Kapitel 13
(Fortsetzung)
Falion ging schweigend auf den Runden Tisch zu und blieb vor Atrion stehen, blickte kurz in die Runde und schüttelte dann den Kopf.
"Ihr wisst, dass ich nicht wieder dort hin zurück kann", wandte er sich daraufhin an den Thain, welcher nachdenklich nickte und sich mit den Fingern durch den Bart fuhr.
"Ich weiß, ich kenne eure Bürde und ich kenne euren Eid. Trotzdem müsst ihr diesen Freunden hier helfen. Ob ihr es glaubt oder nicht, das Schicksal Eolonds liegt in ihren Händen. Und damit auch in deinen", antwortete der Thain und in seinen Augen blitzte es freudig auf, als ob er sich über den Umstand freute,, dass Falion Atrions Gefährten helfen sollte.
Der junge Zauberer hingegen schien hin und her gerissen zu sein. Unentschlossen schoss sein Blick durch den Raum und er schloss nachdenklich die Augen, während er einige Schritte nach hinten wich.
"Falion, ihr seid ein Drachenreiter?", hauchte Tria und erst jetzt bemerkte der junge Zauberer, dass die Tatsache, dass er ein Drachenreiter war, beinahe untergegangen war. Die Gefährten an der Runden Tafel starrten ihn mit offenen Mündern an und niemand hatte bisher ein Wort gesagt. Schweigend hatten sie den Zauberer beobachtet und zugehört, während der Thain und Falion gesprochen hatten, aber nun war Tria die Frage herausgerutscht, wie ein zappeliger Fisch aus der Hand einer Fischers.
Falion schwieg noch immer und der Thain betrachtete seinen Schützling neugierig.
"Falion? Geht es euch gut?", warf Atrion ein, der ebenfalls seine Stimme wiedergefunden hatte.
Der junge Zauberer schüttelte wirr den Kopf und noch immer waren seine Augen geschlossen, als ob er versuchte aus einem Traum zu erwachen. Einem Alptraum.
"Falion?", hakte Tria nach und erhob sich vorsichtig. "Falion, geht es..."
"Schweigt! Haltet einfach alle eure Worte bei euch", fauchte der Zauberer plötzlich und er öffnete schlagartig seine Augen. Zorn loderte in den blauen Augen Falions und in seinem Gesicht spiegelten sich massenweise Gefühle wieder, die Atrion nur schwer einordnen konnte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, rauschte der junge Zauberer aus dem Haus und mit einem lauten Knall warf er die Holztür ins Schloss, so dass Staub von der Decke rieselte. Schweigend schauten die Gefährten ihm nach und verwundert wandten sie sich an den Thain, nachdem sich der Staub gelegt hatte.
"Was ist mit ihm?", fragte Juna und mitfühlend schaute sie erneut auf die Tür, aus der Falion gestürmt war.
"Nun, das ist eine lange Geschichte...", sagte der alte Mann und ließ sich neben Atrion an der Tafel nieder. "Beginnen tut sie vor etwa sechzehn Jahren in einem Waisenhaus in Haalingar. Ein junges Mädchen und ihr bester Freund entschließen sich dazu, das Waisenhaus bei Anbruch der Nacht eines warmen Sommertages zu verlassen. Sie reisen durch Eolond und verdienen sich ihren Lebensunterhalt auf den Märkten der Dörfer und den großen Einkaufsstraßen der Städte. Das junge Mädchen stellte Salben und Tränke her, während der Junge mit Gauklertricks und kleinen magischen Kniffen Geld verdient. Sie reisen durch das Land und eines Tages wird der Junge von Magiern der Akademie entdeckt, die sein Talent sehen und ihn unter ihre Fittiche nehmen. Er verlässt seine junge Freundin und wird zu einem Magier der Akademie, bis man ihn nach einem tragischen Unfall verstößt. Ohne Freunde und alleine durchstreift er die Länder von Eolond, bis er eines Tages durch reinen Zufall und den Willen des Schicksals durch die Tore der Drachenwelt schreitet. Die legendären Drachenreiter nehmen den gebrochenen Mann auf und schon bald ist er einer von ihnen. Er hat einen Drachen, Freunde und ein Dach über dem Kopf. Doch wie es das Schicksal verlangt bleibt das Leben des jungen Mannes geprägt von Schmerz und Bedauern. Beeindruckt und gleichzeitig beängstigt von den Fähigkeiten des jungen Mannes, verbannen die Drachenreiter ihren neu gewonnenen Mitstreiter. Sie zwingen ihn dazu, einen Eid zu leisten, nie wieder einen Fuß in ihr Reich zu setzen. Also verlässt er den einzigen Ort, an dem er je zuhause war und reist alleine und gebrochen durch die Wildnis. Niemand sieht ihn, Niemand nimmt ihn wahr und kein Mensch begehrt seine Gesellschaft. Eines Tages findet ein alter Mann den gebrochenen Zauberer im oberen Schlüsselwald auf der Suche nach Pilzen und bringt ihn an einen Ort, an dem er ihm zurück auf seine Beine hilft. Er gibt ihm ein Dach über dem Kopf und lehrt ihn Dinge, die der alte Mann noch nie jemandem anvertraut hat, Dinge, die dem jungen Zauberer eine gänzliche neue Form der Magie und Macht eröffnen. Der gebrochene Mann erhebt sich und kehrt zurück in sein Leben, er klammert sich an das rettende Floß des alten Mannes und versucht zu vergessen, was er nicht vergessen kann. Er lebt sein Leben weiter mit den Schmerzen und Leiden seiner Vergangenheit in dem Wissen, sie nie vergessen zu können. Dieser Junge, dieser gebrochene Mann ist er. Falion. Wenn es also Jemanden gibt, der SO ist, dann ist es Falion, aber nur, weil er mehr Schmerz in sich trägt als viele von uns", beendete der Thain seine Geschichte und die Gefährten schwiegen bedrückt.
Das Mitgefühl stand ihnen in ihre Gesichter geschrieben und niemand sprach ein Wort, bis sich der Thain mühsam erhob und zu einem kleinen Bücherregal schritt.
"Was geschah mit dem jungen Mädchen?", brach Tria das Schweigen und schaute interessiert zu dem alten Mann am Bücherregal.
"Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Eines der Wenigen Dinge, über die mein junger Freund nie gesprochen hat, war die junge Frau, welche er an jenem Tag verließ. Aber eines war unschwer zu erkennen, sie war ihm sehr wichtig.", antwortete der alte Mann abwesend und kramte etwas aus dem obersten Fach des Regals.
Ein kleiner blauer Stein glitzerte in den adrigen Händen des alten Mannes und vorsichtig ließ er den Kristall durch seine Hände gleiten, während er langsam auf die Tür zuging.
"Was ist das?", fragte Juna fasziniert.
"Das, meine Werteste, ist ein Borium, ein Stein des Wassers. Er beinhaltet die flüchtige Magie der Flüssigkeiten und der Gewässer. Es ist eine kleine Energiequelle, die den Träger mit Entschlossenheit, Stärke und eben Magie beflügelt"
"Und was habt ihr damit vor?", warf Ilfgar ein.
"Ich überzeuge Falion. Ich überzeuge ihn davon, euch vor die Tore des Drachenreiches zu führen. Damit würde er den Eid nie brechen, den er damals abgelegt hat. Er durchschreitet die Tore nicht, sondern führt euch nur zum Eingang. Hoffen wir mal, dass ihm dieser Kompromiss genügt, obwohl ich mir sicher bin, dass sein Leben nun wieder in den Fängen des Schicksals ist wie die Marionette in denen ihres Machers", erklärte der Thain und war bereits fast an der Tür angelangt, als Atrion fragte:
"Was meint ihr damit? Was glaubt ihr denn, was mit ihm geschieht?"
"Naja, was ich damit sage will, ist, dass Falion eine weitaus größerer Rolle spielen wird, als euch nur zu den Toren der Drachenreiterwelt zu führen", antwortete der alte Mann und er verließ das Haus.