Hey, Leute
Ich wollte mal wieder ein Gedicht mit euch teilen, ich hoffe es gefällt euch
Polarmeer
Teil I: Euphorie
Ich stehe in der Dunkelheit
mein Blick im Nichts verweilt
allein an Deck eisigglatt
Die einzig Lampe leuchtet matt
wirft meinen Schatten zitternd
hinaus in die Witterung
Mein Kutter alt und gebrechlich
Er überlebt das, hoffe ich
Um mich herum knarzt das Eis
schimmert düster weiß
schiebt sich an Buch und Heck
hungrig es am Schiffe leckt
die Zähne in das Holz schlägt
Hab die Umkehr nie erwägt
Jetzt ist die letzte Chance vertan
Bin des Meeres langer Veteran
Endlose Stille bis auf den Wind
und das Knarzen vom Eis, es nimmt
sich immer mehr von mir
Doch ich gebe nicht auf, nimmermehr!
Die Welt treibt den Tod an mich heran
Doch eisern Wille treibt mich voran
Ein alter Plan, ich führe ihn aus!
Niemand beendet meinen Lauf
Es war die Idee meiner Vorväter,
mit dem Schiff ins Eis steuern, später
friert das Boot fest, mit dem Eise wandert
bis man am and‘ren Ende des Pols landet
am Ende der Polarnacht die Reise vollbracht
Von den Göttern gesteuert, in ewiger Wacht
Nie hätte es jemand gewagt zu versuchen
Doch mein Wagemut trieb mich dazu
So präparierte ich meinen alten Kahn
Die Berechnungen verfielen dem Wahn
Ich sah nur noch das Ziel und den Frust
Ein Kampf ohne Rücksicht auf Verlust
Ich begann ihn und ich werde ihn austragen
Vor mir wollt‘ es nie jemand wagen
Meine Mannschaft an Bord fiel der
Einsamkeit zum Opfer, doch ich bin hier
Teil II: Dysphorie
Ich stehe in der Dunkelheit
Mein Blick im Nichts verweilt
Habe alles schon verlor‘n
An Bord kaum noch Ration
Letzter Überlebender aus Horden,
in ewiger Nacht des hohen Nordens
Mein treuer Gefährte, mein Boot
macht es nicht mehr lange, Not
Der Wind singt ein grausig Lied
von Angst, Verzweiflung und Tod
Um mich herum knarzt das Eis
schimmert düster weiß
Jedes Zeitgefühl längst verschwunden
ob der Schwärze und den Wunden
tief in mir, die nicht mehr heilen
Grausige Gedanken in mir verweilen
Würde meine Mannschaft noch leben
Würde es für mich noch reichlich Essen geben
Ich ekel mich vor mir selbst, doch
das bin nicht ich, sondern das Nichts
Das Eis, es nimmt sich immer mehr von mir
Es zehrt, doch ich leide an des Sieges Gier
Die Reise nimmt kein Ende
Mich erwartet keine Wende
Ich gehe unter Deck und esse schwach
den allerletzten, trockenen Zwieback
Als die Sonne das letzte Mal
im tiefen Meer verschwunden war,
und das ist bereits Wochen her,
war mein Herz bereits völlig leer
Teil III: schicksalslos
Eisern Wille trieb mich vorn
Das Eis fraß ihn in einer Nacht
In einer Nacht, die Wochen dauert
Die Trostlosigkeit in Dir lauert
Die Trostlosigkeit saugt am Licht,
am Leibe, am Geist und am Gesicht
Ich stehe wieder in der Dunkelheit
Das Nichts weit und breit
An Deck bleibe ich stehen
werde nicht mehr von der Stelle gehen
Was bringt mir der Gewinn
wenn ich dann nicht mehr am Leben bin?
Das Eis zerrt an meinen Knien
Ich möchte hier festfrieren.
Die einzig Lampe leuchtet nicht mehr lang
Vor Angst und Kälte wird mir bang.
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LG
Thráin