Beiträge von McFee im Thema „Der Blaue Turm“

    Gilden...

    Ich las den Bergriff in diesem Zusammenhang bei J. Wolff, Der Sülfmeiter, ein 19.-Jahrh.-Roman der Lüneburger Stadtgeschichte. Bei Wikipedia steht auch: "...Im weiteren Sinne wurden mit dem Begriff (Gilde) auch Handwerkergenossenschaften erfasst." Wie dem auch sei, "Zünfte" erscheint mit tatsächlich angemessener.

    Sollte es irgendwo schon einen "Krieg der Würste" geben, so würde ich gerne wissen wo, um möglicherweise umzudisponieren, denn als Plagiator möchte ich nicht dastehen.

    Dass die einzige Erkenntnis daraus aber die sein soll, daß sie sich angesichts der miserablen mittelalterlichen Hygieneverhältnsse jetzt sorgfältiger die Zähne putzen und Kürbissuppe genossen statt gemieden wird, finde ich zu dünn.

    Das sind ja nur äußere Anzeichen dafür, dass sich in den beiden ertwas verändert hat, worüber sie sich aber ausschweigen. Sagt das nicht schon genug? Und ein Psychogramm wollte ich jetzt nicht noch hinterherschicken. Auch wollte ich keine tiefschürfende Mittelalter-Studie abliefern (von denen es sicherlich hunderte gibt), sondern eine leicht lesbare humoristische Erzählung (bierernste gibt es sicherliche auch genug) mit interessanten Infos, eine "nette kleine Story"...

    LG

    Ach ja...

    Habe mich nur nebenbei gefragt, was zur Hölle der für eine Nachrichtensendung schaut, wenn die Moderatorin da einen "Schlafzimmerblick" drauf hat...

    Die Dame fängt mit S an und hört mit a auf. Ein rein persönlicher Eindruck von mir...

    Hay Der Wandere und hey Stadtnymphe,

    ich antworte erst jetzt, nicht aus Faulheit, sondern weil ich eine Weile off-line war. Zunächst vielen Dank für eure Anteilnahme. Ja, das falsche z... Der Dichter Horaz meinte einmal, man solle ein Werk erst dann veröffentlichen, wenn es zehn Jahre gelegen hat. Diese Zeit habe ich nicht, dafür habe ich es mindestens 10mal gelesen. Es ist eine Teufelei...

    ...mischt sich... Hier schwebte mir vor, dass die Leute beides zugleich hören, nicht nacheinander

    ...übrig bleibt... dieser Satz ist so auch unter semantischen Kniefällen nicht zu retten. Ich werde ihn verbessern.

    Es folgt der Schluss der Geschichte.

    LG. McFee

    12

    Doch allmählich gewann Taifan die Fassung wieder. „Einen tollen Vater, hast du, Ursula“, sagte sie, „er hat den Bären ja regelrecht verhext.“

    „Naja, Hexerei war´s nicht gerade... Papa hat ihn abgelenkt und beruhigt. Außerdem war der Bär ja schon so gut wie tot.“

    „Was hat dein Vater eigentlich zu dem Bären gesagt?“, wollte Kevin wissen, „oder hat er nicht zu ihm gesprochen?“

    „Doch, doch, hat er. Aber was er gesagt hat, weiß ich nicht, denn ich war ja nicht dabei. Aber er hat ihm bestimmt keine Narrenweisheiten erzählt!“

    Im Ratskeller war anscheinend Streit ausgebrochen.

    „Da habt ihr ganz Recht, Meister!“, schrie gerade ein langer Kerl mit einer Zipfelmütze auf dem dreieckigen Kopf. „Handwerker müssen in den Rat! Handwerker! Auch Zünfte müssen im Rat vertreten sein! ´ne große Sache!“

    „Alle?“, rief eine hohe Stimme, „nun haltet mal die Beine still, Timmo Senkstake! Alle Zünfte sind nicht nötig! Nur die größten sollen es sein, die Brauer, die Böttcher, die Bäcker, die Schneider, die... die –“

    „Die Schuster!“

    Grobes Gelächter.

    „Hahaha, natürlich, die Schuster –“, rief einer.

    „Vieles, was dem Rat wichtig ist, geht einem Schuster am Arsch vorbei!“, fistelte jemand.

    Ein anderer, wütend: „Dahlenborg, mäßigt Euch!“

    „Wenn der Schuster stirbt, kriegt der Gerber sein Fell!“, krähte es aus einem Winkel. Gelächter.

    „Ruhe!“ donnerte ein breiter Mann und erhob sich, „so können wir nicht miteinander reden! Timmo hat Recht! Wenn wir – – “

    Kevin: „Sag mal, Ursula, geht das hier immer so hoch her?“ Doch Ursula ist verschwunden.

    „Seltsam“, murmelt Taifan, „die Tür da kommt mir irgendwie bekannt vor! Hier waren wir schon mal.“ Jetzt öffnet sich die Tür – wer steht da vor ihnen? Der Vater! Schlagartig ist auch der Lärm verstummt, und aus dem prächtigen Ratskeller ist ein gewöhnlicher, weiß gestricheren Gang geworden.

    „Ich wollte gerade nachschauen, wo ihr solange bleibt“, brummt er.

    „Waren wir denn lange weg?“, fragt Taifan.

    „Auf jeden Fall länger, als man normalerweise für einen Toilettengang braucht!“

    „Kind, wie siehst du denn aus?“, ruft Frau Sarrazin entsetzt, als Vater, Tochter, Sohn wieder am Tisch stehen, „Taifan, ist dir nicht gut?“

    „Doch, doch, es geht schon wieder“, weicht Taifan aus, „weiß auch nicht, was mit mir los ist.“

    „Wo ist denn der Herr Stadtnarr?“, will Kevin wissen.

    „Der hat sich wieder ins närrische Treiben gestürzt und lässt herzlich grüßen!“ Herr Sarrazin nimmt ein grünes Büchlein vom Tisch und hält es seinem Sohn hin. „Das schenkt er dir, seinem 'Kollegen in Sachen Mittelalter.' Hab schon mal kurz geblättert... Ein Ritterroman. Scheint ziemich bizarr zu sein.“

    *

    Zwei Tage später.

    Herr Sarrazin lässt sich wohlig stöhnend in seinen Sessel fallen. Auf einem Tischchen mit Löwenfüßen stehen ein Weinglas, eine Flasche Spätburgunder sowie eine Kristallschale mit Gebäck.

    Er schenkt sich ein, trinkt, leckt sich die Lippen und nimmt einen Keks. Dann schaltet er den Fernseher ein. Seine Frau sitzt neben ihm und stopft Socken.

    Was ist bloß mit den Kindern los, denkt er, während die gutaussehende Sprecherin mit dem Schlafzimmerblick die Tagesmeldungen intoniert. Seit wir vom Sülfmeisterfest zurück sind, sind sie wie ausgewechselt! Tun geheimnisvoll, tuscheln, blicken sich sonderbar an, und plötzlich ist Kürbissuppe keine Moppelkotze mehr, sondern eine anständige Mahlzeit, und man putzt sich jetzt auch ordentlich die Zähne. Ts... ts... Irgendetwas Seltsames haben sie erlebt, die beiden. Vielleicht erzählen sie es ja mal. Wenn nicht – auch gut. Jeder Mensch braucht ein Geheimnis...

    Ein Zimmer weiter.

    Kevin schaltet die Spielkonsole aus. Für heute hat er genug Cyber-Monster erledigt. Außerdem ist er hundemüde. Sein Blick fällt auf das schmale Buch mit dem grünen Cover, das Geschenk des Lüneburger Stadtnarren. Gelangweilt nimmt er her.

    Vrouwen dienest

    Die Abenteuer des tapferen Ritters

    Mundburt von Wolkenstein, erzählt von ihm selbst.

    Neu herausgegeben und mit Anmerkungen versehen

    von

    J. Schreyvogel,

    ao. Prof. an der +++- Universität zu Lüneburg


    Er gähnt. „Papa glaubt doch nicht im Ernst, dass ich das lese! 'Vrouwen dienest', so´n Quatsch! Und dann wahrscheinlich auch noch eine Liebesgeschichte! Ist schon mal überhaupt nicht mein Fall!“ Er nimmt das Buch, blättert gelangweilt, liest:

    ...hörte die Hebamme schreien: „Jessesmariachosseff, das Kind ist weg, das Kind ist weg!“, worauf mein Vater nach einem kräftigen Rülpser zurückrief: „Kein Problem, Frau Amme, dann machen wir eben ein neues! Wer das erste geschafft hat, schafft auch ein zweites!“ Inzwischen hatte ich mich auf gut Glück weiter nach oben gestrampelt, gelangte durch einen engen, gewundenen Schlauch in die untere Hohlvene meiner Mutter (später habe ich diesen Fluchtweg an einer geschlachteten und halbierten Sau rekonstruiert), von da aus über die Lunge in die Luftröhre, worauf meine Mutter fürchterlich husten musste. Alles weitere ging jetzt so schnell, dass es einer genauen Beschreibung spottet; nur soviel: Plötzlich war um mich eine rasende Helligkeit, ich fand mich in einem Tuch wieder, und meine Mutter rief: „Das ist es ja, das Kind, mein Gott, wie kann das sein?“ Jetzt wurde es dunkel, denn Vater und die Amme beugten sich über das Tuch. „Potztausend!“, rief Papa, „eine Mundgeburt! Also soll der Kleine Mundburt heißen...

    Kevin blättert weiter, da steht:

    Kapitel 4. Gerlind näht Acephalos den Kopf an. Landung auf Heparis. Der Krieg der Würste.

    Kapitel 18. Mundburt trifft einen halbierten Ritter und nimmt ihn als Knappen an.

    Es wird schon wieder hell, da endlich dreht Kevin die letzte Seite um. Gut, dass heute Sonntag ist...

    ____________________________

    Wer wissen will, wie es weiter geht, kann die Erzählung „Vrouwen dienest“ demnächst hier im diesem Unterforum anklicken.

    Bei den Lanzenreitern ging es nicht zimperlich zu. Immer wieder stießen sich die Reiter unter dem schadenfrohen Gelächter der Zuschauer vom Pferd und versuchten anschließend, wieder aufzusitzen, was in voller Montur nicht leicht war und noch mehr Heiterkeit erzeugte; manchem gelang es erst beim dritten Anlauf. In ihren Rüstungen, kochend vor Hitze und mit Schweiß in der Nackengrube, glichen sie blechgefiederten Hennen, die verzweifelz versuchten, das Fliegen lernen.

    Taifan, im Gegensatz zu Kevin, der sich köstlich amüsierte, schien nicht so recht Gefallen an dem Spiel zu finden, was Ursula nicht entging. „Wo bist du gerade?“, fragte sie.

    „Ich bin immer noch bei dem dicken Mönch und seiner blutbeschmierten Lanzenspitze. Glaubt der Mann wirklich, was er da erzählt?“

    „Tja, das ist schwer zu sagen... Fakt ist: Die Splitter vom Kreuz des Herrn können unmöglich alle echt sein, denn bei der Vielzahl der Splitter, die es inzwischen in der Christenheit gibt, hätte es einen Wald von Kreuzen geben müssen... Und das mit der Lanzenspitze... Wer kann beweisen, dass sie nicht die Spitze ist, die auf der besagten Lanze saß? Und wer will das überhaupt beweisen?“

    „Aber dann ist das doch auch schon wieder Mummenschanz!“, rief Kevin, der mitgehört hatte.

    Gerade fiel wieder einer der 'Ritter' vom Pferd; wegen des anhaltenden Gelächters musste Ursula mit der Antwort warten.

    „Es ist kein Mummenschanz!“, rief sie ärgerlich, „es ist eine besondere Form der Wahrheit! Es ist erfundene Wahrheit! Im Kloster Lüne gibt es eine ganze Abteilung, die sich nur mit der Herstellung von falschen Dokumenten beschäftigt. Meist geht es um nachträgliche Schenkungsurkunden, Erbschaftsangelegenheit, Stadtgründungen oder Hafengeburtstage. Die Auftraggeber wissen, dass das, was sie da in Auftrag geben, nicht stimmt, dass es erfundene Wahrheit ist. Wichtig ist, dass die Dokumente gewichtig aussehen und Ehrfurcht erwecken. Vor einiger Zeit ging ein Dokument raus mit dem Gründungstag des Hamburger Hafens. Natürlich weiß niemand, wann der erste Spatenstich erfolgte, woher auch, denn so ein Hafen entsteht nicht über Nacht. Trotzdem steht ein bestimmtes Datum in der Urkunde! Ich bin keine Hellseherin, aber ich denke, dass die Hamburger ihren Hafengeburtstag auch in fünfhundert Jahren genau an diesem Datum feiern werden, obwohl sie wissen, dass es nicht stimmt. Es ist ein einträgliches Geschäft, genauso wie der Ablasshandel. Warum auch nicht? Mit dem Geld werden Leprastationen und Waisenhäuser für Findelkinder finanziert. Die Leute glauben daran, oder auch nicht, was soll´s... Und manchmal hilft so eine Reliquie tatsächlich.“ Ursula nestelte an ihrer Halskrause herum und zog ein kleines Amulett hervor. „Schau, Kevin, in diesem Amulett befindet sich ein winziger Fetzen Leinwand vom Leichentuch Jesu. Ob er echt ist oder nicht, wer weiß? Fakt ist jedenfalls, bisher bin ich von den Blattern verschont geblieben – ein kleines Wunder.“

    Kevin trat dicht an die junge Frau heran und sah ihr in die Augen. „Ursula“, sagte er, „wer bist du? Manchmal redest du wie eine, die in ein zukünftiges Jahrhundert gehört, und dann glaubst du wieder an die Heilkraft von Stoffresten.“

    „Warum willst du das wissen?“

    „Weil ich wissen will, woran ich bei dir bin!“

    „Na gut! Ich bin die Tochter des ehrenwerten Stadtnarren Joachim Schreyvogel.“

    „Das sagtest du schon! Aber wer bist du wirklich?“

    Ursula lachte. „Eine Narrentochter!“ Sie berührte Kevin freundschaftlich am Arm. „Lass es gut sein, mein Freund. Frage nicht, nutze die Gunst der Stunde! Was du hier erlebst, wird nicht jedem Mittelalter-Fan geboten!“

    „Wer war der Mann da eben hinter mir?“

    „Der Stadtrat Viskule. Einer der reichsten Lüneburger. Der kann sich jede Reliquie leisten.“

    *

    Eine Bewegung geht durch die Menge, ein Schrei, dann noch einer: „Der Bär ist los! Der Bär ist los!“

    „Welcher Bär?“

    „Der von der Bärenhatz! Den sie an einen Baum gebunden haben! Hat sich losgerissen, das Vieh!“

    Eine Wand aus schreienden, flüchtenden Menschen kommt auf sie zu, darüber schwebt, mit weit aufgerissenen Rachen und blutunterlaufenen Augen, der Kopf des Bären. In die Schreie mischt sich wütendes Hundegekläff und aufgeregtes Wiehern. Ein Lanzenreiter stürmt in wildem Ritt direkt auf Taifan zu, sie schreit auf; plötzlich stoppt das Pferd, richtet sich hoch auf; der Reiter kippt ab und kollert kopfüber und scheppernd hart vor ihr in den Sand, der herrenlose Gaul stiebt schnaubend davon.

    „Ruhe bewahren!“, ruft Ursula, „euch passiert nichts! Ich sage meinem Vater Bescheid!“ Und weg ist sie.

    Die Menge strebt offensichtlich verschiedenen Stadttoren zu. Ein Teil läuft nach rechts, auf die Buden zu, ein anderer quer über den Platz. Kinder und Alte stürzen und werden in den Grund gestampft. Die Suppenküche fällt, die Grapen* ergießen ihren kostbaren Inhalt auf den Boden. Ein ausgemergelter Kerl geht in die Knie, um die Suppenreste aufzuschlürfen; ein Tritt in den Rücken wirft ihn mit dem Gesicht in die kochendheiße Brühe. Jemand wird auf einen Bratrost gestoßen und schreit wie wild auf, der dicke Mönch, in waghalsiger Verkennung der Gefahr, versucht mit erhobenem Kreuz, den Mob aufzuhalten; er wird überrannt, Glas splittert, das Zelt sackt zusammen, übrig bleibt ein lebloserer Körper in einem Haufen Müll. Vom Novizen ist nichts zu sehen; anscheinend hat er sich beizeiten in Sicherheit gebracht.

    Schon rennt ein Läufer der Stadtwache los, um Verstärkung zu holen.

    Der Bär, von der Hundemeute gehetzt, läuft genau auf die Gruppe zu, die quer über den Platz rennt. Einer der Lanzenreiter versucht, ihn mit seiner Stange abzudrängen. Doch das gewaltige Tier holt aus und versetzt dem Pferd einen schweren Prankenschlag auf den Hals; es geht nieder und begräbt den Reiter unter sich. Mit einem weiteren, wütenden Hieb katapultiert der Bär einen Hund, der sich in seiner Flanke verbissen hat, in hohem Bogen durch die Luft; der Hund bleibt, ein Stück Bärenfell zwischen den Zähnen, zuckend liegen.

    Inzwischen hat der Bär die Gruppe der kopflos fliehenden erreicht, und es kommt zu weiteren, entsetzlichen Szenen. Ein Mann rennt herbei – offenbar der Besitzer des Bären – und hält ihm, um ihn von der Menge wegzulocken, einen blutigen Fleischbrocken vor. Tatsächlich wendet sich der Bär ihm zu, er bleibt stehen – fast sieht es so aus, als wolle er ihm folgen – da macht das Tier eine schnelle Körperdrehung und schlägt dem Mann die Tatze mit aller Kraft ins Gesicht.

    Die Hunde, blind und rasend in archaischer Kampfeslust, greifen jetzt nicht nur die Beine des Bären, sondern auch die der Pferde und sogar der Menschen an – kurz, alles was sich bewegt. Schreie, aus Schmerz und Wut gemischt, gellen über den Platz, Schreie, als rasten Wölfe darin. Ein Lanzenreiter versucht verzweifelt, einen dieser Beißer mit seiner Lanze zu vertreiben. Doch eine zu heftige Bewegung wirft ihn vom Pferd, einem behäbigen Gaul mit behaarten Hufen. Was Minuten zuvor noch schadenfrohes Gelächter ausgelöst hätte – die Leute stürmen achtlos an dem Haufen Blech vorbei, in dem ein Mann um Hilfe schreit.

    Einige beherzte Burschen sind zu den niedergetrampelten Buden gerannt, haben sich mit herausgerissenen Stangen und Pfosten bewaffnet und dreschen jetzt auf die Hunde ein, die an den Beinen der Menschen und Pferde hängen. An den Bären wagen sie sich nicht heran. Denn eben, als er sich aufrichtete, um seinem 'Herrn' den fälligen Lohn für die Quälereien zu zahlen, die er ihm hat zukommen lassen, haben sie eingesehen, dass dieser riesigen Bestie mit einfachen Mitteln nicht beizukommen ist, und Flinten haben nur die Soldaten des Herzogs. Als drei oder vier Hunde mit zerschmettertem Rückgrat zuckend am Boden liegen, ziehen sie sich zurück. Die anderen Mitglieder der Hundemeute hat entweder der Bär erledigt, oder sie haben Reißaus genommen.

    Der Stadtnarr Schreyvogel im bunten Kleid erscheint auf der Stadtmauer und ruft und winkt. „Ho-he-ho“, schallt es herüber,

    „Hatz Fratz Katz

    komm her zu mir mein Schatz

    ich streichle deine Tatz´

    du streichelst meine Glatz!“

    Jetzt geschieht etwas Merkwürdiges: Der Bär, eben noch in rasender Wut Prankenhiebe austeilend, wird auf einmal ruhig. Er bleibt stehen, wittert sorgfältig und mit bebenden Nüstern.

    Wieder schreit der Narr und fuchtelt wild mit den Armen:

    „Hatz Fratz Katz

    komm her zu mir mein Schatz

    ich streichle deine Tatz´

    du streichelst meine Glatz!“

    Der Bär wendet sich nach dem Rufer um und trottet langsam auf ihn zu. An verschiedenen Stellen hängt sein Fell in Fetzen, auch blutet er aus dem Maul und etlichen klaffenden Wunden. Obwohl für den Narren keine Gefahr besteht, denn die Stadtmauer ist hoch, halten die Geschwister den Atem an. Denn noch im Elend ist solch ein Tier ein unberechenbarer Riese. Mit einem knurrigen Brummen und anscheinend zu Tode erschöpft setzt er sich auf die Hinterbeine und blickt zu dem Menschen hoch. Jetzt sieht es so aus, als rede der Narr leise auf ihn ein. Nun fällt des Bären mächtiger Kopf auf die Brust, dann kippt er um und rührt sich nicht mehr.

    Bevor die Geschwister ein Wort wechseln können, wird ihre Aufmerksamkeit schon wieder auf die Probe gestellt: Von der Stadtseite her nähert sich ein johlender Haufen, berittene Stadtdiener und Fußvolk, mit Knüppeln und langen Stangen bewaffnet. Indem sie dem Bären näher kommen, wird das Gejohle leiser, so wie anscheinend ihr Mut auch leiser wird, und erstirbt bald ganz. Schnell ist ein Fischernetz, wie man es zum Stintfang in der Elbe benutzt, ausgebreitet und über den Kadaver geworfen. Und obwohl jemand schreit: „Dä is daut!“, beginnt jetzt ein Spektakel, das in seiner Abscheulichkeit seinesgleichen sucht: Die Männer beginnen, mit den Knüppeln wild auf den toten Bären einzuschlagen, und die mit den Stangen stechen ihn ins Fell. Auf ihren Gesichtern liegt der Hass der Zukurzgekommenen auf alles, was größer, stärker, mächtiger, schöner ist als sie. Als sie aufhören, ist von dem herrlichen Geschöpf nur noch ein blutiger Klumpen Fell übrig. Sie werfen das Netz darum; es wird an ein Pferd gebunden und weggeschleift.

    Schreyvogel ist verschwunden, aber Ursula ist wieder da.

    Taifan hat sich heulend an die Brust ihres Bruders geworfen. „Ich will weg von hier“, schluchzt sie, „weg weg, nur weg! Das ist ja nicht zum Aushalten!“ Sie blickt die Tochter des Stadtnarren entsetzt an. „Ursula, wie hältst du das Leben hier auf die Dauer aus?“

    „Ich versteh dich nicht! Ihr wolltet doch echtes Mittelalter erleben! Da habt ihr es! Und sag nicht, ich hätte euch nicht gewarnt! Na gut, das mit dem Bären war nicht vorauszusehen, aber was ist im Leben schon vorauszusehen... Schön, gehern wir zum Rathaus zurück.“

    ______________

    * eiserne Kochtöpfe

    Forts. folgt

    Hey, Cory Thain,

    das mit den Schattenhänden ist allerdings wahr. Ich werde die Stelle ändern.

    Hey, Der Wanderer!

    Natürlich ist mir Deschner bekannt, sein Buch "Und dreimal krähte der Hahn!" habe ich 5X gelesen, eine wahre Fundgrube für jemanden, der die Wahrheit liebt! Von ihm habe ich auch erfahren, dass ein christlicher Mob im Jahre des Herren 300 die große Bibliothek zu Alexandria einäscherte, wodurch fast die gesamte antike Literatur vernichtet wurde. Wenn wir heute den Homer oder Ovid lesen, liegt es daran, dass arabische Abschriften exietierten. Hierzu gibt es auch ein Buch, "Allahs Sonne über dem Abendland" von S. Hunke, in dem der Leser erfährt, wie islamische Gelehrte das intellektuelle Europa retteten. Mich juckt es in den Fingern, auch daraus eine Geschichte zu machen. Denn wer weiß schon, dass zB die Formel "Gnädiges Fräulein... Ihr gehorsamster NN" ein Import aus dem arabischen Orient ist. Nur, wen würde das Interessieren?

    Ob der "Wald von Kreuzen" von Deschner stammt, weiß ich nicht mehr, könnte aber sein. Der "Hahn" ist irgendwann verloren gegangen.

    Hallo, Cory Thain.

    Bist Du Dir ganz sicher, das Kevin 17 ist?

    Nein. Vielleicht ist er ja erst 13, und seine Schwester 12. Auf die 17 kam ich nachträglich wegen des Kiffens, aber das hat sich ja nun erledigt. Wobei du mich wahrscheinlich belehren wirst, dass auch schon 12-Jährige kiffen. Trotzdem werde ich mir einen Rest Gutgläubigkeit erhalten.

    Hallo Stadtnymphe,

    wenn dir jetzt auch noch Mittelalter-Gestank durch die Nase zöge, dann wäre die Erzählung perfekt...


    10

    Schon von Weitem hörten sie den brausenden Lärm einer Menschenmenge, vermischt mit dem wütenden Gekläff von Hunden und dem Schnauben von Pferden. Aber auch andere Töne waren zu hören. Krähte da nicht ein Hahn? Brummte da nicht – ein Bär?

    Aus einem Gebüsch erhob sich mit aufgeregtem Krah-Krah und Jack-Jack ein Schwarm schwarzer Vögel, drehte eine Runde und fiel wenig später ins selbe Gebüsch wieder ein.

    Hinter dem weiten Platz ragte ein Berg mit einer Burgruine mit geschwärztem Mauerwerk auf, die Kevin interessiert betrachtete. „Sieht wie frisch abgebrannt aus“, sagte er.

    Wenn du mit frisch zehn Jahre meinst, dann stimmt´s.“

    „Was ist da passiert?“

    „Den Bürgern dieser Stadt war die Abgabenlast an den Fürsten zu hoch. Als der sich nach mehrenen Petitionen immer noch taub stellte, legten sie die Burg kurzentschlossen in Schutt und Asche.“

    „Im Ernst?“

    „Warum sollte ich lügen? Gefällt dir das nicht?“

    „Doch doch, im Gegenteil! Ich stelle mir nur gerade vor, wie die Bürger Lüneburgs das Finanzamt niederbrennen! Müssen verdammt mutige Leute gewesen sein, damals.“

    „Hör auf zu spinnen!“, schalt Taifan, „damals ist damals nicht heute!“

    Nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch allerlei Buden und Ständen füllten den Platz, die Sülzwiesen. Hier und da stiegen Rauchsäulen auf; der Geruch kochender Suppen und gebratenem Fleisch vermischte sie an einigen Stellen mit dem menschlicher und tierischer Ausscheidungen. Ambulante Händler liefen fix herum und boten ihre Waren feil – „Leute kauft! Billig billig!“ Einer, mit einer Kiste vorm Bauch, schrie unentwegt: „Das Los ein Pfennig – drei Lose zwei Pfennig!“ In einem nach vorne offenem Zelt saß ein Mann mit einem spitzen Hut auf dem Kopf – einer Schultüte ähnlich – und schrieb. Dabei tauchte er immer wieder den Kiel einer langen weißen Feder in ein Tintenfass, zog ihn heraus, fragte den Mann vor ihm: „Wie heißt Ihr?“, setzte die Feder auf ein gelbes, dicht beschriebenes Blatt Papier und kritzelte. Dann schob er den Bogen dem Mann hin. „Unterschreibt hier!“, sagte er, wobei er mit einem gichtigen Finger auf eine Stelle unter dem Geschreibsel zeigte. Der Kunde nahm die Feder – und machte unbeholfen drei Kreuze, was nicht ohne Tintenkleckse abging. Er ließ ein paar Münzen auf den Tisch fallen, dann stiefelte er freudestrahlend davon.

    Kevin drehte sich mit fragendem Gesicht zu Ursula um.

    „Der Mann hat gerade einen Ablass gekauft“, sagte sie.

    „Einen Ablass?“

    „Mit seiner Unterschrift sind ihm seine Sünden vergeben.“

    „Hmm... Geht das denn so einfach?“

    „Was? Das Sündigen?“

    „Nein. Das Ablassen.“

    „Offensichtlich ja.“

    „Und wer entscheidet das?“

    „Der Papst in Rom. Es ist ein Handel wie jeder andere auch. Der Schreiber ist Ablasskrämer und besitzt die Lizenz, Ablässe zu verkaufen. Einen Teil des Geldes behält er für sich und seine zahlreiche Familie, den anderen führt er ab. Es gibt allerdings Leute, die das alles für Humbug halten.“

    „Und du? Hältst du das auch für Humbug?“

    „Mein lieber Freund“, sagte Ursula streng, „es ist nicht Sache des Christen, sich über Glaubenswahrheiten den Kopf zu zerbrechen! Dafür ist das Heilige Offizium zuständig.“

    „Das ist ja ´n Onk!“, rief Taifan, „dann kann der Kerl also seine Frau prügeln oder seinen Nachbarn umlegen, dann kauft er sich solch einen Wisch –“

    „Und landet trotzdem im Turm“, unterbrach sie Ursula ärgerlich. „Was redest du da! Er landet im Turm, und zwar nicht, weil er seine Frau geprügelt hat, denn schließlich ist die Frau dem Manne untertan - so steht´s jedenfalls in der Bibel - aber für den Totschlag. Kirchliches und weltliches Recht sind zwei verschiedene Hüte.“

    Drei Stände weiter war anscheinend heftiger Streit ausgebrochen. Ein Mann und eine Frau gingen wie die Kampfhähne aufeinander los; sofort waren zwei berittene Gerichtsdiener zur Stelle und führten sie ab.

    „Das ist auch etwas, das ihr kaum verstehen werdet“, sagte Ursula, „dort steht die Verkaufsbude mit den Reliquien.“

    In der Verkaufsbude mit den Reliquien thronte ein dicker Mönch auf einem Stuhl mit hoher, reich verzierter Lehne. Neben ihm stand ein anderer Mönch, ein blutjunger Mann noch, ein Novize. Vor ihm, auf einer Lade, lagen nebeneinander etliche Kästchen mit verglasten Deckeln, mit Ketten befestigt. Mit Argusaugen beobachteten die beiden Mönche die Hände der Leute, die vor der Lade standen und sich neugierig die Hälse verbogen. Kam jemand einem dieser Kästchen zu nahe, rief der Dicke scharf: „Ich bitt´ Euch, Herr/Frau, tretet zurück!“

    Die Geschwister waren vor die Lade getreten, warfen einen Blick in eines der Kästchen und blickten sich verblüfft an. Da lagen lauter Holzsplitter, Stoffreste, Eisenteile, Nägel, Zähne, Knochensplitter, sogar ganze Knochen... Doch bevor eines etwas sagen konnte, sprang der dicke Mönch mit einer Behändigkeit, die wegen seiner Körperfülle äußerst überraschend wirkte, auf und begann seine Ware anzupreisen. Er öffnete ein Kästchen, nahm einen der Holzsplitter, die darin lagen, heraus, drückte ihn an die Lippen und rief mit verfetteter Stimme: „Ein Splitter vom Kreuz unseres Herrn Jesu Christi, gerade aus Jerusalem eingetroffen! Sehr gut, seht gut gegen Gliederreißen und Frieselfieber! Oder belieben der Herr einen Knochensplitter aus dem Grab des Apostel Paulus? Mit Expertise des Heiligen Offiziums, vom Papst unterschrieben! Der Preis? Edler Herr, wer redet denn von Preis!“ Er legte den Splitter vom Kreuz des Herrn Jesu Christi vorsichtig, als handele es sich um ein rohes Wachtelei, wieder zurück, öffnete eine andere Schatulle und brachte die abgebrochene Spitze einer Lanze, an der offensichtlich noch Blut klebte, zum Vorschein. Mit grenzenloser Begeisterung und mehrmaligem Zungenschnalzen rief er: „Hochedler Herr! Eine absolute Rarität mit unendlicher Heilkraft! Ein Teil der Lanzenspitze, die unserem Herrn und Heiland die Seite geöffnet hat! Kommt ruhig näher und schaut! Ja es ist echt! Das Blut, was Ihr da seht, ist das Blut des Herrn!“ Der Mönch stand kurz davor, in Tränen auszubrechen; aus einem Ärmel zog er ein besticktes Tuch hervor und wischte sich die Augen. „Ja, ich schäme mich meiner Tränen nicht!", rief er, "ich vergösse gerne ein Meer von Tränen, könnte ich damit die Füße des Herrn waschen! Diese lieben Füße, die ihn an Palmsonntag nach Jerusalem getragen haben, um dort SEIN Reich zu errichten, aber die Seinigen haben ihn nicht erkannt!“ Der Mönch schwieg und lauschte; er vernahm beifälliges Gemurmel und setzte seinen Sermon mit erhöhter Stimmlage und blitzenden Augen fort. „Oh,oh,oh!“, rief er, „mir bricht es das Herz, wenn ich daran denke, wie der HERR gestorben ist! Die Juden haben ihn umgebracht!“ – er schluchzte kurz auf – „und mit dieser Lanzenspitze hat ihm einer die Seite geöffnet! Immer, wenn ich daran denke – und ich denke fast immer daran – erfasst mich Verzweiflung!“ Er schien am Ende seiner Kräfte, führte die Lanzenspitze an den Mund und küsste sie.

    Plötzlich sah er in Kevins Richtung und sagte: „Hochedler Herr, alle drei zusammen ein Pfund kölnisch Silber!“

    Kevin drehte sich um. Hinter ihm stand ein würdiger Herr mit gefederten Barett und einem golddurchwirkten Mantel.

    Ursula zupfte Kevin am Ärmel. „Komm“, sagte sie, „schauen wir uns die Lanzenreiter an.“

    „Reden kann er, der Dicke“, meinte Taifan.

    Ursula blickte betreten zur Seite und schwieg.

    „War das auch schon wieder falsch?“, fragte Kevin.

    „Wie? Nein, nein, Ich dachte nur an den alten Spruch: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“

    „Versteh ich nicht.“

    „Manchmal ziehen die Leute, aufgehetzt durch solche Reden und aufgestachelt durch die Turnierkämpfe, grölend durch die Stadt und werfen den Juden die Läden ein. Sogar Plünderungen und Morde sind schon vorgekommen.“

    Forts, folgt

    Danke, Herr, setzt den Bowler wieder auf und steht bequem!


    9

    Auf dem Weg zu Turniergelände kamen sie auf einen dreieckigen Platz mit einer mächtigen Kirche. Um den Platz herum standen dicht gedrängt schmale, spitzgiebelige Häuser; es sah aus, als hüte eine dicke Henne ihre mageren Küken.

    Vor einer Backsteinmauer hockten fünf seltsame Gestalten. Aus der Ferne war nicht zu erkennen, ob es sich um Tiere, Kobolde oder Wesen aus einer anderen Welt handelte. Doch bei genauerem Hinsehen zeigte es sich: Es waren Menschen, Krüppel, zum Teil auf Krücken gestützt.

    Als sich Ursula und ihre beiden Begleiter den bedauernswerten Geschöpfen näherten, brach ein entsetzliches Geheul aus, in dem Rufe zu hören waren wie: „Christen, übt Barmherzigkeit“, „Erbarmt euch und gebt Almosen“, „Gott wird es euch danken!“, „Seid Christen und keine Geizhälse!“ „Wir werden für euer Seelenheil beten!“ Eine dieser Gestalten, ein kleiner, dick vermummter Klumpen, rollte, unverständliche Laute ausstoßend, auf Ursula zu und versuchte, ihr die Schuhe zu küssen.

    Taifan hielt entsetzt den Atem an: Der Klumpen war ein Mensch ohne Arme und Beine. Zwei sohlenartige Lederlappen ersetzten ihm die Füße. Ein anderer, mit Armen, aber ohne Beine, machte einen Handstand und präsentierte seine Beinstümpfe, aus denen blutiger Eiter quoll. Die nächste dieser entsetzlichen Kreaturen – nach den wilden, üppig verfilzten Haaren zu schließen wohl eine Frau – versuchte heulend und stöhnend, sich auf ihren zwei Krücken aufzurichten, es gelang ihr

    nicht, ihr Nachbar fing sie auf, kapp bevor sie hinstürzte. Der, zwar mit allen Gliedmaßen, aber mit entsetzlich entstelltem, aufgedunsenen Gesicht und schwarzen Augenklappen, begann so jämmerlich zu husten, als wollte er seine Innereien auskotzen. Taifan blickte ihn an und erstarrte: – von einem Ohr zum anderen verlief eine klaffenden Wunde, die Nase fehlte. Der Fünfte dieser grauenhaften Truppe schließlich, in offenem Hemd und zerfetzten Beinkleidern, Waden und Oberschenkel frei, war über und über mit schwarzen, eiternden Geschwüren bedeckt. Von seiner Nase war nur noch ein blutiger Stumpf übrig.

    Weitere Passanten, offensichtlich von dem Lärm neugierig gemacht, waren auf den Platz gekommen, und jetzt verstärkte sich noch das Geheul; die Krüppel gerieten außer Rand und Band. Wie wahnsinnig gewordene Affen in zu engen Käfigen schaukelten ihre Körper; der Handständige lief aufgeregt hin und her, Eiter tropfte aus seinen Stümpfen, der Hustende brach ohnmächtig zusammen, die Frau warf sich Zeter und Mordio schreiend über ihn; der mit den Geschwüren kratzte sich wie ein verlauster Köter und stieß, einen blutigen Lappen schwenkend, wilde Verwünschungen aus. In der Luft lag ein infernalischer Gestank.

    Taifan warf sich schluchzend in die Arme ihres Bruders. Der, anscheinend selbst bis ins Mark getroffen, strich ihr mit unsicherer Hand über die Haare, sogar in Ursulas Gesicht arbeitete es. Schließlich würgte Kevin mit zitternden Lippen hervor: „Das... das glaub ich nicht! Ursula, sag, dass es nicht wahr ist! Das darf nicht sein! Was ist das für ein Gott, der solch eine Elend zulässt!“ Auf einmal rief er entsetzt: „Ursula, du grinst doch nicht etwa?“

    Doch, Ursula grinste.

    „Kommt erst mal weg von hier,“ sagte sie. Nach einer Weile (während Kevin sie mit zusammengezogenen Augenbrauen von der Seite ansah): „Ihr müsst jetzt sehr tapfer sein, ihr beiden. So schlimm, wie es aussieht, ist es nicht... eher ein Schauspiel der besonderen Art.“

    Kevin blieb abrupt stehen. „Wie... was... das war nur gespielt? Aber... aber der eine hatte doch keine Beine, und diese Geschwüre... diese entsetzlichen Schreie... das alles soll nicht echt sein?“

    „Das hab ich nicht behauptet. Der angeblich Beinlose ist ein armer Mann, der von Geburt an so verkrüppelt ist, dass sein Körper in dem Sack tatsächlich wie ein Torso aussieht. Dem mit den Augenklappen hat ein Starstecher die Auge verpfuscht. Die Geschwüre sind auch da, aber bei der Wunde, dem Blut, dem Eiter, da wurde kräftig nachgeholfen... Alles aus den Schminktöpfen der Komödiantentruppe. Glaubt ihr wirklich, der Stadtrat würde Aussätzige mit eiternden Wunden in seinen Mauern dulden? Damit ein Jahr später die halbe Stadt an den Schwarze Blattern oder der Pest gestorben ist? Die wirklich Kranken sind in den Leprosorien und Spitälern der umliegenden Klöster untergebracht. Und da können wir nicht hinein.“

    „Ist auch jetzt nicht mehr nötig“, meinte Kevin „das da eben hat mir schon gereicht.“

    „Und was soll das fürchterliche Spektakel?“, fragte Taifan.

    „Es sind berufsmäßige Bettler, mit der Erlaubnis, zwei Stunden vormittags und zwei Stunden nachmittags ihre Künste darzubieten. Und der schreckliche Anblick soll die Bereitschaft erhöhen, Almosen zu geben.“

    „Ja zum Teufel“, begehrte Kevin auf, „wissen die Leute denn nicht, dass sie hereingelegt werden?“

    „Ach was, hereingelegt ist nicht das richtige Wort... Das siehst du völlig falsch! Anscheinend ist dir entgangen, dass die Leute reichlich in den Hut getan haben. Manche sind den Krüppeln sogar noch dankbar, weil die ihre Barmherzigkeit geweckt und ihr schlechtes Gewissen beruhigt haben! Und die sind ja wirklich arm und krank! Barmherzigkeit ist die größte Tugend des Christen, und mit den Tugenden... na ja... da hat es so seine Bewandtnis.Viele reden von ihnen, noch mehr denken daran, wenige üben sie. Da nimmt man eine kleine Aufmunterung, auch wenn sie nicht ganz echt ist, gerne hin!“ Ursula grinste schalkhaft. „Nun ja, ich will ehrlich sein. Ich habe auch schon gegeben, weil ich die eindrucksvolle Darbietung belohnen wollte.“

    „Warum stinken sie dann so fürchterlich?“, fragte Taifan, die sich wieder etwas erholt hatte.

    „Weil die ganze Stadt stinkt, müssen sie noch stärker stinken, damit erhöht sich ihre Glaubwürdigkeit. Sie schmieren sich mit einem Gemisch aus ranziger Butter und Hundekot ein.“

    „Und der Stadtrat lässt diesen... diesen Mummenschanz zu?“

    „Noch, aber möglicherweise nicht mehr lange. In Münster sind solche Darbietungen mittlerweile verboten.“

    In einer Toreinfahrt stand ein Mann mit einem Kasten vor dem Bauch, in dem allerlei Kleinzeug auslag. Als er Ursula und noch ein paar andere Flaneure kommen sah, fing er an zu schreien. „He, ihr guten Leute, kauft Bisamäpfel gegen den Pesthauch! Frisch aus dem Morgenland eingetroffen! Und hier, Jungfer, feinste rocken muter*! Das Beste gegen Bauchgrimmen und fur die belf muter. Item fur die heffmutter oder permutter. Nymt lorper wurcz vnd weydwurcz rocken muter gepuluert vnd yn wein getruncken warm**.“

    „Schönen Dank, Gevatter Beinhard“, rief Ursula, „werd darauf zurückkommen, wenn es soweit ist!“

    „Was wollte der denn?“, fragte Kevin im Weitergehen.

    „Ach der! Wollte mir ein Mittel gegen schmerzhafte Wehen verkaufen.“

    „Und was sind Bisamäpfel?“

    „Kleine metallene Lochkugeln, die allerlei Duftstoffe, Bisam genannt, enthalten. Sollen angeblich gegen die Pest helfen. Mein Vater hält das für Humbug. Er meint, die Leute sollten weniger schnabulieren, sich dafür öfter waschen und nicht so viel in der Welt herumfahren. Aber wer hört schon auf einen Narren.“

    „Ha!“, rie Kevin und klatschte sich auf den Schenkel, „das nenn ich geschäftstüchtig! Erst den Horror verbreiten, dann das Gegenmittel dazu verkaufen! Diese Stadt wird mir langsam unheimlich! So hab ich mir das christliche Mittelalter nicht vorgestellt. Genau der gleiche Lug und Trug wie bei uns.“

    Ursula zuckte mit den Schultern. „So ist nun mal die Welt, sie war noch nie anders.“ Sie blickte die beiden ernst an. „Ich weiß nicht, ich weiß nicht“, sagte sie nachdenklich, „wenn ich euch so ansehe... und eure Reaktionen vorhin... Vielleicht ist das Turnier doch nicht das Richtige für euch.“

    „Wie kommst du denn auf einmal darauf?“

    „Ihr seid ziemlich zart besaitet, scheint mir, und so ein Gesellenturnier... Da geht es ordentlich zur Sache! Geschwollene Augen, gebrochene Nasen und Blutergüsse sind noch das Geringste. Und ein Tierfreund darf man erst recht nicht sein!“

    „Zart besaitet? Ich doch nicht!“, prahlte Kevin.

    „Und was war das eben?“

    „Hmm... Nun ja... Eben... Da war ich – na gut, ich war beeindruckt, aber keineswegs erschüttert! Und so ein echtes mittelalterliches Turnier – hautnah und nicht so harmlos wie auf dem Marktplatz – das lass ich mir auf keinen Fall entgehen! Taifan kann ja inzwischen – – die Stadtmauer besichtigen.“

    „So weit kommt´s noch!“, protestierte Taifan, „du bestimmst, was Taifan macht! Taifan kommt natürlich mit!“

    _________________________________

    *Mutterkornpilz, ein toxischer Getreideschädling

    ** belf mutter... Verschiedene Komplikationen bei der Geburt. Nimm Lorbeer und Weißwurz und pulverisierte Roggenmutter und trinke es warm in Wein.

    Forts. folgt

    Das mit dem Geruch ändere ich ab.

    Ich bin Oldschool im Rechtschreibgebiet und finde die "neue deutsche Rechtschreibung" mit ihren Vereinfachungen einfach nur grottenscheiße. Deswegen schreibe ich "Telephon" auch noch mit "ph".

    Darfst du lt. Duden doch, und auch "das kostet dir" sagen.

    Ansonsten bin ich da ganz auf deiner Linie. Ich weigere mich, "selig und "gar nicht" zu schreiben. Haarig heißt´s im Duden, warum also selig?! Vielleicht erklärt mir mal jemand, warum. Gar nicht hat eine andere Betonung als garnicht. Noch schlimmer ist Lache (Pfütze) und Lache (Gelächter). Jemand, der es wissen muss, sagte mir mal: Vom Duden abweichende Schreibweisen werden bei häufigem Gebrauch anerkannt. Es besteht also noch Hoffnung.

    Hallo lieber Korinthenkacker,

    entschuldige, dass ich dir erst jetzt antworte, hatte arg viele andere Dinge im Kopf, und vielen Dank für die Fehlersuche.

    Allerdings: Sutane geht lt. Duden auch, und darnach... Ich habe von meinem Vater (Diakon!) ein altes Buch aus 1863 geerbt, die "Muster des Predigers", in dem genau der altertümliche Stil gepflegt wird, der mir zu der Erzählung passend schien, u. a. mit darnach. Alles andere werde ich verbessern. Der von dir rot zitierte Passus stammt aus einer dieser Predigten, und ich war fassundslos über die Arroganz dieser Gottesmänner (damals?), die noch größer ist als die deutscher Automobilbauer und Bankvorstände, und wollte es euch nicht vorenthalten.

    woher Kevin den Geruch von Opium kennen könnte. Hilfst Du mir da mal raus?

    Er ist siebzehn und ich denke, er hat schon mal gekifft. Belehre mich, wenn der Geruch nicht passt.

    Sie sind je länger desto... Sie meint, lange Schwänze sind nicht so hart. Möglicherweise ein Vorurteil dieser Dame...

    Bis Morgen.

    *

    Kevin ging wieder hinunter ins Untergeschoss, zu den Badezubern mit den Tischen, an denen heftig geschnäbelt, gescherzt, gegessen und getrunken wurde. Da er jetzt nicht den Helden spielen musste, setzte er sich in eine Nische, machte die Beine lang und legte sich wohlig zurück. Die beiden Schwarzdrosseln kamen auf ihn zu und setzten sich neben ihn, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Kevin wollte aufstehen und weggehen, doch jetzt merkte er, wie müde er war und blieb sitzen.

    „Die Gnade, die Gott uns erwies, indem er uns zu solch einem erhabenen Stande berief, ist eine überaus große, da die Schrift sagt, dass er die so Berufenen aus allem Fleische erlöst.“

    Was war das denn?

    Kevin blickte den Sprecher verwundert an. Es war ein älterer Mann mit glattem Gesicht, feisten Wangen und einer kahlen Stelle auf dem Kopf, offenbar ein Mönch. Im Badhaus?

    Indessen fuhr der Mönch fort: „Deshalb frage ich dich, mein Sohn, warum wähltest du gerade diesen Ort, den Ort der Sünde und des Fleisches, und nicht die Anstalt der Beichte oder des Gebetes?“

    „Ich habe, ehrwürdiger Bruder“, ließ sich jetzt eine jugendliche Stimme vernehmen, „lange überlegt, ob ich Euch diesen Ort zumuten kann. Zwei Gründe haben mich dazu verleitet: Primo, weil ich denke, dass Eure Andacht schon lange aus der Versuchung ist, secundo, weil ich mich prüfen will. Denn heute muss die Entscheidung fallen. Aber nur der, welcher die Gefahr kennt, kann ihr auch wirkungsvoll begegnen.“

    Kevin versuchte, einen Blick auf den Besitzer dieser jungen Stimme zu werfen, doch der verschwand neben dem dicken Mönch fast vollständig. Lediglich eine spitze Nase und ein langes Kinn mit einem Grübchen, in das eine Linse hineingepasst hätte, waren zu erkennen.

    „Recht gesprochen, mein Sohn! Ich war voll Verwunderung darüber, sagte mir aber, meiner Seele wird´s nichts schaden, also sei´s drum! Sprich, mein Sohn, was hast du auf dem Herzen!“

    „Ich brauche Euren Rat, ehrwürdiger Bruder. Ihr seid ein Mann Gottes, auserwählt, auserkoren, auserlesen –“

    „Ei, sprich!“

    „Ich bin im Zweifel, ob ich heiraten oder Priester werden soll.“

    Der Befragte schwieg, umso lauter war das Getümmel bei den Zubern mit den Tischen zu hören. Jemand rief: „Kenn ein probates Mittel gegen den Durst! Sei schneller als er, trinke, bevor er dich eingeholt hat, denn der Durst verliert sich durchs Trinken!“ – „He, Schenke, hierher und immer eingegossen! Die Zunge klebt mir am Gaumen! Das Austrocken ist keine angenehme Sache!“ – „Puh, schmeckt ja wie Fichtenholz!“ – „Hast Recht, Landsmann, der Tropfen ist nicht echt! Doch gut gepanscht ist halb veredelt!“ Dazwischen kreischende Frauenstimmen.

    Während die Trinksprüche so hin- und hergingen, fuhr der Mönch unbeirrt fort: „Mein Sohn, du verlangst meinen Rat; aber zuvor ist es nötig, dass du mir Auskunft über gewisse Dinge gibst. Item: Fühlst du den Stachel des Fleisches in dir? Sprich offen, du sprichst zu einem väterlichen Freund.“

    „Ach ja, nicht immer, aber zuweilen sehr, wenn Ihr es mir nicht übelnehmen wollt.“

    „Keineswegs, mein Freund, warum sollte ich? Wir sind alle Sünder! Quamquam... besitzt du in der Drangsal nicht das Gnadengeschenk der Enthaltsamkeit?“

    „Wenn ich ehrlich bin, dessen kann ich mich wohl weniger rühmen.“

    „Ei, das nenn´ ich brav gesprochen und nicht um den heißen Brei herumgeredet!“, rief der Mönch. „Nun, so ist es besser, du heiratest, mein Sohn! Denn wahrlich, es ist ehrenvoller zu heiraten, als unseren heiligen Stand zu verleugnen! Das Fleisch wird bei schwachen Menschen oft zum Raubtier, das ständig gefüttert werden will! Denn siehe, durch die Gnade des Herrn ist der Priester die Wohnung Gottes und das Keuschheitsgelübde ein Gefäß, in das er sich einschließt, um sich dieser Aufgabe würdig zu erweisen. Ja, wir können gewissermaßen sagen, dass wir Priester Gott hervorbringen und schaffen: Welch ein Grund zu ausgezeichneter Lebensführung! Der Priester muss ein königliches Amt üben, muss ein König sein, der seinen Leidenschaften gebietet, er muss sich selbst beherrschen, bevor er über andere herrscht. Denn wir Priester sind Könige auf Erden, doch nicht Könige, welche um des Herrschens Willen herrschen, sondern solche, die Christus auf den Armen tragen. Wer besäße so ein kostbares Reich? Daher tragen die Priester eine Krone* auf dem Haupte.“

    Kevin vernahm die letzten Sätze wie aus weiter Ferne, denn er war kurz davor, einzuschlafen. Da knallte es zweimal hintereinander, ein Sektkorken flog ihm vor die Füße, und überschäumendes Hallo! und Helau! erscholl. Er wollte aufstehen und weitergehen, denn was die beiden da verhackstückten, das war dann doch einfach zu abstrus. Allein diese Ausdrucksweise! Denn siehe, Stachel des Fleisches, item und quamquam... Doch es ging nicht, er kam einfach nicht hoch. Erschöpft ließ er sich wieder zurück auf die Bank fallen.

    Die beiden neben ihm schien der Lärm nicht zu stören. „Das Problem ist nur“, fuhr der Jüngere fort, „meine Familie hat mich für das Prieseramt bestimmt. Mein ältester Bruder ist bei den Soldaten des Herzogs, der zweitälteste macht bei den Fuggern in Nürnberg eine Banklehre, mein jüngster studiert Jura beider Rechte in Würzburg, und ein Oheim ist Arzt am Wiener Hof. Nur ein Priester, der für das himmlische Wohl der Familie sorgen soll, fehlt noch.“

    „Hmmm... dann ist deine Familie wohl sehr wohlhabend, wie?“

    „Nun ja, wir nagen nicht am Hungertuch.“

    „Dann ist es besser, du trittst in den geistlichen Stand ein.“

    „Danke, frommer Bruder! Nur was mach ich, wenn mich die Versuchung übermannt und die Geißel des Fleisches quält?“

    „Erneuere immer wieder deine guten Vorsätze, verdoppele deine Anstrengungen, wende alle Waffen des Geistes und des Körpers an, um die verkehrte Leidenschaft zu bekämpfen! Bete und faste, faste und bete! Geißle deinen Leib mit Riemen, bade in eisigem Wasser! Begib dich unter den Schutzschirm der heiligen Mutter Kirche! Denn der Herr spricht: Ich will deine Feinde verfolgen, bis sie überwunden sind! Es wird dir Mühe kosten, mein Sohn... nihilominus, das Himmelreich ist nicht das Reich der Trägen und Feigen, sondern der Standhaften. Wer Christus liebt, schält sich aus dem Fleische!“

    „Wie Ihr das so sagt, ehrwürdiger Bruder, hört es sich einfach an. Doch was mach ich, wenn ich mich nicht aus dem Fleische schälen kann? Ich merke schon, der Anblick dort –“

    „Dann heirate!“

    Der Junge klatschte in die Hände. „Also werde ich heiraten, abgemacht, und ich lade Euch hiermit zu meiner Hochzeit ein! Beim heiligen Sakrament, da wollen wir uns nichts abgehen lassen! Eine Hochzeitsschleife sollt Ihr kriegen, und, potztausend, eine Gans wollen wir schmausen, die meine Braut gebraten hat, mit brauner Soße und rotem Schmalzkraut.“ Der Junge schwieg abrupt. Dann: „Nur, was wird meine Familie dazu sagen? Die Enttäuschung wird groß sein, sie werden mich einen undankbaren, einen untreuen Sohn schimpfen, einen profugus**, und mir die Tür weisen!“

    „Dann werde Priester, mein Sohn! Denn auch die Familie ist heilig, und wer der Familie dient, dient Gott!“

    „Hmm... nun ja... das ist ein guter Rat, und ich bin Euch dafür dankbar. Gleichwohl... Ein vollkommen gottgefälliges Leben ist eine Köstlichkeit, die nur ganz wenigen begnadeten Menschen, so wie Ihr einer seid, lieber Herr Bruder, vergönnt ist. Doch ich fühle immer mehr, je länger ich in mich hineinhorche, dass ich nicht zu diesen Auserwählten gehöre. Versteht mich recht, ich will mich nicht davonstehlen wie der Dieb in der Nacht, aber ich befürchte, ich kann nicht!“

    „Dann tätest du besser daran, zu heiraten!“

    „Ja, meint Ihr? Ach, da fällt mir ein Stein vom Herzen! Ehrwürdiger Bruder, ich bin Euch ja so dankbar! Ihr seid wahrhaft ein Freund! Autem... da ist noch ein winziger Zweilel, ein klitzekleines Bedenken, ein harmloser Skrupel, der beseitigt werden muss. Kaum wag ich´s, es Eurer Andacht ins Gesicht zu sagen, aus Furcht, Ihr könntet mich auslachen.“

    „Der Herr verlacht nicht die Schwachen, er hilft ihrer Schwachheit auf.“

    Tum deinde. Wie kann ich sicher sein, dass meine Frau mich nicht zum Hahnrei macht, wenn ich einmal für längere Zeit von ihr abwesend sein muss und ihr keine natürliche Gesellschaft leisten kann? Allein der Gedanke daran schreckt mich!“

    „Ei, nicht jeder, der will, kann einen Hahnrei machen, das ist garnicht so leicht! Außerdem wüsst´ ich ein probates Mittel dagegen!“

    „Ihr meint einen Keuschheitsgürtel?“

    „Ganz recht, mein Sohn, fest geschmiedet und nicht zu locker, denn der Teufel nutzt die kleinste Nachlässigkeit, um ans Ziel zu gelangen.“

    „Hmm, da sagt Ihr nichts Falsches. Ein Keuschheitsgürtel... Nur was ist, wenn ich den Schlüssel verliere? Ist einem Nachbarn passiert, seitdem kackt seine Frau durch das Eisenloch und verschmiert sich dabei jedesmal den Hintern.“

    Der fromme Bruder machte ein abwehrende Handbewegung, „Mein junger Freund, warum so ängstlich? Nicht jeder Mann macht einen Hahnrei, und nicht jede Frau lässt sich hahnreien. Willst du ganz sicher vor der Hahnreischaft sein, gilt es einige Dinge zu beachten, die ich dir jetzt erklären werde. Also pass gut auf! Primo omnio solltest du eine Jungfrau freien, die ein Kind ehrlicher Leute ist, ein Mädchen, aufgezogen in Tugend und Redlichkeit, das stets nur Umgang gepflogen mit sittenreinen Menschen, das Gott liebt und fürchtet, das darnach strebt, ihm durch den Glauben und die Befolgung seiner heiligen Gebote zu gefallen, hingegen fürchtet, ihn durch Mangel an Glauben und Übertretung seiner göttlichen Gebote – –“

    Kevins Kinn sank auf die Brust, er war eingeschlafen. Indes fuhr der Mönch fort: „– zu verscherzen, welche Gebote ihr streng vorschreiben, den Ehebruch zu fliehen und einzig und allein ihrem Mann anzuhangen und nächst Gott nur ihn zu lieben und ihm zu dienen. Um sie aber auf diesem Weg zu erhalten, musst du ihr, mein Sohn, selbst ein gutes Beispiel sein; musst ein reines, keusches, tugendhaftes Eheleben führen, wenn du willst, dass sie es auch führe. Denn wie nicht der Spiegel der beste ist, der einen reich verzierten Rahmen hat, sondern der, welcher die Gegenstände am getreulichsten abbildet, so ist auch nicht die Frau am werthaftesten zu schätzen, die reich, schön, zierlich und von vornehmer Herkunft ist, sondern die, welche sich bestrebt, Gottes Wohlgefallen zu erlangen, und die sich an ihren Mann schmiegt.“ Der Mönch schnaufte mehrmals und schwieg.

    „Sapperlot, vortrefflich gesprochen!“, rief der Andere, „ich wünschte, ich könnte so reden wie Ihr, Ehrwürden! Allein, wenn ich Eure Worte recht überlege, dann läuft es darauf hinaus, dass ich ein Musterweib heiraten soll, dem ich, straf mich Gott, noch nirgendwo begegnet bin, weil es womöglich auf der Welt nicht existiert. Und das mit dem guten Beispiel, ich weiß nicht –“

    „Ei, dann werde Priester.“

    Ein abgenagtes Hühnerbein landete auf dem Schoß des Mönchs; jemand rief feucht fröhlich: „Hey, Merkwürden, redet nicht so viel, das gibt einen trockenen Hals und einen harten Stuhl! Herunter mit der Sutane und hereingehupft!“

    „Ich liebe alte Männer!“, schrie eine Frau, „sie sind je länger desto sanfter!“ – „Für mich den Knaben!“ – eine andere, „die Spargelstange ist am knackigsten, wenn sie frisch ist!“ – „Und ständig feucht gehalten wird!“, assistierte eine Dritte. Brüllendes Gelächter.

    „Komm, mein Sohn“, sagte der Mönch naserümpfend und erhob sich, „in dieser Lasterhöhle sind Sodom und Gomorrha unter einem Dach. Gehen wir in die Kirche und beraten wir dort weiter.“

    Kevin war aufgewacht und schüttelte sich. Irgendetwas stimmte nicht. Wieso dröhnte sein Kopf, wieso waren seine Beine so schwer?

    Ursula erschien. „Kevin, alles in Ordnung?“, fragte sie, „du siehst ziemlich mitgenommen aus.“

    „Ich wurde plötzlich so müde und bin wohl eingeschlafen. Sag mal, wonach riecht das hier? Mir ist irgendwie so drömmelig im Kopf.“

    Ursula steckte den Kopf in die Nische, schnüffelte, dann rief sie: „Ach herrje! Ich hätte dich warnen müssen! Dahinter liegt die Schlafstube – ja, Schlafstube, du hast richtig gehört! Dort werden Leute, die an Schlaflosigkeit leiden, mit Schlafschwämmen abgerieben. Die Opiumdämpfe beruhigen sie, und die löchrige Bretterwand hier – was ist?“

    Taifan kam angerannt. „Da oben geht es aber ordentlich zur Sache! Mannomann! Hätt ich nicht gedacht. In einer Badeanstalt! Wie geil ist das denn!“

    „Was meinst du?“, fragte Ursula.

    „Na, die Liebesleute hinter dem Bretterverschlag!“

    „Liebesleute? Ach so! Wahrscheinlich Ratsherren oder Pfaffen, der nicht erkannt werden wollenl. Die Frauenhäuser sind solchen Leuten zu öffentlich.“

    „Können wir jetzt weiter? Ich hab genug von dem Gestöhn.“

    Doch so schnell sollte sie das Badhaus nicht freigeben. Unten im Vorbad trat der Sänger mit der Laute auf sie zu. „Grüß Euch Gott, Jungfer Schreyvogel!“, rief er und verbeugte sich tief, „wollt Ihr schon gehen? Ja? Dann sing ich Euch ein Abschiedslied!“ Der Sänger hockte sich auf einen Schemel, legte sich sein Instrument zurecht, zog ein paar Saiten nach und begann:

    „Seufzt nicht, Mädchen, seufzet nimmer,

    denn die Männer täuschen immer!

    Ein Fuß im Meer, ein Fuß an Land,

    der Sinn ist frei, das Herz voll Tand!

    Der Lockung folgt ein mutig Wesen,

    erfülltes Herz heißt glücklich leben.

    O seelig sind doch die zu preisen,

    die sich am End als treu erweisen.

    Ich schlag der Laute Schafsgedärm

    dass ich der Jungfer Herz erwärm!

    Es fliehen die Jahre wie flüchtiges Wild.

    O komm doch wieder, du köstliches Bild!

    Meine Verehrung an den Herrn Vater!“

    _______________

    *Tonsur

    **Abtrünniger

    Forts. fogt

    8

    Dem Badhaus sah man sein Alter an. Es war ein windschiefes, zweigeschossiges Fachwerkhaus mit Butzenfenstern, einem Fundament aus Hausteinen und mit Efeu berankt. Verschüchtert duckte es sich an die Stadtmauer und qualmte heftig aus dem Schornstein. Aus dem kleinen Garten neben dem Haus ertönte frohes Lachen; leicht betuchte oder auch nicht betuchte Männlein und Weiblein jeglichen Alters sprangen mit hitze-geröteter Haut um einen einen Brunnen herum und begossen sich mit kaltem Wasser.

    Ursula führte unsere beiden Freunde an den Reinigungsbädern vorbei auf eine Galerie im Obergeschoss, von wo aus sie die zentrale Badestube mit den Wannen- und Schwitzbädern überblicken konnten. In großen Zubern saßen paarweise Männer und Frauen, ein langes Brett mit Bechern und Tellern zwischen sich, aßen und tranken, scherzten und schäkerten, wobei es ziemlich deftig herging. Weiß gekleidete Frauen mit großen Hauben auf dem Kopf sorgten dafür, dass die Teller und Becher nicht leer wurden.

    „He, Koch!“, brüllte einer, „für mich ein Dutzend Wachteleier, aber dalli!“ – „Wo bleibt der geselchte Schafskopf?“, ein anderer. – „Selber Schafskopf!“ – „Hoho, das nimmst du sofort zurück, Schwager!“ – „Hallo, Jungfer Theuerkauff! Die Butte hier gefüllt, aber nicht mit Wasser! Muss die Kaldaunen von heute Morgen feucht halten, vertragen keine Trockenhei!“ – „Alter Trinkaus, sauf nicht so viel, sonst pisst du noch in den Zuber!“ – „Da hab mal keine Sorge, Onkel, geht alles ins Blut, in der Blase kommt nichts an!“ – Eine Frauenstimme kreischte: „IHHH! Herr Nachbar, nehmt gefälligst Euer Bein von meiner Hüfte!“ – „Ist nicht mein Bein, mein Täubchen, ist mein –“

    So ging es lustig hin und her.

    In dem gepflasterten Gang davor standen plaudernd zwei schwarz gekleidete Herren, dabei gingen ihre kecken Blicke eifrig hin und her; zwei pudelnackte Kinder spielten mit einem Hund, dem immer wieder Essensreste vorgeworfen wurden. In einer Nische mühte sich ein schwitzender Sänger mit seiner Laute ab. Angenehme Düfte von aromaischen Kräutern und harzigen Essenzen erfüllten die Luft. Und da war auch ein weicher, sanfter, süßer Geruch, der Kevin bekannt vorkam, nur wusste er im Moment nicht woher.

    „Dort hinten, über den Dampfbädern, sind Sitzbänke, da könnt ihr euch ausruhen“, sagte Ursula, „ich schau mal nach meiner Gevatterin!“

    Eines der kleinen verglasten Fenster wurde dunkel, ein bärtiges Gesicht erschien und betrachtete mit Stielaugen die Szenerie. Nach einiger Zeit geriet der Kopf, zu dem das Gesicht gehörte, in verdächtige rhythmische Bewegungen...

    Das Schwitzbad unter ihnen war mit Tüchern verhängt, dahinter prustete und klatschte es munter; auch ein mit wenig Fantasie begabter Mensch konnte sich vorstellen, dass dort nicht unbedingt nur Körperpflege – zumindest nicht nur zum Zecke der Reinigung – betrieben wurde.

    Taifan ließ sich sofort auf eine Liege fallen und machte sich lang. „Ah, tut das gut“, stöhnte sie, „noch einen Schritt mehr, und ich wäre umgefallen!“

    Kevin betrachtete seine Schwester. „Siehst auch ziemlich migenommen aus, Schwesterchen“, sagte er, „ruh dich aus, dann wird´s schon wieder. Ich vermute mal, Ursula hat noch einiges mit uns vor –“

    Er stutzte. Jemand ganz in ihrer Nöhe sagte: „Hei! Hallo Jungfer! Warum so eilig! Setzt Euch doch!“

    Taifan dreht sich um. Die Bretterwand hinter ihnen war offensichtlich so dünn, dass man jedes Wort verstehen konnte.

    „Mein Herr, was wollt Ihr?“

    „Mit Euch plaudern!“

    „Ich bin ein ehrbares und tugendhaftes junges Fräulein –“

    Kevin legte den Finger an den Mund und grinste. „Pssst“, flüsterte er, „klingt vielversprechend!“

    „Und ich ein tugendhafter sittsamer junger Mann!“, kam es durch die Wand.

    „Nur plaudern? Die Mutter wartet –“

    „Ach was! Mir gefällt Euer Gesicht! Es ist schön und glatt wie das Antlitz eines Engels.“

    „Woher wisst Ihr das? Ihr habt es ja noch gar nicht richtig gesehen!“

    „Das Wen´ge, was ich sah, verschlägt mir schon den Atem. Es ist die Laute und nicht das Futteral wie bei den anderen.“

    „Welche anderen meint Ihr, Herr?“

    „Ähh... hmm... war nur so dahergesagt.“

    „Redet keinen Unsinn!“

    „Na gut. Meine Schwestern.“

    („Arschloch!“, murmelte Taifan,)

    Schweign. Dann die Frauenstimme: „Euch gefällt mein Gesicht?“

    „Bei Gott! Ich schwöre! Hab doch Augen im Kopf und kann im hellen Tag eine Kirche schon von Weitem von einem Ziehbrunnen unterscheiden!“

    Lachen. „Ihr seid ein Narr und Aufschneider!“

    „Ihr nennt mich Narr? Ich bin nur frei! Zu viel der Sorge tut nicht gut, macht bleich und dürr und dünnt das Blut!“

    „Und ein Komödiant dazu!“

    „Wie kommt Ihr denn darauf?

    „Warum redet Ihr denn so?“

    „Da habt Ihr Recht! Bin ein Komödiant, der ein herzig Fräulein fand! Jetzt nehm ich´s bei der Hand – – he du da! Bring Wein, aber vom besten!“

    (Taifan, leise: „Der geht aber ran!“)

    Man hörte das Rascheln von Kleidern und das Knarren von Holz.

    (Kevin: „Und wie man hört, nicht ohne Erfolg!“)

    „Guter Herr, nicht so stürmisch! Ich will sanfter beworben werden! Bin doch kein Stück Holz, das man ohne zu fragen verheizt!“

    (Taifan: „Die weiß genau, was sie will!“)

    „Na gut, dann sing ich Euch ein Lied!

    Was ist die Liebe doch so flüchtig!

    Gleich genossen ist vernünftig,

    Was noch kommen soll ist weit!

    Welcher Mensch könnt sagen doch:

    Morgen, Lieber, lebst du noch?

    Wenn ich zaudre, dann verscherz ich;

    komm denn, Liebchen, küss mich herzig,

    Jugend hält so kurze Zeit!“

    (Kevin, grinsend: „Und man ist so lange tot!“)

    „Hahah, Lied nennt ihr das? Wäret Ihr ein Hund, hätte man Euch wegen dieses Gejaules erschlagen!“

    „Ich kann´s nicht besser.“

    „Dann singt nicht mehr.“

    „Aber gerne! Dein Urteil, schönste aller Frauen, sei mir Befehl!“

    Heftiges Keuchen, dann: „Der Schimmer deines Nymphenfleischs bringt mich noch um den Verstand!“

    „Finger weg, sonst schreie ich!“

    (Kevin: „Ha, da bin ich aber gespannt!“)

    „Dann schrei doch! Der Bader hört schlecht, und die Gäste stellen sich taub!“

    „Das geht mir etwas zu schnell! Ich brauch Besinnung.“

    „Unsinn! Ich seh es doch am Tempo deiner Atemzüge, dass du es magst! Bin ich ein ungewollter Eindringling, dann sag es nur, und ich werde Mönch!“

    Spitzes Lachen. „Ihr und Mönch! Eher mache ich einen Spaziergang in den Schuldturm.“

    „Erhöre mich, und der Schuldturm bleibt dir erspart.“

    Das Knarren verstärkte sich.

    (Kevin: „Hoffentlich hält die Bank!“)

    „Herr, seid Ihr wahnsinnig?“

    „Ja, das ist das rechte Wort! Wahnsinnig! Ja, ich bin wahnsinnig wahnsinnig! Nach dir, mein schönes Kind! Komm. lass mich deine Grotte –“

    „Sprecht leise, ich glaube, man belauscht uns. Da nebenan hat gerade jemand geflüstert.“

    „Na wenn schon! Warum soll ich leise sprechen? Ich sag nichts Unanständiges, ich sage nur, was ich allen sage.“

    Taifan: „Mir reicht´s jetzt! Der aufgeblasene Kerl ist ja widerlich! Und die Frau – eine Schande! Sowas muss ich mir nicht anhören.“

    „Dann halt dir doch die Ohren zu oder nimm ´ne andere Bank. Ich schau mir den Laden hier mal näher an.“

    „Bist du denn garnicht müde?“

    „Ein bisschen schon, aber ich werd doch diese einmalige Gelegenheit nicht verpennen!“

    Kevin tätschelte seiner Schwester liebevoll die Wange. „Na dann bis gleich, alte Zicke“, und weg war er.

    Forts. folgt

    7

    Dafür hatte sich das Volk jetzt vor der rechten Bühne versammelt, auf der ein Mann mit einem unmäßig geschwollenen Bauch stöhnend auf einem Stuhl hockte, und harrte lachend und schwatzend der Dinge, die da kommen würden.

    „Ziemlich mutig, dein Vater“, meinte Kevin, „hat er nicht Angst, Schwierigkeiten mit dem Hochweisen Rat zu bekommen?“

    „Solange er die Narrenfreiheit einhält, nicht, und die überschreitet er nicht eine Sekunde! Der Rat weiß sehr gut, was er an ihm hat. Die Leute sind mit den Verhältnissen unzufrieden und fangen bereits an zu murren. Und solch ein Schmäh nimmt für eine Weile Druck vom Kessel.“

    Jetzt bestiegen drei Männer die Bühne und bauten sich vor dem Dicken auf, der sich leise jammernd den Bauch hielt. Der größte von ihnen war wie ein Arzt gekleidet, die beiden anderen, wohl seine Knechte, trugen Gewänder nach der üblichen Landestracht.

    Der Lange trat vor und rief:

    „Hochlöbliches, ehrenwertes und frommes Publikum!

    Seht und hört das Spiel vom Kranken,

    der zu viele verdorbene Kuddeln gegessen hat und nun fürchterlich leiden muss!

    Aber ich, der hochberühmte, hochweise, hochgelahrte, hochfahrende,

    tapfere, galante, zu Fuß und Pferd gerechte Kavalier und Magister

    STOFFELIUS RABENBEIN

    weiß ein Mittel, den armen Mann, der gerade die Bekanntschaft mit dem Teufel macht

    (hier stöhnte der Dicke entsetzlich auf), zu kurieren! Hier ist es!“

    Bei den letzten Worten brachte der Schreihals eine Glasflasche mit einer trüb-milchigen Flüssigkeit hervor, die er prüfend hin- und herschwenkte. Dann zog er den Stöpsel ab, roch daran und brach in drollige Verzückung aus. „Hmmm, wie das riecht und duftet!“, rief er, „oh, wie ein Rosengarten, herrlich wie eine Sesamstraße, betörend wie eine Wiese im Mai! Dabei ist es nur ein altes Mittel gegen Verstopfung und Überfülle des Leibes!“

    Er wandte sich dem Kranken zu. „Hier, Herr, trinkt das, dann wird es Euch besser gehen!“

    Der Kranke nahm das Glas, roch daran und verzog angeekelt das Gesicht. „Pfui Deibel“, rief er, „nichts da! Ihr wollt mich wohl vergiften!“

    „Aber nicht doch, lieber Herr! Wie kommt Ihr auf vergiften! Das ist doch Euer Morgenurin, frisch aus Eurem Nachttopf, vermischt mit einer gehörigen Tracht Buttermilch, ein uraltes Hausmittel! Hat schon meine Mutter genommen, als sie von gebratenen Lammkeulen, eingelegten Trüffeln, geräucherten Ochsenbacken, geselchten Schweinshaxen so voll war, dass sie nicht niederkommen konnte!“

    „Mit Euch?“

    „Herr, wär ich dann auf der Welt? Trinkt jetzt!“

    „Nein, nein, und nochmals nein! Ich weiß genau, Eure Großmutter ist daran gestorben, denn sie lebt nicht mehr!“

    „An Altersschwäche, mein Freund, sie starb an Altersschwäche, und nicht an ihrem Urin, denn ich hab sie nie pissen gesehen!“

    „Ha! Das sagt Ihr jetzt, wo´s niemand bezeugen kann! Bei allen Heiligen! Ihr habt sie verdursten lassen! Denn es ist erwiesen, wer nichts trinkt pisst auch nicht.“

    „Ihr redet wie ein Magister der Urinologie! Trinkt jetzt!“

    „Nein!“

    Auf einen Wink des Arztes sprangen die Knecht herbei, hielten den Kopf des Dickbäuchigen fest und schütteten ihm den Ihnalt der Flasche in den Mund. Der schluckte, schnaufte, prustete, dann schrie er: „Verdammte Schurken, Euch soll der Teufel holen!“

    „Wer ruft mich?“

    Eine Klappe im Boden öffnete dich, ein weiß angemaltes Gesicht mit pechschwarzen Haaren erschien und blickte sich um. „Ha!“, rief das Gesicht, „wo bin ich hier? Die Hölle ist´s nicht – da komm ich ja gerade her – übrigens ziemlich eng da unten, der Himmel ist´s nicht – da will ich auch nicht hin, denn ich will ja nicht im Schimpf* zugrunde gehen – also, wo zum Teufel bin ich hier?“

    „Auf dem Lambertiplatz in Lüneburg, Teufel!“, rief eine Kinderstimme.

    „Wer bist du, mein Kind?“

    „Ich bin Hinnak Babendererde. Bist du der Teufel?“

    „Ja, der bin ich! Ich bin Satanas, der Herr der Unterwelt!“, rief der Teufel mit Stentorstimme.

    Jetzt sprang auch der Rest, eine schwarz gekleidete Gestalt, heraus und verbeugte sich. Ganz eigenartig war der Anblick, als sie sich wieder aufrichtete: Vor dem mit dunklen Tüchern verhängten Hintergrund war nur das weiße Gesicht zu sehen, das durch die Luft schwebte. Eigenartig war auch die Reaktion des Publikums; es begrüßte den Teufel wie einen alten Bekannten; Worte fielen wie: Hast auch schon mal besser ausgesehen, Teufel; was macht den deine Großmutter; wenn man vom Teufel spricht ist er auch schon da und dergleichen mehr. Aber auch der Teufel ließ sich nicht lumpen und zahlte mit barer Münze; „he, du da“, rief er, „willst meine Großmutter sehen? Komm mit, ich zeig sie dir! Hat Haare auf den Zähnen, damit kehrt sie die Hölle aus, und einen Buckel wie eine Wendeltreppe! Hab übrigens noch ein paar Plätze frei, müsst euch aber beeilen, sonst sind sie belegt! Gehen nämlich weg wie die warmen Semmeln! Ha, meine Kalfater°, die hacken schon tüchtig Holz, euch gehörig einzuheizen!“

    „Nein danke!“, rief jemand, „uns ist warm genug! Könnte sogar ein wenig kühler sein!“

    Der Arzt fragte den Patienten: „Nun, mein Freund, geht es Euch besser? Verspürt Ihr bereits Luft? Dann nur heraus damit, auch ein kleiner Wind kann das Wetter ändern!“

    Doch der Patient fing wieder an zu jammern und sich den Bauch zu reiben. „Ohh... AHHH... HUUU... wie das kneift und zwickt, wie das kneift und zwackt... lang halt ich´s nimmer aus!“

    „Dann hilft nur eins!“, rief der Arzt über Menge hinweg, „Teufel, das Werkzeug!“

    Der schwarze Mann mit dem weißen Gesicht zog ein riesiges Messer aus dem einen Ärmel seines weiten Gewandes, eine große Zange aus dem anderen, hielt beides hoch und rief: „Seht ihr´s, Leute? Seht ihr das Werkzeug? Damit wird er aufgeschnitten, der Satansbauch, und alles Überflüssige wird gnadenlos herausgezogen! Wenn das nicht hilft, hilft nichts!“

    Die Menge stöhnte wohlig auf, doch Taifan rief: „Nee, nicht schon wieder! Mir reicht´s jetzt! Dieses ewige Stechen, Schneiden und Brechen halt ich nicht mehr aus. Ich gehe!“

    „Mannomann, bist du blind“, fuhr sie Kevin an, „mach deine Gucker doch mal richtig auf! Messer und Zange sind angemaltes Holz!“

    „Ist mir doch wurscht! Mir reicht schon der Anblick!“

    „Es ist eine Komödie“, griff Ursula ein, „heißt 'Das Narrenschneiden' und ist völlig harmlos. Ein famoser Erfolg der Truppe. Dies ist jetzt schon die zehnte Aufführung hintereiander. Lass uns doch wenigstens –“

    Ein Schrei schnitt Ursula die Rede ab. Er kam von dem dicken Komödianten, dem die beiden Knechte ein Tuch über den Kopf warfen und festhielten. Der 'Arzt' trat an den zappelnden Patienten heran, tat so, als schnitte er ihm den Bauch auf, setzte die Zange an, zum Vorschein kam – eine Puppe mit wirren Haaren und schlacksigen, wurstförmigen Giedmaßen, aus deren Rumpf Stroh herausquoll.

    Der Gegensatz zu den vollmundigen Ankündigungen des Teufels brachte sogar Taifan zum Schmunzeln.

    Der Doktor fasste die Puppe am Schopf, hielt sie hoch und rief: „Das ist Gula, die Mutter der Völlerei! Schaut sie an, wie ihr die Därme heraushängen! Kein schöner Anblick, wie? Vom Übermaß an Nahrung, will sagen, vom Fressen ist ihr der Bauch geplatzt!“ Wieder setzte er die Zange an und zog die nächste Puppe heraus. „Was haben wir doch hier? Aha, Superbia, des Stolzes hässliche Braut! Und hier Invidua, der Neid, und hier... und hier...“ Im hohen Bogen flogen die Puppen heraus, wobei der Bauch des Patienten immer mehr abnahm.

    „Wie machte er das?“, tuschelte Kevin Ursula ins Ohr, „ich dachte, es wären Kissen.“

    „Er hat aufgeblasene Ziegenbälger unter dem Hemd und lässt die Luft heraus.“

    „Hey!“, rief Kevin vergnügt, „allmählich begreife ich, wie Mittelalter funktioniert!“

    Jetzt steckte der Arzt die Hände in den Bauch seines Patienten, wühlte mit ah! und oh! darin herum. Schließlich zog er ein Bündel hölzerner Figuren heraus. „Ein Advokat!“, rief er und warf die Figur auf dem Bühnenboden, „und hier ein Mönch...!“

    „Was kommt jetzt!“, fragte Kevin.

    „Die moralische Belehrung“, antwortete Ursula, „warum die Laster der Seele schaden und dass die Obrigkeit, obwohl sie einem machchmal quer vor dem Magen liegt, von Gott gesandt ist.“

    „Puh, ist das langweilig!“, stöhnte Taifan, „kommt, lasst uns gehen.“

    „Eins noch, bitte.“ Kevin. „Was wird auf der dritten Bühne gegeben?“

    „Ein Mysterienspiel“, sagte Ursula. „Das Leiden, Sterben, Wiederauferstehen und die Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus, mit Trommeln, Zinken, Krummholzen und allerlei wundersamen Begebenheiten.“ Ihrer Stimme war anzuhören, wie sehr sie das Thema bewegte. „Noch bis vor wenigen Jahren fand es in der Johanniskirche statt, doch seitdem der Andrang an Ostern so groß ist, wird hier draußen gespielt.“

    Ursula wandte sich ab, um eine Bekannte zu begrüßen.

    Kevin grinste.

    „Was grinst du so?“, zischte Taifan, „heilige Dinge sind nicht lächerlich, auch wenn einer wie du nicht daran glaubt.“

    „Glaubst du denn?“

    Taifan zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht... Hab noch nicht darüber nachgedacht... Irgendetwas Wahres wird schon dran sein.. Trotzdem kein Grund zu grinsen.“

    „Ich grins ja auch nicht darüber.“

    „Sondern?“

    „Ich stelle mir vor, wie der Auferstandene aus dem Grab fährt und in den Himmel aufsteigt.“

    „Und?“

    „Eine Klappe im Boden öffnet sich, und sie ziehen ihn in wallende Tücher gewickelt an Seilen zum Dach hinaus.“

    „Genauso ist es!“, bestätigte Ursula, die wieder bei ihnen war. „Die Wirkung ist nach wie vor umwerfend. Die Leute umarmen sich, fallen auf die Knie, loben und preisen den Herrn, manche vergießen Tränen.“

    „Versteh ich nicht“, brummelte Kevin, „sind die Leute wirklich so fromm oder tun sie nur so?“

    „Was meinst du?“

    „Ich... ähhh... wundere mich. Einerseits diese himmel... himmel...“

    „... hochjauchzende...“

    „... himmelhochjauchzende Gläubigkeit, dann wieder diese rohe Ausdrucksweise... da wird gefurzt, geschissen, gekotzt, gef... dass einem die Ohren klingen.“

    „Dir auch gerade!“, murmelte Taifan.

    „Ich weiß nicht, was du willst“, meinte Ursula. „Die Leute reden halt so. Sogar die Prälaten machen da keine Ausnahme. Letzten Sonntag noch redete der Prediger in der Nikolai-Kirche von Männern aus dem Stamme Juda, 'so an die Wand pissen'+.“

    Kevin blickte Ursula erstaunt an. „Du redest wie eine... wie eine...“, stammelte er.

    „Na, mein Lieber, immer noch nicht kapiert? Wie red ich denn? Frisch, fromm, fröhlich, frei, wie die Tochter eines freischaffenden Stadtnarren!“

    „Leute, ich kann nicht mehr“, stöhnte Taifan, „kann man sich vielleicht hier irgendwo ein Weilchen hinlegen? Ich hab das Gefühl, mein Rücken bricht gleich durch.“

    „Ja, im Badhaus. Eine Muhme von mir arbeitet dort als Küchenfee, die wird uns bestimmt eine Bank freimachen.“

    Kevin, lachend: „Eine Muhme als Küchenfee in einem Badhaus! Noch nie gehört! Klingt ja hochinteressant! Hihi, hab das Gefühl, dass es da ziemlich hoch hergeht! A propos Küchenfee... was sind eigentlich Kuddeln, und wieso kann man sich daran so fürchterlich den Magen verderben, dass man wie ein Kürbis aufschwillt?“

    „Kuddeln sind Klöße aus den Eingeweiden fetter Schlachttiere. Bei der gegenwärtigen Hitze verderben sie schnell und fangen an zu stinken, deshalb müssen sie schnell gegessen werden. Und wenn einer davon zu viel isst... einem Neffen von mir ist auf diese Weise der Bauch geplatzt.“

    „Ach! Und, lebt er noch?“

    „Das schon. Aber sein Bauch ist jetzt so schlaff wie ein leerer Hafersack.“

    „Na dann! Auf zum Badhaus!“

    _________________________

    *Müßiggang

    °Heizer

    +Hier irrt Ursula. Der Prediger lebte ein Hektojahr später und hieß Martin Luther.

    Forts. folgt

    Hallo Der Wanderer,

    hatte schon befürchtet, dass diese Zitate fäkaliter etwas zu starker Tobak sind für solch eine gebildete Leserschaft und ich verbaliter Prügel beziehe. Jetzt bin ich beruhigt.

    Bleib gesund!

    McFee

    Liebe Stadtnymphe,

    vielen Dank für dein spontanes Feedback. Mit den doppelten Adjektiven wollte ich der steinernen Opulenz eine verbale entgegensetzen.

    eine sehr interessante Unterhaltungseinlage des Narren, bei der ich nicht recht weiß, ob ich die wirklich gern gesehen hätte

    Dabei habe ich noch nicht einmal in die Vollen gegriffen. Nachfolgend ein paar Zitate aus einem Ritterroman, gedruckt um 1550. Ein Vater unterhält sich mit seinem 16jährigen Sohn.

    "Durch langwierige und interessante Versuche", sagt der Sohn, "habe ich ein Mittel gefunden, mir den Arsch zu wischen, so nobel... wie man´s sich nur wünschen kann." - "Was für eins?" ... "Zuerst wischte ich mich mit einer samtenen Frauenmaske... Die Weichheit der Seide verursachte mir ein besonderes Wohlgefühl am Hintern. Ein anderes Mal mit einem... Gebinde; aber die verdammten Goldperlen, die daran waren, zerkratzten mir das Arschloch", usw, usf.

    Dann folgt ein Gedicht, das so beginnt:

    Wischst du den dir Arsch mit Papier,

    verschmierst du leicht die Hoden dir


    und das so endet:

    ich hätt ihr (einer eingebildeten Dame) Vorderexemplar

    von Loch kalfatert fest und drang,

    indes sie mit dem Finger schlank,

    mein´s Hinterlochs genommen wahr,

    dieweil ich schiss.

    Der Dialog endet mit der Erkenntnis, dass man Zit. "erst scheißen muss, wenn man sich den Arsch wischen will" sowie mit der Versicherung, das beste Mittel sei Zit. "ein recht flaumiges, junges Gänschen... denn die Weichheit des Flaums wie die natürliche Wärme des Tieres tun dem Arschloch ganz besonders wohl."
    Der neuzeitliche Herausgeber versichert, er habe die heftigsten Ferkeleien bereits gemildert. Der Roman ist kein Schundstück, sondern Weltliteratur.

    Ich überlege, ob ich nicht im 2. Teil meiner Geschichte (ohne die 'Kinder') eine Naturgeschichte des Scheißens unterbringen sollte, denn die ist bisher, soweit ich weiß, noch nicht erschienen, und eine Erzählung soll ja auch neues bringen, frei nach der Devise, wer neues bringt, wird manchem etwas bieten. Ist für solch ein Forum möglicherweide aber ein doch zu starker Tobak.

    Habe deine Anregung bez. Taifans Scham aufgenommen und bereits eingepflegt.

    Nichts für ungut, bleib gesund.

    McFee

    6

    Der 'Sand' machte seinem Namen alle Ehre: Ein weiter Platz, sonnendurchflutet°, und Sand, Sand, Sand, soweit das überraschte Auge reichte, von stattlichen Häusern umgeben. Die Häuser, hoch, treppengiebelig, manche mit Gipsbäuchen*, standen eng beieinander; fast schien es, als versuchten sie, sich gegenseitig Halt zu geben, ihre Schnäbel# pickten ins Himmelsblau. Aus roten Ziegeln, Marke 'Klosterformat' Stein auf Stein gemauert, strahlten sie stolze Würde aus; es war eine ähnliche Würde, wie sie ihre Erbauer ausstrahlten, aufrecht-adelige Pratizier, dick-reiche Ratsherren, vornehm-fromme Prälaten, froh-fleißige Salzpfannenbesitzer, nur war es eben eine steinerne Würde und keine freundlich lächelnde. Und dann, am Ostende des Platzes, das feurige Wunder des Johannis-Kirchturms: breit-mächtig, himmelhoch, mit mattblauer Spitze, blickfangend, sodass man den Rest der Kirche, die sich erdverhaftet hinter dem Turm scheinbar wegduckte, erst auf den zweiten Blick wahrnahm. Doch diese urbane Prachtentfaltung täuschte nicht darüber hinweg, dass die meisten Lüneburger in windschiefen Hütten hausten, in feuchten, dunklen, rattenverseuchten Hinterhöfen, sich in fensterlosen Schlafkammern in engen Betten, zu zweit, zu dritt, zu viert anhusteten, ihre morgendliche Notdurft zwischen Schweinen, Hühnern, Hunden verrichteten.

    Ein Heer von Stadtknechten mit Rechen und Kübeln war gerade, als unsere Freunde den Platz betraten, dabei, die weite, von Rillen zerfurchte und mit Pferde- und Eselsäpfeln gesprenkelte Fläche, zu säubern und glattzuziehen.

    Ein großes hölzernes Podest war aufgebaut, eine Art dreiteiliger Bühne. In der Mitte, vor einer bebilderten Bretterwand, stand ein großes, bunt angemaltes hölzernes Ei, vor dem sich eine große Anzahl Zuschauer mit neugierigen Blicken eingefunden hatte. Der Bronzeschlag der nahen Kirchturmuhr ertönte, beim vierten Schlag fiel das Ei auseinander, ein bunter exotischer Vogel wuchs heraus: Der Narr mit Narrenstab, Narrenkappe und lustig angemaltem Gesicht.

    „Hei ho, liebe Leute, nur herbei!!„

    der Narr schlüpft gerade aus dem Ei!“

    rief er unter Schellengeklimper. Mit einem Satz war er draußen, verbeugte sich übertrieben tief nach allen Seiten, dann ließ er einen gewaltigen Furz hören – zumindest klang es so – und erntete den ersten Lacher. „Was hör ich da? Die Jungfer dort hat Hummeln im Hintern! Woher ich das weiß, wo ich meine Nase doch, leider, sag ich, ganz woanders habe? ich hab sie gerade hören brummen!"

    Taifan blickte ihren Bruder irritiert an. "Findest du das lustig?"

    "Hmm... nun ja, das ist eben Mittelalter. Sicherlich nicht unser Geschmack, aber wie du siehst, den Leuten gefällt´s."

    "Ja lacht nur, gute Leute!“, fuhr der Narr unterdessen fort, „das Lachen wird euch noch vergehen! Ein Hochweiser Rat hat eine neue Steuer im Köcher! Natürlich – Kophaber, Bedehaber, Gohaber und allerlei anderer Haber reichen nicht, um den Hunger der Fürsten und Prälaten nach Geld – Geld –“ hier klatschte der Narr rhythmisch in die Hände – „Geld – Geld und immer wieder Geld zu stillen. Wie sagt doch meine Muhme noch gestern? Sie sagte: Geld regiert die Welt, und ich sage: beatius est accipere quam dare+! Der Bauch des Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation ist so unersättlich wie mein Arsch – er wird nie voll, hahaha! Irgendwo hat er ein Loch – doch wie ich mich auch dreh´ und wend´ – ich find´es nicht! He du da, Stadtknecht! Wo sind deine Zinshühner geblieben? Und du da, Bauer! Wo deine feisteste Sau? Und du da, Turmbläser! Wie lange fütterst du schon die Herrenkuh durch, während deine eigene aussieht wie eine Katze, die in einen verschlammte Fischteich gefallen ist? Ich frage euch: Wann habt ihr das letzte Mal einen fetten Braten gegessen oder einen süßen Wein geschürft? Wie, höre ich recht? Ha, dacht´ ich mir´s doch! Ihr könnt euch nicht erinnern! Aber an den letzten Kirchenzehnt und das letzte Meggergeld, daran könnt ihr euch noch gut erinnern! Und jetzt kommt noch die Türkensteuer hinzu, auf die wir alle sehnlichst gewartet haben!“ Er drehte sich ein paarmal um sich selbst, dabei rief er vergnügt: "Aber so hart wird´s euch schon nicht ankommen! Habt einen milden Winter gehabt, könnt euch also nicht beklagen! Höre auch, habt ein gutes Mittel gefunden, euch die Nächte zu verkürzen! (Der Narr machte eine obzöne Geste) Das nenn ich recht und tugendhaft!

    Es berät der Rat wohl unter Qualen,

    wer all die Schulden soll bezahlen!

    Die Prälaten? Ei, das glaub ich nicht,

    die halten ihre Beutel dicht!

    Der Bürger ist´s, der arme Tropf,

    er wirft den letzten Heller in den Topf!

    Zum Henker auch! Geht´s weiter so,

    werd ich des Lebens nicht mehr –“


    Vor einer in ein schlichtes Kleid gehüllten Zuhörerin blieb er abrupt stehen und machte einen halsbrecherischen Kratzfuß. „Meine Verehrung, Frau Nachbarin! Wie seht Ihr heute wieder aus! So schön, so herzig, so sittsam, so sanft. Wo aber habt Ihr denn Eure Runzeln gelassen? Gestern waren sie noch da! Schweigt, sagt nichts, lasst mich raten!“ Der Narr legte in drolliger Manier den Finger an den Mund und tat so, als denke er nach. „Nein, beim Jupiter, ich komm nicht drauf, hab einfach keine Idee.“ Er schüttelte den Kopf, seine Kappe klimperte klangvoll. „Das kommt davon!“, rief er, „wenn man die Schuhe in der falschen Reihenfolge anzieht, es schadet dem Gedächtnis. Na gut, Leute, frag ich euch eben. Was meint ihr, wo sind die Runzeln der Jungfer hier geblieben?“ – „Sind ihr an den Hintern gerutscht!“, rief jemand. Ein schallende Ohrfeige folgte, darauf der Narr: „O wie schön Ihr streicheln könnt, hohe Frau! Auf die andere Wange gleich auch noch eine!“

    Während Kevin das zotige Spektakel mit offensichtlichem Vergnügen genoss, wurde Taifans Miene immer abweisender. Nur die Tatsache, dass hier Ursulas Vater am Werke war und sie nicht unhöflich sein wollte, ließ sie bleiben.

    Der Narr wartete, bis sich das Gelächter gelegt hatte, dann fuhr er fort: „Eine Türkensteuer! Und warum? Weil der Kaiser, diese Erzschlafmütze, nichts tut! Der Türke steht vor Mailand, und wo ist Herr Friedrich? Beim Papst und führt sein Pferd am Zügel! Wie peinlich! Und wieder rüsten die Fürsten zum Kreuzzug, und wieder brauchen sie – – sag es nicht, mein Freund, sonst kotz ich der Jungfer vor die Füße! Die Prälaten sind im Badhaus und lassen sich ihren – – Ha! Wen seh ich da? Der Herr Stadtvogt höchst persönlich! Euer untertänigster Diener, Exzellenz!“ Schreyvogel verbeugte sich; als er wieder hochkam, flogen seine Glieder umher, als wollten sie sich selbsständig machen, wohl, um die Schellen voll zum Rasseln zu bringen.

    „Macht nur weiter, Schreyvogel!“, rief der Stadtrichter gut gelaunt, „redet narrenfrei; Schlag fünf – dann noch ein falsches Wort – und Ihr landet im Turm!“ Er und seine zwei Spießgesellen entfernten sich wieder.

    „Ich dank Euch untertänigst, Herr, was wahr ist muss auch Wahrheit bleiben!“, rief ihm der Narr nach. „Es ist schrecklich viele Lug und Trug auf der Welt!“ Wieder zur Menge: „Ich kannte einen, der fraß täglich zehn gemästete Kapaune als wären´s Gerstengraupen. Der stahl euch der Henne ein Ei unterm Hintern weg, ohne dass sie´s merkte, und mit großen Worten und Versprechungen tat er es dem pfiffigsten Ablasskrämer gleich. Doch Versprechungen halten? Pah, nicht seine Sache! Im Breverchen-Chespren, nein, im Verbrechen-Sprechen, Herrgott, was erzähl ich da, ich meine: Im Versprechen-Brechen, hey, da war er der reinste Herkules! Wenn du ihn darauf ansprachst, meinte er: Ach, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern! Und lügen konnte er! Leute! Er konnte mit solcher Geläufigkeit lügen, dass du dachtest, die Wahrheit wäre ein Narr und der Kaiser eine Eule! Und Bescheidenheit! Pah! Bescheidenheit war seine größte Tugend nicht, und im Aufschneiden, poh, stand er keinem Schinder nach. Im Schlaf tat er wenig Böses, der alte Rotzlöffel, außer seinen Betttüchern, aber man kannte seine Art und ließ ihn nachts allein. Von seiner Ehrbarkeit habe ich wenig zu sagen; er hatte alles, was ein ehrlicher Kerl nicht haben sollte, und von dem, was ein ehrlicher Kerl haben sollte, hatte er nichts.“ Der Narr machte eine Kunstpause, zog ein riesiges buntes Tuch hervor und wischte sich die Stirn, denn die Sonne stach. „Neulich traf ich ihn zufällig wieder“, fuhr er fort, „und Leute, ihr ratet nicht wo! Auf dem Rat, hahaha, hättet ihr das gedacht, liebe –“

    „Übertreibt es nicht, Schreyvogel!“ Ein Stadtknecht, der schon seit einiger Zeit Posten stand und die Ohren spitzte, näherte sich mit gefällter Pike. „Sonst – –“

    „Was sonst?“

    „Ihr wisst schon, was gemeint ist!“

    „Pest und Cholera! Nein, bin ich ein Hellseher? Ich bin Narr, und merkt Euch: Ein Narr ist, wer den Erben lässt, was nötig ihm zum Lebensrest! Aber ich hab nichts, denn alles was ich hab, hab ich vorhin schon fahren lassen!“ Allgemeine Heiterkeit. „Also, was habt Ihr gegen einen, der nichts hat? Außerdem bin ich freischaffender Narr und kann bis zum fünften Glockenschlag reden, was ich will!“

    Der Stadtdiener richtete seine Waffe drohend auf den Narren.

    „Ach, jetzt begreif ich! Ihr wollt mich stechen! Stets zu Diensten, guter Mann! Stecht nur zu! Aber ich bitt Euch da hinein!“

    Schreyvogel drehte sich um, hob sein Untergewand, zeigte dem Stadtknecht den blanken Hintern, dabei rief er fröhlich: „Da hinein, damit das Fell kein Loch bekommt!“ Er brach in höllisches Gelächter aus, in das die Zuschauer einstimmten. Dann drehte er sich wieder um und rief über das Gebraus hinweg: „Nicht für ungut Freund, ich weiß, ich bin ein Vieh, ein unverschämter Lügenbeutel, ein Narr von Un-Rats Gnaden! Das sind doch Hirngespinste, die ich da erzähl, die noch Äsop zu seinen Fabeln fehlen. Drum sing ich:

    Kaiser Friedrich ist ein großer Herr,

    groß sein Verdienst, der meine klein,

    allein, mir fehlt der Glauben,

    denn ich seh sie beide nicht!

    Nichts gegen den Kaiser! Caritas omnia credit&! Er ist der Herr, ich bin nur ein armer Schelm, ein lumpiger pfiffiger spitzbübischer, durchtriebener, durchsichtiger, durchsiebter, Schelm, ein Erznarr und Possenreißer, Hosenscheißer, Hodenbeißer, Hobelmeister!“

    Der Narr klatschte in die Hände, zwei junge Frauen in durchsichtigen Hemden sprangen mit Juchhe und Juchhei hinter dem Bretterschlag hervor, gefolgt von zwei halbnackten jungen Männern, sowie ein Lautenspieler und ein Zink-Bläser. Die jungen Leute umfassten sich und begannen, zur Musik zu tanzen. Der Tanz – eher ein Ringen – war so gestaltet, dass die Tänzerinnen und Tänzer unter lautstarker Anteilnahme des Publikums nach kurzer Zeit am Boden lagen, mit derart verrutschter Kleidung, dass ihre intimsten Stellen frei lagen.

    Taifan betrachtete mit hochrotem Kopf einen höchstens sechsjährigen Knaben, der das Schauspiel mit großen Augen ansah und sichtlich genoss. Doch ehe sie etwas äußern konnte, sagte Ursula: „Der sieht und hört noch ganz andere Sachen, zum Beispiel im Schlafzimmer der Eltern oder im Frauenbad!“

    Die Tänzer erhoben sich und begannen eine neue Runde, auch der Narr legte wieder los.

    „Ja, da schaut ihr euch die Augen aus dem Kopf! Und ich dacht, hier wohnten Christen! O du meine Stadt!“, Schreyvogel rang in gespielter Verzweiflung die Hände, „Palast des Irrtums und der Unzucht! Sodom und Gomorrha, zwei Sündenbabel, vereint zu einem Ort, in meiner Stadt! Ich dacht, ich wär in Gottes Garten! Ha, und wo bin ich? In Augias´ Stall! Der Mist liegt meterhoch und stinkt zum Himmel!“ Schreyvogel hielt den Narrenspiegel hoch. „Na los, ihr Leute, schaut in den Spiegel! Schaut nur hinein, auch wenn ihr Fratzen seht! Ihr schweigt? Soll ich euch sagen, was ich sehe? Ich sehe Säufer, Fresser, Hurenschwingel! Na gut, was soll´s! So der Herr, so das Gescherr! Die Herren sind nicht frommer! Im Badhaus ist nicht nur das Wasser heiß, sondern auch die Liebe!“ Er winkte zwei Handwerkern zu, die neugierig hinzugetreten waren. „He ihr da, ihr beiden schwarzen Kaminkehrer, wo kommt ihr gerade her? Lauter, LAUTER, ihr Teufelsbraten, ich verstehe euch nicht! Vom Venusberg? Recht so, recht so! Nur wacker gefegt, junge Besen kehren gut! Und Ihr da; Frau, wie steht´s mit Euch? Wann wart Ihr das letzte Mal treu?“ Der Narr machte eine elegante Verbeugung und rief:

    „O welch ein Anblick, welch ein lieblich Gesicht!

    Welch Jammer, denn die Sitt´ erlaubt es nicht,

    Euch an den hohen Busen nur zu rühren!

    Gevatterin, habt Ihr noch mehr zu bieten?

    Wir sehn und wieder auf der grünen Au,

    ich zück mein´ Stab im Abendtau –

    dass Ihr die Engelein im Himmel – wie was wau? Ihr wollt schon gehn? Dann geh mit Gott, du schönste aller Frauen! Viel Narrentag und selten gut hat´s, wer sein Frauen hüten dut! “

    Die Tänzer hatten inzwischen ihre Darbietung beendet und waren neben das zerlegte Ei getreten.

    „Kann dein Vater nun frei reden, oder kann er nicht?“, fragte Taifan leise. „Dieser Soldat sieht mir ziemlich bärbeißig aus und nicht wie einer, der viel Spaß versteht.“

    Ursula grinste. „Du meinst den Stadtknecht? Der ist bestochen, damit mein Vater den Witz mit dem Loch im Fell reißen kann.“

    „Schon wieder Mummenschanz!“, rief Kevin.

    „Die Leute wollen es so, was meinst du wohl, warum der Platz brechend voll ist? Und warum sie immer wieder über dieselben Witze lachen?“

    Gerade ging wieder die Stimme des Narren in lautem Gelächter unter, der Blasebalg seiner Lungen wogte heftig – anscheinend stand die nächste Schmährede bevor – da erklang der erste Glockenschlag – dong – , und schwupp saß er wieder in der hölzernen Blüte. Die Tänzer klappten eilig das Ei zusammen, noch einmal steckte Schreyvogel seinen Narrenkopf heraus. „Ihr lieben Leute!“, rief er unter schrillem Schellengeläut – dong – ,

    „geht nach Hause, jetzt ist Schluss!

    Vergesst nicht euren Obolus,

    denn auch ein Narr von Rates Gnaden

    muss – dong – sich und all die Seinen laben!

    Den Narren freut nichts in der Welt,

    es sei denn, dass es schmeckt nach Geld!

    Und hab ich es nicht gut gemacht,

    was soll´s, ihr habt – dong – trotzdem gelacht,

    und hätt´ ich jemand´s Ehr berührt

    oder die Magd im Stall verführt,

    so bitt ich um Vergebung!“

    Die Leute begannen nun, das Ei mit Münzen zu bewerfen; die Tänzerinnen und Tänzer flitzten umher und sammelten sie ein – dong. Der Glockenhall verklang, die Narretei war beendet.

    ____________________________________________________________________

    °Die Geschichte spielt in der sogen. Mittelalterlichen Warmzeit, also können wir annehmen, dass gerade die Sonne schien.

    *Der Maurermörtel bestand damals aus Gipskalk, der mit der Zeit Wasser zieht und aufquillt.

    #Die Hebebalken, die aus den Dachgeschossen rag(t)en.

    +Nehmen ist seeliger denn Geben.

    &Die Liebe glaubt alles.

    Forts. folgt

    Hallo, Der Wanderer,

    vielen Dank für deinen Kommentar.

    Biertrinken! Ein sehr schöner Brauch, den ich auch in heutiger Zeit gerne pflege und bewahre. Und was soll ich sagen: Ich bin eigentlich nie krank...

    Wie schön für dich! Ich wollte nicht zuviel Infodump in die Geschichte quetschen, sonst hätte ich noch erwähnt, dass das Wasser damals nicht das war, was heute aus der Leitung kommt. Damals kam´s aus der Ilmenau und enthielt die verschiedensten unappetitlichen bis giftigen Stoffe, wie Fäkalien, Schwermetalle wie Blei und Zink ++, und jede Menge Krankheitserreger...

    Morgen geht´s weiter.

    Hallo Stadtnymphe,

    vielen Dank für deine wohlüberlegten Bemerkungen. Zunächst:

    erweckst du eine sehr leichtfertige Atmosphäre

    Du meinst bestimmt: leichte, lockere A. Ich überlege mir jeden Satz 3mal, bevor ich ihn niederschreibe.

    , nämlich dass Kinder sehr unbekümmert und begeistert reagieren, als sie sich plötzlich im leibhaftigen Mittelalter wiederfinden. Mein erster Gedanke würde lauten: "Oh Gott, werde ich jemals wieder in die Gegenwart zurückfinden? Und wenn ja, wie?"

    Da muss ich dir Recht geben. Zumindest Taifan müsste zurückschrecken. Aber es sind keine Kinder, sondern Teenager (kein Kind sagt zu seinem Vater: hey, Alter!), und zumindest Kevin steckt vollet Tatendrang. Werde die Stelle enstspr. ändern.

    (Können die Kinder, wenn sie unsichtbar sind, überhaupt etwas essen? Etwas berühren? Warum sind sie unsichtbar? Ist dieser Übertritt ins Mittelalter überhaupt eine echte Zeitreise oder doch nur ein Gedankenexperiment?)

    Wirkliche Zeitreisen gibt es nicht, es ist alles Fantasie. An dergl. Filmen stört mich zum Beispiel, dass sich die Protaginsten und Statisten mit dem Outfit der Jetztzeit durchs 13. Jh. bewegen, also wohlgenährt, mit blendendem Gebiss und glatter Haut; mit Gestalten und Gliedmaßen von heute, und nicht von damals, wo die Leute viel kleiner waren und sehr viele verkrüppelt, rachitisch (und da nützt es auch nicht, wenn sie´s Gesicht mit Asche einschmieren und ein Bein nach oben binden): für mich unglaubwürdig bis lächerlich. Da wollte ich für diejenigen, die´s interessiert, einiges klarstellen. Ich will zeigen, wie es (möglicherweise) wirklich war, und nicht, wie es sich manche Filmemacher vorstellen; allerdings nicht als trockene Abhandlung, sondern als lebendige Erzählung. Ob es mir gelingt, ist eine andere Frage.

    Warum sind sie unsichtbar... Nun ja, weil sie aus einer anderen Zeit stammen, und weil ich meine, dass wirkliche Zeitreisen mit lebenden Körpern nicht möglich sind (vielleicht später einmal, wenn der Mensch mit Überlichtgeschwindigkeit reisen kann). Und unsichtbar sind sie nur für die Leute, nicht für Ursula, denn auch die ist ja ein 'Kind' zweier Epochen und so eine Art Astralleib, wie auch ihr Vater, der in dreierlei Zeitepochen auftaucht: als Glasmalerei im 12., als Narr im 14. und im 20. Jh. beim Sülfmeisterfest. Überhaupt die Zeit... Wenn du genau hinschaust, stellst du fest, dass in der gegemärtigen Sekunde die vorangegangenen stecken, will sagen: die Gegenwart schließt alle bisherigen Epochen ein wie eine russische Matkafigur ihre kleineren Innenpuppen. Und alle ähneln sich, wie die Menschen, die vor 500, vor 5000... Jahren nicht anders waren als heute: genauso habgierig, machtbesessen, grausam, gutgläubig, liebevoll.

    Durch die Rathaustür einfach wieder zurückgehen, erscheint mir eine einfache, aber offensichtliche Lösung...

    Ja. Und sie werden, aus der Sicht ihrer Eltern, keine zehn Minuten weggewesen sein. Hier schwebt mir folgendes vor: Die Zeit ist ein U, die Schenkel symbolisieren Gegenwart und Vergangenheit, und von einem zum anderen braucht´s nur einen Schritt. Zugegeben, ein ziemlich relativistischer Ansatz, aber die Astrophysiker sagen, der Raum sei gekrümmt ist, also muss es auch die Zeit sein.

    einen 2000seitigen Wälzer

    Mein Gott, wie mühsam! Schau dir Orginalabbildungen aus der Zeit an, Holzschnitte, Malereien, Graphiken, tu deine Beobachtungen in einen Topf, würze mit ein Paar notwendigen Sach-Infos, rühre mit dem Löffel deiner Fantasie gründlich um: schon hast du die halbe Miete!

    Zuletzt würde ich gern wissen: Wie hast du für deine Geschichte recherchiert?

    Ich besitze ein Buch, die 'Sitten und Kulturgeschichte' aus 1923, da stehen Sachen, die man noch nicht einmal bei Papa Google findet. Dann gibt es hier eine Geschichtswissenschaftlerin namens Springintgut, eine direkte Nachfahrin besagten 'Burgemeesters', die sich um die damaligen Verhältnisse in Lbg. gekümmert hat. Bei der Szene im Badhaus z. B. hab ich einfach einen alten Holzschnitt in Erzählform gebracht. Etliches ist literarischer 'Dachbodenfund' aus versch. Quellen, die ich jetzt nicht mehr weiß.

    LG, McFee

    Hallo Drachenlady2001,

    vielen Dank für deinen Kommentar. Bestimmt findest du in den hächsten Kapiteln, was dir bisher gefehlt hat.


    Wieder sitzt der Patient auf einem Stuhl, doch jetzt sind es nicht zwei, sondern fünf robuste Männer, die in strammer Haltung wie Rekruten der Stadtwache hinter dem Stuhl Aufstellung genommen haben. Das rechte Hosenbein des Patienten ist bis weit übers Knie hochgekrempelt, das nackte Bein liegt ausgestreckt über einem Hocker, der Unterschenkel schillert bis über die Mitte hinauf in allen möglichen Farben, vornehmlich schwarz-braun. Jetzt öffnet sich ein Vorhang, ein Mann tritt hervor, in der Hand eine eiserne Bügelsäge: Der Chirurg. Er hält die Säge hoch, zeigt sie dem Publikum; jetzt fährt er mit dem Daumen über ihre Zinken und zieht eine Grimasse, um anzudeuten, wie scharf sie sei. Nun dreht er sich um, seinem Patienten zu; sofort springen drei Gehilfen vor und halten den Mann mit kräftigen Händen fest, ein vierter drückt das kranke Bein fest auf den Hocker.

    Jetzt geschieht etwas Eigenartiges. Der Patient begann lauthals zu singen, nein, es ist eher ein wüstes Grölen, mit dicker verquollener Zunge mühsam röchelnd hervorgebracht. Man hört Wortfetzen wie: „Da pa-patschem Dominä, da-do-mee...“

    Das Publikum – etwa zehn, zwölf Erwachsene und ein paar Jugendliche – verharren in tiefstem Schweigen. „Hat er den Verstand verloren?“, fragt Kevin in die Stille hinein.

    „Er ist schwer betrunken“, flüstert Ursula, „er hat sich mit Branntwein so weit wie möglich betäubt. Jetzt versucht er, das Lied des Glockenspiels vom Rathausturm 'Da pacem domine' zu singen.“ Auch sie ist jetzt ziemlich grün um die Nase.

    Der Operateur setzt die Säge kurz überm Knie an, er hält das eine, der fünfte Gehilfe das andere Ende fest im Griff, und schon beginnen sie mit schnellen Bewegungen ihr Werk. Ein Stöhnen geht durch die Zuschauer; deutlich ist zu hören, wie der Patient mit den Zähnen knirscht. Jetzt bäumt er sich auf, und statt des Gesanges dringen furchtbare Laute aus seiner Kehle. Nun öffnet er den Mund und beginnt zu schreien; das Geschrei schwillt zu einem entsetzlichen, infernalischen Gebrüll an – auf einmal ist Ruhe – das Bein ist ab und der Mann offensichtlich ohnmächtig. Sofort springen zwei Gehilfen herbei und schnüren den blutenden Stumpf ab, ein weiterer beräuchert die offene Wunde und reibr sie anschließend mit einer grauen Salbe ein; zum Schluss wird der Stumpf in Tücher eingewickelt und der Mann hinter den Vorhang gebracht, ebenso das abgesägte Bein. Der ganze Vorgang – sägen, abbinden, räuchern, einreiben, verbinden – hat keine fünf Minuten gedauert. Die Zuschauer klatschen in die Hände, einige nicken sich zu; es fallen anerkennende Worte wie: „Meister Gotthard ist immer noch der Schnellste!“ oder: „Keine zwei Minuten hat er gebraucht, dann war´s ab!“

    Auf den Gesichtern der Menschen liegt milde Nachdenklichkeit gepaart mit dem Ausdruck der Freude, nicht selbst unter der Säge gelegen zu haben, aber keineswegs tiefe Betroffenheit oder gar Anzeichen von Mitleid oder Ekel. Die meisten sind dergleichen Darbietungen gewohnt; schon steuern einige die nächste Schenke an, um die Zeit bis zur nächsten 'Operation' bei einem Krug billigem Krätzer zu verplaudern oder Meister Gotthards Kunststück noch einmal gründlichst durchzuhecheln.

    Ursula blickte sich um – Kevin war verschwunden. Sie fand ihn weiter weg; den Kopf an eine Mauer gelehnt und offensichtlich mit seinem Magen kämpfend.

    „Hier, trink das“, sagte sie und hielt ihm eine kleine, in Stoff eingebundene Flasche hin, „das wird deinem Magen gut tun.“

    Kevin beäugte das Teil argwöhnisch. „Was ist das?“

    „Ein Kräuterlikör nach einem Rezept der Hildegard von Bingen.“

    „Bist du mit der auch verwandt?“

    Ursula lachte.„Nein. Wär´ ich aber gerne! Nun trink schon!“

    „Was ist denn da drin?“

    „Getrocknete und pulverisierte Stiele vom Hexenkraut, dreimal ausgezogene Natternköpfe, ein bisschen Teufelsabbiss, ein wenig Frauenhaar –“

    „Na wenn das nicht hilft!“, lachte Kevin und nahm einen Spatzenschluck. „Hmm... schmeckt nicht schlecht! Aber für´s erste reicht´s. Vielleicht später nochmal. – – Wo ist denn Taifan?“

    5

    Taifan hatte inzwischen den Gaukler, dessen leicht durchschaubare Künste ihr nicht zusagten, verlassen und schlenderte über den Kirchplatz mit den alte Linden, die in voller Blüte standen und herrlich dufteten. Auf einmal blieb sie verwundert stehen und lauschte.

    „Es hatt‘ ein Bauer eine schöne Frau, die blieb so gerne zu Haus,

    Sie bat oft ihren lieben Mann, er sollte doch fahren hinaus,

    er sollte doch fahren ins Heu,

    er sollte doch fahren ins hi, ha, ho, hü, ha, ha, Heu.“

    Der Sänger stand auf einer Holzbank, die Laute im Arm. Mit sanften Fingern bestrich er die Saiten, als wär´ das Instrument der Körper einer Geliebten. Die Töne wehten durch die Luft wie unsichtbar funkelnde Kolibris. Jetzt fällt er aus dem Langsam-Bedächtigen ins Bewegte; er tritt mit dem Fuß dazu, sich selber Takt und Maß gebend. Der Hund neben ihm wittert mit weiten Augen und bebenden Nüstern; die Klänge vernimmt er wohl, aber er weiß nicht, woher sie kommen.

    Das Zwischenspiel ist beendet, lautlos zieht der Sänger die Luft durch die Nase ein und fährt mit wunderbar reiner Stimme fort:

    „Der Mann, der dachte in seinem Sinn: Die Reden, die sind gut!

    Ich will mich hinter die Haustür stell´n, will sehen, was meine Fraue tut.

    Will sagen, ich fahr´ ins Heu,

    Will sagen, ich fahre ins hi, ha, ho, hü, ha, ha, Heu.“

    Taifan tritt näher und stellt sich zu den Zuhörern, die um den Bänkelsänger verzückt lauschend herum umstehen.

    „Da kommt geschlichen ein Reitersknecht zur jungen Frau hinein,

    und sie umfängt gar freundlich ihn, gab stracks ihren Willen darein:

    Mein Mann ist gefahren ins Heu

    Mein Mann ist gefahren ins hi, ha, ho, hü, ha, ha, Heu.

    Er fasst sie um ihr Gürtelband und schwingt sie wohl hin und her;

    der Mann, der hinter der Haustür stand, ganz zornig tritt er herfür:

    Ich bin noch nit fahren ins Heu

    Ich bin noch nit fahren ins hi, ha, ho, hü, ha, ha, Heu!

    Ach, trauter, herzallerliebster Mann, vergib mir nur diesen Fehl!

    Will lieben nur dich allein, will kochen Mus und mahlen Mehl.

    Ich dachte, du wärest ins Heu

    Ich dachte, du wärest ins hi, ha, ho, hü, ha, ha, Heu.

    Und wenn ich gleich gefahren wär ins Heu und Stroh,

    so sollst du nun und nimmermehr einen anderen lieben also.

    Der Teufel mag fahren ins Heu

    Der Teufel mag fahren ins hi, ha, ho, hü, ha, ha, Heu!“

    Der bärtige Sänger verstummt, die Ballade ist beendet, die Laute sinkt herab. Er späht in den Himmel über der Stadt mit den annähernd hundert Türmen, doch es scheint, als nähmen seine Augen nichts wahr, weder den Himmel über noch die Menschen vor ihm, die jetzt Beifall in klingender Münze spenden. Doch seine Wimpern, aus denen Einsamkeit wie schwarzes Licht leuchtet, zucken. Jetzt nimmt er den Blick zurück und verbeugt sich, Zufriedenheit auf den geröteten Wangen.

    Nachdenklich geht Taifan weiter. Diese Stimme, diese wunderbar reine Stimme, dazu die sanften Lautenklänge... Für einen Moment kommt ihr die Stimme bekannt vor... ja, doch, solch eine ähnliche Stimme hatte doch dieser... wie hieß er noch gleich... Der Name fällt ihr nicht ein, aber sie hört ihn singen:

    „Über den Wolken muss die Freiheit grenzenlos sein...“

    Doch sie hat keine Zeit, weiter über den Sänger und seinen Doppelgänger nachzudenken, denn heftiges Geschrei reißt sie aus ihren Gedanken.

    „O über euch Toren!“, schreit eine hohe Stimme, „bei der heiligen Dreifaltigkeit, beten sollt ihr, beten! Mittelmäßig und bescheiden, wie der Papst in Rom! Es ist erwiesen, dass die Gebete derer, die bescheiden sind, öfter erhört werden als die der Fordernden! Weg also mit der Gier, mit dem Geiz, weg mit der Maßlosigkeit, denn über die Welt werden sich schreckliche, abscheuliche, bösartige, widerwärtige, ekelhafte Krankheiten senken wie ein schwarzer stinkender Mantel...“

    Der Schreihals, ein noch junger Mann, in ein langes, schwarzes Gewand gehüllt, einen breitkrempigen Hut aus dem Kopf, steht hinter einem Tisch, der mit Flaschen, Kannen, Fässchen überladen ist. Auch unter dem Tisch stehen Fässer und Kannen. Auf roh gezimmerten Staffeleien sieht man grob gemalte Bilder, ein Mann, eine Frau, ein Kind, alle mit entsetzlich entstellten Gesichtern. Die zahlreichen Gaffer, dicht gedrängt und mit offenen Mündern, haben vom Zuhören lange Ohren bekommen.

    „Die Welt wird aus dem Häuschen sein“, schreit er mit sich überschlagener Stimme, „und niemand weiß, wie das enden soll! Die Blinden werden noch weniger sehen, die Tauben noch weniger hören, die Stummen noch weniger reden, die Reichen werden sich noch elender fühlen als die Armen. Bei allen Heiligen, ich zittere vor Angst, wenn ich daran denke, denn ich habe sie gesehen, die Kranken, die Siechen, die Gebrechlichen, die Nasenlosen, die Ohrlosen, und jene, die sich ohne Arme und Beine im Staub wälzen! Infolge des vorjährigen Kometen und des Rücklauf des Saturns wird ein schrecklicher Aufruhr über das Land kommen; was oben war, wird unten sein, was unten oben. Die Bänke werden auf die Schemel steigen, die Ochsen werden ihre eigenen Bratspieße drehen, ihr werdet mit dem Hintern voran und mit dem Bauch zurück gehen, die Toren werden zu Weisen, die Weisen zu Taugenichtsen. Der Kaiser wird vom Papst, der Papst vom Herren der Unterwelt regiert. Die Menschen werden maskiert gehen und ziellos wie die Narren durch die Straßen irren.“ Er hält kurz inne, um seine Apokalypse wirken zu lassen. Dann drischt er weiter: „Die Straßen werden gepflastert sein mit Leichen, die Gosse angefüllt mit Eiter, die Luft durchtränkt mit dem Gejammer verhungernder Waisen, irre Hunde werden mit den Resten entfleischter Schädel spielen. Heerscharen von Wölfen und Bären werden die Stadtmauern überwinden und sich auf die Lebenden stürzen, und in der Hölle werden gewaltige Feuer lodern!“ Ein Stöhnen geht durch die Menge, in den Augen des Redners blitzt es. „Doch noch ist es nicht so weit!“, schreit er, „verzagt nicht! Es gibt eine Möglichkeit, dem Inferno zu entkommen, ja, ihr Lieben, es gibt eine Möglichkeit, nicht ganz billig zwar, jawohl, aber was bedeutet schon Geld, wenn man damit sein Leben und das seiner Lieben retten kann!“ Der Mann hält eine schlanke Flasche mit einer braunen Flüssigkeit hoch. „Das ist es, was jeden von euch vor dem Untergang bewahren kann! Aqua vitalis, das Wasser des Lebens! In Maßen genossen ein wahres Lebenselexier.“ Er weist auf die Schaubilder. „Seht, liebe Leute, diese von der Seuche entstellten Gesichter... wie entsetzlich! Und was noch entsetzlicher ist, das sind die Qualen, die sie erleiden, was ihr nicht hört, sind die Schreie, die sie ausstoßen, was ihr nicht riecht, das ist der Gestank ihrer Geschwüre! Ha! Und so – “ er dreht die Tafeln um, zum Vorschein kommen ähnliche Figuren mit gesunder Haut, und ein Ah! und Oh! der Erleichterung geht durch die Menge – „so werden sie aussehen, wenn sie das Wunderwasser, mein Aqua Vitalis, das Elexier des Lebens aus eigener Fabrikation, eingenommen haben!“

    Taifan wendet sich entrüstet ab. Das darf doch nicht wahr sein! Ein Scharlatan! Der Kerl macht den Leuten die Hölle heiß, um ihnen gefärbtes Wasser für viel Geld anzudrehen!

    Kevin kam angerannt, hinter ihm Ursula. „Mein Gott, Taifan! Wo steckst du bloß? Wir haben dich schon überall gesucht!“

    „Ist er tot?“

    „Wer?“

    „Na der Mann bei dem... na, ihr wisst schon... Sein Gebrüll war bis zur Kirche zu hören!“

    Ursula schüttelte den Kopf. „Warum sollte er tot sein? Die Operation war eine Meisterleistung! Es ist alles tadellos gelaufen! Auch die anderen Patienten können sich nicht beklagen! Die Frau lässt sich ein Gebiss aus Holz anfertigen, damit kann sie zwar nicht essen, aber wenigstens sparsam lachen, der Mann kann auf einem Auge wieder sehen und eigenhändig seine Wechsel fälschen, und der Kerl ohne Bein... nun ja... er bekommt irgendwann eine Holzprothese und kann sich wieder zu den Verruchten Frouwen schleichen! Die Lüneburger Medizin befindet sich auf der Höhe der Zeit!“

    „Mannomann, wie du redest!“, sagte Kevin, „wie ´ne alte... wie ´ne alte...“

    „Wie die Tochter eines freischaffenden Narren“, sagte Ursula lachend.

    Taifan: „Sag mal, Ursula, was war das da eben für ein Schreihals? Wollte den Leuten einreden, sein gefärbtes Wasser könne Krankheiten heilen. So ein verdammter Scharlatan! Macht den Leuten Angst, damit sie sein Zeug kaufen. Verstehe nicht, warum ihm der Rat noch nicht die Lizenz entzogen hat.“

    „Wahrscheinlich, weil der Rat gut mitverdient.“ Kevin.

    „Ach der! Ein Aquavit-Verkäufer.“ Ursula.

    „Aquavit?“

    „Ja, gebrannter Wein, hochprozentiger Alkohol.“

    „Ziemlich trinkfreudig, das Völkchen hier.“

    „Wie überall. Aber darum geht es nicht. Aquavit ist eine Art Allgemeinmedizin und wird gegen alle möglichen Krankheiten genommen, sogar gegen die Pest.“

    „Und das soll helfen?“

    „Hm, nun ja... Mal mehr, mal weniger, mal überhaupt nicht.“

    „Trotzdem.“ Taifan. „Was der Mann da macht, finde ich nicht okay. Macht Heilungsversprechen, die er nicht halten kann, nur um sein Zeug wahrscheinlich stark überteuert zu verkaufen. Ziemlich unanständig, das.“

    „Na ja, zugegeben, er übertreibt. Aber die Leute lieben das... Sie lieben die Gänsehaut, die ihnen die Schreckensvisionen über den Rücken jagen... dann die Aussicht, noch einmal ungeschoren davon kommen zu können... Außerdem lieber so, als dass sich die Leute ihren Schnaps selber brennen! Ihr glaubt ja gar nicht, wie viele Alkohol-Blinde es hier gibt! Und der Mann versteht sein Handwerk. Und überteuert... Na ja... der Mann hat eine große Familie zu ernähren, und das Brandrecht ist auch nicht gerade billig.“

    „Hey, ich weiß auch garnicht, warum du dich so aufregst, Schwesterherz“, meinte Kevin, „bei uns sieht es doch auch nicht anders aus! 'Kommen Sie zu uns in die Dingsbums-Klinik, und nach einer Woche werfen Sie Ihre Krücken weg!' oder 'Neues Wundermittel gegen Rückenschmerzen nach Prof. Quatschmichtot'. Wo ist denn da der Unterschied? Die Leute hier wollen´s eben nur etwas drastischer.“

    „Wovon redet ihr da gerade?“, fragte Ursula.

    „Ach, nur so...“, lenkte Kevin ab, „du erwähntest eben die Pest, den Schwarze Tod, die Geißel des Mittelalters. Gibt es denn in Lüneburg schon Pestkranke?“

    „O ja!“

    „Und wo sind die?“

    „Im Leprosorium zu Bardowick.“

    „Hmmm...“ Kevin blickte Ursula fragend an.

    „Auf keinen Fall! Erstens kämen wir nicht hinein, denn das Kloster ist weiträumig abgeriegelt, zweitens ist die Pest hoch ansteckend und ich möchte nicht, dass ihr sie mit nachhause nehmt, und drittens zeige ich euch jetzt meinen Vater und

    meine Geschwister. Ist nicht weit. Gleich um die Ecke, auf dem Sand.“

    Forts. folgt

    4

    „Na sag mal, Ursula, was sollte das?“, schimpfte Kevin keuchend und hustend, nachdem sie die Katakombe des langsamen Sterbens verlassen hatten und tief atmend in den hellen Sonnenschein blinzelten, „du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt! Musste das sein?“

    Ursula fiel aus allen Wolken. „Jetzt verstehe ich die Welt nicht mehr! Ihr wolltet doch –“

    Taifan: „Neenee, meine Liebe, mein Bruderherz wollte, ich nicht!“

    Ursula: „Mitgefangen, mitgehangen!“

    Kevin: „Und wer hat da geklopft und gesungen?“

    Ursula: „Der Kaminkehrer. Die Kamine von Folterkeller und Turmwächterwohnung liegen übereinander. Ehrlich, ich wusste nicht, dass er für heute bestellt war.“

    Kevin: „Geschenkt. Wer ist denn diese arme Frau dort unten?“

    „Ach, das ist eine furchtbare Geschichte...“ Ursula blickte betrübt einer Amsel nach, die mit einem Strohhalm im frisch-gelben Schnabel unter aufgeregten Tak-tak-tak abschwirrte. „Der Frau wurde vorgeworfen, eine Katze zur Welt gebracht zu haben. Tatsächlich entdeckten Gerichtsdiener auf eine anonyme Anzeige hin in ihren Wohnzimmer einen Säugling mit einer katzenartig gestreiften Haut. Sie behauptete, irgendjemand habe ihr das Kind untergeschoben. Als sie auf die heilige Hostie schwören sollte, verlor sie die Nerven. Sie schrie den Richter an, das sei nicht der Leib Christi, sondern nur ein Stück Brot, das genauso verschimmeln würde wie jedes andere Gebäck auch. Hmnja... Alles verzeiht die Kirche, aber nicht eine solche Gotteslästerung; man schickte sie auf den Scheiterhaufen. Als der Henkersknecht den Scheiterhaufen anzünden wollte, flog ein Pulverturm in der Nähe in die Luft; daraufhin wurde das Autodafé eingestellt. Man nahm es als Fingerzeig Gottes und begnadigte sie.“

    Kevin schüttelte sich. „Schöne Gnade! Ganz schön pervers! Und was hat der Greis hinter dem Gitter verbrochen?“

    „Der Greis ist sechsunddreißig und ein ehemaliger Stadtrat, der in Ungnade gefallen ist. Jemand hat ihn denunziert.“ Ursula blickte sich ängstlich um und ging näher an die beiden heran. „Euch kann ich es ja sagen“, raunte sie, „ihr verratet mich nicht. In dieser Stadt ist niemand vor Verleumdung sicher... Schon gar nicht, wenn er reich ist... Der Verleumder muss noch nicht einmal persönlich in Erscheinung treten. Ein gezielter, halbwegs glaubhafter Hinweis, und schon tritt das Femegericht zusammen. Schnell finden sich weitete so genannte Zeugen, und die Freischöffen werfen dem armen Mann der Weidenkranz um den Hals, will heißen: Aufknüpfen. Die halbe Stadt hat Angst. Diese ganze kunterbunte Ausgelassenheit hier drumherum – nichts als Galgenhumor und der Versuch, zu vergessen! Und dann diese brutalen Strafen!“ Ursula zog ein Tuch hervor und wischte sie die Augen. „Da unten liegt einer, den haben sie eine Stunde mit glühenden Zangen gekniffen, dann sollte er geköpft werden. Und wie´s der Teufel will – der Henker hebt das Schwert und bricht tot zusammen – Schlagfluss. Jetzt wartet der arme Kerl, fast wahnsinnig vor Schmerzen, bis ein neuer Scharfrichter vereidigt ist. Und niemand kümmert sich um ihn.“ Ursula senkte ihre Stimme noch weiter, es klang wie das Wispern von Gras im Wind. „Ich gewähre dem Turmwächter ab und zu meine Gunst, dafür lässt er mich hinunter in den Kerker. Ohne mich wären die schon alle verhungert.“ Unter Schluchzen fuhr sie fort: „Am Schlimmsten sind die Leute in der Judengasse dran. Wenn irgendwo ein schwarzes Schaf geboren wird oder ein doppelköpfiges Kalb – wer ist Schuld? Die Juden! Und dann ist auch gleich einer dieser Wanderprediger zur Stelle und hetzt die Leute noch weiter auf, und ein entsetzliches Morden beginnt... O, könnte ich doch mit euch gehen!“

    Taifan, selbst mit Tränen in den Augen, nahm sie in den Arm. „Ursula“, sagte sie, „du darfst nicht weinen, davon wird nichts besser! Du musst helfen, so gut du kannst!“

    Kevin hatte sich umgedreht und blickte einer gut gekleideten Dame nach, die eben erhobenen Hauptes an ihm vorbeistolziert war. Auch in seinem Gesicht arbeitete es...

    „Du hast Recht, Taifan, durch Weinen wird nichts besser“, sagte die junge Frau, „aber es erleichtert. Gehen wir!“

    *

    Ein Mann, der ächzend einen hoch beladenen Karren schob, blieb in einiger Entfernung stehen, zog ein großes, nicht mehr ganz sauberes Tuch hervor und wischte sich die schweißnasse Stirn. Er war nicht groß, doch kräftig gebaut, seine Oberarme wölbten sich, als hausten Ratten darin. Sein grobes sackartiges Obergewand war in der Mitte mit einem Strick zusammengehalten, um seine Beine schlotterten weite, ausgebeulte Hosen, an den Füßen hatte er so etwas Ähnliches wie Stiefel, von denen sich schon die Sohlen lösten. Sein bärtiges Gesicht war, bis auf die blau angelaufene Knollennase und die Schweinsäuglein, fast völlig zugewachsen.

    Taifen starrte die bizarre Erscheinung an.

    „Ein Bauer aus der Umgebung“, sagte Ursula, „geh hin und schau ihn dir an! Keine Angst, er sieht dich nicht.“

    „Wieso, ist er blind?“, fragte Taifan.

    Kevin gab ihr einen brüderlichen Rippenstoß. „Mannomann, du stellst Fragen!“

    Vorsichtig ging Taifan auf den Bauern zu, der jetzt in seinem Wagen kramte und ein kleines Holzfass zum Vorschein brachte, das er an den Mund setzte, und seine Kehle geriet in heftige Bewegungen.

    Jetzt setzte der Mann das Fässchen ab, blickte zu den dreien hinüber und ließ in aller Unschuld einen kräftigen Rülpser los. „Ho, Jungfer Schreyvoglerin!“, rief er mit rauer Stimme, „wie geht es Euch! Hab Euch lange nicht gesehen! Wart Ihr verreist?“

    „Wie man´s nimmt, Gevatter! Mir geht´s gut, und Euch?“

    „Na wie soll´s einem armen Bauern schon gehen? Man verhungert nicht, aber der Zehnt drückt! Ergebensten Gruß an den Herrn Vater!“

    „Ich danke Euch, Gevatter! Grüßt die Gevatterin und die beiden Buben von mir!“

    Der Bauer lüftete seine Mütze und zog davon.

    „Eine Schnapsdrossel“, sagte Taifan verächtlich, als sie wieder zurück war. „Seine Kinder schreien nach Brot, und der Herr Vater versäuft seinen Gewinn! Und wie der aus dem Hals roch! Von Zähneputzen hält der wohl nicht viel!“

    „Schnapsdrossel? Da irrst du dich aber gewaltig!“, sagte Ursula, die ihnen gefolgt war, „sein Grundherr und die Prälaten sorgen schon dafür, dass ihm zum Besaufen das Geld fehlt. Er trinkt Bier, weil er sich nicht anstecken will. Es kommt immer wieder vor, dass jemand stirbt, wenn er Wasser getrunken hat. Und der Mundgeruch...“ Sie blickte beschämt vor sich hin. „Zähneputzen! Würde er ja gerne, wenn er noch welche zum Putzen hätte! Wahrscheinlich sind von den drei oder vier Zähnen, die er noch hat, zwei vereitert und faulen vor sich hin.“

    „Ist der Mann ja denn schon so alt, dass ihm die Zähne ausfallen?“

    „Ja, er ist schon ziemlich alt. Genau kann ich es nicht sagen, da müsste ich im Taufregister nachsehen. Ich denke mal, er dürfte so fünfundvierzig sein.“

    „Fünfundvierzig? Na gut, das ist schon ziemlich alt, doch noch nicht soo alt! Fünfundvierzig, und keine Zähne mehr, krass! Meine Oma – “

    „Es ist nicht nur das Alter, sondern auch das Mehl, dass seine Zähne ruiniert hat“, unterbrach Ursula. „Unser Mehl enthält viel Sand und winzige Bruchstücke der Mahlsteine. Die schmirgeln den Zahnschmelz ab, und dann fangen die Zähne an zu faulen.“

    „Und warum geht er nicht zum Zahnarzt?“

    „Na warum wohl? Er kann ihn nicht bezahlen!“ Ursula lächelte spitzbübisch. „Soso. Die Folterkammer hat euch also nicht das Gruseln beigebracht! Ihr seid ganz schön abgebrüht, ihr beiden. Na dann! Vielleicht gruselt´s euch ja beim Zahnbrecher im Ärztezelt.“

    „Ursula, habe ich das eben richtig gehört?“, sagte Kevin unterwegs, „du heißt Schreyvogel? Mit Ypsilon? Dann war dieser Narr vorhin etwa dein – –“

    „Richtig! Mein Vater ist der freischaffende Stadt- und Ratsnarr Joachim Schreyvogel. Ihr werdet ihn noch richtig kennen lernen! Doch eins nach dem anderen! Jetzt schauen wir erst dem Zahnbrecher zu. Und vielleicht ist ja auch der Chirurg bei der Arbeit.“

    Eine Dame, die ihrer Haltung und Kleidung nach keine gewöhnliche Hausfrau sein konnte, ging an ihnen vorbei, und Kevin bekam Stielaugen. „Wer war die Frau eben?“, fragte er. „Hahaha! Die macht ja ein Gesicht, als wär sie die heilige Jungfrau Maria persönlich! Und dabei konnte man ja fast alles sehen!“

    In der Tat, eine solche Erscheinung musste Aufmerksamkeit erregen. Die anderen Frauen und Mädchen, denen sie bisher begegnet waren, ähnelten eher Aschenputteln als Königinnen. Doch diese Frau hielt sich wie eine Königin – nein, mehr noch – wie eine antike Venus-Statue aus Fleisch und Blut.

    „Ach die!“ Ursula runzelte die Stirn und machte eine ärgerliche Handbewegung, „eine von den Verruchten Frauen.“

    Die buntschillernde Person hatte sich in ausschweifenden Mode-Luxus geworfen. Ihr Haar, in zierliche Locken gedreht und mit Goldfäden durchwirkt, war in allerlei Knoten aufgeschürzt und mit Korallen-Bändern gefestigt. Das geschlitzte und gefütterte Obergewand blitzte und blinkte vor goldenen Knöpfen und Spangen. An ihrer Seite baumelte ein Bernstein-Rosenkranz, die Hände steckten in reichverzierten Handschuhen, die Füße in glöckchenbehängten Schnabelschuhen. Das Überraschendste allerdings – zumindest für die beiden Fremdlinge – war ihr seidenes Untergewand, dass sie offen zur Schau trug. Es war so dünn, dass Form und Farbe ihrer Reize hindurchschimmerten.

    „Wieso ist sie verrucht?“, fragte Kevin, nachdem er sich von dem Anblick wieder getrennt hatte, „sie schien mir eher ein bissl schräg zu sein!“

    Ursula runzelte ihr niedliches Näschen. „Sie verkauft ihre Ehre und trägt ehrlichen Frauenzierrat. Damit verstößt sie gegen die Luxusauflagen der Kleiderordnung, die der Rat ins Buch mit der Kette geschrieben hat.“

    „Ins Buch mit der Kette?“

    „Ja, befindet sich im Rathaus. So eine Art Gesetzbuch für alle.“

    „Vielleicht kann sie ja nicht lesen“, meinte Taifan.

    Ursula winkte ab. „Ach was! Alle kennen die Verordnung, und diese Sorte besonders, doch kaum eine hält sich daran. Wer gibt heute noch etwas auf die Verordnungen des Rates! Und wenn es doch ein Stadtdiener wagt, eine dieser Offenen Frauen zu plündern, findet man ihn am anderen Morgen erschlagen im Stadtgraben. Nein, nein, das Geschäft ist zu einträglich, und alle verdienen mit. Die Hurenwirte und -wirtinnen, die Goldschmiede, der Rat, der Fürstbischof. Sie behaupten, dieses Gewerbe diene der öffentlichen Sicherheit. Dadurch würden weniger ehrbare Jungfrauen geschändet.“

    Kevin blickte Ursula von der Seite an. „Du magst diese Sorte Frauen nicht?“

    „Ihr Gewerbe stört mich nicht. Wie sagte schon der heilige Augustinus? Die gewerbliche Unzucht ist ein notwendiges Übel, das ein größeres verhindert. Nein. Was mich stört ist, wie schnell manche dabei reich werden. Auf dem Konzil zu Konstanz hat sich eine in einem Jahr achthundert Goldgulden verdient. Dafür kriegst du am Marktplatz ein hochherrschaftliches Haus. Und dann sehe ich, wie mühsam sich mein Vater durchs Leben schlagen muss...“

    Eine Weile sagte niemand etwas, dann fragte Taifan: „Ursula, hast du eigentlich noch Geschwister?“

    „Ja, vier von siebzehn, zwei Brüder und zwei Schwestern. Werdet ihr noch sehen. Alle anderen sind gestorben, auch unsere Mutter, bei der letzten Geburt.“ Ursula bekreuzigte sich und murmelte etwas, das sich anhörte wie lux aeternam luceat eis.

    Unterdessen waren sie beim 'Ärztezelt' angekommen.

    Auf einem Podium war ein nach vorne offenes Zelt mit mehreren, durch Leinwände abgetrennte Abteilungen aufgebaut, aus dem gerade entsetzliches Jammern und Stöhnen erklang. Davor hatte sich eine Anzahl von Leuten eingefunden, die sich gegenseitig aus der Suche nach den besten Plätzen mit den Ellenbogen in die Seite stießen.

    In einer dieser Abteilungen sitzt eine Frau mit stark angeschwollener Wange auf einem Stuhl; zwei kräftige Männer halten ihr den Kopf fest. Jetzt tritt ein weiterer Mann hinzu, mit wirrer Mähne, schwarzem Gesicht, und einer silbernen Zange in der Hand. Die Männer ziehen der Frau die Kiefer auseinander, der Schwarzgesichtige steckt der Frau die Zange in den Mund – ein schriller Schrei – der Mann zieht die Zange zurück und hebt sie hoch – der blutige Zahn steckt drin. Gefälliger Beifall erklingt, den der 'Zahnarzt' mit sichtlicher Genugtuung entgegennimmt.

    Das alles ist so schnell gegangen, dass den beiden Besuchern erst jetzt klar wird, was da geschehen war. „Igittigitt“, stöhnt Taifan, „die arme Frau!“

    „Die Frau ist erstens nicht arm, sonst könnte sie sich den Zahnbrecher dar nicht leisten“, erklärt Ursula, „und zweitens ist sie glücklich, dass der Zahn ganz herausgekommen ist. Obwohl der Goldschmied ein Meister seines Fachs ist, passiert es schon mal, dass der Zahn abbricht. Dann kann es sein, dass der Patient an Vereiterung stirbt.“

    „Wie? Sagtest du Goldschmied?“, fragt Taifan entsetzt.

    „Ja. Nur der besitzt das nötige Werkzeug.“

    Inzwischen sitzt schon wieder ein neuer Patient auf dem Stuhl, der 'Zahnarzt' tritt mit erhobener Zange auf ihn zu –

    „Bitte nicht nochmal“, murmelt Taifan und wendet sich ab.

    „Ich weiß nicht, was du hast“, sagt Kevin, „der Mann leistet doch gute Arbeit! Lieber ein Ende des Schreckens als ein schreckliches Ende!“

    „Ach nee! Das sagt einer, der schon jammert, wenn ihm seine Mutter einen harmlosen Pickel ausdrückt!“

    Ursula, lachend: „Ich schlage vor, wir schauen mal nebenan rein.“

    Nebenan scheinbar das gleiche Bild: Der Patient auf einem Stuhl, zwei Helfer halten seinen Kopf. Doch was geschieht jetzt?

    Taifan hält den Atem an.

    Der Arzt – oder ist es eine Ärztin? – mit einer langen Nadel in der Hand, tritt auf ihn zu, er richtet die Spitze der Nadel auf das linke Auge das Mannes, zögert kurz, sticht zu – –

    Taifan schreit entsetzt auf. „Oh nein, nicht!“ Doch die Operation ist schon vorbei, das Auge wird mit einer Flüssigkeit abgetupft und eine Klappe versehen; die Gesellen helfen dem Mann aus dem Stuhl und führen den stark Taumelnden weg.

    „Meisterin und Baccalaurea der Medizin Sarah Goldapfel, lizenzierte Starstecherin“, erklärt Ursula unbeeindruckt von Taifans Befindlichkeit, „sie sticht die trübe Linse in den Augapfel hinein. So kann der Mann wenigstens –“

    „Bitte, hör auf!“ Taifan hält sich die Ohren zu. „Ich halte das nicht mehr aus! Das ist ja furchtbar!“ In der Tat, sie sieht ziemlich mitgenommen aus.

    „Typisch Frauen!“, dröhnt Kevin, „vertragen nichts.“ Aber auch er ist mittlerweile ziemlich blass um die Nase. Doch er will jetzt keine Schlappe zugeben und ganz Mann sein. „Goldapfel... Goldapfel... klingt irgendwie jüdisch...“

    „Ja. Die Judenheit besitzt die besten Ärzte. Sogar der Papst hat einen jüdischen Leibarzt.“

    „Versteh ich nicht. Ich denke, die Juden sind hier so etwas wie... die Sündenböcke vom Dienst.“

    Ursula sieht Kevin verwirrt an. „Vom Dienst? Wie meinst du das?“

    „Ach, ist nur so´n Spruch.“

    Ursula schweigt.

    „Was gibt´s hier denn sonst noch an ausgefallenen Behandlungsmethoden zu besichtigen?“, fragt Kevin munter.

    „Zwei Abteilungen weiter arbeitet der Chirurg“, sagt Ursula, „aber ich weiß nicht, ob ich euch das jetzt noch zumuten kann.“

    „Ach was! Wo ich schon mal hier bin –“

    „Ohne mich!“, ruft Taifan, „ich schau mir inzwischen den Gaukler da bei der Kirche an.“

    „Okay!“

    „Du brauchst aber starke Nerven, Kevin“, warnte Ursula.

    „Ach was! Wird schon nicht so schlimm werden!“

    Forts. folgt