Beiträge von kalkwiese im Thema „Schreibkurs zu Kurzgeschichten“

    Am 24. bin ich meine Reise zu meinen Eltern angetreten und habe dabei endlich die Zeit gefunden, mich der Kurzgeschichte zu widmen. :) Jaaa, ich habe mir ein paar Freiheiten mit den Vorgaben genommen, aber man muss ja irgendwie auch schreiben, was einen zu schreiben juckt. Ich betrachte es ein bisschen als eine Cover-Version. Wer damit nichts anzufangen weiß: Ist nicht schlimm, ich beziehe mich auf ein anderes Buch und man kann ja nicht alles lesen/gelesen haben. :) (Und wer mich kennt, hat vielleicht schon eine Ahnung.)


    Little Drummer Boy

    Die ersten Schritte auf vertrautem Boden seit meiner Reise, meine Lunge atmet bekannten, uringeschwängerten Dunst – Berliner Luft –, alles ist wieder, wie es sein soll. PAM-pam-pam-badattataPAM-pam-pam-badattataPAM-pam-pam-badattataPAM-pam-pam. Nein – nein, nein, nein, ich bin doch gerade erst all den Aalen, Pferdeköpfen, verfluchten Galionsfiguren, beschissenen Nazis und Mitläufern, zerspringendem Glas und der ewigen Ziegelmehlsuppe entkommen. Will der dreijährige Teufel mich jetzt auch noch in meiner Welt verfolgen?
    Ich wende mich um und natürlich steht Oskar hinter mir, das Tor ins literarische Danzig klafft weit offen und lässt auf einen Trauerzug blicken. Lass mich doch einfach in Frieden!, denke ich, aber das Bronskiblau seiner Augen starrt mir tief in die eigenen – und ich befürchte, vielleicht noch tiefer ...
    „Schau mal“, setze ich an, „ wenn du hier bei mir bist, dann kann dein Meister Bebra sein Versprechen gar nicht halten. Du möchtest ihn doch wiedersehen, oder?“ Das beeindruckt Oskar maximal gar nicht. Verdammte Scheiße, Lisa, denk nach, du hast sein Buch doch gelesen! Was könnte diesen Pisser bewegen?
    „Willst du dem kleinen Hochstapler, du weißt schon, dem blöden Jesusknaben in der Herz-Jesu-Kirche, willst du es dem nicht heimzahlen? Ein bisschen den Gips abbrechen, hm?“ Nichts regt sich bei Oskar, nur das ewige PAM-pam-pam-badattataPAM-pam-pam. Mir wird wieder der Trauerzug bewusst. Scheiße, bei dem Kapitel ist er noch gar nicht, es ist doch gerade erst eine Mutter – natürlich!
    Ich atme tief durch, knie mich vor Oskar, den ewig dreijährigen Blechtrommler, und sage: „Oskar, deine Mama kommt nicht wieder, aber ich weiß, dass du wieder jemanden finden wirst, so wie der blöde Jesusjunge seine Maria hat.“
    Mit den letzten Worten erhebe ich mich ...
    „Auf dich wartet auch eine Maria, und deine Roswitha ...“
    Oskars Trommelei kommt, einer Dampflok gleich, langsam zum Stillstand – sind seine Augen etwa feucht?
    ... und gebe dem kleinen Mistkerl einen kräftigen Tritt, der ihn und seine weißrot gelackte Trommel durch das Portal zurück auf den zum Fußende sich verjüngenden Sarg katapultiert.
    Auf Wiedersehen, Oskar, noch ist Polen nicht verloren.
    Ich liebe Literatur.
    Aber in welcher leben will ich nie wieder.

    Kirisha Ich finde die Idee toll und will mich demnächst, wenn ich mir die Zeit nehmen kann, mal an einer Geschichte zu den Vorgaben versuchen. Noch bin ich mir nicht sicher, ob ich mit allen Vorgaben etwas anfangen kann (besonders dass es das Ende einer Heldenreise sein soll oder so etwas in der Art), aber zur Not nehme ich mir einfach meine Freiheiten. :whistling:

    kalkwiese Was zur Hölle...? Ich liebe es <3

    Ich will ein ganzes Epos davon, wie Doktor Dunkeldussel sich die Zutaten für eine gigantische Pizza aus den letzten Winkeln des Universums besorgt :rofl:

    Was Sci-Fi angeht, habe ich leider große Bildungslücken, darum traue ich mir ein Weltraum-Epos leider nicht zu. Aber bei Interesse schicke ich dir gerne einen Link zu einer Geschichte in meinem Kurzgeschichten-Thread. Das war nämlich nicht das erste Abenteuer vom klitzekleinen Kätzchen und Doktor Dalia Dunkeldussel. :D

    Puh, diese ganzen Vorgaben machen das echt schwierig. ^^' Ich denke, ich habe etwas ganz passables hinbekommen, aber das war stellenweise echt ein K(r)ampf. Entsprechend liest es sich vielleicht.

    Hausaufgabe

    Ein-Frau-Raketen-Kapitänin Doktor Dalia Dunkeldussel kam ins Schwitzen - nicht vor Wärme. "Es ist alles flüssig", murmelte sie keines falls leise, "warum ist alles flüssig? Von unten sah das noch anders aus!" Der Schwanz des klitzekleinen Kätzchens kitzelte ihren Nacken, als es auf ihrer Schulter zum Periskop drängte, um auch auf den Mars zu schauen. Es hatte mittlerweile seine Erfahrungen mit Doktor Dunkeldussels Reisen und fragte deshalb: "Hast du die Koordinaten richtig berechnet?"

    "Natürlich", sagte sie eingeschnappt, und: "Glaubst du, ich mache einen Fehler, wenn es um so etwas wichtiges geht, wie eine Pizza zu backen?"

    "Aber wenn wir zu länge warten, verbrauchen wir nur Treibstoff ..."

    Da hatte das Kätzchen natürlich recht, also holte Dalia Papier und Bleistift hervor und kritzelte blätterweise auf ihrem Block, dass die Zettel nur so davonschwebten. "Es hilft nichts", sagte sie schließlich, "ich habe mich nicht verrechnet."

    Gerüchten zufolge bestand der Mars aus dem besten Tomatenmark des Sonnensystems, aber auf dem Bildschirm hatte man nur Tomatensoße sehen können, auf der man nicht landen konnte. Um zu helfen, sah das Kätzchen Dalias Berechnungen durch und löcherte sie mit Fragen, während das Schiff weiter in seiner Umlaufbahn um den Planeten trieb.

    "Vielleicht sollten wir umkehren, Frau Doktor, solange wir noch können."

    Käpt'n Dalia Dunkeldussel wollte gerade zustimmen, als sie wieder auf den Bildschirm sahen, der mittlerweile eine andere Seite des Mars zeigte. Da begriffen beide und jauchzten auf.

    Der Mars war nicht aus Tomatenmark, sondern eine einzige, gigantische Tomate, mit Strunk, matschigen Stellen und allem drum und dran! Dalia schnallte das Kätzchen an ihrer Brust fest und brachte die Rakete in Position. Und im nächsten, triumphalen Moment pressten die G-Kräfte sie schon in den Sitz.

    Die Aufgabe hatten wir ja eigentlich schon mal, zumindest etwas seeehr Ähnliches. Ich würde mich eigentlich nur wiederholen.

    Jedenfalls denke ich, dass alle diese Empfehlungen valide sind, und dass man, wenn man eine davon bewusst brechen will, die anderen wahrscheinlich umso mehr einhalten sollte, so als Faustregel.

    Ja, das stimmt.

    Beim Zusammenstellen der Punkte war mir aufgefallen, dass beim Brandon-Sanderson-Kurs diese oft als heilig verstandene "show don't tell" Regel tatsächlich aufgeweicht wird. "Show don't tell" hat sicher seine Berechtigung, es ist aber auch sehr viel Zeitgeist bei dieser Herangehensweise. Da muss man als Autor dann sehen, inwieweit man da mitgehen will.

    Viele Ratgeber raten auch dringend von der Nutzung von Klischees ab, ich finde es allerdings nichts so schlimm, wenn man auch Stereotypen nutzt. Klar würde es nerven, wenn ein Text von Klischees nur so wimmelt, es kommt halt immer auf die Dosierung an. Schreibratgeber und Schreibtipps machen für mich am meisten Sinn, wenn sie nicht dogmatisch daherkommen.

    Ja, Show-don't-tell wird teilweise zu einer Phrase. Es ist ein guter Grundsatz, aber auch irgendwie schwammig. "Tell" ist überhaupt kein Tabu, manchmal ist es die beste Option. Man muss eben auch wissen, was man eigentlich zeigen will!

    Jaaa, Klischees. In unserer Anthologie hat Asnis Geschichte ja nur deswegen so gut funktioniert, weil er sich die Klischees von Elfen und Zwegen zu nutze gemacht hat. Es ist genau, wie du sagtest, so hat er sich unnötiges Etablieren gespart (und damit auch Zeilen). Humor liebt Klischees. Und auch ich liebe das ein oder andere Klischee oder einen Archetypen. Wann ist etwas denn überhaupt ein Klischee und wann nicht? Solche Fragen sind viel komplexer, als man anfangs vielleicht denkt.

    Gerade den Teil mit dem Worldbuilding finde ich bei Fantasy-Kurzgeschichten schwierig. Einerseits lebt Fantasy von der Welt. Wenn die blass bleibt, hat man keine immersive Erfahrung. Darum liebe ich bei Walter Moers oder auch in den Song-of-Ice-and-Fire-Büchern die Festmahle. Alle diese Details, die so wie nebenbei in die Handlung einfließen und einem Dinge über die Welt mitteilen, das ist einfach grandios!

    Vielleicht ist es möglich, das auch in einer Kurzgeschichte zu erreichen, aber man muss das verdammt gut dosieren, und wenn man das kann, dann beherrscht man mMn eine große Kunst.

    tl;dr

    Eine gute KG macht mMn das gleiche wie eine gute Szene: nämlich vieles gleichzeitig.

    Okay, Hausaufgabe, aber nur ganz kurz! :rofl:

    Die Aufgabe hatten wir ja eigentlich schon mal, zumindest etwas seeehr Ähnliches. Ich würde mich eigentlich nur wiederholen.

    Jedenfalls denke ich, dass alle diese Empfehlungen valide sind, und dass man, wenn man eine davon bewusst brechen will, die anderen wahrscheinlich umso mehr einhalten sollte, so als Faustregel.

    Gerade arbeite ich an einer Kurzgeschichte und ich lasse mich für diese erste Fassung von der Geschichte leiten. Und sie wächst und wächst und wächst ... Entweder wird sie später brutal gekürzt oder sie bleibt eben wie sie ist, weil es eben nicht drauf ankommt, dass sie eine bestimmte Länge hat. Aber ich bekomme so einige Folgen davon, was passieren kann, wenn man auf solche Dinge nicht achtet, gerade zu spüren :D

    Ich lese gerade mal wieder "Der Schrecksenmeister" von Walter Moers. Protagonist ist die Kratze Echo, die mit dem Schrecksenmeister Eißpin einen Vertrag schließt, dass er die Kratze für einen Monat mästet und unterhält, danach darf er ihr die Kehle durchschneiden und ihr das Fett auskochen.

    Aus Spoilergründen versteckt. Klicken auf eigene Gefahr!

    Tja, Echo fühlt sich schnell wohl in Eißpins alchimistischem Schlaraffenland. Er hat gar keine Motivation zu fliehen und die Angst vor dem Tod wird immer wieder von Essen und Unterhaltung überdeckt. Echo freundet sich mit einem Schuhu auf dem Dach von Eißpins Schloss an. Dieser rät Echo zur Flucht, aber Fluchtversuche scheitern und Echo verliert wieder die Motivation und wird fett.

    Eines Tages bekommt Echo einen Geflügelbraten vorgesetzt, den er gedankenlos verschlingt. Seither kommt der Schuhu nicht mehr aufs Dach. Echo dämmert, dass er vielleicht seinen Freund ... Und von DA an tritt Echo von selbst in Aktion und arbeitet an seiner Flucht.

    Cory Thain

    Aber nein, es gibt viele großartige Geschichten, die am Ende noch lose Enden haben. :) Man muss natürlich darauf schauen, was für die Geschichte wirklich wichtig ist, um seine Idee vermitteln zu können. Die meisten werden sowas völlig instinktiv machen.

    Das ja eben nur ein Modell, um sich ein paar Dinge zu verdeutlichen. Werkzeuge sind nie Dogmen.

    Cory Thain

    Vielleicht hilft es, wenn ich es mal versuche. :hmm:

    Auf Umgebung und Innenleben der Figur wird gar nicht eingegangen - damit fallen "Milieu" und "Charakter" schon mal weg. :) Es kommt keine Bedrohung, die den Status Quo gefährdet, wie in Independence Day, denn der Drache ist ja schon tot. "Event" isses also nich.

    Viel eher werden Fragen aufgeworfen. Wenn die Dörfler in Bezug auf die Größe der Drachen schon Quark reden, wobei irren sie sich vielleicht noch? Deine Geschichte, Cory, hat bisher ein starkes "Inquiry"-Element. :)

    Da ich in meinem Anfang/Kurzgeschichte kaum auf das Setting oder das Innenleben der Figur/en eingehe, muss ich mich wohl zwischen "Inquiry" und "Event" entscheiden. :hmm: Einen Drachen zu töten, ist für den Jäger nicht neu - das spricht gegen "Event".

    Viel eher würde ich auf "Inquiry" tippen, weil die Geschichte doch eher von Fragen angetrieben wird. Am Ende bleiben ja sogar welche, obwohl die Hauptfrage beantwortet wird (Frage: "Warum beißt das Küken Urs nicht die Hand ab?" Antwort: "Weil Urs = Mama").

    Ich bin grad beinahe vom Sessel gefallen! Das ist ein genialer Anfang. Nein! Eigentlich ist es schon eine ganze Kurzgeschichte.

    Hat der Drache den Jäger magisch beeinflusst?

    Oh, danke! :blush:

    Zur Frage: Ja. :)

    Spoiler anzeigen

    Die längere Antwort ist diese hier: Ich habe den Text erst geschrieben und dann erst verstanden, dass eine magische Beeinflussung die naheliegendste Interpretation ist. Der Drache sollte ihn nur als Mutter erkennen, aber durch die Stilmittel entstand ein anderer Eindruck, der mir dann besser gefiel.

    Tja, das Werk ist manchmal schlauer als der Erschaffer. :pardon: Aber diese Schizophrenie des Schreibens macht es ja so interessant.

    Meine Hausaufgabe:

    Scheiß die Wand an, es hat mich gebissen!

    Winzige Zähne graben sich in Urs' Lederhandschuh. Frisch geschlüpft, aber die Kiefer können schon zupacken. Besser er erledigt das kleine Mistvieh, bevor es begreift, in wessen Blut er gerade kniet. Urs hebt die Hand, in die der Drache noch immer beißt, zieht sein Jagdmesser und hält es dem Drachenbaby an den Hals. Es hält ganz still, blickt Urs direkt in die Augen und wackelt mit den Flügeln.

    Wenn es wollte, könnte es mir vielleicht die Hand abbeißen.

    Aber warum tut es das nicht? Winzige Nüstern schnauben; frische, weiche Schuppen glänzen im Fackelschein; und die Iris' der Drachenaugen funkeln, funkeln, funkeln ...

    ... und eine Stimme, die keine Stimme ist, sondern eine Empfindung, meldet sich zu Wort: Mama!

    Okay, ich schiebe die Hausaufgabe mal lieber nicht auf. :hmm:

    Kürze: Da, das versteht sich wirklich von selbst. Grenzen sind natürlich fließend, wie bei fast allem.

    Bei allen weiteren Punkten wäre es mMn definitiv einengend, wenn man sie als Dogma auffasst. Es sind aber gute Empfehlungen, um eine angenehme Kurzgeschichte zu schreiben.

    Konzentration aufs Wesentliche: Ja, definitiv angebracht. Wenn Unwesentliches zum Konzept gehört, ist es auch nicht mehr unwesentlich. :hmm: Außerdem gehören bei Sci-Fantasy (jetzt nicht die Schnittmenge von beidem, sondern beide Bereiche zusammen) ja auch viele Kleinigkeiten zur Bühne, um es erst immersiv zu machen. Ich denke, was wesentlich ist, das lässt sich durchaus diskutieren. Man sollte also irgendwann, vielleicht auch erst nach dem ersten Entwurf, entscheiden, was man eigentlich will, und das dann konsequent durchziehen. :)

    Ein Handlungsstrang, eine Hauptperson: Das verstehe ich wirklich eher als Empfehlung, aber jeder Protagonist hat meist seine eigene Geschichte, die dann wahrscheinlich erzählt werden will. Da sollte man also gut drüber nachdenken, sonst ist es um die Kürze geschehen.

    Einheit des Ortes und die Überschaulichkeit des Zeitraums: Solche Leitlinien finde ich gerade für Anfänger (also oft mich) sehr hilfreich. Ich denke, dass man mit einem guten Protagonisten auch zeitraffend erzählt viele Orte und Jahre abdecken und damit eine tolle Kurzgeschichte zimmern kann. In den meisten Fällen wird eine Kurzgeschichte aber eher wie ein kurzes Kapitel sein (in einem Thriller beispielsweise, wo oft eine Szene ein Kapitel ist) und man hat einen eher szenischen Ansatz.

    Offener Anfang: Die Handlung setzt unmittelbar ein, keine langatmige Einleitung: Bietet sich auch wunderbar für Kapitelanfänge an. Überhaupt betrachte ich Kapitel oft wie Kurzgeschichten.

    Offenes Ende, die Geschichte ist nicht abgeschlossen, der Leser muss das Ende weiterdenken: Deine Anmerkung hier finde ich ganz wunderbar. Das ja nicht nur eine Faustregel für Kurzgeschichten, sondern für Szenen allgemein, wie bei der vorigen Regel: Beginne eine Szene, kurz nachdem sie tatsächlich begonnen hat, und beende sie, kurz bevor sie tatsächlich endet. Die meisten Szenen beginnen ja eigentlich irgendwie mit Geplänkel: Begrüßungen, Händedruck, etc. Sowas ist trivial, und nicht unbedingt interessant, wenn es nicht gerade für irgendetwas weiter verwendet wird. Vielleicht verabschieden sich deswegen die Leute in Filmen auch nie, bevor sie ein Telefonat beenden.

    Der Sprachstil ist gradlinig, sachlich und knapp: Da bin ich auch skeptisch. Gerade wenn man einen Ich-Erzähler hat, ist es wichtig, eine starke Stimme zu transportieren. Sachlichkeit ist da völlig fehl am Platz, wenn die Figur nicht völlig sachlich denkt (was die meisten eben nicht tun).

    Knappheit und Geradlinigkeit ... naja, das sind wieder Empfehlungen in meinen Augen. Wenn man einen Thriller schreiben will oder sein Buch ganz bewusst auf Bestseller trimmt, klar, dann sollte man das kompromisslos durchziehen. Da gehen einem aber auch viele Möglichkeiten, etwas auszudrücken, flöten, wenn man das für zwingend notwendig hält. Ich habe mal eine Kurzgeschichte von Günter Grass gelesen, die aus einem einzigen Satz bestand, der über zwei, drei Seiten ging, und die Wirkung war enorm mMn. Wenn man wie Grass schreiben kann, dann gibt es keinen Grund, das nicht zu tun. Wenn man sowas nicht kann, ja, dann lässt man es besser sein.

    Wenn man von Sachlichkeit, Geradlinigkeit und Knappheit abweicht, dann hat man eben immer noch eine Kurzgeschichte geschrieben, wenn sie denn kurz ist.

    Kernaussage ist nicht offensichtlich: Keiner mag gerne belehrt werden. Ich mag eigentlich Geschichten lieber lesen, die meine Intelligenz nicht beleidigen, weil sie alles übererklären (so ein typisches Phänomen in der deutschen Mainstream-Unterhaltungslandschaft). Der Leser darf gerne seine eigenen Schlüsse ziehen.

    Aber auch hier: Wenn die Kernaussage offensichtlich ist, habe ich immer noch eine Kurzgeschichte geschrieben.

    Das Außergewöhnliche im Alltäglichen: Es werden außergewöhnliche Ereignisse in alltäglicher Umgebung geschildert: Ja, für Fantasy ein komischer Punkt. Daran wurde dabei wahrscheinlich nicht gedacht. Aber es bringt einen guten Punkt, den ich bei Fantasy-Kurzgeschichten immer schwierig finde: Worldbuilding. Dafür hat man eigentlich fast keine Zeit, aber es ist irgendwie nötig. Ich denke, wenn man seine Worte gut wählt, kann man auch in kurzen, knappen Sätzen, also quasi nebenbei, genug Worldbuilding vermitteln, damit die Geschichte nicht blass bleibt.

    Chronologische Handlungsfolge: Ich habe fast den Eindruck, dass das hier als Gattungsmerkmal kommt, weil es eigentlich auf fast alle Formen auch zutrifft. :pardon:

    Also das meiste ergibt ich irgendwie daraus, dass eine Geschichte kurz sein soll.

    Was ich noch ergänzen würde, ist die Art, wie man eine Kurzgeschichte liest:

    - Ein Roman ist ein großes Ding, das vollgestopft mit vielen Geschichten ist. Dem kann man einiges durchgehen lassen, von einem nicht zu 100% logischen Plot, zu ein, zwei, drei nicht so notwendigen Kapiteln.

    - Ein Gedicht kann durch eine einzige schlecht platzierte Silbe verdorben werden.

    - Und eine Kurzgeschichte bewegt sich zwischen diesen beiden Polen. Durch ihre Kürze liest man sie viel intensiver als einen Roman. Alles muss viel konzentrierter und dichter sein. Da reichen zwei, drei blöde Sätze und ein Meisterwerk, das über allem schwebt, wird zu einer ordinären, ganz okayen Kurzgeschichte.

    Spontan fällt mir da Talata von E. W. Heine ein. Das ist eine Sci-Fi-Story, in der die Menschheit seit Jahrtausenden die vergiftete und unbewohnbare Erde verlassen hat und stattdessen in zwei Raumstation um diese kreist, bis die Verhältnisse dort wieder besser werden.

    Die Menschen auf den Raumstationen haben unlogische Entscheidungen hinter sich gelassen und sich ganz der Rationalität unterworfen. Wenn man zu alt ist, muss man beispielsweise die Station verlassen, und alle machen das ohne Murren.

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    Eines Tages wird es (ich hoffe, ich erinnere mich richtig) Zeit, zur Erde zurückzukehren und den Menschen auf der Erde die Rationalität zurückzubringen. Doch der Eintritt in die Erdatmosphäre verläuft nicht ohne Probleme. Das Raumschiff stürzt ab und verglüht, das fortgeschrittene Wissen geht in leuchtenden Flammen auf. Und die irrationalen Menschen unten auf der Erde erfreuen sich, denn am Himmel erglimmt der Stern bin Bethlehem. :D

    Muss ich das erklären? Das ist so wunderbar makaber. Es ist einfach toll, wie (in der ganzen Anthologie) Figuren im Konflikt mit sich selbst stehen und ihre Absichten sich ins totale Gegenteil verkehren.

    Die Anthologie dazu heißt "Kille Kille" und sie erschien bei btb Taschenbücher/beim Goldmann Verlag.

    Da ich die Vorlesung von Sanderson kenne und auch den Beitrag der Gastdozentin, bin ich gerne auch mit dabei :) Ich vermute mal, dass die "Hausaufgaben" keinen erdrückenden Umfang haben werden (oder vielleicht irre ich mich jetzt auch ganz böse, aussteigen kann ich ja immer noch :D )