Beiträge von Thorsten im Thema „Die Hexe von Roden auf dem Berge“

    Was mir missfallen hat ist dein apodiktischer Stil, auch wenn du es wahrscheinlich nicht so gemeint hast.


    Okay, danke fuer das ehrliche Feedback - dann lassen wir das einfach in Zukunft :) (es ist fuer alle Parteien am angenehmsten wenn ich mit den Autoren arbeite, die mit meinem Stil zu kommentieren was anfangen koennen - ich will da sicher niemand nerven - daher, kurze Info genuegt, und ich verbringe meine Zeit anderswo).

    Ich hab mal gelernt, dass der Autor dem Leser das Denken nicht abnehmen soll.


    Der Autor verfuegt ueber privilegierte Information ueber die Geschichte - er hat die Zusammenhaenge im Kopf und weiss was er alles nicht aufgeschrieben hat (der Krimi-Autor weiss normalerweise von Seite 1 an wer der Taeter ist).

    Die Kunst ist es, dem Leser den Teil der Information zu geben den er braucht um die Geschichte zu verstehen - ein Krimi-Autor kann dem Leser zwei wichtige Zeugenaussagen vorenthalten, und natuerlich wird dann der brilliante Ermittler auf die Loesung kommen bevor der Leser draufkommt - das ist dann ein schlechter Krimi, und dem Leser an den Kopf zu knallen dass er ja aus dem Verhalten des Kommissars mit ein bisschen Nachdenken schliessen koennte was die Aussagen gewesen sein koennten macht den Krimi nicht besser.

    Der Punkt bei Dir ist - wir erhalten von Anfang an detaillierten Einblick in das Innenleben der Figuren - wir erfahren bei seinem ersten Auftauchen dass Sonnleitner aus unlauteren Motiven handelt - nur bei den Schluesselstellen spaeter aendert sich der Erzaehlstil ohne Grund und wir bekommen diese Information nicht mehr.

    Ich denke ja, denn es ist Fantasy, und eine fantastische Erzählung muss nicht unbedingt die Realität abbilden.


    Ehrlich gesagt ist es eher eine historische Kurzgeschichte - ich kann jetzt kein Fantasy-Element erkennen.

    Du kannst Dich natuerlich drauf rausreden dass in Deiner fiktiven Welt die Menschen anders sind und denken als Menschen auf der Erde und dass man deshalb ihre Beweggruende nicht so verstehen kann wie man die von wirklichen Menschen verstehen wuerde - aber solche Unterschiede zwischen Deiner Fantasy-Welt und der wirklichen waeren eher noch mehr ein Grund, die (dann ganz andere) innere Motivation der Protagonisten genauer zu erzaehlen.

    Oder kurz gesagt - wenn's nicht plausibel ist weil Fantasy, dann kann man auch durch Denken nicht draufkommen.


    Das Schicksal in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf, und es mach Bocksprünge


    Nu ist es ja der Sonnleitner der die Eva-Maria reingeritten hat und nicht das Schicksal...

    weil sie in ihrer Not jetzt sogar dem Leibhaftigen gefolgt wäre. Und S. hofft immer noch auf ihre Gunst, jetzt, wo er seinen Rivalen vernichtetet hat.


    Welche Not? Und welche Vernichtung des Rivalen? Der letzte Stand war

    Noch in der gleichen Stunde packte sie ein paar Sachen zusammen und siedelte in den Turm über. Marten nahm in der Werkstatt seines Bruders Quartier


    Der Herr Holzapfel ist also in Sicherheit, nicht vernichtet nach allem was ich weiss. Und die Eva-Maria ist freiwillig in den Rosenturm gegangen - auch um ihrer Sicherheit willen. Da ist sie dann von den Aufruehrern raus - und vom Sonnleitner (wegen ihrer Sicherheit - abermals) in den Bunker transferiert worden.

    Warum die sich so in der Not sieht (das wahrscheinlichste Szenario ist ja, dass die Ordnung wiederhergestellt wird) ist mir nicht richtig klar. Ihr Letzter Stand der Ketzereiverhandlungen war ja auch dass die auf freien Fuss gesetzt wird - davon dass da noch ein dickes Ende kommt kann sie eigentlich nix wissen.

    Schon am frühen Morgen fanden sich die ersten Schaulustigen ein. Gegen neun Uhr, zum morgendlichen Angelusläuten, war der Platz vor dem Rosenturm, auf dem die Hinrichtungen stattfinden sollte, von einem bunt-wogenden Menschengewühl erfüllt.


    Okay, wieder ein recht harter Zeitsprung bei dem die Niederschlagung des Aufstands ein bisschen unterschlagen wurde.


    Der Leser macht sich so seine Gedanken. Ist S. vor Liebe blind? Will er etwas wieder gut machen?


    Dieser Leser fragt sich - ist die Geschichte so plausibel? Hat sich der Autor irgendwo verheddert?

    ***

    Gut, also nachdem das das Ende sein soll frage ich mich ein bisschen - was ist der Punkt der Geschichte? Worauf laeuft es nun hinaus? Was mich interessieren wuerde waere der Sonnleitner - warum tut er was? Der ist der interessanteste Typ hier, gefolgt von der Eva-Maria. Die Geschichte koennte als Psychogramm dienen. Aber das tut sie nicht, denn an der entscheidenden Stelle soll ich mir hier selber Gedanken machen.

    Finde ich jetzt enttaeuschend, sorry. :(

    Was wuerdest Du sagen ist der Punkt - auf einen Satz gebracht? Wovon erzaehlt die Geschichte?

    „Legt die eisernen Bänder vor die Tür“, befahl der Bürgermeisterr, „und dann lasst Euch herunter!“
    Im flackernden Laternenschein hasteten sie gebückt dem Ausgang zu.


    Da stellt sich mir die Frage - wenn sie den Sonnleitner grade noch als den Teufel selber gesehen hat - warum geht sie dann so ohne weiteres mit ihm mit? Sie hat ja keine Ahnung warum er da jetzt kommt oder was er mit ihr vorhat - bisher war es ja nicht so toll was er ihr eingebrockt hat.

    Auch spaeter - der Sonnleitner gibt also alles auf was er so an Wuerde und Ansehen hat um die Eva-Maria zu retten? Da haette ich mir schon ein bisschen mehr Einblick gewuenscht was ihm da jetzt durch den Kopf geht - am Ende ist er vom Buergermeister zum Fluechtenden geworden ohne viel gewonnen zu haben...

    Schoen beschrieben wie der Mob sich so formt und Fahrt aufnimmt - gefaellt mir.

    Der Sonnleitner ist ja schon so ein Hund... Dafuer dass er am Anfang die Eva-Maria so drangehaengt hat, reisst er sich jetzt ganz schoen einen aus um sie zu retten. Aber irgendwas sagt mir, dass sie ihn trotzdem nicht moegen wird...

    Ich wuerde den Hinnak vielleicht am Anfang nicht einen Landstreicher nennen, sondern von mir aus den oertlichen Trinker oder so - das wuerde eher erklaeren wieso alle so loyal zu ihm sind.

    Jetzt geschah etwas, das die Verblüffung der Anwesenden noch weiter steigerte: Die Beklagte löste sich aus ihrer Bank, fiel vor dem Monsignore auf die Knie, ergriff seine Hand, küsste den Ring und murmelte: „Euer Liebden! Ihr seid ein guter Mensch! Segnet mich!“


    Ja, da wuesste man jetzt wirklich gerne was die Vorgeschichte mit dem Dorfpfarrer ist - das deutet alles darauf hin dass da unter der Oberflaeche was ganz anderes brodelt, aber wir bekommen das nicht so richtig zu sehen.


    Sonnleitner verließ zufrieden das Amtsgericht. Es lief alles nach Plan


    Ja, der Leser raet an der Stelle etwas - Labelli hat ja darauf plaediert, sie einstweilen frei zu lassen - aber wir haben nie gelesen dass das daraufhin wirklich so entschieden wurde.

    Was das 'aus der Schusslinie' dann genau bedeutet? Das wurde mir erst beim naechsten Abschnitt klar, wo dann impliziert wird dass sie wohl freigekommen ist, aber es waere irgendwie leichter zu lesen wenn noch ein Abschnitt darueber waere was genau das Gericht entschieden hat.


    Gegen Ende des Monats, zur besten Erntezeit, zogen heftige Unwetter, verbunden mit Starkregen und Hagelschlag, über das Land.

    Und hier kommt auf einmal ein heftiger Zeitsprung - da musste ich zweimal lesen um zu begreifen dass wir jetzt wirklich nichts mehr ueber Frau Holzapfel im Gericht lesen werden.


    Allenthalben wurden Rufe nach tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen laut.


    Klingt ein biisschen nach Politologieseminar, weniger nach dem Erzaehlstil bisher.

    Ausserdem ist mir nicht klar, warum Naturkatastrophen den Wunsch nach gesellschaftlicher Revolution befoerdern sollten - eher plausibel ist ja, dass man sich erst mal von Adel und Kirche Hilfe erhofft

    Aber dass man jetzt einen der Ihren nach einem lächerlich kurzem Verfahren aufgrund eines unter der Folter erpressten Geständnisses hinrichten wollte, das empfanden die Leute als eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

    Huh? Wenn der als uebler Bursche und Landstreicher bekannt war, dann weiss ich nicht ob die ihn als 'einen der ihren' sehen wuerden - Landstreicher sind eher nicht so bei den eingesessenen mit dabei.

    Die Geister die der Sonnleitner da rief.... die wird er jetzt schwer wieder los. Gut geschildert, wie sich das so verselbststaendigt.

    Ein paar Anmerkungen zum drueber Nachdenken:

    Ein Beutel Dukaten für jeden dieser Kerle wäre wirksamer gewesen als die Drohung mit der Inquisition.


    Der Golddukat ist einiges wert (wenn ich nach heutigem Goldpreis gehe, dann kommt er auf ~120 Euro pro Muenze) - ein ganzer Beutel davon ist eine Menge an Bestechungsgeld um es mal einfach so auszugeben... Ist er so reich?


    „Euer Wohlgeboren, das wird nicht gehen“, gab er zur Antwort

    Wieder was gelernt - ich dachte eigentlich die Anrede waere fuer Adelige, aber sie ist tatsaechlich fuer hochstehende buergerliche (musste ich nachschauen) - gut recherchiert!


    Unser Herz verlockte zu früh.

    Frohlockte?

    Doch die Frau war die moralisch stärkere, denn so stark wie sie hassen konnte, so stark konnte sie auch lieben. Der Pfarrer jedoch konnte nur hassen.


    Diese Art, mir als Leser meine Schlussfolgerung wer jetzt moralischer oder staerker ist einfach vorzuschreiben mag ich eher nicht. Ich schau' mir lieber selber an was die handelnden Personen tun und bilde mir daraus mein eigenes Urteil.

    Auch - warum kann der Pfarrer nur hassen? Es faellt mir schwer, mir irgend einen Menschen vorzustellen der nichts und niemand lieben kann - auch die uebelsten Nazis und KZ-Aufseher wurden oft als warme Menschen im Kreis ihrer Familien beschrieben.

    Sie blickte der Pfarrer höhnisch an. „Hochwürden“, zischte sie, „damit könnt Ihr mich nicht einschüchtern! Da drin ist nicht der Leib Christi, das ist nur ein Stück Brot! Davon könnt Ihr Euch selbst überzeugen. Legt es acht Tage in den Brotkasten, und es ist verschimmelt.“


    Ja, warum tut sie das?

    Auf einer Ebene ist die Frage - begreift sie nicht, dass sie in grosse Schwierigkeiten kommen kann? Hat sie schon lange eine Fehde mit dem Pfarrer die sich hier Bahn bricht? Wir wissen es nicht genau - so bleibt ihr Verhalten raetselhaft.

    Auf einer subtileren Ebene - sie scheint hier sehr Kind der Neuzeit. Wie relativ oft in historischen Romanen - die Protagonisten denken modern und sind umgeben von dumpfen, aberglaeubischen, engstirnigen Leuten die in ihrer Zeit gefangen sind. Das Ding ist - genau wie wir daran glauben dass man mit bedrucktem Papier bezahlen kann (was einem Suedseeinsulaner absolut laecherlich vorkommen wuerde, denn das hat ja keinen praktischen Wert) haben die Leute frueher tatsaechlich an die Wirkung von Reliquien geglaubt - und das war nicht mehr oder weniger bloed als unser Glaube an die Wirkung von bedrucktem Papier.

    Warum also kann Frau Holzapfel hier so aus ihrer Zeit rausspringen? Sie ist ja keine Gelehrte, hat keine Philosophie gelesen,...

    Der gute (böse) Bürgermeister ist ein interessanter Charakter, eigentlich DER interessante Charakter deiner Geschichte bisher.


    Ja, bisher finde ich den auch am interessantesten gezeichnet. Mal schauen, ob er es noch bereut die Eva-Maria da reingeritten zu haben...

    ***

    Auch im zweiten Teil finde ich uebrigens den Stil recht gut durchgehalten

    der Bügerrmeister ist dort als aufgeklärte Autorität bekannt.


    Die Antwort verstehe ich leider nicht - ich hatte mich darueber gewundert dass es in einem kleinen Doerfchen schon einen Buergermeister gibt (das ist ja auch heute nicht in jedem kleinen Dorf der Fall).

    Ansonsten, nur um sicher zu gehen - moechtest Du ueberhaupt Kommentare zum Text? Manche Deiner Antworten klingen eher ablehnend - mir ist's so oder so recht, ich wuerde es nur gerne wissen.

    Interessanter Ansatz - ich bin mal gespannt wohin das fuehrt.

    Stilistisch finde ich es am Anfang schoen im Stil von Werken wie dem 'Rheinischen Hausfreund' geschrieben, das passt ganz gut - aber an ein paar Stellen faellst Du aus dem Stil, z.B.

    Wenn die Hebamme dicht hielt, bestand ja fürs erste auch keine Gefahr

    'dicht halten' mutet mich eher modern an.

    De Burgemeester!

    Ich dachte wir sind auf einem kleinen Doerfchen? Da haette ich jetzt keinen Buergermeister vermutet, die waren eher in der Stadt angesiedelt.