Samain Kelly, p.d. (Bd.1-3)

Es gibt 95 Antworten in diesem Thema, welches 35.839 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (10. August 2019 um 11:19) ist von Tom Stark.

  • schwärenden Furcht ab

    schwärende hab ich noch nie gehört XD sowas wie lähmend?

    Und WTF sind Brownies? Wenn man googelt bekommt man Kuchenrezepte :rofl:

    Aber soso Vornamen und Angst um dich *Mädchen ausschalt* ... Kriegsgebiet ^^ Die Angst war berechtigt :)

    So ich muss los zur Schule (nicht dass ich Lust hätte, aber deswegen nur kurz ^^)

    Freu mich auf mehr
    Bis dann :)

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Schwärend bedeutet dasselbe wie eiternd.
    Ich wollte eigentlich schwelende Furcht schreiben, aber schwärend passt auch irgendwie.
    Das eine ist eine Furcht die langsam schlimmer wird und von Innen heraus kommt, das andere wäre eine unter der Oberfläche lauernde Furcht die nur auf etwas Brennstoff wartet um sich erneut zu entzünden.

    Tom

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Unterwegs mit SEAL Team SEVEN
    Als die Dunkelheit anbrach, ging es los. Tagsüber wäre ein Konvoi ein zu leichtes Ziel, wie man mir sagte. Sollte ich noch irgend einen Zweifel gehegt haben, dass die Erfolgsmeldungen via BBC vielleicht ein klein wenig zu optimistisch dargestellt waren, wurden die nun gründlich ausgeräumt. Meine Kameraden benahmen sich wirklich nicht so, als ob die Lage so unter Kontrolle wäre, wie uns das gewisse Staatslenker das gerne glauben machen wollten.
    John bestand darauf, mich in eine Uniform zu stecken, wie sie alle SEALs trugen. Er meinte, ich wäre sonst Ziel Nummer Eins bei einem Feindkontakt. Das traf natürlich auf meine uneingeschränkte Zustimmung. Da ich laut meiner Polizeidienstakte auch im Umgang mit Feuerwaffen geübt bin, wollte er mir eine Handfeuerwaffe geben, aber da blieb ich hart. Schon als Constable war ich sehr mit der Politik einverstanden, dass die meisten bewaffneten Leute dazu neigen zuerst auf andere Bewaffnete zu schießen. Hinzu kommt meine Haltung als Druide, alles Leben zu achten und zu bewahren, sofern dessen Vernichtung nicht einem sakralen Zweck oder der natürlichen Ordnung dient.
    Und nein, ich bin kein Vegetarier, tendiere aber dazu meine Fleischwaren direkt vom Bauern zu beziehen. Das kommt nicht daher, dass ich auf der Welle des Öko-Fleisches reite, sondern weil es eine Form des Respektes darstellt, wenn man seine Nahrung als das Lebewesen kennengelernt hat, was es zuvor war.
    Sie hatten nicht wirklich gedacht, Druide zu sein wäre ein zwangloses Hobby ohne Verpflichtungen? Es genügt keineswegs nur brav seine Greenpeace-Mitgliedsbeiträge zu bezahlen und eine Katze aus dem Tierheim zu adoptieren.

    Mit drei schwerbewaffneten Humvees, wie die klobigen Geländewagen liebevoll bezeichnet wurden, machten wir uns zusammen mit einem Konvoi aus weiteren sechs Fahrzeugen, zwei davon leichte Radpanzer, auf den Weg. Unser Zug plus mir und Anderson hatte mit Mühe in den drei Kisten Platz zu finden, zumal wir ja jeweils einen Fahrer mit bekamen.

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    Eine Raptor-Drohne, eine baugleiche wie jene, die auch die Bilder geschossen hatte, die ich in meinem Büro gezeigt bekam, deckte den Treck aus der Luft. Obwohl ich bei der ganzen Militärpräsenz eigentlich beruhigt hatte sein sollen, wuchs meine Unsicherheit mit jedem Schlagloch, und davon gab es reichlich. Die SEALs hatten mir erklärt, dass Fahrzeugminen von den schweren Radpanzern ausgelöst und die dabei nicht allzu viel Schaden nehmen würden, aber natürlich hatte ich ständig das Gefühl, das der nächste Schlag gegen das Fahrzeug eine Bombe sein müsste.
    Das Ganze war umso unheimlicher, weil unsere Kolonne geradewegs in die Nacht fuhr und man durch die ohnehin kleinen Fenster des Geländewagens nur schattenhafte Kontoren der Umgebung wahrnehmen konnte.
    Zum ersten Mal fragte ich mich, ob mein normaler Tagessatz und die kleine Gefahrenzulage wirklich das alles wert war.
    Es war nach Mitternacht, als wir eine Kreuzung erreichten und alle Wagen Halt machten und alle ausstiegen.
    Es wurde etwas getrunken und die Herrschaften mit Eichenlaub (höhere Offiziere) besprachen sich kurz. Dann verteilten sich die Leute neu auf die Fahrzeuge, bis auf SEAL Team SEVEN, mich und John. Wir verließen die Kolonne, denn für uns ging es ab hier zu Fuß weiter. Während der Konvoi Richtung Qalat im Nordosten weiterfuhr würden wir uns geradewegs Richtung Westen auf die pakistanische Grenze zubewegen, eine Abkürzung nach Ghandom, wo ich die Leichen der drei gefallenen Soldaten untersuchen sollte.
    »Wir kürzen über die Konabi ab, ein nicht sehr großes aber sehr zerklüftetes Gebiet. Wir schauen bei Gelegenheit nach, ob es dort feindliche Truppenstellungen gibt.«, wurde ich von John in einem Tonfall aufgeklärt, als gingen wir lediglich auf einen kleinen Nachtspaziergang.
    »Wir schauen was nach? Ob dort Feinde sind? Ich bin mir nicht sicher, ob ich dafür die richtige Person bin.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Kelly. Sie sind mit ST7 unterwegs.«, versicherte mit Lieutnant Carrick, was mich nur bedingt beruhigte.
    »Hast du wirklich gedacht, sie würden einen kompletten Zug SEALs nur zu Deinem Schutz abstellen?«
    Auf Johns Frage zuckte ich nur die Schultern. Hatte ich wirklich. Ich persönlich hielt mich für wichtig genug!

    Wer schon einmal eine Nachtwanderung mit Taschenlampe oder Fackel gemacht hat, der weiß, dass das schon bei normalen Wegen nicht immer einfach ist. Wir aber waren ohne Licht in unwegsamen Gelände unterwegs. Ich muss zugeben, dass ich mich gerade zu Beginn ziemlich ungeschickt angestellt und mir schon Gedanken gemacht habe, unsren Trupp furchtbar aufzuhalten.
    Leise hörte ich von rechts, als wir gerade zwischen zwei wirklich großen Felsen hindurchgingen:
    »Fünf Minuten Pause.«
    Puh, endlich machten wir Rast und ich bemerkte, dass nur noch Carrick, Anderson, Patch und ein anderer Soldat, dessen Namen ich vergessen habe, bei mir waren.
    »Wo sind denn alle hin?«, fragte ich verwundert.
    »Die sichern die Umgebung und suchen sie in einem Umkreis von drei Meilen ab. Immerhin dient dieser Teil unsrer Mission der Aufklärung.«, wurde mir erklärt.
    »Ich erfahre wohl alles erst dann, wenn es passiert, wenn ich Pech habe, sogar erst hinterher!«
    Zugegeben, ich war etwas eingeschnappt. »Vom Herum stolpern im Dunkeln und dem Stöbern nach versteckten Rebellen, war in Swansea aber nicht die Rede!«, gebe ich ungnädig an meine Kameraden weiter.
    »Du hast doch Gefahrenzulage vereinbart?« Johns Einwand machte mich nur noch wütender.
    »Hast du sie nicht mehr alle? Das gilt für einen durchgeknallten Ehemann mit einer Knarre, vielleicht von einer Schlange gebissen zu werden oder mir in unwegsamen Gelände mir den Fuß zu brechen, ok, wegen mir sogar für die Gefahr auf eine Mine aufzufahren. Gefahren, die der Job halt mit sich bringt. Aber ich habe doch nicht zugestimmt mit den Taliban Cowboy und Indianer zu spielen?«
    »Entspannen Sie sich, Kelly. Wir erwarten nicht wirklich auf Schwierigkeiten zu stoßen. Sonst hätten wir Sie doch nicht mitgenommen. Wir bringen Sie doch nicht vorsätzlich in eine heiße Kampfzone.«
    Carricks Versicherung beruhigte mich etwas, aber nicht viel.
    Was hieß außerdem heiße Kampfzone. Waren wir etwa in einer kalten?!
    Um mich abzulenken, fragte ich John: »Woher kommst Du eigentlich? Hast du Frau und Kinder, oder hat man das bei Eurem Job nicht?«
    Dankbar, dass ich aufgehört hatte herum zu zicken, ging er auf meine Frage ein.
    »Detroit, Michigan. Aber meine Vorfahren stammen aus Schweden. Noch der Vater meines Vaters spricht besser Schwedisch als Englisch. Unsre Familie ist während des zweiten Weltkriegs auf der Flucht vor den Nazis ausgewandert.«
    »Tysta natt, Herr Anderson. Jag hoppas att det förblir så.« (Ruhige Nacht. Hoffentlich bleibt das so.)
    Ich grinste breit und er musterte mich erstaunt. »Din Svenska är inte alls illa.« (Dein Schwedisch ist gar nicht übel.)
    Klar, konnte nicht so übel sein. Mein erster Freund war gebürtiger Schwede, ein Diplomphysiker und, wie mir alle nicht müde wurden zu versichern, der Fang meines Lebens. So verliebt, wie ich damals war, hatte ich wie eine Irre alles an Schwedisch aufgeschnappt, was ich in die Finger bekommen konnte. Nur wollte Michel nach Stockholm und dort eine Familie, wo er eine Stelle in einem Kernkraftwerk bekommen hatte. Ich hatte jedoch gerade meine Ausbildung bei der Polizei begonnen. Als es schließlich in die Brüche ging, war seine Familie trauriger, als Michel und ich.
    »Deines ist aber besser, wie ich höre. Du sprichst es fließend?«, versuchte ich das Gespräch nicht abreißen zu lassen.
    Er lächelte, was ich an seinen weißen Zähnen im Dunkeln gerade so erahnen konnte.
    »Bei den SEALS beherrschen viele eine zweite Sprache, manche sogar drei oder vier. Wenn wir irgendwo im Einsatz sind, hat es fast immer mindestens einen dabei, der die Landessprache beherrscht.«
    »Cool. Und du bist für den Fall da, dass die USA mal in Schweden einmarschieren muss?«
    Das Lachen der Gruppe wurde schnell durch das Zeichen zum Leise sein gedämpft.
    »Nicht so laut, die Felsen machen unvorhersehbare Echos und die Nacht trägt weit.«
    Ich nickte verstehend.
    »Und? Verheiratet?«
    John verdrehte die Augen. »Geschieden. Zwei Kinder. Lasse und Anne-Mae. Terry, meine Frau, war nicht glücklich als ich zu den SEALS gegangen bin. Wir haben einfach zu jung geheiratet, schätze ich.«
    Patricia »Patch«, unsere Sanitäterin, fügte leise hinzu: »Es ist nicht leicht, mit einem Berufssoldaten verheiratet zu sein, und noch schwerer, wenn der immer wieder verschwindet, ohne sagen zu dürfen, für wie lange und wohin.«
    Bevor ich noch weiter fragen konnte, erhoben sich die Soldaten wie auf ein Zeichen und machten sich marschbereit.
    »Hm?«, schaute ich verwundert.
    »Die fünf Minuten sind um. Wir müssen weiter, sonst verlieren wir den Anschluss.«
    Es war John, der mir auch half meinen Rucksack wieder anzulegen.
    Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie kam ich mir wie ein kleines Kind vor, das von Papa und Opa zum ersten Mal auf Bärenjagd mitgenommen wird.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (17. Juli 2015 um 14:24)

  • Hallihallo ^^

    Spoiler anzeigen

    nicht einem sakralen Zweck dient oder der natürlichen Ordnung dient.

    das erste dient weg ^^
    nicht einem sakralem Zweck oder der natürlichen Ordnung dient

    tendiere aber dazu meine Fleischwaren direkt vom Bauern zu beziehen.

    Sehr Vorbildlich ^^

    Es genügt keineswegs nur brav seine Greenpeace-Mitgliedsbeiträge zu bezahlen und eine Katze aus dem Tierheim zu adoptieren.

    Kommt mir bekannt vor :P

    Geländewägen

    Geländewagen. Das plural von Wagen ist Wagen ^^

    scharrenhafte Kontoren der Umgebung wahrnehmen

    schattenhafte Konturen

    und alle Wägen Halt machten und alle ausstiegen.

    s.o.

    »Hast du wirklich gedacht, sie würden einen kompletten Zug SEALs nur zu Deinem Schutz abstellen?«

    macht man das noch?
    Ich schreibe immer nur Sie und so groß und das auch nur in förmlichen Dokumenten ^^

    ziemlich ungeschickt angestellt habe und mir schon Gedanken gemacht habe,

    das Selbe wie mit dem diente ganz oben ^^

    [/color]]3 Meilen

    Zahlen von 1-12 ausschreiben

    Pappa und Opa

    hm ich kenne Papa mit nur einem P aber ich glaube da gibt's auch tausend Varianten ^^

    Also erstmal :hi1: was du mit den ganzen Sprachen so drauf hast. ...
    Kannst du wirklich schwedisch?
    Und es geht wie immer spannend weiter ^^
    Mal sehen, die Situation schreit je gerade danach, dass ein bisschen geschossen wird ^^
    Und Bilder :love:
    Danke für die kleinen Gimmicks ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • @Miri
    wieder einmal vielen Dank. Papa schreibe ich auch nur mit einen P, war ein Vertipper wie das Meiste.
    Ich habe für mich beschlossen in wörtlicher Rede oder persönlicher Anrede in Briefen oder Mail Personal- und Possessivpronomen weiterhin groß zu schreiben, auch wenn ich weiß, und es mir mehrfach von meinen Redakteuren und Lektoren mitgeteilt wurde, dass man das heute nicht mehr so macht. Es gibt nicht allzu viel, was ich gegen die neue Rechtschreibung habe (außer, dass ich oft noch mit den Kommata auf Kriegsfuß stehe), aber oft ist es verwirrend, ob mit "sie" eine Anrede oder eine Mehrzahl an Personen gemeint ist. Würden wir Deutschen "Sie" oder den Pluralis (manchmal Majestatis) "Euch" nicht kennen, und wie die Briten einfach "du" sagen, gäbe es diese Missverständnisse nicht, wobei man da oft rätselt ob ein "Du" oder mehrere "Dus", also "ihr" gemeint ist ^^ , irgendwas ist ja immer.
    Das gehört einfach zu meinem persönlichen Stil, den ich mir erlaube. Immerhin hat mich dieser Rat für die deutsche Rechtschreibung nie um meine Meinung gebeten, also erlaube ich mir, auch ihre in diesem Fall zu ignorieren.
    Nach Reformen 1996, 2004 und 2006 kann man ja darauf warten, wann die Nächste kommt. Wenn ich nur lange genug warte, vielleicht liege ich ja eines Tages wieder voll im Trend. Ich meine gelesen zu haben, dass es sogar schon eine Reform für 2020 gibt.

    Nein, ich kann kein Schwedisch und übrigens auch nur ganz, ganz wenig Walisisch (eher noch das irische Gälisch), und das auch nur deshalb, weil ich gälische Lieder mag. Trotzdem stimmt die Information, dass Walisisch mit etwa 750.000 Leuten, heute die keltische Sprache ist, die noch am meisten und auch im Alltag gesprochen wird. Zum Vergleich dazu liegt das irische Gälisch mit etwa 50.000 auch prozentual abgeschlagen. Das schottische Gälisch wird schätzungsweise auch von 50.000 Schotten gesprochen, witziger weise auch von etwa 3000 Amis und Kanadier und um die 1000 Australier und Neuseeländer. Wie du siehst, interessiere ich mich ziemlich für diese fast toten Sprachen.
    Ich nutze dazu den unten stehenden Link und hoffe einfach, dass mir meine (leider teilweise sehr eingeschränkte) Sprachkenntnis, die ich habe (Eng/Franz/Span/Russ), hilft herauszufinden, ob das einigermaßen Sinn macht. Letztlich dient es aber nur um die Stimmung einzufangen und nicht als Vorlage um die Sprache zu lernen.
    Übersetzer-Seite

    Was das Bildchen betrifft: Gern geschehen. Mache ich aber öfters im Forum, besonders wenn ich glaube, dass der Leser nicht unbedingt weiß, wovon ich schreibe, oder um zu zeigen, dass ich mir etwas nicht einfach ausgedacht habe.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (17. Juli 2015 um 14:18)

  • Gegen frühen Morgen war ich fix und alle, während die Leute vom Team SEVEN immer noch locker mit ihren 30 Kilo Marschgepäck daher trabten, als wären sie gerade erst aufgebrochen.
    Womöglich ist meine Erinnerung auch von meiner Erschöpfung verzerrt, aber Patch und Anderson, die ständig in meiner Nähe waren, wirkten nicht annähernd so kaputt, wie ich.
    Im Licht der aufgehenden Sonne traf sich der komplette Zug an einem Weg wieder, der in ein sanftes Tal führte, in dem ein altes Haus lag, ein Bauernhaus, wie ich an der Scheune und den brach liegenden Feldern zu erkennen glaubte. Im sanften Morgenlicht wirkte der Anblick malerisch und so mancher romantische Maler wäre vermutlich in Tränen bei diesem Motiv ausgebrochen.
    Links und rechts, im Schatten großer Felsen näherten wir uns, als Carrick wieder halten lies. Erhobene Faust hochgesteckt und nach unten gezogen heißt anhalten und sich kleinmachen, das hatte ich mittlerweile kapiert.
    Ich bemerkte, wie einer vom Trupp mit einem langen und ziemlich teuer aussehenden Fernglas das Haus begutachtete und schließlich seinem Lieutenant zunickte.
    Da bemerkte ich kleine Schatten, die wie der Blitz vom Haus flohen. Natürlich dachte ich zuerst, dass die Müdigkeit mir einen Streich gespielt hat. Nur weil ich eine Druidin bin, bedeutet das nicht, dass ich nicht auch manchmal Dinge sehe, wo keine sind.
    Allerdings haben mich die letzten Jahre gelehrt, dass ich besser zweimal hinschaue, als ich mich einmal für verrückt zu erklären und dann eine, meist unangenehme, Überraschung zu erleben.
    »John ...«, flüsterte ich leise. »Meinst Du, ich könnte mir mal das Fernglas ausborgen?«
    Carrick, der gerade das Zeichen zum Aufbruch geben wollte hielt inne und schaute zu seinem Vorgesetzten. John hob die Schultern als Reaktion, zeigte aber dann mit flacher Hand an, dass Carrick noch warten sollte. Aus seinem eigenen Rucksack gab er mir dann einen fast so beindruckenden Feldstecher. Ich hatte ganz vergessen, was die Jungs alles in ihren gigantischen Rucksäcken mit sich herumtrugen, so leicht sah ihr Umgang mit der Last aus.
    »Was gibt es?«, flüsterte mir der Commander zu, währen er mir zeigte, wie man die Rädchen und Regler bedient. Es war einer dieser High-Tech-Dinger, die irgendwann auch noch einen Espresso kochen, während man hindurchsieht. Ich hatte schon Autos gefahren, die weniger Schalter und Hebel hatten.
    »Habe was gesehen.«, war meine ebenso leise Antwort.
    »Etwas ... Anderes
    »Genau.«
    Es gibt etwas, was die meisten Leute als New-Age-Mist abtun, dabei nimmt der Großteil der Menschen es genauso wahr wie ich, nur dass sie nie gelernt haben sich darauf zu konzertieren oder mit der Zeit durch ihre Logik und ihre Rationalität absichtlich verlernt haben darauf zu achten.
    Dinge, egal ob lebendig oder tot, haben eine Aura. Manchmal empfindet man etwas als düster, vielleicht sogar als schlecht im Sinne von bösartig. Man weiß nicht warum oder man erklärt es sich mit den Informationen, die man darüber hat, oder auch nicht hat. Jedenfalls tut der moderne Mensch alles, um eine rationale Erklärung für die so irrationale Furcht davor zu haben. Ein perfektes Beispiel dafür, wie man sich seine Instinkte oder erweiterten Sinne kaputt reden kann.
    Ich habe gelernt diese Auren ins Auge zu fassen und die Informationen, die sie mir geben, so zu übersetzen, dass ich mit ihnen arbeiten kann.
    Das Ding ist böse ... damit kann ich natürlich nicht arbeiten. Das Ding wurde für eine schlimme Sache benutzt - das hilft mir schon deutlich weiter.
    Je länger so etwas her ist, desto schwächer die Aura. Dinge die man lange Zeit unbenutzt lässt, haben eine Art verstaubte Aura, wobei ich hier nur unvollkommene Bilder benutze. Es ist als ob man versuche einem Blinden den Unterschied von Rosa und Pink zu erklären, oder einem Tauben die Schönheit eines Stückes vom Mozart.
    Worauf ich hinaus will: Wenn dieses Haus so verlassen war, wie es aussah, dann hätte seine Aura dieses Verlassensein widerspiegeln sollen. Tat es aber nicht. Ganz und gar nicht. Im Gegenteil wirkte es wie frisch in Besitz genommen, als ob es jemand gerade zu seinem Territorium gemacht hätte.
    »Das Haus ist nicht verlassen. Da müssen Leute sein und nicht nur eine oder zwei Personen ...«
    Carrick legte ungläubig den Kopf zur Seite, aber Anderson stand mir bei: »Wenn Kelly das sagt, habe ich guten Grund ihr zu glauben. Gehen wir also lieber davon aus.«
    Ohne lange zu diskutieren, in dieser Hinsicht liebe ich das Militär, gab den Lieutenant seinen Leuten Zeichen und der Trupp trennte sich.
    Zwei Mann schlugen sich je rechts und links in die Felsen und der Rest fächerte sich auf und näherte sich geduckt dem Haus. Mich hielt Anderson zurück und zusammen mit Patch gingen wir hinter einer Gruppe Felsen zwischen den dornige Büsche wuchsen in Deckung.
    »Was machen die denn? Die können doch nicht einfach darauf zuhalten, das könnte ein Hinterhalt sein?«, wagte ich nervös einzuwenden.
    »Genau davon gehen wir aus.«, informierte die Sanitäterin mich. »Das ist eine Angriffsformation.«
    Dann ging alles sehr schnell.
    Irgendwo im Haus ging ein Fenster auf und unsere Leute wurden von einem schweren Maschinengewehr unter Feuer genommen. Doch innerhalb einer Sekunde stand kein SEAL noch, wo er gerade eben war. Jeder hatte so schnell Deckung gefunden, dass sie kein echtes Ziel mehr abgaben.
    Erst jetzt öffneten sich weitere Fenster und weitere Schüsse wurden abgegeben.
    »Da hat wohl jemand die Nerven verloren.« Patchs Grinsen war in dem Licht zum Fürchten.
    Immer noch erwiderten die Seals das Feuer nicht.
    »Worauf warten die denn?«
    »Siehst du gleich ...«, beruhigte mich John, blieb aber hochkonzentriert und beobachtete nicht das Haus, sondern die Hügel in der Umgebung.
    In einer Feuerpause hörten wir einen Schrei und dann noch einen. Aus den Hügeln kamen nun ebenfalls Schüsse, auch wenn diese nicht den Leuten im Tal gelten konnten.
    Endlich erwiderten die SEALs ebenfalls das Feuer und als sie so die Angreifer im Haus in Deckung zwangen, richtete sich einer unserer Männer auf und legte sich einen länglichen schmalen Zylinder auf die Schulter. Was dann geschah weiß ich nicht, weil John meinen Kopf nach unten drückte.
    Ich hörte ein überlautes Zischen und dann sah ich nur noch, wie das Haupthaus von einer Explosion förmlich auseinander geblasen wurde.
    Nun näherten sich auch uns die Einschläge der Schüsse von den Angreifern, die aus den Hügeln kamen.
    »Scheiße, das sind ja mindestens zwanzig!« Ich duckte mich noch tiefer und mein Atem ging von Sekunde zu Sekunde heftiger.
    Man hatte uns bei der Ausbildung zwar auch beigebracht unter Beschuss zu funktionieren, aber das waren Einzelschüsse aus Handfeuerwaffen und keine verdammten Salven aus Sturmgewehren, die wie bösartige Hornissen um uns herum surrten.
    »Eher dreißig, oder vierzig. Haben wohl einen Rebellentreffpunkt aufgestöbert.«
    John klang angestrengt aber nicht halb so gestresst, wie ich dachte, dass er klingen sollte.
    »Verdammt, verdammt, verdammt ...« Zu sagen ich wäre fast davor gewesen meine Fassung zu verlieren, wäre glatt gelogen.
    Ein Schatten tauchte neben uns auf und bis zu dem Moment, in dem Patch zwei Salven in den Mann hinein jagte, hielt ich ihn für einen der Unseren.
    Mein Kopf sagte »Lauf weg!«, meine Beine wollten aber nicht.
    »Hey, Sam. Schau mich an!«
    John hielt meinen Kopf so, dass ich ihn anschauen musste.
    »Atme ruhig und gleichmäßig. Du hast Angst. Angst ist gut. Angst sagt Dir, dass Du leben willst und sorgt dafür, dass Dein Körper die notwendigen Mittel bereitstellt. Erlaube Deiner Angst Dich schneller und stärker zu machen.«
    So verrückt sich das anhörte, ich wollte es glauben, also wurde ich etwas ruhiger.
    »Die böse Zwillingsschwester der Angst ist die Panik, die sitzt Dir gerade im Nacken und die werden wir jetzt los. Panik kommt wenn man den Eindruck hat, die Kontrolle zu verlieren. Es gibt einen einfachen Trick. Gib die Kontrolle freiwillig ab, bevor sie Dir entrissen wird. Und arbeite dann daran, sie Dir Stück um Stück zurückzuholen.«
    Ja, sicher. Er hatte leicht reden.
    »Wir verschwinden jetzt von hier. Du wirst jetzt Deine linke Hand auf meine rechte Schulter legen und mir die Kontrolle überlassen. Du gehst wenn ich gehe, du stehst, wenn ich stehe, du läufst wenn ich laufe. Solange Du die Hand auf meiner Schulter hast, beschütze ich Dich und Dir wird nichts geschehen, mein Wort darauf.«
    Ich krallte mich förmlich an seiner Schulter fest. Sollte es ihn geschmerzt haben, hat er es nicht einmal durch ein Zucken verraten.
    Die Sanitäterin übernahm die Vorhut. Sie feuerte noch zweimal und jedes Mal hörte ich einen Schmerzensschrei, doch schließlich ließen wir das Gefecht hinter uns. Auch John gab einmal einen Feuerstoß ab, ich weiß aber nicht, ob er jemand getroffen hat.
    Schließlich kauerten wir uns in einer Gruppe aus dichten Büschen nieder und ich bekam mit, wie Anderson mehrfach über Funk mit den Anderen sprach. Nach einer Ewigkeit hörten wir die Schüsse nicht mehr.
    So, außer akuter Gefahr beruhigte ich mich wieder. Ich denke nicht, dass ich besonders ängstlich bin, schätze sogar, dass ich mich für das erste Mal in mitten einer wilden Ballerei gar nicht so schlecht geschlagen hatte. Ich lebte noch und hatte keinen umgebracht. Vielleicht bekommt man dafür nicht die Ehrenmedaille, aber ich war auch um ein Heldenbegräbnis herum gekommen. Alles in allem für mich ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis.
    »Wir müssen weiter zum Treffpunkt.«
    John zog mich auf die Beine und es ging im Laufschritt weiter. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen und die fünf Meilen bis zum Treffpunkt waren im Nu zurückgelegt.
    Keine zwei Stunden nach Ausbruch der Kampfhandlungen, waren wir wieder komplett. Die SEALs hatten keine Verluste und nur zwei leichtverwundete Kameraden zu beklagen, nicht dass jemand wirklich geklagt hätte.
    »Habt Ihr etwa alle umgelegt?« Gut, heute weiß ich, dass die Frage naiv war, aber als ich die entschlossenen Gesichter anblickte, sah ich keine gnädige Grundhaltung dem Feind gegenüber.
    Lieutenant Carrick schmunzelte. »Wir sind zwar gut, aber noch nicht die Avengers. Aber der Feind ist versprengt und viele von ihnen sind verwundet. Ihrer Moral haben wir ganz sicher einen ordentlichen Schlag verpasst. Außerdem werden sie diesen Treffpunkt so bald nicht wieder verwenden.«
    Er klang durchaus zufrieden mit dem Ausgang.
    »Wir sollten in drei Stunden beim Camp sein. Meinen Sie, Sie halten noch durch?«
    Das Gepäck der Verwundeten wurde aufgeteilt und einer von ihnen von zwei Kameraden gestützt.
    Ich wollte verdammt sein, wenn ich herum jammerte. Wenn die Verletzten das schafften, konnte ich das wohl auch.

    Wir schafften den Weg sogar in deutlich unter drei Stunden.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Ab Atun (Dorfruine nahe Kandahar)
    Begleitet von einer Eskorte unter Captain Hogan und seinen Männern vom Dritten Infanterieregiment South Essex begaben wir uns zu der Ruine, die einmal das Dorf Ab Atun war und wo die Patrouille in den Hinterhalt geraten war.

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    Den Tag über hatte ich beinahe wie eine Tote geschlafen, so erschöpft war ich und am Abend war ich zuerst überrascht und dann enttäuscht, als ich hörte, dass »meine SEALs« schon abgerückt waren. Die beiden Verletzten waren mit einem Konvoi bereits auf dem Rückweg zur ISAF-Basis.
    Hogan und seine Leute waren zweifellos der Sache gewachsen, aber ich war doch froh, weiterhin John an meiner Seite zu haben. Ich konnte es nicht genau an Einzelheiten festmachen, aber ich spürte den Unterschied zwischen den SEALs und den Infanteristen deutlich. Vielleicht war es die sehr vorsichtige Art der Briten, die gegenüber der manchmal schon lässig erscheinenden Aufmerksamkeit der US-Soldaten eher nach Furcht als nach Zuversicht aussah. Natürlich hatten wir, also die Briten, hier vor nicht einmal vier Tagen acht Männer verloren, und stand es uns gut zu Gesicht hier höchste Vorsicht walten zu lassen.
    Major Henry, der leitende Mediziner des Camps begleitete uns ebenfalls, vermutlich um sicherzustellen, dass diese »seltsame Person«, die auf Wunsch der Krone gekommen war um die Leichen der Soldaten zu untersuchen, bevor sie in die Heimat geschickt werden durften, nichts Ungebührliches mit eventuellen Leichenteilen anstellte, die man beim ersten Mal nicht gefunden hatte. Auch meine Eröffnung, dass ich in der Funktion als Druidin hier war, hatte ihn, überraschender Weise, nicht gerade Vertrauen zu mir fassen lassen.
    Im Schutz der Dunkelheit näherten wir uns dem Dorf, immer auf der Hut vor Heckenschützen, von denen es, wie man mir versicherte, in dieser Gegend reichlich gab.
    Nach wie vor trug ich die Uniform der SEALs, die sich zum Glück nicht sehr von jener der britischen Soldaten unterschied. Natürlich war Colonel Rufus Barclay sehr entgegenkommend, aber es dienten im Camp keine Frauen und so wäre eine passende Uniform schwer gewesen aufzutreiben.
    Vielleicht ist Afghanistan ein schönes Land, man sagte mir, es hätte seine Reize. Aber da ich bislang meist Nachts unterwegs und ständig in Gefahr war beschossen und/oder in die Luft gesprengt zu werden, muss ich sagen, dass mir die Schönheit des Landes bislang verborgen geblieben war.
    Auch die Ruinen dieses Dorfes sahen selbst bei Dunkelheit wenig reizvoll aus, die unheilschwangere Aura des Ortes tat ihr Übriges dazu, mich nicht wohl zu fühlen.

    Die kleinen Sand- oder Staubwellen, die wie kleine Stürme minutenlang die Sicht verschlechterten und das Atmen schwer machten, bremsten uns zusätzlich aus. Bei einer Sicht unter fünf Metern war es Selbstmord, weiter vor zu rücken.
    »Warum genau, sind wir noch mal hier?«, maulte Mayor Henry zum x-ten Mal, und so langsam ging er nicht nur mir auf den Geist.
    »Ich muss mir den Ort genau ansehen, wo Sie die drei Soldaten geborgen haben. Es gab Hinweise, dass die Toten immer noch damit verbunden sind.« , erklärte ich ebenfalls zum x-ten Mal.
    Und wieder schnaubte der Mayor verächtlich. Als Mann der »Wissenschaft« wusste er es natürlich »besser« als ich, auf jeden Fall viel zu gut um das Leben weiterer Soldaten zu riskieren.
    Im letzten Punkt war ich durchaus seiner Meinung, wäre viel lieber alleine oder nur mit John hierhergekommen. Wie schon erwähnt, stehe ich auf dem Standpunkt, dass eine offensichtliche Bewaffnung andere Bewaffnete viel eher dazu bringt zuerst zu schießen und dann zu fragen.
    Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, als ich einen Stoß erhielt und hinter eine Wand geschoben wurde. John schob sich neben mich und legte seine Hand auf meinen Mund, bevor mein Protest über die rüde Behandlung unsren Standort verraten konnte.
    Für einen Moment hatte ich gehofft, er hätte sich getäuscht, doch dann hörte auch ich die gedämpften Stimmen, die uns auf der Straße entgegenkamen.
    »کافر!« (Ungläubige!), war der Alarmruf, und schon fielen die ersten Schüsse.
    Die britischen Soldaten erwiderten das Feuer, waren jedoch schnell gezwungen sich zurückzuziehen.
    John schob mich die Wand entlang und wir versteckten uns in einer Ruine. Er sprach leise in sein Funkgerät und fluchte dann ebenso leise.
    »Deine Landsleute stecken zwischen zwei Gruppen fest. Verstärkung aus der Luft ist frühestens in zehn Minuten da. Die müssen aber jetzt hier weg, sonst werden sie aufgerieben!«
    Ich nahm meinen Mut zusammen und schaute mir die Lage durch ein Loch in der Mauer an.
    Rings um uns herum hatten die Rebellen die Häuser besetzt und nutzten die Deckung um sich an die Stellung des Captains und seiner Männer heranzuarbeiten.
    »So ein kleiner Staubsturm wäre jetzt genau das Richtige ...«, überlegte ich, als ich wieder in Deckung neben John saß.
    »Tja, das Leben ist kein Wunschkonzert. Außerdem würde der nur helfen, wenn der Captain wüsste, wann und woher einer kommt.«
    Nachdenklich horchte ich in mich hinein. Als ich die erhoffte Antwort erhalten hatte, legte ich meine Hände auf den Erdboden und ließ mein Fühlen über die Handflächen hinein wandern.
    »John ...«, meine Stimme klang hohl und geisterhaft, wie er mir später erzählte, »Sag dem Captain, eine Windhose wird sich gleich hier vorm Gebäude bilden und die ganze Gegend mit Staub einhüllen. Der dichteste Sandvorhang wird sich diese Straße hier entlang ziehen, aber es wird nicht lange anhalten. Er soll die Zeit nutzen hier zu verschwinden.«
    Habe ich bereits erwähnt, dass es Momente gibt, da liebe ich gut ausgebildete Soldaten? Ohne zu lange nachzudenken oder zu fragen nahm der Commander sein Funkgerät:
    »Simon Eins, an Charlie Eins.« Wie man sich leicht ausrechnen kann, stand Simon für uns bzw. den SEAL und Charlie für den Captain.
    »Hier Charlie Eins.«
    »In Kürze wird sich ein kleiner Sandsturm aufkommen und für wenige Minuten anhalten. Er wird von meiner Position nach Nordosten ziehen und sie vom Feind aus dem Südwesten abschneiden. Ich schlage vor, Sie nutzen die Gelegenheit, Charlie.«
    »Verstanden Simon Eins.« Es gab eine kleine Pause. »Wissen Sie das von ... der Quelle ...?«
    »Positiv.«
    »Und wie ist ihr Status?«
    »Wir sind in Deckung und unentdeckt.«
    Wieder eine Pause. »Danke, Simon. Wir holen Sie da raus, halten Sie nur den Kopf unten. Charlie Eins, Ende.«
    Das Gespräch bekam ich wie durch einen Vorhang mit, während neben einem der Fernseher läuft. Mein Fernseher waren die Winde, die gerade durch die Wärme am Boden und durch die Kühle der Luft anfingen sich zu bilden. Das Land hatte zugestimmt mir zu helfen, Leben zu retten. Es hatte genug Leid erlebt, damit ich nicht lange hatte betteln müssen. So bedarf es nur eines kleines Anstoßes aus meiner Richtung und zwei Winde taten sich zusammen um genügend Sand und Staub aufzuwirbeln, um jeden der nicht ersticken wollte zu zwingen, Mund und Nase zu schützen und sein Gesicht in den Windschatten zu bringen.
    Ich fühlte wie John mich an seine Brust zog und ein Regencape über uns zog. Das Land hatte ganz offensichtlich genug von der Gewalt, denn was über das zerstörte Dorf hereinbrach, war nicht ein leichter Sandschleier, wer erbeten, sondern ein mittlerer Sandsturm der am Ende eine Schicht von etwa zwei Zentimeter Sand und Staub auf dem Boden und den wenigen intakten Dächern hinterließ.
    Nach zehn Minuten war der Spuk vorbei und ich atmete die klarste Luft seit langem ein. Es war als ob alles reingewaschen worden wäre und selbst die Aura des Ortes hatte sich verändert. Die meisten, wenn nicht alle Anwesenden hatten ihren Kampfeswillen verloren und sich zurück gezogen.
    »Sowas kannst Du?« In Johns Augen war ich wohl gerade mindestens eine Größennummer gewachsen.
    Ich lächelte müde. Mit dem Land reden ist nicht leicht, auch wenn es so entgegenkommend ist, wie es gerade der Fall war. Zu versuchen, es zu etwas zu bringen, was es nicht will, ist wie Pudding durch einen Strohhalm zu essen. Es geht mit vieler Mühe vielleicht, aber in der Regel ist es den Aufwand nicht wert. »Nicht wirklich. Ich habe nur um Hilfe gebeten und mein Ersuchen wurde wohlwollend aufgenommen.«
    Er sah mich schweigend an. Ich sah diesen Funken in den Augen, den ich bei den Wenigen erkenne, die schon einmal einen Blick in die Anderwelten werfen durften. Hatte er bislang einfach meine Fähigkeiten anerkannt, sie als mitunter nützliche Absonderheit akzeptiert, glaubte er nun. Er bot mir schließlich seine Wasserflasche an, die ich nur zu gerne annahm und gierig fast auf einmal leertrank.
    Schon erstaunlich: Man muss also nur einen kleinen Sandsturm herbeirufen, damit man glaubwürdig wird? Vielleicht sollte ich das Nächste Mal gleich mit so etwas anfangen. Mit Wesen reden können, die andere nicht sehen können, ist offensichtlich nicht ganz so eindrucksvoll, wie ein kleines Dorf einzusanden. Wer hätte das gedacht?

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    Tom Stark
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    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (18. Juli 2015 um 20:05)

  • Fundort der gefallenen irischen Soldaten
    Die Ruinen waren still und schienen verlassen. Wir machten uns auf die Suche nach den Resten des Gebäudes, in dem die drei irischen Soldaten ihr letztes Gefecht bestritten hatten.
    John hatte einen dieser hochmodernen GPS-Kompasse, die angeblich auf zwei Meter genau sein sollten. Leider hatte der feine Sand das Display angegriffen und wir konnten ziemlich genau gar nichts auf der Anzeige erkennen. Mir fiel der altmodische Kompass ein, den mir Kassa zugesteckt hatte. Zeit, noch einen Trick aus der Kiste zu »zaubern«. Dazu muss man wissen, dass Dinge die zueinander gehören über ihre Aura verbunden sind. Je länger sie getrennt sind, desto schwächer die Verbindung, völlig klar, aber fünf Tage sind noch gut im Spielraum, den ich für diesen Trick hatte. Man hatte mir die Hundemarken der Soldaten ausgehändigt, die ich persönlich den Angehörigen übergeben sollte. Man kennt aus dem Kino eher die rechteckigen Marken der GIs, die der britischen Soldaten hingegen sind rund.

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    Also nahm ich sie heraus und legte die rechte Hand an den Kompass und die Linke auf die Marken. Es ist kein so weiter Weg eine Nadel dazu zu bringen anstatt auf den magnetischen Pol auf eine Aura zu zielen, sofern man natürlich nahe genug ist. Auren sind bei weitem nicht so machtvoll wie das Magnetfeld eines Planeten. Da wir aber hofften auf wenigstens 100 Meter heran zu sein, war es den Versuch wert.
    Wieder bat ich das Land, oder in diesem Fall das kleine Stück Metall mir zu helfen. Da es sich nur um eine kurze vorübergehende Hilfe handeln sollte, stieß ich auf wenig Ablehnung, aber natürlich ist ein Stoff nur ungern bereit gegen seine Natur zu verstoßen - zum Glück, sonst könnte man all die schönen Naturgesetze einfach vergessen und das pure Chaos würde regieren.
    Endlich sprach die Nadel an und ich entfernte mich schnell von den Marken, die bei weitem nicht die Anziehung haben sollten, wie Reste der Körper, Blut oder Knochenstücke. Im Licht meiner kleinen Stablampe konnte ich die Richtung ausmachen. Wie es aussah, führte es uns zu einem Gebäude, bei dem nur noch einige Grundmauern rudimentär zu erkennen waren. Der Rest war einfach nur noch Schutt.
    »Ich habe gelesen, dass Druiden Todesflüche auf jene hetzen können, von denen sie Haare oder Nägelreste haben?«
    Nun war es an mir John verblüfft anzuschauen.
    »Ja, ich schätze das Prinzip ist dasselbe. Aber ein Druide muss mächtig angepisst sein, bevor er sowas auch nur in Betracht zieht. Das Land kann einem solche Sachen sehr, sehr übel nehmen. Das Ziel eines solchen Fluchs sollte besser ein übler Frevler am Land sein, ansonsten muss der Druide davon ausgehen, für seine Bitte eine mächtige Rechnung serviert zu bekommen, die er unter Umständen nicht bezahlen kann.«
    »Diese Zauberei hat also seinen Preis?«
    Ich lächelte nachsichtig. »Alles, wirklich alles, hat seinen Preis. Du kennst sicher den Energie-Erhaltungssatz? Wenn man irgend was tut, braucht es dazu irgendwoher die Power. Nichts passiert einfach so. Und jemand gezielt über große Entfernung umzubringen ohne ihm gegenüber zu treten ist ... ziemlich heftig. Würde ich sowas versuchen, würde ich es sehr wahrscheinlich nicht überleben, nicht dass ich bislang auch nur daran gedacht hätte. Es gibt mit Sicherheit viel leichtere Methoden um für das Ableben eines Mitmenschen zu sorgen, als ein Fluch.«
    Mir gefiel nicht, in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickelte. Druiden sind Pfleger, Bewahrer und Vermittler, keine Todesboten, ganz egal, was man in Horrorfilmen über menschenopfernde Zirkel »lernt«.
    »Ich glaube, ich hab's. Wir müssen da lang.« Es wurde Zeit hier zu einem Ende zu kommen. Auch wenn diese kleine Zauberei wirklich nur eine Fingerübung war, brannte wieder dieser Durst in meiner Kehle, die ich jedes Mal danach verspüre. Selbst wenn das Land den Großteil der Energie aufbringt, ein kleiner Teil der Kraft bezahlt immer auch der Druide.

    Wir stiegen über einen Schutthaufen und schlitterten die andere Seite hinab. Die Nadel begann zu tanzen und sich nach einigen Schritten im Kreis zu drehen.
    »Hier.«, sagte ich einfach.
    Im Licht unserer Lampen suchten wir minutenlang, bis wir etwas fanden, was Blut sein konnte. Wenn es hier noch Leichenreste gab, dann waren sie unter dem Schutt verborgen, oder von den leichenfressenden Tieren der Gegend geholt worden.
    »Und was machen wir jetzt?«
    Darauf war ich vorbereitet seit ich aus Swansea aufgebrochen war. Es hatte O'Harra bestimmt ein paar graue Haare beschert, aber irgendwie war an eine Handvoll irische Erde gekommen, ganz wie ich verlangt hatte.
    »Wir sorgen dafür, dass das hier,zumindest spirituell, ein Stück Heimat für die Soldaten wird. Ich weiß nicht, wie Du das siehst, aber für viele Soldaten, die traditionell ja für ihre Heimat in den Krieg ziehen, ist es eine der größten Ängste, vergessen in der Fremde begraben zu sein. Nun stellen wir sicher, dass auch die letzten Reste der zerstörten Körper sich zuhause befinden, damit die Geister loslassen können.«
    »Du hörst Dich an, wie ein Priester.«
    Ich verkniff mir ein Lachen, denn dies war eine sehr ernste Sache für die Gefallenen. Jeder, der an ein Leben nach den Tode oder die unsterbliche Seele glaubt, sollte sich überlegen, warum ausgerechnet ein lebendiger Körper eine Seele beheimatet, aber ein toter Leib es plötzlich nicht mehr können sollte. Wenn die Seele nicht davon abhängig ist, ob man lebt oder tot ist, warum sollte sie davon abhängen, ob der Körper noch lebendig ist? Die häufigsten Geistererscheinungen finden dort statt, wo ein Tod unerwartet, besonders brutal oder auf unvertrautem Terrain stattgefunden hat. Das ist kein Zufall. Wenn der Geist des Toten glaubt, dringend noch etwas erledigen zu müssen, warum sollte er widerstandslos weiterreisen?
    »Natürlich. Für die Menschen übernahmen die Druiden schon immer das als eine der wichtigsten Aufgaben.«
    Ich rechnete es John hoch an, dass er daraufhin schwieg und sich sogar mit dem Helm in seinen gefalteten Händen einige Meter entfernt hinstellte und still zusah.
    »Seo é an talamh de do aithreacha - Do chnámha chuid eile anois i síocháin.«
    (Hier sei das Land Deiner Väter. Deine Gebeine können nun in Frieden ruhen.)
    Den alten Segen wiederholte ich mehrfach, während ich die Erde symbolisch in alle vier Himmelsrichtungen verstreute.
    Die Aura des Ortes änderte sich. Beinahe glaubte ich die grünen Weiden Irlands zu schmecken und den kühlenden Morgennebel, der sich über die Grasspitzen legt.

    Plötzlich stand Anderson direkt vor mir, seine Waffe im Anschlag.
    Über die zerstörte Mauer stieg gerade ein Mann, ebenfalls eine Waffe in der Hand.
    »هیچ جنبش!« (Keine Bewegung), rief John. Ich hatte keine Ahnung, dass er die Landessprache konnte.
    Sofort zuckte der Mann zurück und im Fallen schoss er. Zeitgleich feuerte auch der SEAL.
    Der Fremde ging zu Boden, versuchte noch einmal seine Waffe zu heben, bevor sein Arm kraftlos zu Boden sank. Selbst in der Dunkelheit sah ich, dass er tot war. Die Salve hatte seine Brust bis zum Hals aufgerissen.
    Dann wankte auch John und ging in die Knie. Ich versuchte ihn aufzufangen, aber es ist nicht so einfach, einen knapp 100 kg schweren Mann am Zusammenbrechen zu hindern.
    Panisch suchte ich nach der Einschuss-Stelle. Seine Weste hatte nichts abbekommen, Arme und Beine schienen unversehrt. Als ich jedoch in sein Gesicht leuchtete, sah ich das Blut an der linken Schläfenseite. Die Kugel des Rebellen hatte ihn am Kopf erwischt. Hätte er nur seinen Helm aufgehabt ...

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    Tom Stark
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  • Druidin vs.Todesgöttin
    Ohne zu zögern hielt ich meine rechte Hand an seine Schläfe.
    Johns Augen verdrehten sich und blickten ins Leere und ich musste kein Arzt sein, um zu wissen was los war.
    Die Linke auf den Boden gepresst, bat ich erneut um die Hilfe des Landes, doch diesmal sträubte es sich. Anderson war kein Kind Afghanistans und sein eigenes Land hatte schlimme Dinge hier angerichtet - nicht meine Meinung, die hier auch völlig unwichtig war, aber das Land sah es so. Seiner Meinung nach gehörte John hier nicht her, und ich war geneigt dem zuzustimmen. Aber nun war es nicht an der Zeit politisch zu werden. Ein guter Mensch lag im Sterben und ich hätte dasselbe für den toten Rebellen versucht, hätte dies in meiner Macht gestanden. Ich nehme an, dass man mir das zu Gute hielt, denn zwar zögernd aber letztlich doch, bekam ich die erbetene Hilfe.
    Heilende Kraft floss von der Erde durch mich in die Wunde, aber sie war wirklich schwer und ich fühlte wie meine Kräfte versagten.
    »Tritt zurück von meinem Helden.«, vernahm ich eine machtvolle Frauenstimme.
    Ein Frau stand neben uns, mit kniehohen Fellstiefeln, einer kurzen Tunika unter einer gehämmerten Bronzebrünne, einem gefiederten Helm und vor allem, gewaltigen Schwanenflügeln.

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    »Eine Walküre?«
    Sie lachte, entweder hatte ich es leise ausgesprochen oder laut gedacht.
    »Ja, kleine Druidin. Seine Vorfahren sind Wikinger und Du selbst hast seinen Glauben erneuert. Ich habe diese Gestalt gewählt um ihn ins Heim der Helden zu holen.«
    »Du? Du bist die Morrigan, richtig?«
    Sie betrachtete mich, als sähe sie mich zum ersten Mal, als nehme sie mich tatsächlich als Person wahr. Ich fühlte Interesse, Interesse auf mehreren Ebenen und Teile von mir wollten das Interesse erwidern.
    »Keine ... keine Tricks. Du kannst ihn nicht haben, noch nicht. Er hat Kinder, die ihren Vater brauchen!«
    Ihre Augen spießten mein Innerstes auf und mein Herz drohte stehen zu bleiben. Behutsam atmete ich ein und wieder aus. »Angst ist dein Freund. Wenn Du die Kontrolle nicht behalten kannst, gib sie freiwillig ab, bevor sie dir entrissen wird.« Ich war zum Glück nie schwer von Begriff. Wenn Morrigan also so spielen wollte, spielte ich mit: Ich ließ locker und gab nach.
    Erstaunt trat die Walküre einen Schritt zurück.
    »Listige kleine Druidin. Zuerst hart wie ein Fels und sobald ich ihm sprengen will, verwandelt sie sich in den Wind, den ich nicht fassen kann.«
    Selbstredend unterließ ich jedwedes Grinsen oder sonst etwas, womit ich triumphierend hätte wirken können. Ich stellte mich gerade einem Wesen, das schon alt war, als die Menschen gerade anfingen zu vermuten, dass ein scharfer Stein vielleicht zu mehr gut sein könnte, als sich nur die Fußsohlen daran aufzuschlitzen.
    Sie kniete sich neben uns nieder und griff, ohne mich zu beachten, an Johns Kopf.
    »Jetzt geht er als Held, mit ehrenhafter Gesinnung und einem Platz unter den besten Kriegern ist ihm gewiss. Willst Du riskieren, dass er den Platz vielleicht verliert, weil sein Lebensweg ihn in die Finsternis führt?«
    »Als ob ehrenhafte Taten ihren Wert verlieren, nur weil die Zeit sie vergisst, oder weißt Du etwas über seine Zukunft, was Du mir sagen willst?«
    Meine Antwort klingt hier vermutlich offensiver, als vor Ort, denn sie war zögerlich, fast kleinlaut vorgetragen.
    Ihr Lächeln ließ ihre ganze Gestalt erstrahlen und vertrieb jede Furcht in mir.
    »Nein, und es ist nicht recht, dass ich dich verängstige. Vielmehr danke ich Dir für das Geschenk, das du mir machst.«
    Es ist selten gut, wenn man einem mächtigen Anderweltler etwas schuldet, fast genauso schlecht, manchmal sogar schlimmer, ist es aber, wenn jener glaubt einem dankbar sein zu müssen. Ihre Vorstellungen von schuldangemessener Widergutmachung unterscheiden sich in der Regel um mehrere Größenordnungen von unseren.
    Doch als ich bemerkte, dass John ruhiger atmete und seine Kopfwunde sich zusehends schloss, beschloss ich es dieses Mal mit diesen Weisheiten nicht so genau zu nehmen.
    »Er sei Dein, für dieses Mal, aber Du stehst in meiner Schuld.«, erklärte mir Morrigan mit ernster Stimme.
    Ich schluckte. Mist!
    »Doch ich sehe, Du hast die Bindungen meiner Helden an Diesen Ort aufgehoben. Etwas, was ich versäumt habe, daher habe ich auch eine Schuld an Dich.«
    Verdammt, verdammt!
    »Dann kann ich sie jetzt nach England mitnehmen, ohne dass ein Schaden entsteht?«
    Immerhin war ich genau deswegen gekommen.
    Sie legte ihre Hand auf meine Brust und wie wir so beieinander knieten, hatte ich das starke Gefühl, dass so etwas nicht der Regelfall in Druiden-Elfengötter-Beziehungen sein konnte.
    »Gib ihnen das Begräbnis für Helden, das sie verdienen, und es soll niemandem Schaden daraus erwachsen.«
    Sie beugte sich zu mir, bis sich unsre Lippen fast berührten.
    »Hab Dank, es ist ewig her, seit mir jemand die Stirn geboten hat und ich ihn dafür nicht zerschmettern musste.«
    Dann war sie verschwunden. Kein Lichtblitz, keine Rauchwolke, kein geflügeltes Pferd auf dem sie davon galoppiert wäre, einfach weg.
    Ich war feucht bis auf die Knochen und ich wollte nicht darüber nachdenken, dass nicht alles nur Angstschweiß war.
    Erinnern Sie sich daran, wie ich erklärt habe, wie wichtig es für einen Druiden ist, so wenig wie möglich korrumpiert zu sein und so integer wie möglich zu bleiben? Jetzt wissen Sie warum!
    Wenn man es mit Wesen zu tun hat, die einem buchstäblich in die Seele schauen können, hat man besser keine allzu großen Flecken darauf.


    »Hey.«, sprach mich John an, der wieder Bewusstsein kam.
    »Hey.«, lächelte ich ihn an, obwohl er das in der Tiefe der Nacht kaum gesehen haben dürfte.
    »Ich hatte einen seltsamen Traum. Kann es sein, dass Du gerade mit dem Teufel über meine Seele verhandelt hast?«
    »Teufel?«, ich zögerte. Die Morrigan verdammte, soweit ich wusste, auch verderbte Seelen, sie gilt allgemein als wenig zimperlich. »In diesem Fall, glaube ich: Nein. Ich hoffe einfach nur, dass Du noch keine Lust hattest in Walhalla mit Thor um die Wette zu saufen.«
    Er grunzte und erhob sich, offenbar bis auf eine kleine Platzwunde wieder völlig hergestellt: »Habe ich Dir das nie gesagt? Ich bin Antialkoholiker. Vertrage das Zeug einfach nicht.«
    Bevor wir das noch vertiefen konnten, fanden wir uns auf einmal umringt von britischen Soldaten. Sie waren zurückgekehrt und diesmal hatten sie sogar zwei leichte Panzer dabei.

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    Tom Stark
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    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (18. Juli 2015 um 20:06)

  • Royal Air Force Station Fairford (Militärflughafen)
    Das letzte Stück musste ich ohne John fliegen, der auf der USS Ronald Reagan neue Befehle erhalten hatte. Bevor wir uns trennten, vertraute er mir jedoch an, dass er bereits sein Abschiedsgesuch eingereicht hatte und sich bei UNIPAF einer Abteilung der UN für paranormale Untersuchungen beworben hatte. Ich hatte noch nie von denen gehört, nahm mir aber fest vor O'Harra danach zu fragen. Würde mich sehr wundern, wenn der alte MI5-Hase die nicht kannte.
    Mit einer Lockheed C-130 Hercules, einer riesigen Transportmaschine landeten wir schließlich auf dem von USAF und RAF gemeinsam genutzten Flughaben unweit von Swindon.

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    Inzwischen trug ich wieder Zivil, was ein seltsamen Gefühl war. Erstaunlich, wie schnell man sich an eine Uniform gewöhnt, wenn man nur von Leuten umgeben ist, die gleich angezogen sind. Ich fühlte mich beinahe wie ein Außenseiter, auch wenn ich ganz sicher nie ein Soldat sein wollte.

    Die drei Särge mit den irischen Soldaten wurden von Soldaten in Paradeuniformen abgeholt und in einer feierlichen Prozession nach draußen getragen. Dort wurde, ebenso feierlich, der Unionjack (Flagge Großbritanniens) über den Särgen ausgebreitet und der Prinz von Wales, ein gut aussehender rotblonder Mann in genau dem richtigen Alter, hielt vor den Angehörigen eine bewegende Ansprache. Mit großem Zeremoniell durfte ich den Müttern der Soldaten ihre Marken überreichen und der Prinz verlieh den Helden posthum die Tapferkeitsmedaille.
    Begleitet von der Militärkappelle wurden die Särge anschließend in ein weiteres Flugzeug verladen, mit dem sie nach Irland transportiert werden sollten, wo die Soldaten ihre letzte Ruhestätte finden sollten.
    Auch O'Harra war zugegen und ich war sehr froh darüber, jemand mir Vertrautes an meiner Seite zu wissen. Als die Zeremonie vorüber war, durfte ich sogar dem Prinzen die Hand schütteln und wir wechselten ein paar Worte. Ich merkte schnell, dass sein Interesse nicht nur rein beruflich war, und obwohl ich mich ein wenig geschmeichelt fühlte, war ich sehr froh, dass O'Harra zumindest so tat, als erhebe er ebenfalls Ansprüche auf meine Gesellschaft.
    »Kann es sein, dass Sie gerade dem Prinz of Wales einen Korb erteilt haben?« Mir war nicht so zum Grinsen zu Mute wie ihm offensichtlich.
    »Machen Sie keine Witze. Stellen Sie sich nur mal vor, wenn herauskommt was ich beruflich mache. Ich sehe schon die Schlagzeilen in der Sun: Keltische Druiden greifen nach royaler Macht!«
    Sein Grinsen verblasste. Wir kannten beide die Bluthunde der britischen Boulevardpresse, gerade was das Königshaus betraf.
    »Ja, besser ist das wohl.«
    Obwohl ich erledigt war, war ich nicht abgeneigt sein Angebot anzunehmen, mich nach Swansea mitzunehmen. Er wollte mit einer Privatmaschine noch am selben Abend aufbrechen.
    Ich muss zugeben, dass ich den Flug komplett verschlief.
    Jetlag, der Stress der Zeremonie und die Strapazen der letzten Tage forderten ihren Tribut.
    Es war spät in der Nacht, als ich in mein eigenes Bett fiel. Man kann sagen was man will: Das eigene Bett ist einfach das bequemste.
    Mein Kater, der wie immer bei meinen mehrtägigen Einsätzen von meiner Vermieterin liebevoll verwöhnt worden war, versuchte zuerst mich mit Missachtung zu strafen, aber als er merkte, dass ich viel zu müde war, um auch nur so zu tun, als buhle ich um seine Gunst, beschloss dann großmütig mir zu vergeben. Er ließ mich gnädiger Weise bis in den Nachmittag schlafen, vielleicht hatte er mich auch einfach nicht wach bekommen, bis er mich schließlich dazu brachte aufzustehen, ihn hinauszulassen und mich zu duschen.
    Obwohl ich mir eigentlich den Rest der Woche freinehmen wollte, trieb mich etwas ins Büro.


    Mein Büro
    Das Erste, was mir die Hände fiel, als ich meine Bürotür öffnete, waren die Rechnungen, die in den paar Tagen meiner Abwesenheit durch den Briefkastenschlitz geworfen wurden.
    »Ich war doch kein halbes Jahr weg?«, fragte ich mich verwundert, pflanzte mich in meinen Sessel und öffnete die Briefe.
    Brav, trug ich alles in den Haushaltsplaner meines PCs ein und wenn das Programm sich nicht irrte, würde mit dem letzten Honorar - O'Harra hatte mir noch eine saftige Prämie zugesichert - genug übrig bleiben, um meinem alten Ford Taurus die dringend nötige Inspektion spendieren zu können, plus ein paar vermutlich ebenso nötige Reparaturen.
    Entspannt legte ich die Beine hoch, verschränkte die Arme hinterm Kopf und genoss es durch mein Fenster die Leute auf der Straße vorbeilaufen zu sehen. Ich hatte von hier einen guten Blick auf das Bistro gegenüber und den Eingang zum Stadtpark, in dem heute der Wochenmarkt stattfand. Mrs. Tinney, die Sekretärin des Anwalts, der die Etage unter mir bezogen hatte, war gerade dabei vor unsrer Haustür zu fegen. Bei dem ist wohl gerade auch nichts los, dachte ich bei mir, als meine Tür aufging.
    Ich hatte weder die Treppe gehört, noch bemerkt, wie jemand unten an Mrs. Tinney vorbeigekommen war.
    Schnell nahm ich meine Füße vom Schreibtisch und begutachtete meinen Besucher.
    Er war gut gebaut, außerordentlich gut sogar. Sein schwarzes Haar fiel mit leichten Locken gerade noch auf seine Schultern und sein Bart war modisch und mit scharfen Kanten gestutzt. Er trug eine Weste, die zu einem Rockstar gut gepasst hätte, aber was sie von der Brust freiließ, brachte mich nicht dazu seinen seltsamen Modegeschmack zu verdammen. Seine Beine steckten in einer schwarzen Lederhose und seine Füße in nietenbesetzen Stiefeln. Athletisch, mit dem Gang einer Raubkatze kam er auf mich zu. Seine stahlblauen Augen fixierten mich.
    Mein Atem kam schneller, je näher er kam. Ärgerlich, zwang ich mich gleichmäßig zu atmen. Diese Feenspielchen kannte ich. Nicht mit mir!
    Gleichzeitig fragte ich mich, wo ich diese Augen, oder besser diese Art mich anzuschauen, schon einmal gesehen hatte.
    »Morrigan!?« Ich sprang auf.
    »Heute als Ares unterwegs. Mit Kutte und Krähen wäre ich hier vielleicht ein wenig zu auffällig.«
    Er ... sie ... klang verdammt selbstgefällig.
    »Meine Güte, wenn Du hier so rumläufst, verrenken sich unter Garantie die Hälfte der Frauen die Hälse. Auf der Straße verursachst Du so wahrscheinlich sogar Unfälle!«
    Er/sie... ach, Mist, ich bleibe einfach bei »er« solange er so herumläuft, trat noch näher an mich heran.
    Wieder traf mich dieser Blick, der mein Innerstes offenzulegen schien. Eigentlich hätte ich mich ängstlich fühlen sollen, wenigstens eingeschüchtert, aber aus welchem Grund auch immer, wollte mir das nicht gelingen. Vielmehr war ich dazu aufgelegt, mich auch heute nicht von ihm unterkriegen zu lassen.
    »Womit kann ich Dir helfen?« Ich war schon erstaunt, dass er sich die Mühe gemacht hatte, die Tür zu benutzen, anstatt einfach vor mir aufzutauchen.
    Sein Lächeln war ziemlich eindeutig: »Ich bin hier, um eine Schuld einzutreiben ...«

    ENDE

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    Tom Stark
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    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (21. Juli 2015 um 08:57)

  • hui hast du viel gepostet, da konmt man ja gar nicht hinterher, bloß weil man 2 Tage mal nicht online ist xD

    Hab mal die ersten 2 neuen Teile gelesen und sie sind wie immer sehr gut ^^
    Ein oder zwei Mal hast du einen Tippfehler aber da ich vom Handy lese war das Zitieren die Arbeit nicht wert xD fast so wie der Pudding xD

    Zum Inhalt kann.ich sagen, dass mir deine Art die Welt, die Erde und das Land aufzugreifen gefällt. Die Natur als fühlendes Etwas das Tod und Schmerz eben so empfindet wie wir ^^
    Sehr kreativ und (natürlich) mag ich den gaaaaaaaaanz leichten Barti-Einschlag xD
    Lese jetzt endlich den 3. Band :D

    Was deine "begrenzten" Sprachkenntnisse angeht: ich kann Deutsch :rofl:
    Englisch habe ich abgewählt. Bin mehr der Naturwissenschaftler xD
    Die restlichen Teile lese ich bei Zeiten!

    Bis Denne
    Miri

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • um für das Ableben eines Mitmenschen zu sorgen, als ein Fluch.«

    einen

    Es hatte O'Harra bestimmt ein paar graue Haare beschert, aber irgendwie war (er) an eine Handvoll irische Erde gekommen, ganz wie ich verlangt hatte.

    einen knapp 100 kg

    Kilo

    Mit einer Lockheed C-130 Hercules, einer riesigen Transportmaschine (Komma) landeten wir schließlich

    Ärgerlich, (Komma weg) zwang ich mich gleichmäßig zu atmen.


    So das war alles aus den letzten Teilen :)
    Lol, Müssten Morrigan und Sam nicht eigentlich quitt sein?
    Sam stritt mit ihr und sie hatte Spaß dran und sie hat dafür John gerettet?
    aber gut, irgendwie müsste es ja spannend weiter gehen und ich bin gespannt, was Ares verlangt :)
    Ich würde an Sams Stelle meinen Gefallen einfordern und sagen, dass ich nicht will XD
    Aber gut, erst mal raus finden, was die/der Gute denn nun eigentlich will ^^

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    - F. Scott Fitzgerald

  • Was die Morrigan will ^^ ... dazu mehr im zweiten Fall. Allgemein sei mir der Hinweis gestattetet, dass die Elfen, Feen und viele andere Anderwelter dummerweise dir nicht die Wahl lassen, wann und wie du deine Schuld eintreiben darfst, sie aber sehr wohl das Recht für sich in Anspruch nehmen. Da kannst du jeden Iren, Schotten oder Isländer fragen: Mit Feen zu verhandeln ist wie Poker zu spielen und zu wissen, dass der andere IMMER das bessere Blatt hat ...
    Doch wie uns auch unsre Märchen lehren (z.B. Bauer gegen Teufel), kann man auch mit dem schlechteren Blatt manchmal gewinnen.

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  • Ich bin auf jeden Fall gespannt auf deine weiteren Teil ^^
    Hau in die Tasten! Das hier ist eine der Geschichten, die ich mit am liebsten lese ;)

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    - F. Scott Fitzgerald

  • Vorwort

    Das was wir sehen ist nicht der ganze Teil der Welt, nicht einmal annähernd.
    Ich denke dabei nicht an den Mikrokosmos, an die Welt der Atome, Elektronen, Bosonen und Quanten. Ebenso wenig rede ich vom Makrokosmos, den möglichen Welten auf fernen Planeten oder dem Universum als unbegreifliches Ganzes.
    Der Teil der Welt, von dem ich rede, liegt oft nur einen Schritt von uns entfernt. Er beginnt unterm Bett, hinterm Haus, unter einer Brücke oder in einem stillen Waldteich. Die Alten gaben diesem Teil der Wirklichkeit den Namen Anderwelt.
    Ich kann jetzt förmlich Ihr Schmunzeln sehen. Märchen, Legenden, Mythen, Geschichten für kleine Kinder. Genau so habe ich auch gedacht. Früher.
    Früher war ich einmal genau wie Sie. Ich dachte, ich stehe mit beiden Beinen fest im Leben, wüsste was in der Welt vor sich geht und wäre als Kind des Multimedia-Zeitalters weit jenseits solcher Schauergeschichten.
    Das war bis ich durch ein Loch in meiner Welt trat und die Anderwelt kennenlernte.

    Früher war ich Constable bei der königlich walisischen Polizei, hatte einen Schreibtisch, den ich mit drei Kollegen teilte, feste Arbeitszeiten, eine grundsolide Ausbildung und genau umrissene Aufgaben.
    Heute habe ich mein eigenes Büro, an dessen Tür man Sam Kelly, p.d. lesen kann. Das P.D. steht für Personal Druwid, aber wenn man mir den Auftrag gibt, einen vermeintlich untreuen Ehemann zu beschatten, dann mache ich auch das. Das sind die Jobs, welche die laufenden Rechnungen bezahlen.
    Doch eigentlich ist mein Tätigkeitsbereich ein anderer und keineswegs immer klar ersichtlich. Die Arbeitszeiten sind chaotisch und meine Ausbildung suche ich mir selbst mal hier und mal dort zusammen.
    Viele halten mich für eine Art Ghostbuster, doch obwohl es oft darauf hinausläuft, sehe ich mich lieber als Vermittler zweier Weltenteile, die, wenn alle Seiten guten Willens sind, prima nebeneinander existieren können - aber wann war das schon jemals der Fall?
    Wenn Sie mich aber aufsuchen wollen, damit ich Ihnen einen Zaubertrank braue, mit dem Sie das nächste Römerlager kurz und klein schlagen können, dann bin ich gewiss nicht die Druidin, die Sie suchen.

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  • Mein Büro (gewissermaßen)

    Ich erwachte auf dem kleinen Sofa in meinem Büro, fand mich in die Wolldecke eingehüllt, die sonst für die Tiere meiner Kundschaft dort lag. Sie werden es kaum für möglich halten, wie oft man als einziger öffentlich praktizierender Druide Besuch von Leuten bekommt, die mit ihrem Haustier reden wollen. Oft in bester Absicht, um etwa herauszufinden ob das Tier Schmerzen hat, manchmal allerdings auch mit völlig absurden Vorstellungen. Vor einem Monat ungefähr war eine ältere Dame an mich herangetreten, die ihre Katze fragen wollte, bei wem diese nach dem ihrem Tod bleiben wollte, beim Sohn oder der Schwester.
    Solche Fragen an die Zukunft, zumal so geplant und so weitreichend, kann man einem Tier nicht stellen. Natürlich kann man das schon, aber man darf keine befriedigende Antwort erwarten. Auch wenn Katzen zu den klügeren Wesen gehören, besteht das Leben eines, meist sterilisierten, Stubentigers doch hauptsächlich aus Essen, Schlafen, Spielen und ab und zu einer Streicheileinheit. Auch wenn es so scheint, sitzen sie nicht tagelang herum und lösen schwierige mathematische Gleichungen im Kopf, philosophieren mit sich selbst, ob Lauchkuchen ohne L auch Kuchen ist oder planen gar dasselbe, wie gewisse Cartoon-Mäuse, nämlich die Weltherrschaft an sich zu reißen. In der Regel sind sie zufrieden, wenn der aktuelle Sein-Zustand zufriedenstellend ist. Das mag beinahe wie Zen oder Stoizismus aussehen, aber ich versichere Ihnen, die Katzenphilosophie ist wesentlich einfacher und effizienter gestrickt.
    Anders sieht es bei Katzen aus, die man Freigänger nennt, die also den größten Teil des Tages auf Tour sind und sich nur zur Dosenöffnungszeit oder für das sichere Schläfchen beim Menschen einfinden. So eine Katze hat nämlich Revierfragen, die ständig geklärt sein müssen, will sich wenigstens zweimal im Jahr paaren und hat so nervige Feinde wie Fuchs, Waschbär, Marder, etc., denen sie gekonnt aus dem Weg gehen muss. Aber auch diese Katze wird nicht lange debattieren, wenn sie zwangsumgesiedelt wird. Und machen wir uns nicht vor: Freiwillig geht sie da, wo sie gerade wohnt nicht weg. Würde sie das wollen, wäre sie bereits gegangen...

    Um auf das Thema zurückzukommen: Tierdecke.
    Auch als Druide mag man saubere Betten, die vorzugsweise nicht nach einer bunten Mischung aus müffelnder altersschwacher Katze, läufiger Hündin, kranker Wüstenrennmaus und Hausschwein mit Durchfall riechen.
    Daher war mein Erwachen auf interessante Art zweigeteilt.
    Hier dieses einmalige Dufterlebnis, was mir langsam aber sicher die Tränen in die Augen trieb, auf der anderen Seite die seidensanfte Erinnerung an die letzten Stunden, Tage, Monate ...?
    Ein Blick auf die moderne Digitaluhr über meiner Bürotür, ein Geschenk einer zufriedenen Kundin, und dem Datum unter der Uhrzeit, zeigte mir an, dass in dieser Welt tatsächlich nur zwei Stunden vergangen waren.
    Sie haben es wahrscheinlich schon erraten: Ich hatte einen Trip woanders hin.
    Der Auslöser war eine Gottheit, die in Gestalt eines wirklich rattenscharfen Kriegsgottes in meinem Büro aufgetaucht war um, wie er sagte, Schulden einzutreiben.
    Ares, mir auch unter Todesgöttin Morrigan oder einer Heldenseelen sammelnden Walküre bekannt, hatte mir gerade einmal einen Tag Zeit gelassen um mich von meinem letzten Fall zu erholen.
    Ganz nahe war er an meinen Schreibtisch getreten und ich hatte mir auf die Unterlippe gebissen, um mich nicht gleich zu seinen Füßen, wohlig schnurrend zusammenzurollen.
    Ja, lächeln Sie nur. Aber wenn Sie dann Ihrem ersten Feenwesen begegnen, das Sie um seinen Finger wickeln will, werden Sie an meine Worte denken. Obwohl, vermutlich eher nicht. Wenn man das nicht gewohnt ist, hat man kaum eine Chance zu denken, wenn sie einen erst einmal mit ihrem Feenstaub eingenebelt haben.
    Er, also Ares, hatte den Schreibtisch einfach zur Seite geschoben, die zwei Schritt um einfach darum herum zu gehen, waren ihm wohl zu viel, und mich an der Hüfte gepackt und an sich gezogen.
    Ich weiß, in der Erzählung klingt das kitschig, aber hui, in Live fühlt sich das überhaupt nicht kitschig an. Wirklich nicht.
    »Ich bin hier, um eine Schuld einzutreiben ...«, hauchte er mir nochmals ins Ohr.
    Bevor mir klar wurde, was er vorhatte, hatten wir die Welten gewechselt. Einfach so, als wäre das gar nichts. Wenn ich so etwas per Zauberei mache, ist das eine schweißtreibende Prozedur von einer halben Stunde und nach dem Übergang ist mir oft eine ganze Weile schlecht.
    Aber wenn man mit dem Morrigan-Express reist, bleiben einem solche Unannehmlichkeiten offenbar erspart. Angesichts dessen, was sie ganz offensichtlich zur Tilgung meiner Schulden geplant hatte, wäre eine kotzende Druidin vermutlich auch der Stimmungskiller schlechthin gewesen.

    Wir kamen in einem lichten Wald an, der, wie ich heute weiß, ein kleiner, sehr privater Teil von Morrigans persönlichen Refugium ist.
    Ich verlor Bodenkontakt (physisch, wie auch sonst irgendwie-sisch), als er, also Morrigan in Ares-Gestalt, mich auf seine Arme hob und zwischen den Bäumen hindurch trug. In meiner Welt hätte ich ihm vermutlich noch ein paar Minuten tapfer trotzen können, aber hier im Zentrum seiner Macht, keine Chance. Also tat ich das, was ich als gute Methode gelernt habe, die überall bei Mächtigen (oder Vorgesetzten) funktioniert, egal ob in dieser oder jenseitigen Welten: Ich spielte mit. Es ist wie mit einem reißenden Fluss. Du musst mit der Strömung schwimmen, um eine Chance auf das rettende Ufer zu haben.
    Nicht, dass ich in diesem Moment hätte gerettet werden wollen!
    Normalerweise halte ich es mit der Drei-Date-Regel.
    Zuerst lernt man sich kennen, vielleicht an einem interessanten Ort. Morrigan hatte ich in Form einer geflügelten Walküre kennen gelernt, die mitten in einem Kriegsgebiet in Afghanistan die Seele eines Freundes in die Hallen der Helden mitnehmen wollte. Ich schätze, das zählt eindeutig unter interessantes erstes Date.
    Beim zweiten Date erwarte ich ganz konservativ eingeladen zu werden, ins Kino, zum Essen oder meinetwegen in einen dieser überlauten Tanzschuppen, wo man kein Wort versteht, besonders gut, wenn das Date ohnehin nichts Interessantes zu sagen hat. Ich schätze, ein Besuch in einem privaten göttlichen Märchenwald toppt so ziemlich alles, was meine Dates bisher zu Wege gebracht hatten.
    Beim dritten Date erwarte ich vielleicht Blumen (bitte keine Pralinen!) und eine mehr oder weniger einfallsreiche Einladung zum Frühstück am nächsten Tag.
    Angesichts des King-Sized Bett mit dem wunderschönen gehämmerten bronzenen Bettgestell mitten auf einer Lichtung inmitten eines wahren Blumenmeers, war ich durchaus bereit, Date Zwei und Date Drei zusammenzulegen.
    »Kleine Druidin ...«, flüsterte er mir ins Ohr, und das war für eine Weile das Letzte was wir sagten, außer ein paar Dinge, die ich nicht gedruckt sehen will und die Anrufung einiger anderer Gottheiten, die das zum Glück nicht wörtlich nahmen und auch zu Besuch kamen.
    Nachdem wir uns aneinander gewöhnt hatten, wechselte Ares in die Form der mir bekannten Walküre, und auch wenn diese wunderschöne Flügel hatte, kann ich bestätigen, dass sie sonst nur wenig Engelhaftes an sich hatte. Wären ihr Hörner und ein roter Schwanz mit Dreiecksspitze gewachsen, ich wäre nicht überrascht gewesen.
    Zuletzt hatte ich Morrigan in der Form kennengelernt, in der ich sie eigentlich kannte, oder sagen wir besser, in der man mir sie immer beschrieben hatte. Wobei das auch so nicht ganz stimmt. Ohne ihre unheimliche Kutte und die gruseligen Krähen, hätte meine Mutter sie bestimmt nicht wiedererkannt.

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    In einer Pause, ja wir machten davon viele, redeten auch viel oder lagen nur zufrieden zusammen, wir sind ja keine Karnickel, fragte ich sie, ob sie auch auf Thor machen könnte. Hey, Chris Hemsworth als Thor, sagen Sie jetzt nur nicht, Sie hätten das nicht auch probiert!
    »Thor steht über mir, und wir würden es nicht schätzen, wenn er sich von uns verunglimpft fühlen würde. Andererseits hat der alte Ase (Ase= nordisches Göttergeschlecht /Anm. d. Autors) genau diese Art vom Humor, dass er darüber herzhaft lachen könnte, bevor oder nachdem er uns die Schädel einschlägt, natürlich«, war Mos belustigte Erklärung.
    Gut, dann also nicht. Ein Versuch war es jedenfalls wert.
    Dann konnte ich mich daran erinnern, wie sie ihre Hand auf meinen Bauch legte und ich schon erwartungsvoll gedacht hatte, sie würde sie wieder auf Wanderschaft zu schicken. Doch Mo sah mir geradewegs in die Augen. (Ich rate Ihnen übrigens dringend davon ab, sie jemals Mo zu nennen, es sei denn Sie stehen auf einen grausamen Tod mit anschließender tausendjähriger Folter. Die einzige mir bekannte Ausnahme von dieser Bestrafung ist eine gewisse »kleine Druidin«)
    »Lass uns das nicht als Begleichung unseres Handels ansehen. Deine Schuld bleibt bestehen, meine Schuld bleibt bestehen. Und wir haben, was wir haben.«
    Ich spürte, wie ernst es ihr war, allein schon deshalb, weil sie mich von allen ihren Feen- und Elfenkräften abschirmte und mir so die Gelegenheit gab, auch mit dem Kopf zu entscheiden. Womöglich hatte ich hier die beste Chance aus unserem Handel herauszukommen. Wie sie angedeutet hatte, würde sie uns als Quitt ansehen und ich hätte dabei auf wundersame Weise nichts verloren. Ich konnte förmlich meine Mutter im Hinterkopf mir zurufen hören. »Sei einmal im Leben klug, Kleines, und tu das Richtige!« Ein Liebesdienst ist in Feenkreisen durchaus keine ungewöhnliche Währung und man verbringt nicht 20 Jahre in den Anderwelten, ohne das Korsett menschlicher Tabus im Umgang damit über Bord zu werfen.
    Hätte ich also widersprochen, wäre der Sex einfach nur Sex gewesen, wobei »nur« in diesem Fall »einfach nur göttlich« bedeutet hätte.
    Vielleicht würde ich irgendwann einmal im Leben so klug sein, dass meine Mutter stolz auf mich wäre, aber nicht dieses mal.
    »Einverstanden, unsere Schulden bleiben bestehen und wir haben, was wir haben.«
    Ihr Mund näherte sich meinem Gesicht und ich schloss die Augen. Überrascht fühlte ich mich auf die Stirn geküsst und ... dann bin aufgewacht, geweckt von dieser tierisch aromatisierten Decke.

    Noch etwas steif, das kleine Sofa ist nicht wirklich zum Liegen geeignet, ging ich zum Schreibtisch und schnappte mir meinen Notizblock. Ich blätterte zu meiner To-Do-Liste und trug ein: Decke tiefen-reinigen lassen - Dringend !!!

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    Tom Stark
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    12 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (30. Juli 2015 um 12:15)

  • In meinem Büro

    Kaum saß ich wieder hinter meinem Schreibtisch, die Beine hochgelegt und die Straße entspannt im Blick, als ich die Treppe hörte. Dem Knarzen nach konnte das nur Mrs. Tinney sein. Sie stützte sich mit der Rechten immer schwer aufs Geländer, was diesen entsetzten Ton abgab, als hielte es die Luft an. Dafür knarrte die Stufe dabei etwas erleichterter. Sie ging schnell, entweder hatte sie wenig Zeit, oder sie hatte es eilig mir eine Neuigkeit mitzuteilen.
    Ja, denke Sie mal, wir sind Frauen und wir tratschen gerne. Auch Druidinnen lieben Klatsch!
    Bevor sie anklopfen konnte, hatte ich meine Füße heruntergenommen und »Kommen Sie nur hierein, Mrs. Tinney.« gerufen.
    Gwendolin »Nennen Sie mich bitte Gwen« Tinney war eine Frau späteren mittleren Alters, die in jungen Jahren einfach umwerfend ausgesehen haben musste. Selbst jetzt, da sie langsam verblühte, konnte man immer noch den bezaubernden Duft ihrer einstigen Schönheit einatmen, wenn man die Augen schloss und ein bisschen seine Vorstellungskraft spielen ließ. Ihre Stimme hatte mit den Jahren ein rauchiges Timbre bekommen, für das eine Hollywood-Diva vermutlich ihre Seele verkauft hätte.
    Ich stellte sie mir gerne vor, in den ruhigen Zeiten , wenn ihr Boss, der Anwalt Antonov Jurin, der sein Büro direkt einen Stock unter meinem hatte, nicht da war. Wie sie auf einem privaten Handy gewisse Anrufe entgegennahm und hinein hauchte: »Sei ein großer Junge, steh jetzt für mich auf, geh ins Bad. Jetzt zieh Deine Hose aus, auch den Slipp. Jetzt, seife Dir Deine Haare dort mit Rasierschaum ein.« Ich stellte mir vor, wie sie betont lustvoll stöhnte, während sie nebenbei die Abrechnung für den letzten Fall ihres Bosses machte. »Und nun nimm Deinen Nassrasierer, machst Du das für mich, großer Junge?«
    Tapfer verbiss ich mir solche Gedanken, als sie hereintrat.
    Sie war etwas größer als ich und von schlankem, aufrechten Wuchs. Meine Großmutter hätte vielleicht gesagt, dass man ihr den guten Stall ansah, aus dem sie kam. Ihre blond getönten Haare passten gut zu der hippen aber nicht zu hippen Frisur. Ihr dezent geschminktes Gesicht mit den sanften braunen Reh-Augen, verschafften ihr auch heute noch regelmäßig Dates mit deutlich jüngeren Männern, in der Regel kurzlebige Affären, aber ich wusste aus einigen Gesprächen in ausgedehnten Kaffee-Pausen, dass sie die Hoffnung auf die große Liebe noch immer nicht aufgegeben hatte.
    Ihr Kostüm war wie immer konservativ, brachte aber ihre endlos langen Beine und die sagenhaften schlanken Fesseln gut zur Geltung.
    Wir verstanden uns gut, so gut sogar, dass sie meine Kehrwoche übernahm, und ich ihr dafür die Post mitbrachte, die regelmäßig im Postfach für die Kanzlei anfiel. Da ich direkt neben dem Foto-Laden wohnte, das in unsrem Viertel auch die Poststelle beherbergte, war das kein Umstand.
    Das Einzige, was unsre Beziehung trübte, wenn man das überhaupt so nennen wollte, war die Tatsache, dass sie nicht an Magie glaubte und Druiden für esoterische Spinner hielt. Das hat sie mir so natürlich nie ins Gesicht gesagt und ich habe ihr dieselbe Freundlichkeit erwiesen und darauf verzichtet sie mit der gewalttätigen und repressiven Geschichte ihrer geliebten katholischen Kirche und den jüngsten Skandalen von Pädophilie ihrer Priester in Irland zu konfrontieren.

    Ich hatte erwartet, sie wäre zu einem Plausch gekommen, vielleicht war in meiner Abwesenheit auch ein Kunde dagewesen. Gwen nahm oft Nachrichten für mich entgegen und ich vergaß nie, mich in Form von Blumen, einem Geschenk zu ihren Geburtstag und einer Kleinigkeit zu Weihnachten zu bedanken. Vor einem halben Jahr hatte ich ihr einen großen Gefallen tun wollen und einen kleinen Liebeszauber gewirkt, um den neuen Constable, der in unsren Revier versetzt worden war, ihr ein wenig gewogener zu stimmen, als ich erfahren hatte, dass sie ihn anschmachtete.
    Was ich nicht bedacht hatte, war, dass der Constable einen guten Grund für seine Versetzung gehabt haben könnte. Er hatte zuvor in London gewohnt und durch einen Anschlag seine Frau verloren und suchte Vergessen weitab der Metropole und ganz sicher keine neue Frau.
    Die Affäre war kurz und heiß gewesen, hatte sehr tränenreich geendet und ich hatte eine Lektion fürs Leben erhalten: Treib niemals Zauberspielchen mit den Gefühlen Deiner Mitmenschen. Das ging schon schief, wenn es Feen machten, und die hatten viel mehr Erfahrung damit. Auch wenn ich wirklich nur Gutes für Beide im Sinn gehabt hatte, waren beide tief verletzt worden. Der Constable hatte sich wieder versetzen lassen. Wer weiß, was geschehen wäre, hätte ich das Ganze nicht beschleunigt ...

    Sie warf mir einen irritierten Blick zu, der auf unheimliche Art sinnlich war. Also diese Art von Beziehung hatten Gwen und ich ganz sicher nicht! Mein Blick zurück war mindestens so irritiert und kein bisschen sinnlich. Für einen Moment schien sie ratlos, aber dann zeichnete sich wieder der Schrecken auf ihren Zügen ab, der mich schon alarmiert hatte aufstehen lassen, als sie durch die Tür getreten war.
    »Sam, Sam. Sie müssen schnell mitkommen! Anton geht es schlecht. Schnell!«
    Ohne auf mich zu warten drehte sie sich um und stöckelte wieder die Treppe hinunter.
    Natürlich war ich direkt hinter ihr.
    Unterwegs überholte ich sie sogar, weichsohlige Lederstiefeletten und körperlich ein paar Jahrzehnte mehr (bzw. weniger) an Fitness zahlten sich dann doch aus.
    Als ich sie beim Überholen berührte, fühlte ich sie am ganzen Körper erschauern, nahm mir aber nicht die Zeit darüber nachzudenken. Gwens Tonfall hatte keinen Zweifel an der Dringlichkeit ihres Anliegens gelassen.
    Antonov und ich hatten zwar seit einem völlig missratenen Date ein gespanntes Verhältnis, aber es herrschte doch eine Art professionelle Freundschaft. Immerhin schusterte er mir ab und zu Aufträge zu und ich revangierte mich, wenn völlig verzweifelte Klienten eher Rechtsbeistand brauchten, als den Beistand, den ich ihnen geben konnte.
    Die Tür zur Kanzlei stand halb offen, aber schon im Vorzimmer traf mich die Erkenntnis wie ein Hammer in die Magengrube.

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    Tom Stark
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    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (30. Juli 2015 um 12:16)

  • In der Kanzlei Jurin


    Ich musste michbeherrschen, um nicht würgend in die Knie zu gehen. Ich hatte erst einmal das Pech diesen Gestank wahrnehmen zu müssen, aber man vergisst ihn niemals.
    Er trifft einen wieein Überfallskommando, nicht durch eine leicht Vorankündigung, wie man es sonstbei Gerüchen gewohnt ist. Normale, spirituell und magisch halbblinde Wesen, wie die meisten Menschen, nehmen nur den olfaktorischen (durch die Nase aufgenommenen) Gestank wahr, und der ist wirklich noch der Harmloseste. Als ob jemand ein StückFleisch in der Tasche hätte, das vorher zwei Tage in der Sonne gelegen hätte. Nichtschön, aber durch ein gutes Deo oder starkes Parfüm halbwegs zu unterdrücken. Aberdieser Gestank breitet sich auf so vielen Ebenen aus, wie ich es gar nichtbeschreiben kann.
    Er setzt sich nicht nur in Nase und Mund fest, so dass man instinktiv würgen muss und kaum zuanderen Aktionen fähig ist, er klebt sich an deine Aura, wie heiße Teerklumpen,er versucht deine Seele zu befallen wie Schimmelpilzsporen und nistet sich indeinen Gedanken ein, wie eine dunkle fixe Idee, die aus der Tiefe unserer schlimmsten Ängsten geboren wird.
    Für jene, die es noch nicht erraten haben: Ich rede von Dämonen.
    Was immer Dämonisches hier war, der Dämon selbst war entweder nie hier gewesen, oder längst weg. Auf Dämonen wirken wir Druiden nämlich wie Katzen auf Hunde. Sie müssen uns zwanghaft jagen, sobald wir in ihrem Sichtkreis aufkreuzen. Es ist eine einfache Prinzipfrage: Das erhaltende Prinzip gegen das zerstörende Prinzip.
    Gwen lief beinahe inmich hinein, wich mir aber gerade noch aus. Wieder streiften wir uns und auchdiesmal versteifte sie sich kurz, aber weit weniger heftig als die letztenMale.
    Ich trat zur Tür von Antonovs Büro und hörte dahinter seine Stimme, eine Art Mischung aus Heullauten,Klapperschlangenrasseln und Schmatzen ausstoßen.
    »Bleiben Sie zurück,Gwen. Sobald ich drin bin, schließen Sie die Tür hinter mir ab. Und erst wenn Siemich deutlich rufen hören, schießen Sie wieder auf.«
    Natürlich erwarteteich Widerspruch. Wann wurden jemals gute Ratschläge fraglos hingenommen?
    Doch sie nickte stumm und sah mich mit großen Augen an, als sähe sie mich zum ersten Mal.
    Noch einmal tief Luft holend,trat ich ein. Erleichtert hörte ich, wie hinter mir der Schlüssel zweimal im Schlossgedreht wurde.
    Antonov saß ingehockter Stellung auf seinem Schreibtisch, die Hände wie ein Affe auf denKnöcheln aufgestützt. Seine Haut hatte eine grüne Färbung angenommen undSpeichel rann ihm zu beiden Seiten aus den Mundwinkeln. Er wackelte wild mitdem Kopf und gab diese Geräusche von sich, die sich für mich irgendwie nacheiner Sprache anhörte, allerdings eine, die mir den Magen umdrehen wollte.
    »Anton ...«, sprachich ihn leise an. »Anton, verstehst Du mich?«
    Ich hielt mich nahebei der Tür, möglichst weit weg von ihm, was sich als gute Idee erwies.
    Er schien mich nichtgleich zu erkennen, aber als er mich schließlich doch mit blutunterlaufenen Augenansah, fletschte er seine Zähne und sprang mich an.
    Mit einem schnellenSchritt zur Seite und einer halben Drehung, ließ ich ihn gegen die Tür prallenund packte seinen linken Arm. Mit schier übermenschlicher Kraft wäre es ihmbeinahe gelungen sich loszureißen, aber ich hatte bei meiner Ausbildung auf derPolizei-Akademie gelernt sogar mit Hooligans fertig zu werden, die 30 kg schwerersind als ich. Also hebelte ich seinen Arm hinter seinem Rücken so eisern nachoben, dass er gar keine Wahl hatte als mit dem Kopf gegen die Wand zu donnern.
    Wieder stieß er einenSchwall dieser unverständlichen Worte aus, doch sein Widerstand ließ merklichnach. Ein rascher Blick auf seine Aura zeigte mir, dass die Teerflecken sich aufzulösenbegannen und in dem selben Maße, wie sie verschwanden kam der alte Antonovwieder zum Vorschein, nur wesentlich lädierter als das letzte Mal, als ich ihngetroffen hatte.
    Endlich war er wiederganz bei sich und betrachtete mich betreten vom Stuhl aus, in den ich ihnbugsiert hatte.
    »Sahm ...«, aus irgendeinem Grund gelang es dem gebürtigen Weißrussen einfach nicht meinen Namenkorrekt auszusprechen. »Was zur Hölle war das? Es war, als wäre etwas in michhineingekrochen und hätte sich Stück für Stück meiner bemächtigt!«
    »Tja, ich würdeschätzen, Du bist das Opfer einer dämonischen Attacke geworden. Mit wem hast DuDich da bloß angelegt?«
    Er schüttelte denKopf. »Es hat damit angefangen, als ich dieses Paket geöffnet habe. Es lag einschwarzer Halsreif darin, Torque nennt man ihn, glaube ich?«
    Er wollte nach demPaket greifen, was unter den Schreibtisch gefallen war, aber zum Glück war ichschneller und schob ihn zur Seite.
    »Einmal hat Dir wohlnicht gereicht, hm? Bleib brav da sitzen und lass mal die große Druidin ihrenHokuspokus machen.«
    Es hatte wenig Sinnihm die Feinheiten des Druidentums vermitteln zu wollen. Immerhin kam er ausder Gegend, wo sie mit der Baba Yaga ein echtes Prachtexemplar einer verrücktenGottheit hatten, deren Erscheinen natürlich hartnäckig totgeschwiegen wurde.

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    Wenner als »aufgeklärter Mann« nicht an sie glaubte, wäre er »viel zu aufgeklärt«um mir ernsthaft zuzuhören. Aber um sich von dämonischen Flüchen befreien zulassen, dazu reichte sein Glaube offenbar gerade noch aus. Menschen sind da oftmit einem erstaunlich praktisch selektiven Glaubensgerüst ausgestattet.
    Ich brauchte nichteinmal die Aura zu sehen um zu erkennen, dass der Halsreif sehr alt war,vermutlich ein Original aus der Eisenzeit, aber nageln Sie mich nicht fest. Archäologieist nicht gerade mein Fachgebiet. Der dämonische Gestank stieg geradezu infeinen Schwaden von dem Ring nach oben und versuchte sich im Raum zu verteilen.Dennoch wagte ich einen genauen Blick und sah, dass die dämonische Aura gezieltLebewesen wie Anton und mich ansteuerte, aber da ich den Weg blockierte, siesich zuerst auf mich stürzen wollte.
    Reflexartig wollte ichzurückweichen, als mir klarwurde, dass die Schwaden verschwanden, sobald sie inmeine Aura eintauchten. Auch wenn ich gerne für mich beansprucht hätte, durchmeinen untadeligen Lebenswandel eine solche heilige Wirkung auszustrahlen, warich Realist genug um zu wissen, dass es an etwas anderem liegen musste.
    Daher warf ich einengenaueren Blick auf mich, zuerst einmal meine Hände und Arme und dabei ging mirein ganzer Kronleuchter auf.
    Ich war am ganzenKörper mit Feenstaub bedeckt, jener pheromonartigen Substanz, den viele Feen-Wesender Anderwelten, wie auch gewisse Gottheiten abgeben, ganz besonders wenn siees darauf anlegen Autorität oder Charisma zu versprühen. Natürlich musste ichnicht lange rätseln, woher ich das hatte und nun war mir auch die seltsame Reaktionvon Gwen klar. Zuerst musste sie sich ja wie vom sexuellen Blitz getroffengefühlt haben und als ich ihr mit fester Stimme Anweisungen erteilt hatte,hatte sie gar keine Chance als zu gehorchen. Womöglich hätte ich jetzt in eine Barfür Stink-Reiche gehen müssen um mir einen Milliardär zu angeln, oder von Hauszu Haus gehen um mich für die nächste Bürgermeisterwahl aufstellen zu lassen,ach was, ich hätte geradewegs in eine Bank gehen können und den Direktorfreundlich um zwei Millionen Pfund bitten können.
    Stattdessen näherteich meine Hand dem verfluchten Torque und sah zu, wie der Feenstaub den Dämonenfluchvernichtete und dabei sich selbst verbrauchte. Darum werde ich wohl nie reichwerden, aber darum werde ich wohl auch nie ohne Absicht den aufrechten Pfadverlassen, wobei ich den mitunter schon ziemlich gebeugt gehe. Wer will schonwie ein Heiliger leben, außer ein Heiliger, natürlich.
    Schließlich konnte ichden Halsreif aufnehmen und hatte so gut wie keinen Feenstaub mehr an mir.
    Vielleicht war dasauch besser so. Es wäre bestimmt auf Dauer extrem lästig geworden, mich allersexueller Avancen zu erwehren und gleichzeitig die Schar von Speichelleckerabzuhängen, die mich zu ihrer neuen Königin krönen wollte.
    »Gwen, Sie könnenaufmachen.«
    Antonov sah mich mitdiesem Blick an, den ich oft zu sehen bekomme, nachdem ich die Leute ausähnlichen Schwierigkeiten geholt habe. Jetzt, da die Gefahr gebannt war und dasGehirn dem Instinkt mitteilte, dass es jetzt wieder bereit war zu übernehmen,begannen die Erinnerungen an die Geschehnisse zu verblassen. In wenigen Stundenwürde Antonov glauben, lediglich einer Art Stinkbombe zum Opfer gefallen zusein und Gwen würde Stein und Bein schwören, dass sie aus lauter Paniküberreagiert hatte, als sie zu mir hochgestürmt war. Und bereits morgen würdeich mir wieder dieses nachsichtige Lächeln gefallen lassen, wenn sie mir einenKunden hochschickten, der einen ... uhhh ... Druiden suchte. Aber vielleichtauch nicht. Bisweilen blieb auch etwas hängen, nur zählte ich nicht zu festdarauf.
    »Das Paket nehme ichmit. Da steht nämlich mein Name drauf, der Paketdienst hat es nur einfach beiEuch abgegeben. War wohl zu viel verlangt es die Treppe zu mir hoch zu tragen ...«
    Tatsächlich stand meinName auf dem Paket, doch ich konnte es Anton und Gwen nicht verdenken, dass sienicht sofort darauf gekommen waren. Die Leute, von denen ich wusste, dass siemich unter »Samain Callaigh« kannten, konnte ich an zwei Fingern abzählen: Mumund Dad.
    Anwalt, wie auchSekretärin, waren noch durcheinander genug um mich nicht aufzuhalten und ichverschwand so schnell es ging. Dieser Angriff hatte eindeutig mir gegolten,aber durch den Feenstaub wäre ich ebenso eindeutig geschützt gewesen.
    Ich glaube ja an Zufälle,aber nicht, wenn Götter und Dämonen im Spiel sind.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (30. Juli 2015 um 12:19)

  • Wieder in meinem Büro

    Nachdenklich stieg ich die vierzehn Stufen wieder nach oben und schloss die Bürotür hinter mir ab. Heute hatte ich wirklich keine Lust mehr auf Kundschaft.
    Zuerst nahm ich mir das Paket vor, irgendwo musste es ja aufgegeben worden sein. Paketdienste hatten so etwas immer genau zu dokumentieren, allein schon wegen der Versicherung.
    Aha, da hatten wir es: Dublin.
    Dublin?!
    Wen zum Geier hatte ich in Dublin oder überhaupt in Irland so verärgert, dass er mir einen Dämonen auf den Hals hetzen würde?
    Überhaupt stand ich auf dem Standpunkt, dass wenn ich jemand so sauer gemacht hätte, dass er mir sogar einen Dämon nachschickt, ich vermutlich extrem mangelnde Feinfühligkeit an den Tag gelegt haben musste.
    Nein, im Ernst, natürlich hatte ich im Leben nicht damit gerechnet, jemals wieder mit Dämonen zu tun haben. Ohne den Feenstaub hätte ich so tief in meine Trickkiste greifen müssen um den Fluch zu bannen, dass meine Finger vermutlich den Boden durchstoßen hätten. Ich war nicht zu stolz, um freimütig zu bekennen, dass das nicht meine Liga war.
    Was mich zu meiner zweiten großen Frage brachte, ob Morrigan die Feenstaub-Sache absichtlich eingefädelt hatte. Soweit es die Legenden erzählten, konnte sie den Tod eines Helden voraussehen um rechtzeitig anwesend zu sein. Klingt logisch, angesichts der irrsinnig vielen Kriege, die wir gerade auf unsrer kleinen Erde führen. Wie sollte sie sonst den Überblick behalten?
    Nur war ich weder eine Kriegerin noch eine Heldin und war bereit einiges zu investieren, dass das auch so blieb. Helden tendieren dazu, schmerzhafte Tode zu sterben und Krieger literweise Blut zu verlieren. Beide Alternativen sind für mich wenig verlockend. Wer drauf steht ... meinetwegen, aber bitte nicht in meiner Nähe.
    Gut, das konnte ich gerade nicht klären, vielleicht wenn ich Mo das nächste Mal traf.

    Aber es gab da eine Adresse, an die ich mich wenden konnte, wegen dieser Dämonensache. Bei dieser Gelegenheit konnte ich vielleicht auch gleich noch klären, wer alles noch meinen Geburtsnamen kennen könnte.
    Ich kramte aus der untersten Schublade ganz hinten das Büchlein mit den Daten meiner Verwandtschaft heraus. Es war kein Zufall, warum es so schwer zugänglich war, denn ich hatte schon vor einer ganzen Weile aufgehört, ein beliebter Teil der Familie zu sein.
    Dad hätte es ja verstanden, aber Mum hatte immer einen für mich unakzeptablen Standpunkt vertreten: »Ich bin die Erzdruidin und Du als meine Tochter machst, was ich sage.«
    Wenn sie das gewollt hätte, hätte sie mich nicht auf die guten Schulen mit höherem Bildungsgrad schicken dürfen, denn ich hatte am Ende an das Druidentum ungefähr genauso fest geglaubt, wie an den Weihnachtsmann. Als ich dann bei der Polizei-Akademie angenommen worden war, hatte sie angefangen meine halbjährlichen Anrufe zu ignorieren. Da sie die große Matriarchin des Callaigh-Clans ist, war ich automatisch für alle anderen eine Persona non grata. Natürlich gab es ein paar Couins und Cousinen, die ebenfalls im zwanzigsten Jahrhundert angekommen waren, aber die hatten ihre eigenen Leben.
    Selbst nachdem ich für zwei Jahre unserer Zeitzählung (etwa 20 Jahre in der Anderwelt) verschwunden war, hatte sie es nicht für nötig empfunden ein Mal nachzufragen, wie es mir ging.
    Daher hatte ich es bisher auch nicht für nötig empfunden ihr mitzuteilen, dass ich mittlerweile mein Erbe akzeptiert hatte und in einem uralten, weißen (und auch weisen) Weidenherrn einen extrem geduldigen Lehrmeister gefunden hatte. Trotzdem hätte ich es nett gefunden, wenn sie mich wenigstens ein bisschen in der Druiden-Gemeinschaft willkommen geheißen hätte.
    Natürlich hätte ich auch in meinen Taurus steigen und zum Snowdon (höchster Berg in Wales /Anm. d. Autors) hochfahren können.

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    Aber man hat ja schließlich seinen Stolz, egal wie dumm er ist.

    Nachdem ich ihre Nummer gefunden hatte, wählte ich die Vorwahl der Grafschaft Gwynedd und vertippte mich dabei zweimal. Endlich bekam ich ein Freizeichen.
    Mit klopfenden Herzen hörte ich, wie jemand abnahm. Du meine Güte, hatten die etwa immer noch das alte Gabeltelefon mit der geringelten Telefonschnur?!
    »Callaigh?«
    Beinahe hätte ich wieder aufgelegt. Ihre Stimme klang immer noch genauso so vorwurfsvoll wie zuletzt. Doch das war einfach ihr normaler Tonfall, stets leicht tadelnd und enttäuscht von der Menschheit im Allgemeinen und mir im Besonderen.
    »Mum, hier ist Sam ...«, ich wartete, rechnete schon damit, dass sie kommentarlos auflegte, aber nichts geschah. »Ich habe hier einen schwarzen Torque, an den ein Dämonenfluch gebunden war. Irgendwer hat mir den aus Dublin zugeschickt ...?« Ich lauschte in die Stille, die von einem entsetzten Ruf abgelöst wurde.
    »Sammi!? Rühr Dich nicht vom Fleck! Fass nichts an! Ich bin sofort bei Dir!«
    Fassungslos starrte ich auf meinen Telefonhörer und es dauerte eine Weile bis ich das schnelle Tüt-Tüt-Tüt erkannte, was mir anzeigte, das die Verbindung unterbrochen war.
    Sammi? So hatte sie mich zuletzt als Kind genannt. Sonst hatte sie stets auf das vollständige Samain bestanden, das ich ihrer Ansicht nach voller Stolz tragen sollte. Sie hatte es gehasst, wenn mich die anderen Sam riefen und je mehr es sie auf die Palme gebracht hatte um so mehr hatte es mir gefallen.
    Dann musste ich schmunzeln. Nicht vom Fleck rühren, natürlich. Selbst mit einem Formel 1 Wagen bräuchte sie mindestens drei Stunden bis zu mir und ich wusste, meine Mum hatte immer noch keinen Führerschein. Sie war stets der Ansicht gewesen, dass Automobile nur eine vorübergehende Mode-Erscheinung waren.

    Ich hätte es besser wissen müssen, als eine Druidin zu unterschätzen, die noch mit den letzten Römern und danach mit den Sachsen um Wales gekämpft hatte.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (30. Juli 2015 um 12:26)

  • Gerade hatte ich mich erhoben, mir eine Tasse Kaffee Au! zu viel Milch gemacht, als ein heftiger Windstoß mein Fenster aufbrach, eine Windhose hereinkam und meinen Papierkram im ganzen Zimmer verteilte.
    Mit offenen Mund und auf halbem Weg erstarrter Tasse sah ich, wie sich der Miniwirbelsturm auflöste. Er ließ eine streng gekleidete Frau erscheinen, deren Haare fast so feuerrot waren, wie meine, aber die, im Gegensatz zu meinem modernen Schnitt, in drei schweren Zöpfen (zwei an der Seite und ein wirklich dicker hinten), wie in Superkleber getränkt, reglos an ihren Kopf herunter hingen.
    Ihre Kleidung war ausnahmslos aus natürlichen Materialien hergestellt und wäre nicht ihre strenge Aura gewesen, hätte man sie für eine dieser Kräuterfrauen von einem Mittelaltermarkt halten können. Das wäre aber ganz sicher niemandem je passiert. Mum konnte ohne Weiteres inmitten gekrönter Häupter umher gehen und diese mit einem genervten Stirnrunzeln dazu bringen, auf die Knie zu fallen.
    »Sammi, geht es dir gut?« Sie umarmte mich fest, ein Verhalten, was mir mehr als alles andere verriet, welche Sorge sie gerade hatte. Alte Druiden haben es nicht gerne, wenn andere körperlich in ihre Aura eindringen. Ich hielt tapfer meine Tränen der Rührung zurück. Immerhin herrschte zwischen uns kalter Kriegszustand und wir wären keine Druiden, wenn wir zu leicht verzeihen würden.
    Sie schob mich von sich und musterte mich mit diesem durchdringenden Blick, den ich inzwischen als wahren Blick kannte. Sie können mir glauben, dass ich früher darunter regelrecht zusammengeschrumpft war, besonders wenn sie Grund hatte mich eines Streichs zu verdächtigen, was natürlich immer völlig unfair und total ungerechtfertigt war.
    »Deine Aura ist nicht befleckt, Du hast mich doch nicht etwa ...«
    Dann riss sie die Augen auf. Ich sah wie auf einem Pantomimen-Gesicht die ganze Platte ihrer Gefühle nacheinander ablaufen.
    Zuerst war dort unglaubliche Erleichterung, dann Misstrauen, dann Verwunderung und zuletzt Erkennen. Oh, nein, das Letzte war dieser altvertraute Mix aus Vorwurf, Enttäuschung und Zorn.
    Obwohl ich mir diesmal wirklich, wirklich keiner Schuld bewusst war, verschränkte ich meine Arme, lehnte mich etwas zurück, legte meine Stirn in Falten und trotzte ihrem Blick.
    Es war als wären alle Jahrzehnte schlagartig ausgelöscht und ich wieder sechzehn.
    »Du hast noch Feenstaub an Dir!«
    Nagut, aber deswegen der Aufstand?
    »Ja, ein bisschen. Und?«
    »Hast Du Dich darin gewälzt, oder was habt Ihr getrieben?«
    Ich war sprachlos. Konnte sie Gedanken lesen, und selbst wenn, ich hatte gerade nicht einmal ansatzweise an Mo gedacht.
    »Wie oft habe ich Dir gepredigt, Dich nicht auf so etwas mit IHNEN einzulassen. Sie sind anders als wir und messen den Dingen völlig andere Bedeutungen bei.«
    »Äh ... immer langsam, Mum. Woher weißt Du ...?«
    Sie schnaubte. »Du hast nicht einmal den Anstand ein schlechtes Gewissen zu haben!«
    Man mag es kaum glauben, aber diese Worte hatte noch dieselbe Wirkung auf mich, wie eh und je. Bisher war mein Gewissen rein gewesen, aber jetzt wo sie das erwähnte ...?
    »MUM, lass den Scheiß!«
    Ja, auch mächtige Druiden haben das drauf. Mum hielt sich vermutlich so oft in den Anderwelten auf, dass sie mittlerweile einen unerschöpflichen Vorrat an Feenstaub in ihrem Körper absorbiert hatte.
    Nun war es an ihr mich sprachlos zu mustern. Ich erkannte ungläubigen Respekt in ihren Augen.
    »Du hast Dich ... gemacht, meine Tochter!«
    Du lieber Himmel, ich war wieder ihre Tochter! Juhu? War der Non Grata Status jetzt aufgehoben?
    »Äh, ja, habe ein paar interessante Jahre hinter mir und hatte einen ziemlich coolen Meister-Yoda-Baum als Lehrer .«
    »Du redest wirr, Kind.« Wieder dieser strenge Tonfall.
    Ich blies genervt meine vollen Backen leer und erklärte in dem betont lockeren Tonfall, den sie gar nicht leiden kann, wenn man ihn sich ihr gegenüber herausnimmt: »Gwraidd gwyn, hat mir ein paar Druidentricks gezeigt!« Ich gab absichtlich mit seinem Túatha-Namen an. Ich selbst hatte ihn schlicht Weißwurzel genannt, wie auch alle, die in seinem Umfeld lebten. Der uralte Baumherr hatte eine Wahnsinngeduld mit allen diesen »jungen Lebenwesen«, die aus seiner Sicht gerade erst geboren waren. Für ihn waren wir alle Kinder und werden es wohl immer bleiben, egal wie alt manche von uns werden können.
    »Ein Kind des Brenin Ellyllon (Elfenkönig) hat Dich gelehrt ...«
    Mum setzte sich auf das Sofa, geradewegs auf die Tierdecke. Wenn Sie den Geruch wahrnahm, so zeigte sie es jedenfalls nicht. Ich nehme an, meine Mitteilung war womöglich ein wenig überraschend.
    »Ok, erstens: Wow, Du bist aber schnell hier gewesen! Und Zweitens hast Du mir immer noch nicht gesagt, woher du von Mo...rrigan und mir weißt!«
    Sie lächelte abwesend, eine Premiere für mich, und antwortete ebenso abgelenkt.
    »Du bist von meinem Fleisch. Die Hälfte von Dir ist wie ich, und natürlich kann ich von überall dorthin reisen, wo ich bin oder Teile von mir sich befinden.«
    Klingt das für Sie genau so seltsam, wie für mich? Gut.
    Ich nahm vor, mir das für einen späteren Zeitpunkt zu merken. Dies Art zu reisen dürfte für meine schmale Geldbörse sehr entlastend sein. Hoffentlich musste ich dazu nicht wirklich Teile von mir woanders zurück lassen. Neben diversen ekligen Ideen kamen mir da nur noch ein paar völlig unakzeptable Möglichkeiten in den Sinn.
    »Und das andere ...?«, bohrte ich nach, solange der Informationsfluss noch lief.
    »Du trägst Morrigans Zeichen. Wie hast Du Dich nur bereit erklären können Ihr Zeichen zu tragen?!«
    »Wovon redest Du Mum? Von dem bisschen Feenstaub?«
    Sie hob den Blick und ich sah, dass sie sauer war, sogar ziemlich sauer. Unwillkürlich zog ich den Kopf ein. Ich hatte Mum schon ein paarmal richtig in Rage gebracht, aber so sauer wie jetzt, hatte ich sie noch nie erlebt. Vermutlich hätte ich gerade mit einem Fingerschnipsen Funken schlagen können, so gewaltig war die Spannung im Raum angestiegen, und ich meine das wörtlich. Meine Mutter ist eine Gewittermeisterin. Wir können alle glücklich sein, dass sie so selten ihre Fassung verliert; aber nun stand sie kurz davor.
    »Du willst mir sagen, Du weißt nichts von IHREM Zeichen auf Deinem Bauch?«
    Vorwurfvoll stach ihr Finger nach vorne und zeigte geradewegs auf meinen Bauchnabel.
    Entsetzt riss ich mir das Shirt hoch und starrte minutenlang fassungslos auf das Hautbild auf meinem Bauch.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (30. Juli 2015 um 12:25)