Brauche Hilfe zu einer Szenenfolge

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 875 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (6. Januar 2017 um 19:18) ist von Rael.

  • Wer alleine vor seinem Text sitzt, ist von Selbstzweifeln geplagt. So ist es gerade auch bei mir. Als Autor springe ich durch den Text, kenne jedes Wort, weiß, warum ich jede Anspielung setze und glaube, das was ich schreibe, genau so - und erst recht - in dieser Abfolge geschrieben werden muss. Mein Teufelchen mag mich noch warnen, vorsicht, der Leser weiß das alles nicht. Wenn also ein Leser anfängt ein Buch zu lesen, erschließt sich für ihn die Welt Seite für Seite. Er will nicht verwirrt werden, will trotz Lücken grob einordnen können, was wohl geschehen könnte. Ich als Autor WEISS was geschehen wird. Ich als Autor kann also die Anfangsszenen lesen, und denke automatisch den Rest mit. Das kann der Leser nicht.

    So gibt es einige Regeln. Springe nicht durch zu viele Köpfe am Anfang, damit der Leser eine Chance hat, in die Welt eintauchen zu können. Weiß ich, lach.
    Und doch springen mich gerade Selbstzweifel an, ob folgende Szenenfolge funktionieren könnte. Wer mag, darf Bedenken äußern oder sagen, das könnte funktionieren. Meine Selbstzweifel betreffen also das Plotting, weniger die Geschichte an sich.

    Einer meiner ersten Protas wird eingeführt auf Seite 36 (Normseiten) Ihm gebe ich dann Raum für ca. 80 Seiten sich entfalten zu können. Er steigt in der 5. Szene ein.

    Was mute ich meinem Leser aber vorher zu.

    Prolog 6 Seiten. (Perspektive: Aneas) Der Prolog spielt 3000 Jahre vor der eigentlichen Handlung. In dieser Szene erfährt der Leser, dass sich etwas ändert. Zwei Wesen opfern sich, damit es eine friedvoller Zukunft gibt. Was ihr Tod bezweckt, und was die Wesen mit ihrer Opferung erschaffen, wird nicht erklärt. Das Grundmotiv ist hier. Die Welt ist im permanenten Krieg. Die Grausamkeit wird dargestellt. Die Szene wird aus der Perspektive eines Mannes erzählt, der später regelmäßig erwähnt wird, so dass der Leser leicht wissen kann, diese Szene spielt vor 3000 Jahren. Dass diese Szene soweit in der Vergangenheit spielt, wird dem Leser auf Seite 21 gezeigt, wo namentlich Bezug genommen wird auf Aneas. Also Ziel: Grausamkeit des Krieges, ein Ritual, und Einführung zentraler Wesen (Drachen und Wolf, ist ja Fantasy :))

    1. Kapitel (2970 Jahre später)

    1.Szene. (Perspektive Kar in der Welt Manturien ) was der Leser nicht weiß, erst Hunderte von Seiten später, stellt sich heraus, dass dieser Kar der Gegenspieler des Helden ist. Aber, beim Lesen, wird das nicht klar. Unklar bleibt auch, dass Kar in der Welt lebt, die durch die Barriere, die im Prolog geschaffen wurde, lebt. Hier darf der geneigte Leser wieder raten, was ja auch Spass macht.

    Inhalt: Kar wird durch ein Ritual zum Herrscher erhoben, weil der alte sich opfert, um eine magische Kugel zu erschaffen. Diese Kugel durchdringt etwas, was der Leser leicht als eine Barriere entziffern kann.

    2. Szene (Perspektive Christian in der Welt Tikkun) Leider glaube ich, dass ich diese Szene ansatzlos streichen kann, weil sie soll nur Motive aufnehmen, die erst später eine Rolle spielen. Christian selber, spielt zur Mitte des Romans eine wichtige Rolle. Ist aber im ersten Band nur ein Nebenprota, der aber das Potential hat, zur Hauptfigur zu werden.

    Inhalt: 8jähriger Dieb, der klaut, um seiner Mutter Medizin kaufen zu können. Er läuft durch die Stadt, sieht das an diesem Tag der Königswahl alles anderes ist. Die Hauptstadt, in der große Teile des ersten Bandes spielt, wird vorgestellt. Wichtig war mir hier, die verschiedenen Völker vorzustellen und das der Zirkus bereits bei dieser Königswahl eine zentrale Rolle spielt. Der Dieb ist ca. 800 m von der eigentlichen Krönung entfernt, die hinter dicken Mauern abgehalten wird.

    3. Szene. (Perspektive Hochmeister Sinos in der Welt Tikkun)

    Inhalt: In dieser Szene wählt Sinos den 118. König. Einiges geht aber schief, was Sinos auch spürt. Diese Szene ist zentral, weil der Konflikt hier seinen Ursprung nimmt, was sich in den folgenden Kapiteln sehr schnell zeigt. Der Schlusssatz in dieser Szene ist. "Aber das war erst 30 Jahre später."


    2. Kaptitel (30 Jahre später, kurz vor der nächsten Königswahl, die alle 30 Jahre stattfinden muss!!! )

    Perspektive Thot, der dann auch die Handlung trägt, der eigentliche Prota, erwacht und muss herausfinden, was seine Welt in Gefahr bringt.


    Was war meine Logik? Prolog zeigt dem Leser, wie der Schutz errichtet wurde. Der mystische Ursprung, die Entstehung meiner Welt. Damit weiß der Leser, während er den ersten Band liest, mehr als alle meine Protas zusammen. Die nächste Szene zeigt, dass die andere Seite nach fast dreitausend Jahren einen Weg gefunden hat, die Barriere zu durchbrechen und sie langfristig zu schwächen. Der Plan gelingt, was in der dritten szene gezeigt wird. Was aber die Auswirkungen sind, welches Unglück an diesem Tag der Krönung seinen Ursprung nimmt, wird in den nächsten Kapiteln recht schnell deutlich.

    Mein Leser weiß also, in welcher körperlichen Gestalt die Gefahr sein wird. Kar aus der zweiten Szene. Nur die Menschen in meiner Welt wissen rein gar nichts von der anderen Seite. Sie tappen im Dunkeln, und es ist eben die Aufgabe meiner Helden
    a) das herauszufinden, was mein Leser schon weiß.
    b) nach Wegen zu suchen, wie das Unheil abgewendet werden kann.

    Prolog und die ersten drei Szenen werden aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Hier meine Frage, kann das gut gehen??? Wirkt es nicht beliebig, kaum dringt der Leser in den einen Kopf ein, springt er weiter. Ruhe kommt erst ab Seite 34.

    Kennt ihr Beispiele, wo der Leser auch zunächst mit verschiedenen Perspektiven verwirrt wird, am Ende sich aber alles zusammenfügte? Gibt es Beispiele, wo der Leser mehr weiß, als der Prota, was ja von mir als Funktion beabsichtigt wird?

    t.

    Einmal editiert, zuletzt von Thot grubenbauer (6. Januar 2017 um 16:46)

  • Hiho,

    Also, dann wollen wir mal^^.

    1.) Der Prolog:

    Prolog 6 Seiten. (Perspektive: Aneas) Der Prolog spielt 3000 Jahre vor der eigentlichen Handlung. In dieser Szene erfährt der Leser, dass sich etwas ändert. Zwei Wesen opfern sich, damit es eine friedvoller Zukunft gibt.

    Redest du von dem Prolog, den du hier gepostest hast? Prolog meines Romas

    Das wäre dann wohl dieser Abschnitt:

    »Der Targos ist erloschen«, sagte der Mann.
    Die Frau, die an seiner Seite stand, betrachtete die Stelle am Himmel und nickte. »Dafür hat das Bild des Drachen eine Kralle mehr.«
    »Nennen wir ihn Xeria?«
    »Du schmeichelst mir, Bruder, lassen wir die Menschen Namen finden.« Sie lächelte.
    »Sei du nur ihre Hoffnung, Schwester.« Sie strich über seine Wange, küsste seine Stirn. Beide fassten sich an den Händen. Ein leises Knistern, zart wie ein scheues Flüstern, ließ die Luft erzittern, wurde lauter. Blätter fingen an zu rascheln und ein Wolf heulte. Wie Wasser aus einem Krug floß die Lebenskraft aus ihren Körpern. Die Haut wurde fleckig, bis sie trocken und dünn wie verwelktes Laub, die Knochen umschloss. Die goldenen Haare verloren ihren Glanz. Büschel weißer Strähnen fielen herab. »Hätte es nur gereicht«, hauchte er, der mit gekrümmten Rücken auf sie herab starrte. Ihre Brust hob und senkte sich nur schwach. Tränen rannen von seinem faltigen Gesicht. Mit letzter Kraft drehte er den Kopf und nickte.

    Es ist wunderschön bildhaft beschrieben und es kommt auch ein mini Hauch von Verzweiflung rüber. Aber ich lese hier nichts davon, dass die beiden sich opfern, damit es eine friedvolle Zukunft gibt.

    Wenn du mit Informationen spielst. Sei dir sicher, dass du jene Infos, die für den Leser wichtig sind, auf jeden Fall rüberbringst. Dafür reicht hier ein simpler Satz, der ein Gedankengang sein kann. Indem einer der beiden Charaktere hofft, dass ihr Opfer den ersehnten Frieden bringt, oder irgendwie sowas in der Art.

    2.) Dein Prota

    Einer meiner ersten Protas wird eingeführt auf Seite 36 (Normseiten) Ihm gebe ich dann Raum für ca. 80 Seiten sich entfalten zu können. Er steigt in der 5. Szene ein.

    Bis Seite 80 gibts du ihm Raum zur Entfaltung? Was verstehst du darunter? Ist das seine Vorstellung für den Leser, oder schon auch eine Entwicklung?

    3.) Szene 1:

    1.Szene. (Perspektive Kar in der Welt Manturien ) was der Leser nicht weiß, erst Hunderte von Seiten später, stellt sich heraus, dass dieser Kar der Gegenspieler des Helden ist. Aber, beim Lesen, wird das nicht klar. Unklar bleibt auch, dass Kar in der Welt lebt, die durch die Barriere, die im Prolog geschaffen wurde, lebt. Hier darf der geneigte Leser wieder raten, was ja auch Spass macht.

    Wenn du aus seiner Sicht schreibst, wodurch verschleierst du seine Ziele und Beweggründe? Wenn wir in einen Charakter eintauchen, dann sollten wir in der Regel auch dessen Motive, Denkweise und Charakterzüge deutlich machen. Stellst du ihn aber etwas in den Hintergrund, muss das nicht zwangsläufig sein. Es sei denn, du umgehst das mit sprachlichen Mitteln.

    4.) Szene 2:

    2. Szene (Perspektive Christian in der Welt Tikkun) Leider glaube ich, dass ich diese Szene ansatzlos streichen kann, weil sie soll nur Motive aufnehmen, die erst später eine Rolle spielen. Christian selber, spielt zur Mitte des Romans eine wichtige Rolle. Ist aber im ersten Band nur ein Nebenprota, der aber das Potential hat, zur Hauptfigur zu werden.

    Inhalt: 8jähriger Dieb, der klaut, um seiner Mutter Medizin kaufen zu können. Er läuft durch die Stadt, sieht das an diesem Tag der Königswahl alles anderes ist. Die Hauptstadt, in der große Teile des ersten Bandes spielt, wird vorgestellt. Wichtig war mir hier, die verschiedenen Völker vorzustellen und das der Zirkus bereits bei dieser Königswahl eine zentrale Rolle spielt. Der Dieb ist ca. 800 m von der eigentlichen Krönung entfernt, die hinter dicken Mauern abgehalten wird.

    Ich habe mit dieser Szenenfolge erstmal keine Probleme.
    Du steigst mit einem Prolog ein, der eine Hintegrrundgeschichte darstellt. Dann gehst du auf den Antagonisten ein, den der Leser als solchen ersteinmal nicht erkennen soll. Okay, kann man machen.
    Nur was man jetzt erwarten würde, wäre, dass Christian der Prota ist und dass die Szene erstmal bei ihm bleibt. Jetzt springst du aber zu Szene 3.

    5.) Szene 3:

    3. Szene. (Perspektive Hochmeister Sinos in der Welt Tikkun)

    Inhalt: In dieser Szene wählt Sinos den 118. König. Einiges geht aber schief, was Sinos auch spürt. Diese Szene ist zentral, weil der Konflikt hier seinen Ursprung nimmt, was sich in den folgenden Kapiteln sehr schnell zeigt. Der Schlusssatz in dieser Szene ist. "Aber das war erst 30 Jahre später."

    Und ab dieser Szene bekomme ich ein Problem. Und zwar, überfrachete Informationen. Wir lernen in 3 Szenen + Prolog jedes Mal neue Charaktere kennen und erst dann startet das zweite Kapitel. Das merkt sich keiner. Du kannst von Glück sagen, wenn die Leser sich an die Namen der Charas erinnern. Irgendwelche Andeutungen oder magische Barrieren, hat bis zu dem Zeitpunkt vermutlich ein Großteil vergessen^^ Also mir würde es so gehen.^^

    6.) Szene 4: Bzw. Kapitel 2

    2. Kaptitel (30 Jahre später, kurz vor der nächsten Königswahl, die alle 30 Jahre stattfinden muss!!! )

    Perspektive Thot, der dann auch die Handlung trägt, der eigentliche Prota, erwacht und muss herausfinden, was seine Welt in Gefahr bringt.

    Habe ich das richtig verstanden, dass Thorts "Erwachen" nochmal 30 Jahre nach der Königswahl stattfindet?
    Die Zeitabfolge ist also:
    vor 3000 Jahren - Selbstopferung der beiden Geschwister zur Wahrung des Friedens, oder sowas
    vor 30 Jahren - Kar durchdringt die Barriere, Szene mit Christian und Neue Königswahl, bei der etwas schief geht
    Heute - Thot erwacht und seine Geschichte beginnt.

    Demnach ist alles, was vor "Heute" spielt nichts weiter als die Vorgeschichte und dementsprechend der Prolog. Rein theoretisch könntest du das also zusammenfassen.
    Dein Prolog könnte auch ein Gespräch zwischen zwei Gelehrten (vl. Sinos und noch wer?^^) sein, die sich 30 später auf genau diese Ereignisse beziehen und die Bedrohlichkeit deutlich machen.

    Prolog und die ersten drei Szenen werden aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Hier meine Frage, kann das gut gehen??? Wirkt es nicht beliebig, kaum dringt der Leser in den einen Kopf ein, springt er weiter. Ruhe kommt erst ab Seite 34.

    Ja, und genau das ist auch mein Problem. Ich sehe aber die Notwendigkeit, die du schilderst. Rein theoretisch ist das machbar, aber wenn du das wirklich so schreiben willst, dann musst du alle wichtigen Infos, eben jene, an die der Leser sich erinnern soll, auch gerne mit der Brechstange übermitteln. Sonst merkt sich das keiner. Und wenn Christian tatsächlich erst wieder Mitte des Buches auftaucht, würde ich die Szene zu Gunsten der Leserfreundlichkeit und Informationsabfolge vermutlich streichen. Wobei ich das Schade finden würde, denn sie klingt ganz charmant ^^

    Kennt ihr Beispiele, wo der Leser auch zunächst mit verschiedenen Perspektiven verwirrt wird, am Ende sich aber alles zusammenfügte?

    Ja. Ich glaube, es war das zerbrochene Rad von Ulrich Kiesow. (Ein DSA Roman). Hier fügt er in gefühlt 7 Kapiteln in Folge jeweils neue Charaktere ein. Doch diese sind soweit voneinander entfernt und immer an anderen Orten, dass ich das Buch nicht beendet habe (Ist aber auch glaub ich 7 Jahre her, dass ich das angelesen habe). Mich ganz persönlich hat das nicht gereizt. Ich fands eher anstrengend. Ich weiß aber, dass dieser Roman durchaus erfolgreich war. Also nimm meine Meinung bitte nicht als Standard ^^ Bekanntlich gibt es ja kein 100% richtig und falsch. Nur subjektive Meinungen ;)

    Gibt es Beispiele, wo der Leser mehr weiß, als der Prota, was ja von mir als Funktion beabsichtigt wird?

    Ja. Ich nutze das eigentlich ständig in meiner Geschichte.
    Hierfür nutzt man Perspektivwechsel und übermittelt das Wissen, Geschehnisse, oder auch Beweggründe aus der Sicht einer bestimmten Person, welche die anderen Charaktere nicht kennen, oder wo diese nicht anwesend waren. Deine Vorgehensweise ist also meiner Meinung nach absolut richtig, wenn du diesen Effekt erzielen möchtest.

    Die Frage aber bleibt, ob es nicht Informationsüberladung ist. Ich glaube, ich würde dir raten, dass du dir ganz genau überlegst, was die wichtigen Dinge in den jweiligen Szenen sind, dich darauf fokussierst, und es einfach mal probierst. Du kannst es hinterher immernoch umstellen, löschen, nen anderen Prolog wählen, oder weiß der Geier.

    Ich weiß nicht, ob mein Feedback hilfreich war, aber ich hoffs und wünsche dir viel Erfolg beim plotten :)

    Lg
    Rael

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!: