Unter den Zuschauern der Gaukler und Schausteller war er nicht aufgefallen, in seiner einfachen Leinenkleidung mit dem Lederwams darüber. Nur gelegentlich hatte ein Kind zu ihm aufgeblickt, wegen des Tuches, das er über sein fehlendes Auge um den Kopf gebunden hatte.
Ihm war nicht entgangen, wie die Jüngsten der Gauklertruppe sich durch die Menge gestohlen hatten, hier und da ein paar Beutel mit Münzen stibitzend. Hm, erstaunlich diese Zwerge... genau was die gute Loana bräuchte. Unauffällig, herzallerliebst... und gerissen wie Elstern, schmunzelte er in sich hinein. Als einer sogar einem buckeligen Barden seine Laute stahl, hätte Nelas fast gelacht.
Er schlenderte durch die Menschenansammlung auf dem Stadtplatz zu Saigo und ließ seinen wachsamen Blick schweifen. Er war gut darin, Dinge zu bemerken, sie sich einzuprägen, und später wieder abzurufen, zusammenzusetzen. Man musste das Gefüge einer Stadt verstehen, Wachwechsel im Kopf behalten, ein Auge haben für korrupte Beamte, und eines für die stillen Herrscher der Unterwelt, denen man besser nicht in die Quere kam. Dann konnte man ein Heidengold verdienen.
Ein Mann betrat einen Gauklerwagen, später noch einer - war das nicht der verhüllte Lautenspieler? Einer von beiden klirrte durch's Fenster samt Beute, der andere ging durch die Tür. So, so.
Nelas folgte dem ersten unauffällig, er mühte sich ab mit der Kiste, bemerkte seinen Schatten gar nicht. Einmal musste Nelas zwischen Abfallkörbe hechten, als der Flüchtige sich unerwartet umdrehte. Hm, er operierte allein. Spätestens in einer Nebengasse wären Komplizen dazugestoßen, um die schwere Fracht abzunehmen, oder das Ding aufzubrechen und die Beute verschwinden zu lassen. Tzk tzk, ein Alleingang? Verdammt mutiges Kerlchen. Nach einiger Zeit fiel ihm auf, dass mit dem Flüchtigen etwas nicht stimmte - er sah fast aus wie der Tiermensch, der ebenfalls zur Gauklertruppe gehörte. Bestielt seine eigenen Leute? Spannend.
Der Mann hatte seine Kiste versteckt, dachte er wohl. Während er sich davonmachte, schlich Nelas durch einen löchrigen Mauervorsprung und schlug eine alte Plane zurück. Vor ihm lag die versteckte Ware. Ein Lächeln huschte über seine Mundwinkel. Kurzerhand setzte er sich im Schneidersitz auf die Truhe und holte das stumpfe Brotmesser aus seiner Tasche, um sich die Fingernägel zu säubern.
Mal sehen was der Kerl sagt, wenn er zurückkommt, gluckste er bei sich. Der Verlockung, die Kiste zu öffnen, widerstand er vorerst.