Beiträge von Thorsten im Thema „Pseudo-Sprachen in Fantasy“

    Tolkien hat sich die Sprachen wohl sogar zuerst ausgedacht und dann die dazugehörige Mythologie.

    Tolkien hat gerne selbst mit diesem Statement kokettiert dass die Sprachen zuerst da waren und er eine Welt brauchte in der man sie spricht - eine Analyse seines Fruehwerks gibt das allerdings so nicht her., die Faszination fuer Sprache und Mythologie scheint schon eher Hand in Hand zu gehen.

    Aber gemessen daran wie wenig sie vorkommen hat Tolkien seine Sprachen sicher nicht fuer die Geschichten geschrieben - 98% von dem was wir ueber die Sprachen wissen ist nicht in LOTR angekommen.

    Wie handhabt ihr das so mit Sprachen in euren Geschichten? Habt ihr bereits ähnliche Dilemmas gehabt?

    Oft :) Verschiedene Kulturen und Sprachen machen ja viel an Reiz aus was man in Fantasy erzaehlen kann.

    Im Prinzip hat man mit einem Spannungsfeld zwischen

    * es soll die Fremdartigkeit einer anderen Kultur rueberkommen, das heisst man moechte gerne Dinge fremd lassen

    * es soll aber lesbar bleiben und wenn es zu fremd ist kann sich der Leser nichts vorstellen

    Meine Konventionen bei Sprachen die in Geschichten eine Rolle spielen sind ungefaehr so:

    * wenn ein Protagonist in einer Sprache denkt oder redet mit der er vertraut ist, dann wird auf Deutsch (oder halt Englisch wenn ich grade nicht Deutsch schreibe...) geschrieben. Das ist ungefaehr wie sich das Denken in Fremdsprache anfuehlt - ich spreche z.B. ab und an aus einem Gedankengang heraus mit Deutschen Englisch, bin mir also nicht immer bewusst in welcher Sprache ich grade denke

    Ein Protagonist der eine andere Muttersprache hat als die Kultur die in der Geschichte auf Deutsch abgebildet wird bekommt aber ab und an andere Metaphern in den Mund gelegt um ein gewisses Gefuehl dafuer zu liefern dass es eben nicht die vertrauteste Kultur ist.


    * wenn ein Protagonist eine fremde Sprache so ein bisschen versteht oder spricht, dann bringe ich einen Text in dem einzelne Woerter fremd sind (genauso wenn ein Gegenueber die Sprache des Protagonisten so ein bisschen spricht)

    Also etwa

    Warum die Eile? Du bist Corvaras'ui, mana'eho. Sie werden dir geben worum du bittest. Ist morgen Zeit zu reden - ich mache uns jeje-Vogel zu Essen, und dann haben wir Zeit fuer beide uns.

    Das entspricht in etwa dem Erlebnis in einer fremden Kultur zu sein und nicht alles zu verstehen - man versteht genug um zu wissen dass irgend ein Vogel gebraten wird, aber was genau jeje Vogel ist, dazu reicht die Kenntnis nicht.

    * wenn ein Protagonist eine fremde Sprache nicht versteht, dann bringe ich vielleicht einen Satz auf der fremden Sprache den jemand sagt, und dann nur die Info dass der andere spricht, aber nicht verstanden wird.

    Auch das entspricht in etwa dem realen Erlebnis - am Anfang ist man aufmerksam weil man ja nicht weiss in welcher Sprache der andere spricht, sobald das erledigt ist hoert man instinktiv weg und passt nicht mehr auf Einzelheiten auf.

    * eine real-existierende Fremdsprache oder einen Dialekt 1:1 zu verwenden um eine andere Sprache zu repraesentieren wuerde ich nicht machen und kann ich nur abraten wenn man nicht richtig Aufwand reinstecken moechte - frueher oder spaeter begegnet man jemandem der die Sprache tatsaechlich kann, und dann wirken solche Textstellen sehr komisch (Latein in Fantasy-Texten reisst mich z.B. regelmaessig zu Lachsalven - das ist an sich voellig unnoetig). Wir haben in den Filmen ab und an keltische Formeln verwendet - die sind nicht nur sorgfaeltig recherchiert (i.e. aus einer historischen Sammlung von keltischen Zauberformeln adaptiert) sondern auch noch mit einer Uebersetzerin zusammen geprueft. Kann man machen, verstehe ich aber vollkommen wenn ein Autor nicht dieses Interesse fuer Linguistik zeigt.

    Was die Namen betrifft wurde ich gerne auf meinen Blog Eintrag Die Kunst der Namensgebung verweisen - ich denke es ist wichtig dass Namen eine konsequente Phonologie haben und eine Idee widerspiegeln wo der Traeger des Namens eigentlich herkommt.

    Storytechnisch kommt mir entgegen dass es in historischen Kulturen praktisch immer Mehrsprachigkeit und/oder eine Verkehrssprache gab (im Mittelmeerraum kam man Jahrhunderte ueberall mit Griechich durch bevor Latein die Rolle hatte, in mittelalterlichen Staedten wie Prag wurde Deutsch, Jiddisch und Tschechisch nebeneinander gesprochen und verstanden... insofern ist es meistens moeglich dass der Protagonist sich verstaendigt - entweder weil er die andere Sprache kann oder weil man schnell auf die Verkehrssprache wechseln kann - insofern kann nach einem Satz in Fremdsprache und einem verstaendnislosen Gesicht auch der Wechsel zum Verstaendnis kommen.

    Die Situationen dass ein Protagonist dann nicht versteht was gesagt wird gehoeren dann mehr zum eigentlichen Plot und muessen halt ausgearbeitet werden.

    Was die Sprachen selbst angeht glaube ich dass Klang wichtiger ist als Grammatik oder Wortschatz - die wenigsten Leser machen sich die Arbeit eine linguistische Analyse zu verfassen - und selbst wenn scheitert die oft an zu wenig Material, so dass man nicht mal sagen kann wie genau der Autor jetzt die Sache entworfen hatte. Ob eine Sprache vokalisch ist oder nicht, ob sie hart oder weich ist, dass sie fremdwartig ist - das traegt allerdings meines Erachtens sehr zum Flair einer Geschichte bei.