Der schlimmste Dämon.
von @Aztiluth
Der Kopf war ab. Sauber abgetrennt, von einem einzelnen Schwerthieb. Es blieb Yoenig nicht viel Zeit. Akkurat und schnell nähte er Venen, Adern, Muskeln, Gewebe und Haut zusammen. Der magische Faden würde halten, Iasey würde überleben... wenn Yoenig dessen Seele schneller aus der Hölle holen konnte, als die Dämonen sie auffraßen.
*
Es war dunkel und stickig. Angst durchflutete seine Gliedmaßen, während er sich zwischen zwei Felsen versteckte. Es war wieder so knapp gewesen.
Iasey liebte und hasste diesen Ort. Er wusste, dass er es verdient hatte hier zu sein. So war er ganz fasziniert von den Methoden die die Dämonen pflegten, um sich zu amüsieren. Wie sie die Gesichter der Sündiger in die Lavaflüsse drückten. Sein Herzschlag beschleunigte sich wenn er die gequälten sah. Wie sie weinten und flehten während die geschmolzenen Lippen und die verbrannten Ohren sich regenerierten, nur um kurz darauf wieder unter das zähe, heiße Rot gedrückt zu werden. Oft konnte er sich ein lächeln nicht verkneifen. Iasey ergötzte sich am Leid Anderer. So sehr, dass er sich wünschte ein Dämon zu sein.
Keine Sekunde würde er zögern, wenn er einer von ihnen werden könnte. Aber seine Seele würde immer die eines schwachen Menschen bleiben. Und egal wie bösartig er zu Lebzeiten war, er blieb ein Mensch und musste für seine Grausamkeiten büßen, sollten die Dämonen ihn erwischen. Also versteckte sich Iasey. Er wusste, dass er ein Heuchler war. So sehr er das Leid genoss, so wenig wollte er es selber erleiden.
Wann immer es ging, so lange er konnte, lernte er aus dem Verborgenen heraus. Speicherte Ideen und Kniffe, lernte aus der Ferne wie man die Folterinstrumente verwendete. In seinem nächsten Leben würde er der größte und grausamste Forscher seiner Zeit werden. Ganze Zivilisationen würden ihn fürchten und Tausende würde er vernichten.
Iasey machte sich nur Sorgen darum, dass er bei der Wiedergeburt alles vergessen könnte. Aber einen abgetrennten Kopf konnte auch sein bester Freund Yoenig nicht heilen. Oder doch? War das nicht nur möglich mit Hexenwerk, welches der Magier doch so verabscheute? Würde er einen so faulen Zauber sprechen, um ihn zurück zu holen? Iasey hoffte es natürlich, aber er war zu realistisch. Niemals würde der eher gutherzige Yoenig für ihn drei andere Menschen opfern. Oder waren es sogar Vier?
"Da ist der Wurm!"
Der Ruf riss Iasey aus seinen Gedanken. Ein stinkender Dämon, schleimig und mit drei Reihen an dünnen, spitzen Zähnen, starrte ihn an, grinste und lief zu ihm. Iasey stand auf, schluckte und rannte so schnell er konnte davon. Es sollte ihm nichts bringen. Zu viele Dämonen schlossen sich der Jagd an und alsbald war der sadistische Mensch gefangen.
Er schrie nicht. Er flehte nicht. Aber das weinen konnte er sich nicht verkneifen, so sehr Iasey es auch versuchte. Er wehrte sich so viel er konnte, während zwei große Dämonen ihn zum Fluss aus Lava zerrten und kleinere Teufel um sie herumsprangen.
Es stank nach Schwefel und Iasey spürte die Hitze, als sie ihn auf die Knie zwangen. Eine große Hand drückte seinen Kopf runter. Langsam. Die Dämonen lachten, während Iaseys Augen tränten und die Dämpfe ihm die Luft raubten. Der Schmerz war schon groß, obwohl sie sein Gesicht knapp 20 Centimeter über der Lava hielten. Er hoffte, dass er niemals betteln würde aber er wusste, dass Folter selbst den stärksten Geist brechen konnte. Sein Kopf wurde weiter runter gedrückt, bis er kurz davor war, untergetaucht zu werden. Es war Heiß. Die Lunge brannte wenn er atmete, die Augen trockneten aus und das Blut rauschte ihm so schnell durch den Kopf, dass er das Gelächter nicht mehr hörte.
Iasey kniff die Augenlider fest zusammen, versuchte sich auf den unfassbaren Schmerz vorzubereiten. Aber der Druck lies nach, das Atmen schmerzte nicht mehr. Nur sein Rachen war trocken und er spürte einen stechenden Schmerz am Hals. Als nach einigen Minuten nichts passierte, öffnete er die Augen.
Die Steinmauern kamen ihm bekannt vor. Er war in Yoenigs Schloss! Freudig setze er sich auf und bereute es alsbald. Durch den Ruck fühlte es sich so an, als ob sein Kopf fast vom Hals gefallen wäre. Es tat weh und fühlte sich unangenehm an. Mit beiden Händen hielt er sich dort fest, atmete frische Luft ein und aus. Nur ganz vorsichtig schaute er sich weiter in dem Raum um.
Er saß auf dem Boden und hatte nichts weiter als eine Tunika an. Um ihn herum lagen vier Leichen und Yoenig. Sein bester Freund und Lebensretter, saß an eine Wand gelehnt und schlief. Oder war er...? Panik stieg für eine lange Sekunde in Iasey auf, aber der Magier atmete noch. Mehr als das, er blinzelte und wurde wach.
*
Es war ein schwerer Hexenzauber gewesen. Yoenig hasste dieses Volk mit ihren dreckigen, unfairen Hexereien. Nekromantie, Blutmagie, und das ganze wiederwertige, unnatürliche Zeug, was manche als Hexenmagie bezeichneten. Er konnte nur auf den Boden spucken, wann immer er das hörte. Pah! Hexen mit Magie in einem Satz zusammen zu erwähnen war schon Frevel genug. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass er sich mal derer Zaubereien bedienen musste.
Yoenig wusste von Iaseys Schandtaten. Von seinen Gelüsten und Wünschen. Von dem unermesslichen Sadismus, der seinen Freund so beherrschte. Und er missbilligte es. Es wäre besser gewesen, den jungen Foltermeister in der Hölle zu lassen. Besser für alle Wesen auf der Welt. Aber er konnte unmöglich zulassen, dass Iasey gefoltert wurde. Auch nicht, wenn er es am meisten verdiente.
Als er die Augen öffnete sah er ihn in der Mitte des Bannkreises sitzen. Iasey grinste dankbar und rieb sich den vernarbten Hals. Yoenig schmunzelte auch. Er hatte den wohl schlimmsten Dämon aus der Hölle geholt, den die Welt je gesehen hatte. Er hatte dafür faulen, dreckigen Hexenzauber gebraucht und vier unschuldige Menschen wurden dafür geopfert. Und doch bereute Yoenig nichts.
Er stand auf, lief zu Iasey und reichte ihm die Hand.
"Willkommen zurück"