Beiträge von Thorsten im Thema „Die Erwartungen des Lesers“

    Wenn man eine Geschichte in der Welt schreibt und sich diese immer noch entwickelt, sollte man das wohl irgendwie klar definieren wie man hier vorgehen will.


    Da finde ich Tolkien als Beispiel eben interessant, weil wir da durch die ganzen posthum-veroeffentlichten Schriften eine ganze Menge ueber den Prozess wissen. Der Leser erwartet dass die Welt am Ende ein geschlossenes Ganzes gibt, aber ein Autor der ueber mehrere Jahrzehnte hinweg schreibt kann sowas nicht ohne weiteres liefern - Ideen entwickeln sich ja weiter.

    Tolkien hat in seinen spaeten Jahren damit oft gehadert dass seine Buecher ueberhaupt veroeffentlicht waren, weil ihn das in seinen sich entwickelnden Konzepten der Sprache under der Welt massiv eingeschraenkt hat. Generell fuehlte er sich an das gebunden was veroeffentlicht war, und er hat teilweise abstruse Erklaerungen entwickelt um seine neuen und seine veroeffentlichten Ideen irgendwie unter einen Hut zu bringen (er war Pefektionist...). Im Beispiel der Orks war seine erste Idee dass sie von Morgoth gemacht sind - aber das wurde revidiert nachdem er die Idee hatte dass Morgoth nichts schaffen, sondern nur erschaffenes verzerren kann. In seinen spaeten Schriften kann man ihn dann mit dem Problem ringen sehen dass Orks dann eigentlich 'schuldlos' sind - die Philosophie dahinter wird immer ausgereifter sozusagen.

    Was ich an dem Thema interessant finde ist, dass wir eben Tolkien's Gedanken ueber sein Werk ueber eine lange Zeit verfolgen koennen - wie auch er sich ueber zu einfache Erklaerungen die er schon gegeben hatte aergern konnte, wie er versucht hat Konzepte so zu aendern dass es doch irgendwie passt, oder eben wie er festgestellt hat dass es in seiner Welt eben doch anders sein muss ohne eine Loesung anbieten zu koennen.

    (In der Community der Tolkien Scholars lassen wir das gewoehnlich alles so stehen ohne zu versuchen was jetzt das 'richtige' Konzept ist - in einem Jahr dachte Tolkien halt so ueber ein Thema, spaeter anders - gehoert alles zu Mittelerde wie es in seinem Kopf war...)

    Zwischen 'The Hobbit' and 'Lord of the Rings' sind ja auch diverse Unterschiede im Konzept - die Elben von Rivendell im Hobbit aehneln denen in LOTR ja zum Beispiel nicht so wahnsinnig - das ist ein Beispiel wo er das erste Konzept halt einfach verworfen hat und der Unterschied jetzt so steht.

    Ich denke Tolkien und MZB sind da zwei Extreme - Tolkien hat sich sehr bemueht alles konsistent zu machen, aber sein Perfektionismus ist halt auch der Grund dafuer dass so wenig veroeffentlicht wurde - es wurde nie fertig, ein neues Konzept wurde eine ganze Weile verfolgt, lief dann in Widersprueche, er versuchte sie aufzuloesen, scheiterte - und entschied sich nochmal von vorne zu beginnen - und das koennen wir nicht einmal, nicht zweimal sondern ein paar Dutzend Mal verfolgen. MZB war es, nach allem was ich so sehen kann, weitgehend egal - sie fuehlte sich nicht an das gebunden was schon geschrieben war, wenn ihr was nicht mehr gepasst hat, dann wurde es durch das neue ersetzt.

    Ich denke irgendwo zwischendrin ist das Optimum - ein Leser hat nichts von Perfektion wenn die Geschichte nie fertig wird. - aber wenn es moeglich ist, schadet es nicht zu versuchen Widersprueche zu glaetten :D

    Aber ich kenne keinen Autor der 30 Jahre vorausplanen kann - also wird's solche Probleme wohl immer geben.

    Die ersten Orks entstanden aus gefolterten Elben. Das steht sowohl in den Büchern, als auch im Film.


    Ja, der Film ist jetzt nicht so relevant nachdem Tolkien den nicht authorisiert hat (es gibt eine Stelle in 'Letters' wo er ein anderes Drehbuch kommentiert - das neben den Jackson-Film gehalten gibt einen ganz guten Eindruck was der Professor dazu gesagt haette...).

    Ansonsten ist es bei Tolkien halt so dass viel publiziert ist was er gar nicht publizieren wollte (das Silmarillion zum Beispiel ist nicht 'fertig') und dass es da eben widerspruechliche Angaben an allen moeglichen Stellen gibt - eine gute Uebersicht findest Du hier.

    Ein definitives Statement so wie Du das hier zu machen versuchst gibt das nicht her...

    @Asni

    Ich denke, wir sind weniger inhaltlich auseinander als semantisch.

    Wenn man das Paar 'realistisch / unrealistisch' nimmt, drueckt man dadurch aus dass etwas schief gelaufen ist, wenn man das Paar 'realistisch / phantastisch' nimmt dann die Art wie die Welt gestrickt ist. 'Phantastisch' wuerde ich ohne weiteres als Charakterisierung meiner Welt mit alternativer Physik akzeptieren - 'unrealistisch' eher nicht.

    Also, ich rede mehr vom ersten Paar, hatte aber ausgeblendet dass das zweite Paar ja auch Sinn gibt (und da keine Wertung ist).

    Auch Legolas und Gimli haben keine Hemmungen Orks (ok, vielleicht verständlich) oder Haradrim (Menschen aus dem Süden) zu töten. Der Herr der Ringe blendet aus, dass das Töten von Feinden einen vielleicht ein Leben lang emotional beschäftigen kann


    Ja, die haben natuerlich den Vorteil dass die Rollen von Gut und Boese in der Welt ziemlich klar sind - natuerlich haben die keine Hemmungen oder Gewissensbisse mit den Schergen von Sauron aufzuraeumen, denn die sind nicht irgendwie irregeleitet, sondern die sind faktisch boese - und deshalb ungefaehr so leicht auszurotten wie Ratten,

    In Mittelerde gibt's halt eine absolute Ethik, so ist die Welt angelegt.

    Tolkien hatte ja mal die Idee dass die Orks aus gefolterten und deformierten Elben entstanden sind - ein Grund dass wir davon nicht viel hoeren ist, dass die Implikation ist dass Orks dann 'schuldlos' waeren und es nicht mehr legitim waere, sie einfach auszurotten - und diese absolute Ethik war fuer Tolkien sehr zentral.

    In den (wenigen) ambivalenteren Situationen die Tolkien anreisst (im Silmarillion hauptsaechlich, Alqualonde zum Beispiel wo Elben auf andere Elben losgehen) wird schon impliziert dass das schwere Traumata sind die Wunden reissen die noch tausende Jahre spaeter offen sind.


    yrion verliert seine halbe Nase, weil eine Schlacht eben nicht so ist, dass die Guten ihre Feinde in einem heldenhaften Angriff (mit erhobenem, leuchtendem Zauberstab - wer sich Die Zwei Türme nochmal angucken möchte) vor sich hertreiben und unverwundbar scheinen, sondern eine dreckige, unkontrollierbare Angelegenheit.

    Hier wiederum wuerde ich sagen dass das tatseachlich ein Widerspruch des Autors mit seiner eigenen Welt ist und daher 'unrealistisch' im schlechten Sinn - es wird impliziert dass Waffen normale Waffen sind und Wunden normale Wunden, dass Koepfe abgetrennt werden koennen etc.- daher ist es unrealistisch dass sowas nicht in groesserem Masse passiert.

    Wenn ein Charakter auf eine fünfmonatige Reise aufbricht, allerlei Abenteuer erlebt, dabei kämpft, schwitzt, durch Dornenhecken und andere Gestrüppe flieht und dann aber immer noch in dem gleichen weißen Hemd, das irgendwie immer noch nicht in Mitleidenschaft gezogen worden ist, an seinem Ziel ankommt, dann ist das auch unrealistisch


    Ja, find' ich halt bei Fantasy problematisch, so ein Kriterium. Klar, in unserer Welt geht das nicht, aber in einer Fantasy-Welt kann ja die Physik ausser Kraft sein (Discworld mit Licht als Fluessigkeit (*) - und vielleicht gibt's ein alchemistisches Pulver das Hemden frisch haelt...

    Eigentlich kann ich in einem Fantasy-Setting nur die Widersprueche die der Autor mit seinen eigenen Angaben so hat ankreiden, aber nicht wie sehr seine Welt von unserer divergiert. Ich hab' mal an einer tollen Fantasy-Welt gearbeitet die ganz andere Physik als unsere etc. hatte - das war auch alles schoen konsistent geloest und ich hab' die Konsequenzen der Aenderungen im Detail ausgearbeitet - irgendwas in mir wehrt sich massiv, das unrealistisch zu nennen.

    (*) Weil's gar so cool ist, ich hab' mal einen GLSL-Shader ueberzeugt Licht wie in Discworld zu behandeln so dass es am Morgen langsam die Taeler rauffliesst

    GLSL ist eine tolle Sache fuer alternative Physik auf dem Bildschirm :D

    Ob und wie viele Kämpfe und Schlachten man einbaut, hat meiner Meinung nach nichts damit zu tun, ob es eine gute Story wird oder nicht

    Du redest mit jemandem der sich standhaft weigert Actionszenen in unsere Filme einzubauen - weil das halt nicht die Story ist wie wir sie erzaehlen wollen. :D

    Also, 100% Zustimmung, wenn die Story um was anderes geht, dann kann auch eine abgebrochene Schlacht wunderbar wirken - man muss ja nicht ueber die Krieger schreiben, man kann ja ueber die Intrigen der Diplomaten schreiben - wir machen Filme ueber eine Hexe, da passt meiner Meinung auch nichts an Action dazu.

    Prinzipiell stimme ich dir hierzu, würde aber dennoch vermeiden, die Begriffe "realistisch" und "gewöhnliche" (bzw. "wahrscheinlich") zu vermengen.


    Realismus ist ein Mass fuer die Menge an (unglaublichen) Zufaellen, die eine Geschichte braucht und vorwaerts zu gehen.

    'Timeline' (was ich grade auf Finnisch lese) ist nicht unrealistisch weil...

    ...die Leute im Mittelalter ankommen und sofort einer getoetet wird
    ... ein Junge der durch den Wald rennt sich als verleidete Adelige rausstellt
    ... der fiese Ritter die Protagonisten zum Turnier fordert
    ... er dann auch noch betruegt
    ... die Burg in der sie sind kurz darauf angegriffen wird
    ... das Kloster das sie danach aufsuchen auch angegriffen wird

    Alles das ist zweifellos ein moegliches geschehen - aber dass diese Haeufung an kritischen Situationen einer Gruppe von drei Personen innerhalb von nur 30 Stunden passiert - das macht es dann unrealistisch.

    Eine Geschichte ist dann interessant, wenn sie von unwahrscheinlichen (und daher ungewoehnlichen) Ereignissen erzaehlt - nur wenn man's uebertreibt wird sie unrealistisch.

    (In manchen Genres koennen auch Dinge vorkommen die schlicht und einfach unmoeglich sind - aber in Fantasy ist das eher schwierig - sicher gehen schwebende Berge, Schiffe die durch Wolken fahren oder so - bei SciFi wuerde ich schon vorsichtiger sein, weil das Sci ja auch was zu sagen hat, und wenn der Ermittler im Krimi von Florida nach LA in einer Stunde faehrt, dann ist das unrealistisch weil unmoeglich. Bei Fantasy kann der Autor da eigentlich nur seine eigenen Regeln brechen - Marion Zimmer Bradley hat das mal sehr beeindruckend gemacht - in einer Geschichte dauert eine Reise nach Nevarsin 30 (!) Tage durch Hochgebirge und frostige Paesse, in einer anderen fragt der eine den anderen Reisenden auf der gleichen Strecke nonchalant ob sie am Vortag aufgebrochen sind oder doch zwei Tage gebraucht haben...)

    und hab ein Heer beschrieben das auftaucht aber dann nach einer Verhandlung ohne Kampf wieder abzieht. Das wurde fast durchwegs als unrealistisch empfunden. Da man aus der Fantasy nun mal weiß, das zwei Heere, wenn sie aufeinander treffen, logischerweise Kämpfen müssen


    Finde ich jetzt interessant.

    Ich wuerde die Verhandlungsvariante als realistischer empfinden, aber sie gibt eben auch keine gute Story her. Dass sich zweiLeute in der Baar anschreien und sich danach wieder vertragen ist keine Notiz in der Lokalzeitung wert - weil es so realistisch un der Normalfall ist - dass sie die Bar in Truemmer legen gibt eine gute Geschichte her - weil es eben nicht normal ist.

    Oft ist das reaistische halt nicht das was eine erzaehlenswerte Begebenheit ausmacht - weil es realistisch ist.

    Jemand wird im Streit ermordet, die Poizei sichert den Tatort, nimmt Fingerabdruecke von der Waffe, findet den Typen in der Datenbank, faehrt zu ihm hin und nimmt ihn fest - das ist recht normal bei Ermittlungen, aber was fuer einen Krimi gibt das denn ab?

    Welcher Gesamtmix aus Erfüllen und Brechen von Konventionen macht eures Erachtens nach die richtige Mischung?


    Konventionen brechen ist bei mir ein bisschen ein Reizthema, denn ich hatte den Eindruck wenn ganz viel darueber geredet wird, dann hat der Autor manchmal halt schon ein Problem innerhalb einer Konvention eine solide Geschichte zu erzaehlen. Um eine Konvention zu brechen muss man sie halt verstanden und gemeistert haben, einfach drauflos schreiben briicht keine Konvention - und die guten Erzaehler die tatsaechlich Konventionen brechen - bei denen haengt man so an der Geschichte dass man das als Leser erst hinterher merkt, und es muss nicht viel darueber geredet werden.

    Ein geniales Beispiel fuer so eine gelungenen Bruch kommt von Agatha Christie - in 'The Murder of Roger Ackroyd' ist der Taeter am Ende der Ich-Erzaehler der Geschichte - damit rechnet nun wirklich keiner, weil wir ja alle Gedankengaenge des Erzaehlers kennen - aber im Rueckblick ist es sogar fair erzaehlt, wenn man es weiss, dann wird sogar der Mord beschrieben ('I turned to do what was necessary - it did not take long.') Fuer einen Krimi ist das unkonventionell und unerwartet, aber es funktioniert, weil Christie die Konventionen des Krimis ja perfekt drauf hat. Und genau deshalb zieht einem die Aufloesung hier den Boden unter den Fuessen weg.

    Ansonsten geht es bei ;Konventionen' oft mehr um Dinge die sich einfach bewaehrt haben. Ein Krieger der im Kampf ist, ist halt einfach fuer den Leser interessanter als einer der am Klo sitzt. Der Bauer der durch das Schicksal ausersehen ist die Welt zu retten gibt mehr fuer eine Geschichte her als sein Kumpel der zu Hause Kartoffeln gepflanzt hat. Als Leser moegen wir Abwechslung, nicht Wiederholung des immer-gleichen. Nachdem die riesige Gefahr gebannt ist, interessiert uns die alltaegliche nicht mehr so, wir gehen irgendwie davon aus dass der Krieger der den Gott der Dunkelheit im Kampf bezwungen hat auch mit zwei Orks klarkommt die den Weg unsicher machen.

    Natuerlich ist es ab und zu gut uns daran zu erinnern dass das nur Annahmen sind - aber die Ueberraschungen muessen sich dann am Ende trotzdem zu einem Ganzen fuegen, weil die elementare Mechanik der Aufmerksamkeit fuer Geschichten ja nicht ausser Kraft ist - wir finden nicht jede Begebenheit erzaehlenswert, sondern eben nur manche.

    Naja, man muss ganz ehrlich feststellen dass sich viele Sachen gut verkaufen die ich jetzt nicht unbedingt als Vorbild in Punto Weltenbau oder Charakterentwicklung nehmen wuerde (Harry Potter) oder ueberhaupt nur mit der Zange anfassen wuerde (50 Shades of Grey, Die Wanderhure,...)

    Ich hab' eine Weile ueber das Problem geraetselt dass ich in meinen jungen Jahren ohne Weiteres 50 Buecher im Jahr gekauft habe, aber die Buchhandlungen trotzdem so gar nicht auf meine Beduerfnisse zugeschnitten waren (die meisten der 50 waren nicht vorraetig, die musste ich bestellen).

    Meine Vermutung ist, dass ich (genau wie andere viel-Leser) halt mehr von einem Buch erwarte weil ich schon viel gelesen habe (das ist jetzt so aehnlich wie das was @Jennagon oben geschildert hat) - man macht ja eine Entwicklung als Leser, ich hab' mich durch die uebersichtlichen Plots schon durchgelesen, und jetzt schaetze ich eben die verwinkelten wo man mitdenken muss, ich hab' schon platte Charaktere gesehen, und jetzt schaetze ich die Typen in der Grauzone die nicht sympathisch sind, sondern eher ein bisschen schurkisch und ihre Schwaechen haben, ich erfreue mich mehr an der feinen Zeichnung von Psychologie als den offensichtlichen Loesungen,...

    Harry Potter ist halt was fuer Leute die eher am Anfang der Entwicklung stehen, da ist gut sichbar wer gut und boese ist, da ist wenig Komplexitaet, kann man einfach im Kopf behalten, und es ist ja auf seine Art auch witzig.

    Jetzt fuerchte ich halt, dass ich (und viele andere Forum-Mitglieder mit mir) im Vergleich zu den vielen selten-Lesern eine Minderheit sind - weswegen der Buchmarkt (aus seiner Logik zu Recht) selten auf uns eingeht. Wenn's halt 500 Leute gibt die sich nur ein Buch im Jahr kaufen, dann falle ich mit meinen 50 (inzwischen ja auch nicht mehr) eben nicht so ins Gewicht.

    Also, will sagen, ich denke schon dass sich was einfach gehaltenes, stelenweise witziges wie Harry Potter oder was das sich zur einfachen Identifikation aufdraengt (Wanderhure) besser verkauft als ein komplexer Plot wo man viel mitdenken muss oder wo der Protagonist ein Unsympath ist - so einen Geschmakc muss man halt erst durch viel Lesen entwickeln, ich merke ja auch dass ich mich als Leser immer noch weiter entwickle und manchmal Sachen ganz gut leiden kann die viel klassisch Erzaehlstruktur einfach im Klo runterspuelen.

    Bewusst fuer einen Leser zu schreiben der's einfach mag ist sicher legitim, halt nichts was ich machen moechte - ich habe angefangen zu schreiben weil ich die Dinge so aehnlich sehe wie @Kyelia's Signatur ausdrueckt - ich moechte das Buch schreiben mit dem ich als Leser wirklich zufrieden bin, wo ich mir beim durchlesen nachher denke - ja, das isses, so muss es sein. An den Punkt bin ich jetzt mit SciFi gekommen, mit Fantasy noch nicht ganz. Ob ich das dann in irgend einer Form verkaufen mag, ob ich Leser finden mag? Eine Weile dachte ich ja, momentan bin ich wieder eher bei nein, vielleicht veraendert sich das auch wieder, keine Ahnung.

    In den meisten Romanen folgt der Leser einem oder mehreren Protagonisten durch ihre Abenteuer und Erlebnisse. Der Leser mag dabei manche Protagonisten mehr als andere und identifiziert sich zumindest teilweise mit ihnen. Im Allgemeinen töten wir diese Person nicht (Aufschrei!!!).


    Da ist mir meine Reaktion zu 'The Malazan Book of the Fallen' noch eingfallen. Eine Weile dachte ich es geht in der Geschichte eben um Whiskyjack und seinen Haufen Soldaten - etwa bis zu dem Punkt wo er gestorben ist.

    Da musste ich dann erst mal schucken und eine Stunde gruebeln bis ich begriffen habe - das ist nicht wie ich diese Buecher lesen muss. Mir wird eigentlich keine Identifikationsfigur angeboten, sondern es werden immer... soll ich sagen... soziale Experimente und Konstellationen ausprobiert die sich (meistens fatal) entladen. Die 'Protagonisten' wenn man denn so wil, sind die verschiedenen Gesellschaften die diese Welt bevoelkern, von denen Erickson sich halt ein paar Personen als Beispiel rausgreift.

    Nachdem ich das erst mal begriffen hatte, hat sich da fuer mich eine Tuer geoeffnet und ich konnte die Reihe noch mehr geniessen. Das fand ich ein interessantes Konzept. Leider ist mir nicht klar was der Autor frueher haette tun sollen um mich das sehen zu lassen....

    Was Abercrombie letztlich tut ist: er nimmt die Archetypen und Klischeestoryelemente, die in gefühlt jedem High-Fantasy-Buch seit Tolkien vorkommen und verleiht ihnen einen Twist.


    Ich mag jetzt nicht den Thread zuspammen weil das zu weit wegfuehrt, aber falls Du Interesse hast wuerde ich das gerne anderswo (Konversation?) diskutieren - ich hab' Abercrombie auch mit Genuss gelesen, aber ich wuerde nicht sagen dass es das ist was er tut.

    Ich selbst fühle mich aber komplett inkompetent und wage es daher kaum an den "Ikonen" und "Ewigen Göttern" herum zu kritisieren. Wenn ich es versuche, kommt kein vernünftiges Wort heraus.


    Das sind jetzt irgendwelche Forumstitel die ich mir nicht raussuchen kann...

    Du liest doch Buecher nehme ich an und schreibst sie nicht nur? Vielleicht faengst Du damit an, dass Du uns erzaehlst was Du von den Buechern erwartest die Du liest, was Dich enttaeuscht, was Dich dazu bringt eins wegzulegen, oder was Dich dazu bringt den naechsten Band zu wollen. Da bist Du so kompetent wie jeder andere auch, und mich wuerde es im Kontext dieses Threads interessieren wie andere da ticken (meine 'No-no' Kriterien kennt ihr ja jetzt...)

    Also - 800 Seiten Beschreibungen - 200 Handlung.


    Das ist jetzt nicht das Optimum das ich mir vorstellen kann - aber ich kann's (wenn die Beschreibungen interessant sind) in dem Verhaeltnis auch noch ab. 'Helliconia' von Brian Aldiss ist ein ganz gutes Beispiel, da passiert eigentlich nie viel in der Handlung, eigentlich geht's um die Welt. Muss man aber den Weltenbau extrem gut drauf haben, Helliconia ist meines Erachtens eine hoellisch interessant und gut ausgearbeitete Welt.

    Zu euren Stil und Fokus passt da gar nicht sooo viel mehr an Details, aber ich denke mit 200 Seiten Handlung und noch 30-50 Seiten mehr an Details waere das fuer mich runder - ist aber wie gesagt halt mein Geschmack, kann jemand mit gleichem Recht anders sehen... Ich bin gespannt wie es sich noch wandelt . :)

    Chaos und ich haben unser Buch z.b. gespalten, weil wir ~1500 Seiten haben.


    Ja, um das Missverstaendnis ganz kurz aufzuklaeren - in eurer Seitenformatierung habt ihr 1500 Seiten, aber viele von den englischsprachigen Werken die ich schaetze haben kleineren Font und bringen grob einen Faktor zwei und mehr Text auf eine Seite - sowas hatte ich im Kopf (und das haette ich natuerlich dazu sagen sollen - woran man halt nicht immer sofort denkt...).

    In eurer Formatierung koenntet ihr wahrscheinlich gut auf 2500 bis 3000 Seiten gehen bevor ich die Augenbrauen hochziehe.

    Ehrlichgesagt verstehe ich dich nicht so ganz. Du sagst einerseits, du willst eine neue Welt kennenlernen, darin eintauchen und möglichst viele Details wissen (nicht hier, aber in vielen deiner Kommis) - aber gleichzeitig willst du, dass dadurch das Buch nicht länger wird.


    Das schliesst sich ja nicht aus, Du kannst ja eine Welt in mehreren Geschichten vorstellen die jede ihren eigenen Spannungsbogen haben. Oder eine Geschichte mit mehreren, sich ueberschneidenden Spannungsboegen erzaehlen.

    Aber wer nach 1000 Seiten (also, 2500 Seiten eurer Formatierung) noch alle Straenge offen hat und keine Entwicklung hat die wohin gefuehrt hat, dem kuendige ich als Leser die Treue - so isses einfach...

    (Ihr habt ja nach guten 500 Seiten (oder 200 meiner Formatierung) schon einen Spannungsbogen abgeschlossen - dass ihr dann noch gute 800 Seiten fuer Details haettet erklaert wahrscheinlich warum ich gerne mehr mag...)

    Abgesehen davon - wie Jenna schon sagte - wie soll ich schreiben lernen, wenn ich es nicht tue?


    Nachdem die Beispiele von Sensenbach mit der Buchhandlung zu tun hatte bezog sich das von mir jetzt auf Geschichten die von einem Verlag publiziert wurden (und die ich kaufen wuerde oder auch nicht). Was jemand privat fuer seine Vergnuegen macht oder zum Ueben ist natuerlich seine Sache, und ob ich jemands Schreibuebungen fertig lese oder nicht ist halt meine Sache. :)

    Ich will um Himmels Willen niemanden abhalten so lange zu schreiben wie er mag - aber meine Erwartung als Leser ist dass ein Spannungsbogen nach einer vernuenftigen Zeit abgeschlossen ist - das ist alles.


    (Ich nahme mal an dass Filmzuschauer auch erwarten wuerden dass ich imstande bin in weniger als 3 Stunden irgendwas abzuschliessen...)

    Genre... kann ich ehrlich gesagt nur mit der Grobeinteilung was anfangem, ich gestehe dass ich keine Ahnung habe wo der Unterschied zwischen High Fantasy und Low Fantasy anzusiedeln ist obwohl ich jetzt schon recht lange Fantasy-Leser bin (wenn mir das mal jemand erklaeren will, gerne). Daher bin ich auch nicht leicht zu enttaeuschen wenn jemand das Genre wechselt.

    Serie... ich sag' gerne ganz boese, wenn man eine Geschichte nicht in ~1000 Seiten abschliessen kann, dann kann man keinen Spannungsbogen erzaehlen und sollte das erst mal lernen bevor man schreibt. Also - Serien mit abgeschlossenen Spannungsboegen in jedem Band in denen man die Protagonisten wiedertrifft, wo man aber jedes Buch fuer sich lesen kann - von mir aus gerne und immer. Serien mit 10 Handlungsstraengen die sich durch 25 Baende durchziehen und man in jedem Buch jeden der Straenge zweimal zu sehen bekommt so dass sich die Handlung im Schneckentempo bewegt verweigere ich als Leser rigoros.

    Archetypen... Woerter bedeuten halt was (und generell erwarte ich als Deutsch-Sprecher dass deutsche Woerter in ihrer richtigen Bedeutung verwendet werden) - wenn ich 'Vampir' sage aber der Typ im Buch zeichnet sich dadurch aus dass er sich bei Vollmond in einen Wolf verwandelt, dann spiele ich nicht mit einem Klischee, sondern ich nehme einfach das falsche Wort. Wenn ich was beschreiben will, fuer das es kein Wort gibt weil ich das Ding erfunden habe, dann kann ich ja auch den Namen dazu erfinden. Wenn ich 'Pferd' sage, erwartet der Leser zu Recht ein vierbeiniges, fellbedecktes Reittier mit Maehne, und wenn das in meiner Geschichte fliegen kann, dann kann ich es ja 'Wolkenpferd' nennen. Wenn ein Autor es nicht hinbekommt, deutsche Woerter in ihrer richtigen Bedeutung zu verwenden, dann sehe ich als Leser das allgemein nicht als Zeichen seiner Phantasie sondern als mangelnden Willen, mit dem Leser zu kommunizieren.

    Ich hab' als Leser eher ein paar Negativpunkte - wenn die auftauchen lege ich das Buch (und im Extremfall den Autor) zur Seite - kann man jetzt auch Erwartungen nennen, aber es ist eher die Erwartung das bestimmte Dinge nicht passieren:

    * Ich mag als Leser nicht platt belehrt werden. 'Krieg = sinnlos und boese' hab' ich im Deutschunterricht an der Schule bis zum Erbrechen rezitieren muessen - ein guter Autor schafft es, die Position seiner Figuren zu Themen klar zu machen, aber mich selbst meine Schluesse draus ziehen zu lassen. Generell mag ich ambivalente Situationen wo unterschiedliche Weltanschauungen sich treffen, wenn die Geschichte auf eine deutliche 'Moral' zusteuert, dann aergert mich das meistens (vor allem weil 99% der Fantasyautoren keine Ahnung von echter Moralphilosophie haben und das Ergebnis dann dementsprechend unbefriedigend ausfaellt).

    * Ich mag als Leser nicht verarscht werden. Klingt trivial - aber was meine ich damit? Wenn ein Autor mir eine Figur zur Identifikation anbietet und die tiefsinnig darstellt, dann bin ich bereit mitzugehen. Wenn er dann spaeter die Handlung in Parodie aufloest und im Endeffekt sagt 'War alles nicht so gemeint, heheh' - dann fuehle ich mich nicht fuer voll genommen. Parodie und Klamauk auch gerne mal - aber dann von Anfang an klar erkennbar.

    * Ich mag als Leser nicht wenn der Autor sich nicht an seine eigenen Regeln haelt. Wenn irgendwo in einer Geschichte das Naturgesetz X oder die Art Y wie Magie funktioniert aufgestellt wurde, und dann spaeter - hehehe - das genaue Gegenteil passiert weil - ich weiss auch nicht, es ist ihm halt nichts eingefallen - dann aergert mich das massiv. Ich will eine faire Chance mich in eine Welt einzudenken, und das bedeutet dass Regeln eben auch gelten und nicht eingefuehrt und gestrichen werden wie's grade passt.

    * Ich mag als Leser nicht wenn der Autor nicht zum Punkt kommen kann - ich mag ausfuehrliche, detaillierte Beschreibungen gerne, aber wenn nach 100 Seiten nicht zu erkennen ist worum es in der Geschichte geht (ich kann gerne einen falschen Eindruck haben den ich spaeter korrigiere - aber wenn ich so gar keinen Eindruck habe...) - dann ist irgendwas nicht in Ordnung und das Buch disqualifiziert sich.