken ihrer Mutter gefallen waren.
    Die Lutin hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, ausgewachsene Tiere in der Wildnis einzufangen und als Transportmittel zu nutzen, denn dies war wesentlich leichter, als eine Sandkrötenherde zu halten. Kajim schauderte bei dem Gedanken an die Schreie und das Chaos, als sein Stamm dies einst versucht hatte. Sandkröten waren – wenn sie Glück hatten – äußerst langlebig und kampfkräftig. Mit dem Alter wurden sie bloß umso größer, und es gab Gerüchte, dass im äußersten Westen der Wüste ein ganzer Lutinstamm auf einer einzelnen, uralten Wüstenkröte lebte. Bei der allzyklischen Versammlung war dieser Stamm jedoch noch nicht aufgetaucht.
    Auf dem Rücken von Cherbos Tier thronte ein geräumiges Zelt, mit Nägeln befestigt, die in den Hornrücken des alten Tieres eingeschlagen waren. Auch das übrige Dutzend Sandkröten des Stammes lagerte an der Wasserstelle, die eher die Bezeichnung Wasserloch verdiente, und ruhte sich im Sonnenschatten der Palmen aus. Von hier aus war am westlichen Horizont noch gerade der abgeflachte Gipfel des einsamen Berges auszumachen, an dessen Fuß Yomin, die „Verbanntenstadt“ lag. Am liebsten hätte Kajim sich umgedreht, um sich mit seiner Beute allein dorthin aufzumachen. Dem Alten hätte er vorher noch gehörig die Meinung gesagt. Doch um dessen Tochter Firiya willen machte er gute Miene.
    „Der Stamm wird eine Woche lang Fleisch essen! Hört ihr, meine Töchter, es gibt wieder Fleisch!“, jubelte Cherbo, und hinter ihm traten auf dem Rücken seiner Sandkröte besagte Töchter hinter der Zeltplane hervor.
    Cherbos Zweit- und Letztgeborene war die schönste Füchsin, die Kajim je gesehen hatte. Ihr Fell betörte durch ein seltenes Muster aus hellstem Rot, Schwarz und Weiß. Ihre dunklen Augen waren groß, klug und verträumt. Sie war dazu eine ausgezeichnete Jägerin, vielleicht nach Kajim die zweitbeste. In seiner Heldengeschichte war sie die holde Jungfrau, die es zu umwerben und durch Heldentaten zu erobern galt. Dies entsprach zwar nicht ganz der Realität, denn sie hatte ihm ihre Liebe schon gestanden und war gewisse keine Jungfrau mehr, doch würde Kajim sich etwas künstlerische Freiheit gestatten, sobald er anfing, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben.
    Nur leider war sie für ihn unerreichbar, abgesehen von seltenen, wertvollen Liebesnächten, die sie auf gemeinsamer Jagd heimlich miteinander verbrachten. Cherbo hütete nämlich seine beiden Töchter noch besser als seine Augäpfel, denn der Stammesvater hatte ein Auge verloren. Seit dem Angriff eines Riesenvogels war Cherbo nicht mehr der Alte. Oder vielmehr nicht mehr der Junge, denn jetzt nannte man ihn nur noch den „Alten“. Mit nur einem Auge war es ihm nicht mehr gelungen, an der Jagd teilzunehmen, und so blieb er den ganzen Umlauf, jeden Umlauf, bei der Karawane in seinem Zelt und behielt seine Töchter im Auge. Eine musste daher stets zugegen sein, wenn möglich beide, weshalb sie nur einzeln auf Jagd gehen konnten.
    Während die schüchterne Erstgeborene Minya wie gewohnt zu Boden schaute, lächelte Firiya ihn an. Kajim stockte der Atem, und einen Moment lang war er versucht, das Spiel mitzumachen, um in Cherbos und Firiyas Ansehen zu steigen.
    Doch er wusste, dass der Alte ihm niemals wirklich wohlgesonnen sein würde. Mit Grauen dachte er an seine Reifeprüfung, zu der auch das Erjagen eines Riesenvogels gehörte. Er hatte den Vogel erlegt, doch als Cherbo herangekommen war, um diesen zu begutachten, hatte der Wüstenläufer noch gelebt. Mit letzter Kraft hatte er Cherbo das rechte Auge ausgepickt. Der Stammesvater hatte Kajim seitdem nicht verziehen, was auch spürbar war. Auch der heutige Erfolg des jungen Lutin würde das nicht ändern.
    „Der Vogel“, Kajim holte tief Luft, „wird nicht gegessen!“ Einen Moment lang schien Cherbo wie von einem Sandgeist gelähmt. Firiya hob neugierig ihre Augenbrauen, während Mirya, den Konflikt ahnend, unruhig hin- und her tapste, bevor sie sich unauffällig und ohne ein Wort wieder ins Zelt zurückzog.
    „Was?“, platzte es dann aus Cherbo heraus. Der hellgraue Fuchsbold gestikulierte wild mit den Armen. „Bist du besessen vom Geist der Dummheit? Natürlich wird er gegessen. Wir hatten seit Ewigkeiten kein Fleisch mehr!“
    Doch Kajim schüttelte entschieden den Kopf: „Ich habe ihn erjagt, er gehört mir und wird nicht gegessen.“
    „Was hast du denn mit dem Vogel vor? Die sind doch nutzlos und sterben innerhalb weniger Umläufe, wenn sie von der Herde getrennt werden“, entgegnete Cherbo gereizt. Er hatte vor Unverständnis die Hände auf dem Kopf zusammengeschlagen.
    „Sie … sterben an Einsamkeit.“
    „Und der hier hat dich, Kajim?“, der Stammesvater lachte gehässig.
    „Er wird uns helfen, in der Wüste Wasserquellen aufzuspüren und mein Reittier werden“, verkündete Kajim mit erhobenem Kopf, drehte sich um und zog den Wüstenschlitten, auf dem noch immer der schwarze Prachtvogel festgebunden war, hinter sich her, in Richtung seiner eigenen Sandkröte: Mecham. Und außerdem könnte man mit ihm bestimmt von einem hohen Turm oder einer Klippe aus durch die Lüfte gleiten, fügte Kajim verträumt in Gedanken hinzu.
    „Kajim“, die Stimme des Stammesvaters war ruhig und in drohendem Grollen. Kajim drehte sich wortlos um, zur Hälfte. „Kajim, du bist doch ein Jäger unseres Stammes“, diese Einleitung sollte wohl versöhnlich klingen, doch der ärgerliche Unterton war kaum verhohlen, „daher gehört die Beute, die du machst, dem Stamm. Ich, als Stammesvater, bestimme, was mit der Beute geschieht.“ Kajim hatte das Ultimatum zur Kenntnis genommen. Entweder, er gab den Vogel auf, oder er wäre fortan kein Jäger des Stammes mehr – ein Ausgestoßener, weil er auf dem Recht an seiner Beute beharrte.
    Dabei bestand das gesamte Volk der Lutin im Grunde aus Ausgestoßenen. Sie hatten nicht immer in der Wüste gelebt, so hatte Kajims leiblicher Vater ihm früher einmal erzählt, sondern hatten einst große Grasländer im Osten der großen Wüste besiedelt, sowohl nördlich als auch südlich des Weltgebirges. Nun lebten dort Menschen des Suhel-Imperiums und Orks aus Orekahn, die Lutin jedoch waren in die große Wüste verdrängt worden, wo sie seit unzähligen Generationen zwischen dem Weltgebirge im Norden und dem Königreich Eribien, das für die Lutin im Süden war, ihr Dasein fristeten.
    Unter den Menschen der Wüste in ihren Oasen waren die Fuchsbolde dagegen bloß bekannt als äußerst selten anzutreffende Händler, Jäger, Gaukler oder Söldner für Aufgaben, die es erforderten, klein und unauffällig zu agieren. Die meisten Völker außerhalb der Wüste allerdings dürften nicht einmal wissen, dass es Lutin überhaupt gab.
    Von den Ausgestoßenen ausgestoßen. Kajim lächelte. Ihm schien dieses Schicksal zu seiner Person und Heldengeschichte zu passen. Natürlich wurde er nicht wegen eines einzelnen Vogels ausgestoßen, sondern Kajim war schon immer aufsässig gewesen und ging eigene Wege, während Cherbo stets versuchte, streng die Traditionen und Regeln der Lutin durchzusetzen. Kajim hielt allerdings nicht viel von der starren Hierarchie der Lutin und ihrer Sozialordnung, in der der Einzelne sich stets unterordnen musste, wenn es um die Gruppe ging. Der aufsässige Lutin glaubte zudem, dass es auch in anderer Hinsicht bessere Wege für sein Volk gab. Wege, wieder in grünenden, fruchtbaren Ländern zu leben, notfalls auch zusammen mit den Menschen. In Yomin könnte es anfangen.
    Natürlich gab es ein paar Einzelgänger, die dies versuchten, doch die Traditionen der Lutin sahen vor, keinen Kontakt zu anderen Völkern zu knüpfen. Die Lutin-Stämme handelten dementsprechend nur das Nötigste mit den anderen Völkern Vyrs: hauptsächlich Kräuter, die die Fuchsbolde für ihre Medizin brauchten, die es allerdings nicht in der Wüste oder dem Weltgebirge zu finden gab, magische Artefakte für die Weisen der Lutin und andere Kleinigkeiten wie Bronzespiegel für die Töchter des Stammesvaters. Das jedoch, was die Lutin wirklich zum Leben benötigten – Wasser, Obst, Gemüse, Felle und Unterkunft – ließ sich in der Wüste oder dem Gebirgsland im Norden finden.
    Kein Wunder, dachte Kajim, wir haben unseren Lebensbedarf an die Wüste angepasst. Dabei hatte der Rest der Welt sie längst überholt. Die Menschen des Suhel-Imperiums etwa lebten angeblich in Städten, in denen die Dächer golden leuchteten und Türme so hoch ragten, dass es hieß, an manchen Umläufen könnte man von ihrer Spitze auf die Wolken herabblicken. Kajim wollte von so einem Turm auf die Wolken herabsehen. Er wollte jedoch nicht ein Leben im Wüstensand führen, wo der größte Luxus aus einer Woche lang Fleisch bestand.
    Kajims leiblicher Vater hatte ihn früher in seinen Träumen bestärkt, doch Cherbo, der Stammesvater, hatte ihn ständig einen Spinner und Narren genannt. Damals hatte Cherbo es auf freundliche und weniger ernste Art getan, ohne Kajim verletzen zu wollen. Doch seit Kajims schicksalhafter Reifeprüfung verhöhnte Cherbo ihn mit einer spürbaren Gehässigkeit. Als Kajims leiblicher Vater zur Jagd aufgebrochen war und nicht mehr wiedergekehrt war, verlor der Stammesvater schließlich vollends die Zurückhaltung und machte Kajim immer mehr zum Gespött. Angeblich, um den Stamm vor solchen gefährlichen Ideen zu schützen. Sie müssten sich auf das besinnen, was sie in der Wüste hatten und ihre Traditionen achten, um zu überleben. Doch in welcher Heldengeschichte haben sich die Helden je dadurch hervorgetan, dass sie mit ihrem gegebenen Leben zufrieden waren und sich auf das Traditionelle besannen?
    So war Kajim in seinem Stamm, der mittlerweile nur noch aus dreiunddreißig Mitgliedern bestand, fast als Fremder aufgewachsen. Der junge Lutin geriet stets mit Cherbo aneinander, der seinerseits dafür sorgte, dass kaum jemand sich mit Kajim im Gespräch blicken lassen wollte. Natürlich jagten, aßen und schliefen die Lutin meist nicht allein, doch immer, wenn das Mahl vorbei war und die Lutin nachts im kühlen Sand lagen, in die Sterne blickten und miteinander flüsterten und leise sangen, war Kajim unerwünscht. Mittlerweile hatte man ihm eine eigene Sandkröte überlassen – Mecham, „Die Sängerin“. Als Anerkennung seiner Jagdfertigkeiten angeblich, doch Kajim hatte verstanden, dass niemand sich mit ihm ein Zuhause teilen wollte.
    Der heutige Vorfall war nur ein Tropfen in den peitschenden Fluten, die zwischen Cherbo und Kajim wogten. Beiden war dies klar. Dennoch hatte der Stammesvater die Drohung ausgesprochen, Kajim aus dem Stamm auszuschließen. Letzterer wusste, dass es unverhältnismäßig war, wegen eines einzelnen Vogels den Stamm zu verlassen. Er könnte einfach nachgeben. Dabei war es nicht Kajims Mitleid mit dem Tier, welches ihn davon abhielt, sondern sein Ehrgeiz und Stolz. Wenn er Cherbo den Vogel überlassen würde, hätte er verloren. Kajim wollte sich aber nicht demütigen lassen. Der Held, der er in seiner Geschichte war, würde nicht klein beigeben.
    Er hatte nur wenige Freunde bei seinem Stamm und er war der letzte aus seiner eigenen Familie, der noch lebte oder nicht verschollen war. Viel band ihn also nicht. Er schaute herüber zu Firiya, und sein Herz fühlte sich wie ein klaffendes Loch in seiner Brust an, als er die Trauer in ihren tiefschwarzen Augen erkannte – Firiya verabschiedete sich. Sie würde Kajim nicht begleiten, auch, wenn sie sich bereits ihre Liebe eingestanden hatten. Cherbos zweite Tochter war die einzige, die stets freundlich zu Kajim gewesen war und sich seine Pläne und Träume angehört hatte. Firiya nannte ihn oft scherzhaft einen heldenhaften Verrückten und schönredenden Dichter. Er liebte die Art, wie sie ihn dabei sanft anlächelte und ihre spitzen Reißzähne zeigte. Sie meinte ihre Späße nie böse, sondern in einer Art, die ihre offensichtliche Faszination absichtlich mangelhaft verbergen wollte. Zumindest hoffte Kajim, dass es so zu verstehen war.
    Naja, das war nicht mehr wichtig - er würde ihre gemeinsamen Jagden und Nächte vermissen, doch letztlich würde er über sie hinwegkommen, dachte er. Oder er würde eines Tages als berühmter Lutin-Befreier zurückkehren, sodass Cherbo gar keine Wahl hatte, als Firiya mit ihm ziehen zu lassen, so dachte zumindest der romantische Held in ihm. Nein, korrigierte er wehmütig seinen vorherigen Gedanken, er würde nie über sie hinwegkommen. Doch heute blieb ihm keine Wahl.
    Der Jäger drehte sich wortlos weg und band mit dafür vorgesehenen Lederschlaufen den Wüstenschlitten auf dem harten Rücken Mechams fest, mitsamt dem Vogel, der dabei aufgeregt blökte. Die riesenhafte Sandkröte machte ihn offenbar nervös, doch Mecham ignorierte ihrerseits den Vogel und kaute genüsslich an ein paar Farnen. Nist hatte Kajim den Vogel getauft, „Den Edlen“. Nist aß noch immer nichts, was ihm angeboten wurde, und war immer noch aggressiv.
    Mit einem kräftigen Sprung schwang der Lutin sich dort, wo der lange, raue Hals der Sandkröte nahtlos in dicken Panzer überging, auf Mecham und nahm die Hanfzügel in die Pfoten. Mecham reckte ihren Hals zur Wüstensonne und machte ein hohes, gleichmäßiges und anhaltendes Geräusch, als sie sich stampfend in Bewegung setzte. Der langgezogene Ton stieg langsam in der Tonleiter, sank wieder, um dann plötzlich eine ganze Oktave nach oben zu springen und auszuklingen. Es klang traurig, doch Kajim wusste, dass Mecham voller Tatendrang war. Die Sängerin rief zum Abschied und neuem Abenteuer.

    @Kleiner Liki

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    Hey, danke für das Feedback. ^^ Im Einzelnen:

    Ochsenschweiß: Ist ja nicht der Hauptbestandteil des Geruchs. Du musst dir das etwa so vorstellen, wie Chilli als Würze: Niemand isst gerne Chilli pur, aber in der richtigen Dosis ist es gern gesehen. Und selbst dann ist es Geschmackssache. Es wird ja aus der Sicht Taoreths geschrieben, er findet den Geruch angenehm. Es ist also in Ordnung, wenn nicht alle diese Einschätzung teilen. xD

    "den vielen Nischen"

    Gutes Auge. Danke! ;)

    aber müsste es nicht klein sein ?

    Entweder das, oder das Komma wird schlicht zu einem Punkt gemacht. Dann geht's auch. Danke ^^

    Ein "mit" würde ich hier ergänzen.

    Würde ich auch, wenn ich denn auch die Wörter tippen würde, die ich schreiben will. 8| Nochmal danke, bin echt froh, wenn andere Fehler entdecken, die ich offenbar nach mehrmaligem Korrekturlesen noch übersehe. ^^"

    LG

    @aval.b.bado

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    Hey. :)

    Danke für das konstruktive Feedback, es hat mir einiges klar gemacht. :)

    Im ersten Kapitel erwähnst du den "Teufel". Deine Welt hat doch aber ein eigenes Pantheon? Entspricht der Teufel diesem Gott Zarkas? Wenn ja, könnte man das vielleicht noch deutlich machen.

    Um genau zu sein erwähnt Taoreth den "Teufel". :) Wenn das Verwirrung angesichts des alternativen Prologs auslöst, ist das nicht unbedingt erklärungsbedürftig, wie ich finde.

    Über jeden Teil noch ein zweites Mal rüberzulesen, bevor du ihn postest, würde das sicher enorm verbessern.

    Hey, hab ich getan, es werden in Zukunft mindestens drei Mal ^^".

    Warum kichern die Soldaten, nachdem sie ihn davonjagen? Selbst wenn sie "hämisch lachen" würden, weil sie einfach grundschlecht sind, ist da "Kichern" vielleicht nicht das passende Wort.

    Ich finde, es ist ein sehr passendes Wort: Unter Kichern verstehe ich ein unterdrücktes, hohes Lachen.

    Es sind Menschen, und als Menschen will ich die Templer beschreiben, nicht als grundschlechte, geübt in tiefer Stimme lachende Antagonisten. Ihr Lachen an dieser Stelle ist eben etwas kindischer. :)

    Da es ja deine Welt ist, kann es durchaus gehen, aber ich vielleicht erklärst du es dennoch einmal an anderer Stelle, da man sonst leicht skeptisch wird. Ebenso -> woher kennt Gwerion den Magier?

    Hmm, alles zu seiner Zeit. Vielleicht denke ich nochmal darüber nach, diesen Zeitpunkt etwas nach vorne zu verschieben. Andererseits gibt es immerhin zahllose Möglichkeiten, wie Gwerion den Magier kennengelernt haben könnte und noch zahlreichere, wie Taoreth und Gwerion sich kennengelernt haben könnten, wobei freilich der Standesunterschied auch in Himmelstein ein Problem gewesen sein könnte.

    Und wie hat man nachts ohne Feuer Licht im Mittelalter?

    "kein Feuer" war insoweit missverständlich, es sollte nicht das Vorhandensein einer anderen Lichtquelle implizieren. :)

    Der Zauberer scheint doch sehr gefährlich allmächtig zu sein und scheinbar fällt Zauberei in dieser Welt auch nicht zwingend mit Weisheit zusammen

    Spoiler: Allmächtig ist er bei weitem nicht. Und dass Zauberei und Weisheit nicht zusammenfallen, ist hoffentlich kein Kritikpunkt? ;)

    Stehen die da im Übrigen den ganzen Tag rum und warten, bis ein Magier sich da hin teleportiert?

    Das ist wieder eine Sache, die ich nicht wirklich für inkonsistent halte. Die Frage ist, ob sie erklärungsbedürftig ist. Ich finde, nicht, und lasse lieber den Leser eigene Schlüsse ziehen. Bei der Welt habe ich mir immerhin schon Gedanken gemacht - sinnvolle gar, möchte ich meinen. Eine Idee: Vielleicht haben die Templer Schichten. Durch diese ganze "Eine Falle mit hohem Personalaufwand für einen, bestimmten Magier"-Sache sollte eigentlich die Seltenheit magisch Affiner bzw. Einzigartigkeit Telzions demonstriert werden, aber stattdessen sehen alle sowohl ein Problem in der Übermacht Telzions als auch in dem hohen Aufwand, den die Templer offenbar betreiben, ihn zu besiegen.

    Mein Punkt ist: Wenn man schon findet, er sei viel zu mächtig, sollte man dann nicht wenigstens anerkennen, dass es Sinn macht, wenn hoher Aufwand nicht gescheut wird, ihn zu besiegen?

    Obwohl es so dunkel ist erkennt Taoreth recht viel in dem Raum, sogar dass dort Blut in den Schalen ist (und nicht nur eine dunkle Flüssigkeit - ohne Licht ist Wasser auch schwarz), das leuchtet mir nicht ganz ein.

    Eigentlich gut, dass das auffällt. Taoreth kann vielleicht nicht ohne Grund überraschend gut in dem Raum sehen. Muss man alles erklären: "Er hatte besonders scharfe Augen weil ..."?

    "lidlose Fässer"

    Fässer ohne Deckel. Ich bin davon ausgegangen, dass "Lid" auch allgemeiner angewendet werden kann, wie im Englischen. Ich überarbeite das beizeiten.

    Auch frag ich mich hier, wieso Taoreth und Gwerion danach gleich als Gesuchte gelten und fliehen müssen?

    Dass Taoreth zum Zeitpunkt als gesucht gilt, wüsste ich. ^^" Telzion und Gwerion gelten als gesucht, oder welche Stelle meinst du? Bezüglich des Magiers sollte der Grund klar sein und Gwerion ist bekanntlich Besitzer einer gewissen Bibliothek, wegen der, wie explizit erwähnt wird, die Templer nicht sonderlich erfreut wären. Warum Taoreth dagegen nicht in die Stadt gehen sollte, wird ebenfalls explizit erklärt.

    Warum verpulvert Telzion so übermäßig viel Energie für eine Sache, die ihn gar nicht persönlich tangiert, so dass er dann schon nicht mehr Teleportieren kann? Nur weil er die Kirche nicht mag? Der Mann ist wohl ein bisschen zu hitzig bei der Sache.

    Dieselbe Frage habe ich Katharina schon beantwortet. Kurz: Auch hier respektiere ich die eigenen Schlussfolgerungen des Lesers, was nicht heißt, dass die Frage nicht befriedigend beantwortet werden soll.

    Wieso treiben Templer die Steuern ein und nicht die gewöhnliche Stadtwache?

    Ich schätze, du ahnst bereits, was ich hierzu zu sagen habe: Auch diese Frage halte ich für (noch) nicht klärungsbedürftig. ;)

    Und wieso spricht Taoreth Telzion nicht gleich auf die Mondaffinität an, während alle noch wach sind, sondern wartet bis zum nächsten Tag? Hier helfen vielleicht ein, zwei zusätzliche Sätze, wie bspw, dass er zu müde war oder ähnliches.

    Der dafür in Betracht kommende Zeitraum wäre der Weg von den Stadtmauern zum Hof Elchbrunn. Davor passiert einfach viel zu viel. Aber hier gebe ich dir Recht: Ein paar zusätzliche Worte würden nicht schaden. Mal schauen, ob und wann ich das einbaue.

    Tipp- und Schreibfehler

    Solche gerne immer aufzeigen, falls es nicht zu große Mühe macht. ^^ Nichts ist mir selbst ärgerlicher, sind es denn wirklich so viele?

    @Katharina

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    Freut mich erstmal, dass Kajims Geschichte gut ankommt. Das Ironische ist, dass ich dieses spezifisches Kapitel gerade zum Beginn meiner Geschichtenschreibung geschrieben habe. Offenbar sollte ich doch wieder zu meinen alten Gewohnheiten zurückkehren. xD

    Wahrscheinlich streckte er nur den Schnabel ins Wasser, nicht den Hals...

    Oh, ups. Ja, wahrscheinlich. ;)

    Das fand ich ein bisschen aus dem Stil ausgebrochen.

    Da gebe ich dir Recht. ^^

    Die Erklärung klingt irgendwie zu technisch, finde ich.

    Also... Diese spezifische Story soll gerade kein "weiches" Magiesystem haben, z.B. wie in "Der Herr der Ringe", wo Gandalfs Fähigkeiten z.B. kaum eingeschätzt werden können, noch weniger die von den anderen Maiar wie z.B. Sauron oder Saruman. (Im Film werden sie freilich schön veranschaulicht ;) ) Technik und Magie sind also in Vyr kein Widerspruch, was, wie mir natürlich bewusst ist, etwas von dem Geheimnisvollen wegnimmt. Vorteile gibt es aber auch, wie ich finde, nämlich größere Glaubwürdigkeit und präzisere Lesererwartungen. ^^ (jaja, von Glaubwürdigkeit spricht der Richtige.)

    Weiter geht's! Ich hoffe, ihr werde mit den nächsten Kapitel nicht zu sehr aus der Bahn geworfen. VIel Spaß! :)

    Zu Kapitel 5

    6 - Große Jagd

    Die große Wüste, den 292., 1292 Neues Zeitalter

    Kajim lag – aufs Äußerste gespannt – auf dem Bauch, denn heute hatte er eine große Heldentat vor. Er war fast vollständig mit Sand bedeckt und sein helles Fell eignete sich ebenfalls hervorragend als Tarnung. Der mit seinen dreiundzwanzig Zyklen noch junge Lutin hielt seine raubtierhaften Augen halb geschlossen und bewegte seine Pupillen nicht. Der Späher-Vogel könnte es bemerken.
    Aufmerksam beobachtete er, wie der Glücksvogel sich der Wasserstelle näherte. Glücksvögel oder Wüstenläufer, wegen ihrer Größe auch Riesenvögel genannt, waren vorsichtige Tiere und nur selten aggressiv. In Herden reisten sie durch die Wüste. Zwar konnten sie nicht fliegen, jedoch überaus hoch springen und durch die Lüfte segeln. Mit ihren schweren, leicht gekrümmten Stummelschnäbeln und fingerlangen Krallen konnten sie durchaus gefährlich werden für Kajims Volk: die Lutin, die von anderen Spezies auch Zwerglinge oder Fuchsbolde genannt wurden. Er selbst war ein Jäger: Er hielt sich sogar für einen der geschicktesten seines Volkes.
    Das Vogelexemplar drehte seinen Kopf in alle Richtungen, witterte anscheinend noch keine Gefahr, wollte aber auch noch keine Entwarnung geben. Mit einem Mal wand sich der Kopf des Wesens, dessen langer Hals von einem fast kreisrunden Körper abging, in Kajims Richtung. Über diesen Vogel würden keine Lieder geschrieben werden, befand der junge Lutin: Das Exemplar war zu klein, zu alt, zu blass – keiner Heldensaga würdig. Er würde auf die Herde warten müssen. Als der Wüstenläufer sich mit wippendem Kopf dem Strauch näherte, unter dem sich der Jäger eingegraben hatte, musste Kajim ein Fluchen unterdrücken.
    Er schaffte es, ruhig zu atmen und nicht zu blinzeln. Nur mit größter Beherrschung gelang es ihm, ein Zucken der Schwanzspitze zu unterlassen. Mittlerweile waren die handtellergroßen, weiß-gelblichen Federn des Riesenvogels einzeln erkennbar, die den ganzen Körper nur mit Ausnahme des Schnabels bedeckten. Fast schon glaubte Kajim, in den dunklen, erfahrenen Augen des Vogels so etwas wie Misstrauen zu erblicken, als dieser den Kopf schräg legte und sein Versteck anstarrte.
    Schade, dann war das große Vorhaben gescheitert, doch wenigstens könnte er diesen minderen Riesenvogel erlegen. Doch da drehte sich der Wüstenläufer um, breitete seine kurzen Flügel aus und lief flatternd auf die Sanddüne nördlich der Wasserstelle zu.
    Ein breites Grinsen erschien auf dem fuchsartigen Gesicht, als der Lutin das Lasso vorbereitete: Der Vogel würde der Herde Entwarnung geben und er, Kajim, würde als der größte Held der Lutin Unsterblichkeit erlangen.
    Nicht lange, nachdem der Riesenvogel hinter der Düne verschwunden war, wirbelte in der Entfernung Sand auf, und eine Herde von etwa drei Dutzend Glücksvögeln kam die Hügelkuppe herabgestürmt. Wie eine gelbe Flutwelle sprinteten und segelten die Vögel die Düne herab, bis sie sich gemächlich bei der Oase niederließen, hier etwas Grünes zu picken fanden, dort endlich Wasser schöpften. Die Kleinsten von ihnen waren etwa so groß wie Kajim, während die Größten ihn um mehrere Köpfe überragten. Des Jägers besonderes Interesse galt einem Vogel, der fast doppelt so groß war, wie er selbst. Sein Fell war schwarz, was sehr selten war, weshalb man schwarze Riesenvögel auch Pechvögel nannte.
    Kajim indes fand Schönheit in der schwarzen Eleganz des Vogels, der offenbar das Leittier der Herde war. Würdevoll schritt der Wüstenläufer als erster an die Wasserstelle heran und streckte seinen langen Hals, um mit dem Schnabel ins kühle Nass zu tasten. Er schien die Oberfläche des Wassers bloß anzukratzen und drang nicht tief ein. Die Begegnung mit ihm war geradezu schicksalhaft, der Fuchsbold würde lange nach passenden Worten suchen, um seine Gefühle für zukünftige Lutingenerationen festzuhalten. Doch zunächst musste er schnell handeln, noch bevor der noch zu werdende tapfere Begleiter seiner Heldengeschichte ausgetrunken hatte.
    Ohne einen weiteren Gedanken an Zukunftsträume zu verschwenden, warf Kajim noch im Liegen sein Lasso. Sofort zuckte der Kopf des schwarzen Riesenvogels nach oben – direkt in die Schlinge. Der Jäger war blitzschnell aufgestanden und zog die Schlinge zu, während er sich selbst Schritt für Schritt seiner „Beute“ näherte. Panik brach unter einzelnen Vögeln aus, die kreischend in alle Richtungen davonstoben und -sprangen.
    Der Aufruhr verbreitete sich, bis schließlich die ganze Herde betroffen war. Die Vögel versuchten, in alle Richtungen zu fliehen und erzeugten dabei ein lautes, gefiedertes Chaos, das an Lärm und Unordnung keinem Schlachtfeld nachstand. Der schwarze Leitvogel gab einen krächzenden Befehl von sich. Er gab damit die Fluchtrichtung an. So würde er sichergehen, dass seine Herde zusammenblieb, selbst jedoch nicht entkommen. Er wollte sich für seine Artgenossen opfern – freilich nicht ohne Kampf.
    Der schwarze Vogel warf sich, wie wildgeworden, herum und zerrte an dem Lasso, versuchte, das Seil erst mit seinen Krallen, dann mit seinem Schnabel zu durchtrennen, doch Kajim verhinderte dies durch geschicktes Ziehen in den richtigen Momenten. Der Jäger wollte das Tier jedoch nicht töten, weshalb er nicht zu stark an der Schlinge zog. Schon jetzt röchelte und krächzte der Vogel bedenklich.
    Als Kajim bei dem schwarzen Wüstenläufer angekommen war, wich er nur knapp einem senkrechten Schnabelangriff aus, und nutzte die Gelegenheit stattdessen, sich durch Packen des Halses auf das Tier hinauf zu schwingen. Mit der Linken warf er ein zweites Seil um den Schnabel des Vogels, welches er sogleich festzurrte. Panisch vollführte der Vogel wilde Tänze im Sand, um Kajim abzuwerfen, doch dieser klammerte sich fest an den langen Hals des Tieres. Schließlich warf sich der Vogel in seiner Verzweiflung auf den Rücken, um Kajim unter seinem Gewicht zu begraben.
    Doch dieser hatte mit einem solchen Verhalten gerechnet, weshalb er zielsicher absprang. Noch während er landete, warf Kajim eine dritte Schlinge nach den beiden nun freistrampelnden Beinen des liegenden Vogels. Mit aller Kraft zog er daran, doch die Beine von Glückvögeln waren trotz ihrer dürren Form kräftig und so war es nicht leicht für den Jäger, die Schlinge zuzuziehen. Kajim hechelte vor Anstrengung, doch der Kampf dauerte nicht lange: Nach einer letzten Kraftaufwendung gaben die Muskeln des Wüstenläufers schließlich nach und die Schlinge zog sich zu. Zwar war der Vogel kräftiger als der Lutin, doch sich der Schlinge eines einmal umgelegten Lassos zu widersetzen war wesentlich schwerer, als diese zuzuziehen.
    Erleichtert löste Kajim die Schlinge, welche um den Hals des Vogels lag und band stattdessen die Beinfesseln mit der Schnabelfessel zusammen. So „verpackt“ schleifte Kajim den Vogel zu seinem Wüstenschlitten, den er in einem anderen Strauch verborgen hatte, lud ihn darauf und band ihn fest. Beruhigend strich Kajim dem immer noch aufgeregten Vogel über den Kopf. „Entschuldigung, mein Großer, aber du wirst sehen: Es wird uns beiden gefallen!“, lächelte der Fuchsbold und machte sich auf den Weg.
    Die Kufen des Schlittens hatte Kajim bei einem Verzauberer seines Volkes erworben: Sie waren angeblich abriebfest und stießen Sand ab. Tatsächlich geriet Kajims Schlitten im Wüstensand nicht ins Trudeln und er konnte den Riesenvogel vergleichsweise mühelos hinter sich herziehen. Nach ein paar Stunden würde der schwarze Vogel sich beruhigt haben und nach ein paar Umläufen würde Kajim auf ihm reiten können, so hoffte er. Damit würde er sogar in Yomin einiges an Aufsehen erregen – von der jährlich stattfindenden Versammlung der Lutinstämme ganz zu schweigen. Erneut grinste der junge Lutin und strich sich zufrieden mit der rechten Hand über seine beiden aufrechtstehenden Ohren. Der Stamm und Firiya würden Augen machen.

    Hey @Blindseher

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    Schön, dass das Kap insgesamt gefällt. Die 1. Szene sollte allerdings weniger die Inkompetenz der Templer, als vielmehr die Macht des Magiers demonstrieren. Ellea hatte wohl gehofft, den Magier zu überraschen, indem sie den Abstand zwischen der Hütte und ihm möglichst schnell überwindet. Mal schauen, ob und wie ich das noch deutlicher mache. ^^ In der "Falle" reagierte immerhin Gwerion sehr schnell, und Telzion wurde eher gut getroffen.

    Aber ja: Es bleibt im Moment noch offen, in welchem Ausmaß und welche Teile der Tempelritterschaft sich auf Zaubererjagd spezialisiert haben.

    LG

    Hey @'Katharina

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    Danke für dein Review ^^

    aber inzwischen sind in meinen Augen die Handlungen von sämtlichen Hauptcharakteren nicht mehr ganz nachvollziehbar,

    Meinst du, dass du nicht verstehst, was sie tun, oder, dass du nicht verstehst, warum sie tun, was sie tun? Ich habe den leisen Verdacht, dass du Kapitel 4 (welches bloß im Edit an eine Antwort auf ein altes Review hochgeladen wurde) nicht gelesen hast, kann das sein? Dann jedenfalls könnte ich deine Verwirrung verstehen ^^"

    Ist das eher seichte Unterhaltung oder willst du eine tiefgründige, komplexe Geschichte schreiben?

    Es ist sicherlich teilweise beides. Es gibt freilich so einige Elemente in der Story, die den Leser ... aus der Bahn werfen könnten. Im nächsten Kapitel wird klar, was ich meine. :D

    Das Ironische ist, dass ich diese Geschichte nur angefangen habe, um genau die von dir aufgeworfenen Verständnisprobleme anzugehen. Vorher nämlich hatte ich eine Geschichte in derselben Welt von viel größerem Ausmaß, mit Dutzenden Handlungssträngen und mehreren Hauptcharakteren. Genau das hat dazu geführt, dass der Leser den Überblick bald verlor, und so beschloss ich, eine Geschichte in dem Format einer Heroes Journey zu schreiben, also eher auf einen Charakter konzentriert.

    Das heißt übrigens nicht, dass ich keine Nebenhandlungsstränge haben werde. :)

    Jedenfalls: Sowohl bloß "seichte Unterhaltung" als auch eine tiefergründige Geschichte sollte inhaltlich Sinn machen, also nimm die Geschichte ruhig in jedem Fall nach Lust und Laune (nicht) auseinander. ^^ Ich kann, ohne alles zu verraten, nämlich erstmal nicht viel mehr über die Natur der Geschichte sagen.

    LG

    Lukosamurai

    So, nach endlosem Herumdoktern an der Urversion des Textes, hier Kapitel 5 meiner Geschichte. Viel Vergnügen! :) Wie immer freue ich mich über jegliches Feedback, gerne auch kritisch.

    Zu Kapitel 4

    5 - Improvisierte Pläne

    Der Hof Elchbrunn lag in Sichtweite von Himmelstein in einer Flussschleife der Lea. Es war eher ein kleines Dorf als ein großes Gehöft und bestand aus drei Wohnhäusern, einem halben Dutzend Scheunen und mehreren Ställen. Der Meisterbauer, ein junger Mann mit auffälligem Buckel, der mit seiner Familie das größte Haus bewohnte, zeigte sich empört über die neue Eingangssperre nach Mitternacht und nahm Telzion und dessen zwei „Söhne“ bereitwillig auf.
    Sie wurden großzügig auf einen üppigen Mitternachtsschmaus im recht geräumigen Küchenraum des Haupthauses eingeladen, an dem sogar die beiden untersetzten Frauen des Bauers teilnahmen. Nachdem sie genug von dem dunklen Brot, der fettigen Butter und dem würzigen Käse hatten, wurde sogar Wein in einer Eisenkaraffe herumgereicht. Selbst Taoreth, der bis dahin noch nie Alkohol probiert hatte, nahm einen Schluck. Er schmeckte betörend süß und hinterließ ein klebriges Gefühl im Gaumen – es war bestimmt nicht der beste. Trotzdem bedankte er sich artig, wie auch Gwerion und Telzion, für Speise und Trank.
    „Das ist doch selbstverständlich!“, kicherte die Frau links des Meisterbauern, die stämmigere der beiden, „Und so oft haben wir ja hier keine Gäste aus der Stadt. Da muss man die Gelegenheit nutzen, um mit dem Vorurteil aufzuräumen, hier auf den Feldern herrschte Hunger, Elend und Eigennützigkeit.“
    „Ich zeige euch jetzt, wo ihr schlafen könnt“, meinte ihr Mann gut gelaunt und griff nach einer Talglampe, um ihnen den Weg zu leuchten. Sie folgten ihm zunächst durch einen kurzen Korridor und dann nach oben über eine steile Treppe, die kaum eine bessere Leiter war. Das Dachgeschosszimmer, in dem sie schließlich ankamen, bot gerade genügend Platz, dass sie nicht aufeinanderliegen mussten.
    „Bittesehr, das Heiligtum meiner Kindheit“, grinste ihr Gastgeber, „Ich lasse Minuette noch einige Decken holen, gute Nacht schonmal!“
    Taoreths Schädel brummte noch immer von den Ereignissen des Umlaufs - sofort sank er auf die eine Strohmatratze nieder und verfiel in tiefen Schlaf. Draußen kündigte sich ein wütender Herbsturm an, doch er störte seine Ruhe nicht.
    Als er nach vielen, konturlosen Träumen aufwachte, waren Gwerion und Telzion schon in ein leises Gespräch versunken.
    Diesmal war er fest entschlossen, Telzion endlich mit der Frage zu konfrontieren, was es bedeutete, mondaffin zu sein.
    „Ah, guten Morgen. Oder sollte ich eher sagen: Guten Umlaufsmitt?“, grinste sein dunkelhaariger Freund fröhlich, während Telzion ihn mit seiner strengen Falte bloß anstarrte – seltsam abwesend. In dem spärlichen Licht, welches aus einem winzigen Holzladen im schrägen Dach fiel, wirkte das Gesicht des Magiers wie das einer Eule.
    „Ehm … Was ist eigentlich Mondaffinität? Bin ich ein Magier?“
    „Später, Tao. Wir haben gerade Dringenderes zu besprechen: So, wie es aussieht, kann unser Blitzkünstler hier, seitdem er heute aufgestanden ist, keine Magie mehr wirken. Kein Gedankenlesen mehr, haha!“
    „Das ist kein Spaß, Gwerion!“ Der Magier war kreidebleich. „Die Wunde heilt gut, ich konnte noch Magie wirken, als sie schlimmer war, daran kann es also nicht liegen. Das lässt nur den Schluss zu, dass der Bolzen vergiftet war – mit einem besonders heimtückischen Gift, dass erst nach ein paar Stunden wirkt, offenbar speziell gegen Magier. Ich fühle mich auch nicht gut … wir müssen dringend einen Heilkundigen aufsuchen! Doch nicht irgendeinen Quacksalber, sondern einen, der sich auskennt. Hmm …“
    Die Situation war besorgniserregend, denn in die Stadt konnten sie erstmal nicht gelangen. Gwerion und Telzion wurden dort sicherlich schon gesucht.
    „Was zum Zarkas…“, Telzion, der bisher gesessen hatte, versuchte, sich in der winzigen Dachkammer aufzurichten, doch fehlte ihm dafür anscheinend die Kraft. „Meine Beine gehorchen mir nicht mehr! Helft mir!“
    Doch nichts half. Egal, wie sehr sie sich auch anstrengten, den Magier hochzuhieven. Seine Beine baumelten nutzlos herab und Telzion war zu gewichtig, um durch zwei Jungen ohne Hilfsmittel dauerhaft getragen werden zu können.
    „Mei … Meie Thunge!“, kam es von Telzion, der nun, hilflos auf dem Boden sitzend, mit den Armen unkoordiniert herumwirbelte, „Ih ka meie Thunge nithtmehr spüre!“ Nackte Panik stand dem Magier ins Eulengesicht geschrieben.
    „Wir bringen dich in die Stadt!“, beschwor ihn Gwerion.
    „Neiiin! Thu hrefährich. Brie mi thu de Eiben!“
    „Wir können nicht einfach in die Elbenwälder hineinspazieren. Du weißt, dass die Elben ihre Grenzen scharf bewachen“, warf der Dunkelhaarige ein.
    „Zhie weren mir hefen. Ghaub mir.“
    Taoreth verstand nicht, wie der Magier zu den Elben wollen konnte: „Seid ihr verrückt geworden? Wir reden hier von Elben. Dienern von Zarkas! Die mit ihrer Magie für schlechte Ernten und Krankheiten sorgen, die Neugeborene stehlen und durch ihre eigenen ersetzen, die mit Kobolden bösartige Streiche und …“
    „We isch kötte, wür isch em ei Bizz i de Wascheropf scheuer!“
    „Was Telzion damit sagen möchte“, mischte sich Gwerion dazwischen, „ist, dass das bloß Kindermärchen sind. In Wirklichkeit verhalten sich die meisten Elben sehr friedfertig.“
    „Oh! Wirklich? Dann hast du also schonmal einen getroffen?“
    „Naja … nicht wirklich. Aber ich habe von ihnen gelesen. Sie sind angeblich ein sehr naturverbundenes Volk, sehr primitiv. Sie kleiden sich in unbearbeitete Felle und hangeln sich bei der Jagd von Baum zu Baum, aber einem Menschen sollten sie nichts tun.“
    Der Magier keuchte plötzlich in Atemnot – nein, er lachte! Er lachte lange und unkontrolliert, mit zuckenden Schultern und mit einem plötzlichen Husten als Finale. „Isch bi ei bischen verwuner, ass deie Büfer geauscho schech sin, wie ie Tempeschue! Scheich Thunge!“, fluchte er, womit sein plötzlicher Anflug von Heiterkeit endgültig verschwunden war.
    „Ich … würde Elben schon gerne sehen“, wurde Taoreth plötzlich klar, „Aber ich werde auch Großmama nicht im Stich lassen. Ich muss nach ihr suchen, und am besten kann ich das in Himmelstein.“
    „Unsinn, Tao. Wo willst du überhaupt wohnen? In meinem Haus ist es viel zu gefährlich und in deiner alten Waldhütte erst recht. Wir können von Glück reden, wenn unser Gastgeber uns mit etwas Proviant für die Reise zu den Elbenwäldern versorgt. Außerdem wird Telzion dir sicher bei deiner Suche helfen, sobald er wieder bei Kräften ist. Wenn ich es mir recht überlege: Für ein paar Stücke vom Silber deiner Großmutter wird man uns hier großzügig ausstatten – wir können es bis zur Grenze schaffen!“
    Das alles klang einleuchtend, doch irgendwie hatte Taoreth den Verdacht, dass es Gwerion bloß darum ging, Abenteuer zu erleben. Außerdem schien es zweifelhaft, ob der alte Telzion je wieder würde zaubern können.
    Doch genau darauf musste er hoffen. Er stand außerdem in der Schuld des Magiers, auch wenn dieser mit seinem Versuch, seine Großmutter zu befreien, bisher erfolglos geblieben war.
    „Also gut – gehen wir zu den Elben.“

    Zu Kapitel 6