Ich wäre ohne Zögern bereit, Lobeshymnen auf die First Law Trilogie von Joe Abercrombie zu singen
Nicht zuletzt aufgrund unserer Diskussion habe ich das mal wieder aus dem Regal genommen und bin jetzt fast am Ende angekommen.
Es geht um die Irrungen und Wirrungen im Leben verschiedener Protagonisten waehrend zweier Kriege die die Union bedrohen - im Norden hat Bethod, Koenig der Nordmaenner, seine Barbaren gesammelt um in der noerdlichen Provinz Angland einzufallen, und im Sueden setzt der Herrscher des Imperiums vom Gurkhul seine Legionen in Bewegung um die Niederlage seines Vaters auszumerzen. Aber in Wahrheit zieht jemand ganz anderes die Faeden hinter diesen Konflikten.
Logen Ninefingers und der Dogman sind zwei der Barbaren die schon am Anfang voneinander getrennt werden - Logen ist ein Berserker der im Kampf in Raserei verfallen kann - wenn er grade nicht in diesem Zustand ist allerdings ein eher nachdenklicher Mensch der aus dem Kreislauf von Blutrache und mehr Blutrache aussteigen will - wenn er denn kann. Der Dogman ist sein Freund, ein eher vorsichtiger Typ der dann aber auch Anfuehrer werden muss.
Collem West und Jezal dan Luthar sind Offiziere in der Armee der Union die am liebsten Trinken und Karten spielen- das Schicksal hat aber anderes fuer sie vor, West muss eine wichtige Rolle in den Kriegen einnehmen, Luthar eine lange Reise zum Ende der Welt antreten.
Ferro Maljinn liegt mit der ganzen Welt ueber Kreuz und versucht das Reich von Gurkhul auszuloeschen - einen Soldaten nach dem anderen. Aber Bayaz, der erste Magier, der am Ende der Welt etwas sucht braucht ihre Hilfe.
Und ehemaliges Folteropfer und jetzt Inquisitor Sand dan Glokta arbeitet sich durch Folter und Drohungen ein Gestaendnis nach dem anderen zu der Verschwoerung vor die hinter den ganzen Geschehnissen steht - nur dass die ueber ihm nicht jede Frage weiterverfolgt sehen wollen...
Vom Plot her erste Sahne, die verschiedenen Erzaehlstimmen sind deutlich unterschiedlich, es ist interessant die Kontraste wahrzunehmen und die unterschiedlichen Einschaetzungen der gleichen Situation durch einen anderen Erzaehler. Die Psychologie der Figuren ist gut getroffen und die Geschichte hat Tempo und ueberraschende Wendungen - wenig ist so, wie es auf den ersten Blick scheint.
Generell alles sehr zynisch gehalten, grade die Abschnitte von Glokta sind schon eher bitter.
Und doch...
Was Abercrombie gar nicht schafft, ist Bilder in meinen Kopf zu bringen. Eine Fantasy-Welt die ich betreten moechte, die mir real vorkommt, wo ich Geraeusche und Gerueche wahrnehme - Fehlanzeige. Beschreibungen kommen vor, sind aber eher knapp und vor allem oft spaet im Text - wir lesen schon einiges an Text ueber Kaempfe mit Shanka bevor wir etwa erfahren wie die eigentlich aussehen.
Generell habe ich das Gefuehl, es gibt kaum Abwege - was nicht direkt der Hauptstory dient wird nicht erzaehlt. Irgendwie das Gefuehl einen Ausschnitt aus einer groesseren Welt zu lesen - gar nicht.
Der Weltenbau ist eher einfach gehalten und... nun ja, nicht unbedingt konsistent (die Union scheint eine Feudalgesellschaft mit Adel zu sein, auf der anderen Seite hat sie eine Armee die organisiert ist wie bei Friedrich dem Grossen). Von Gurkhul sehen wir sehr wenig, im Norden bei den Barbaren wird anscheinend hauptsaechlich gekaemft (wie die Heere versorgt werden erfahren wir eher nicht).
Magie wirkt eher wie ein Nachgedanke - wir hoeren Bayaz sagen dass das Studium und Verstaendnis der Welt sehr wichtig ist - was wir dann von ihm sehen ist dass er ein paar Mal Leute explodieren laesst, ganz ohne Worte, Zauberformeln oder so - auf der anderen Seite werden dann hier und da 'wards' und Rituale erwaehnt... Generell von der Stimmung her eine Nullnummer. Auch Logen kann mit Geistern reden - wir sehen ihn das dreimal tun, einmal um es fuer den Leser zu etablieren und zweimal weil es fuer die Story relevant ist - ansonsten macht er es einfach nicht, es hat keinen groesseren Einfluss auf ihn. Sowas finde ich schade - es ist alles eigentlich nur Mittel zum Zweck, nur Plotdevice.
Irgendwelche Ideen die mich nach dem Text noch beschaeftigen? Fehlanzeige - es ist unterhaltsam waehrend des Lesens, aber dass ich so wie bei Gene Wolfe noch Stunden drueber nachgrueble was eine Szene zu bedeuten hat, mich in den Text reinknien will und die verschiedenen Lesarten einer Szene vor mir ausbreiten will - nee.
Und irgendwann wirkt auch der Zynismus ein bisschen wie eine Masche. Alle Ratsmitglieder die die Union steuern da der Koenig schon senil ist sind korrupt. Alle adeligen Offiziere haben ihren Rang nur gekauft und sind unfaehig. Jedesmal wenn Glokta irgend eine Spur von Mitleid erkennen laesst erweist es sich als Fehler. Hat man das Prinzip mal verstanden, dann folgt die Geschichte ihm schon ganz gut.
Also - ich habe vor langer Zeit mal meine 3 (1/2) Kriterien fuer ein gutes Buch ausgebreitet - 1) spannende Plot und interessante Figuren, 2) starke Stimmung, eine Welt die sich fuer mich im Kopf real aufbaut 3) Weltenbau den ich interessant und herausfordernd finde und 4) Ideen die mich packen und beschaeftigen - es ist insofern ein ungewoehnliches Buch weil es 1) wirklich sehr gut macht und ich Bestnote gebe, aber bei allen anderen Kriterien wirklich sehr schlecht abschneidet.
Wer primaer auf Plot schaut und lange Beschreibungen, raetselhafte Szenen und komplizierten Weltenbau nicht so mag ist damit aber schon gut bedient.