Beiträge von Kramurx im Thema „Der Sternenlicht Talisman“

    Glutrot verschwand die helle Scheibe langsam hinterm Horizont.
    Die zuvor eindringlichen Sonnenstrahlen versiegten mit jedem weiteren Moment der verstrich und tauchten die Wolken ein letztes Mal in ein atemberaubendes Farbspiel.
    Das wärmespendende Licht machte Platz für die bitterkalte Nacht.
    Der Tag-Nachtwechsel trat ein und statt der Sonne schob sich nun ein anderes, auffälliges Gestirn über den Himmel. Sein sonst so helles, stilles Silber, dass selbst die Nacht zum Tage werden lassen konnte, so schien es für einen Dieb, trat heute golden in Erscheinung: Der Mond.
    Das Himmelszelt mit all seinen Sternen und Himmelsbildern begann aufzuleuchten. Und erst als der Mond an höchster Stelle stand, war es Zeit für Aznir zu zuschlagen.
    Er hatte den gesamten Tag über immer wieder unauffällig seine Runden um das Gebäude gedreht. Es war als einziges Gemäuer der Stadt aus Sandstein gefertigt. Was eigentlich recht ungewöhnlich war, kannte Aznir den Baustoff Sandstein sonst nur von Kirchen, Schlössern und Prachtvillen. Umso einfacher war es eben gewesen, das Zielobjekt auszumachen: Das Museum für seltene Artefakte.
    Schon in kürze würde sich der Vorhang lichten und ein neues Objekt mit magischen Kräften den Menschen vorgestellt werden. Der Sternenlicht Talisman. Ihm wird nachgesagt heilende Kräfte zu besitzen und selbst die tödlichsten Krankheiten abwenden zu können, dank dem Sternenlicht das in seinem Inneren gefangen wurde.
    Wie dieses Museum in die Hände eines solch mächtigen Gegenstandes kam, interessierte Aznir herzlich wenig.
    Er sog die kalte Luft ein, die voller Frische war und wie schon dutzende Male zuvor umrundete er das Gebäude erneut.
    Wachen. Überall Wachen, dachte sich Aznir.
    Hier in dem Stadtteil lebten die Adligen. Das machte sich auch an der sauberen Luft bemerkbar und den kleinen hübschen Gärtchen neben den Villen, die Aznir nicht weiter betrachtete.
    Er suchte, seit er gestern die Stadt betreten hatte, nach einer Schwachstelle in ihrer Patrouille. Doch konnte bisher keine ausmachen. Wenn er nur ein wenig mehr Zeit gehabt hätte..., dann könnte er das unausweichliche Umgehen.
    Er griff mit seiner mit dichten Fell bewachsenen, sandfarbenen Hand in die Hosentasche seiner Vulkanglasrüstung. Sie war im Grunde eine Lederrüstung, welche mit grünlichen Vulkanglas verstärkt war. Knisternd zog er einen kleinen Zettel hervor und entfaltete ihn. Darauf war eine Zeichnung zu sehen, die von einem Sechsjährigen hätte stammen können.
    Mit seinen Katzenaugen, die der Nachtsicht fähig waren, konnte er jede schwarze Linie in der tiefen Nacht ausmachen, die dank dem matten goldton des Mondes umso dunkler wirkte als sonst: Ein paar Quadrate für die Häuser in der Umgebung, ein Rechteck für das Museum und ein Pfeil, der unter dem Gebäude entlang führte und mehrere Abbiegungen anzeigte.
    Aznir schnalzte mit der Zunge. Er hatte die Zeichnung schon etliche Male gesehen, aber schlauer wurde er aus ihr auch jetzt nicht, wo genau genau sein Weg begann. Alles, was er wusste, war, dass unter dem Museum ein Kanal einer alten Kanalisation entlang führte und der Eingang musste sich in der Nähe befinden.
    Er kratzte sich hinter einem Ohr, einen Helm trug er auf seinem katzenartigen Kopf nicht. Als einziger Khajiit in dieser Stadt hätte er schon auffallen müssen, doch scheinbar kannte man in dieser Gegend keine Khajiits und brachte sie daher auch nicht mit Dieben in Verbindung. Das war ein großer Vorteil für ihn am Tage gewesen, auch wenn er den einen oder anderen Blick dennoch auf sich gezogen hatte. Aber das waren meist nur neugiere Kinderblicke.

    Es dauerte eine Weile, bis er den Eingang in die Kanalisation zwischen zwei Villen in einer kleinen Gasse fand. Sie standen etwas weiter ab vom Museum. Er hasste stinkende Orte. Schließlich hatte er als Katzenmensch eine mindestens drei Mal so sensiblere Nase als die Menschen.
    Die Klappe war mit einem billigen Schloss versiegelt. Aznir schnaubte abfällig und holte gleich einen Dietrich heraus.
    Leise klickerte es, das Schloss war offen. So alt und morsch wie das Brett der Abdeckung war, hätte er es wahrscheinlich auch einfach auseinanderbrechen können, doch er wollte keine allzu lauten Geräusche machen.
    Die Klappe schlug auf. Sofort kam ihm ein beißender Geruch von Fäkalien und Urin in die Nase. Angewidert schüttelte sich sein ganzer Körper, die Haare seines Schnazes richteten sich auf..., aber er musste da runter. Heute war die letzte Nacht, bevor sie den Talisman zeigen würden. Nur eine handvoll Menschen hatten den Talisman gesehen. Es würde schwer werden, ihn aus der Stadt zu schmuggeln, wenn die halbe Stadt wüsste, wie der Talisman aussieht.
    Woher sein Auftraggeber von dem Talisman wusste, war Aznir egal. Auftrag ist Auftrag. Keine Fragen, nur Resultate. Und eine gute Bezahlung.
    Mit einem letzten, schweren Seufzen kletterte er in die Kanalisation herab.
    Zum Glück musste er nicht durch den stinkenden Strom waten, denn daneben war ein Weg aus Stein angelegt.
    Ahh!Irgendein verdammt guter Konstrukteur hatte mitgedacht, dachte sich Aznir erleichtert. Den Geruch hätte er von seinen Füßen noch Wochen anhaften gehabt.
    Der Weg war leicht: Links, Rechts, Rechts, wieder Links. Immer dem Pfeil auf dem Zettel nach. Doch da klickerte es verdächtig.
    Aznir drückte sich an die Wand und lauschte. Schritte. Sehr leise. Sie waren weder dumpf von Stiefeln noch hell von nackten Füßen. Es klackerte, schabte und schliff stattdessen.
    Das Wesen bog aus der Ecke ein, in die Aznir wollte. Weiße Knochen, ohne ein Stück Fleisch am Leibe und mit einer kleinen, rostigen Axt bewaffnet, wanderte das Knochenwesen durch die Gänge.
    Ein Untoter?! Aznir hasst Untote!
    Aznir blieb an der Wand stehen und presste sich noch fester an. Soweit er von Skeletten gehört hatte, reagierten sie auf Geräusche und Bewegungen. Nur Skelettmeister, Untote der höchsten Stufe, würden auch seine Aura wahrnehmen können.
    Das Skelett schlenderte auf ihn zu und lief einfach an ihm einfach vorbei.
    Puh. Aznir hatte Glück. Kein Meister.
    Wer weiß schon wie lange das Skelett hier sein Unwesen trieb?
    Aznir zog seinen Vulkanglasdolch, schlich sich von hinten heran und jagte ihn in dessen Knochenschädel.
    Mit leisen Pochen fiel der Kopf zu Boden. Doch unerwarteterweise drehte es sich auch ohne Kopf zu Aznir um und schwang seine Axt!
    Ai!“, stieß Aznir hervor. Er hatte das Skelett für die niedrigste Stufe gehalten, welche ohne Kopf sofort zusammenbrach. Doch dieses hier schien ein Veteran zu sein!
    Die Axt sauste auf Aznir zu, welcher den Hieb mit seinem Dolch abwehrte und gegen die Wand der Kanalisation prallen ließ. Für eine vollständige Parade hatte er zu wenig Kraft gegen dieses von Magie zusammengehaltene Wesen.
    Auf der freien Faust ließ er seine Krallen ausfahren und schlug dem Skelett in die Brust.
    Unter knirschen und knacken flog das Leichtgewicht mehrere Schritte zurück. Einige Knochen waren gebrochen und zerschnitten.
    Aznir presste sich wieder an die Wand und blieb still, die Anspannung war groß.
    Der Skelettveteran erhob sich, schaute ohne Kopf in seine Richtung, kehrte ihm den Rücken zu und schlenderte langsam davon.
    Er atmete schwer aus. Sicher würde er gegen den Veteranen gewinnen, doch seine Zeit war kostbar und die Nacht nur kurz.
    Der Rest des Weges war wieder einfach. Ein paar Abbiegungen später befand er sich hoffentlich unter dem Museum. Er hob die Klappe an, doch sie war mit einem sehr teuren Schloss versiegelt.
    Aznir seufzte. Schlösser knacken war für ihn kein Problem, aber einhändig und mit eingeschränkter Sicht? Es dauerte eine Weile. Wie lange, konnte er nicht sagen. Er musste einfach hoffen, dass der Tag noch nicht angebrochen war und die Wachen noch immer außerhalb des Gebäudes patrouillierten.
    Leise schlug er die Klappe auf. Er befand sich in einem kleinen Raum und mit simpler Probe stellte er zu seiner Überraschung fest, dass die Tür davon nicht verschlossen war. Schnell bewegte er sich durch das Gebäude, ignorierte all den anderen wertvollen Kram und seine Umgebung, denn er rechnete nur noch mit wenig Zeit.
    Dann betrat er eine große Halle. Überall waren Podeste mit Artefakten aufgestellt. Nur eines stach besonders hervor: Es war mit einem roten Vorhang noch bedeckt.
    Er schnellte zum Vorhang, zog ihn auf und schreckte sogleich wieder zurück: Eine vermummte Gestalt machte sich bereits an der Schatulle zu schaffen, in welcher der Talisman liegen musste!