Hier könnt ihr immer mal Kurzgeschichten oder einzelne Szenen von Lesen. Szenen sind zumindest bisher unabhängig von längeren Geschichten.
Den Anfang macht eine Szene die ich mal zur Übung geschrieben habe.
Der Wald
Ächzend und stöhnend nähert sich die Kutsche Meter um Meter dem Waldrand. Die Ohren der Pferde schnellen vor und zurück, nervös tänzeln die Hufe auf den Boden. Unregelmäßig knallt die Peitsche, treibt die Rösser gnadenlos vorwärts. Schweißnass glänzt das braune Fell. Holz und Metall des Gefährts ächzen und knarren unter Schlaglöchern und Steinen der Straße. Farbe blättert ab, dünne Risse ziehen sich durch die Tür, die Vorhänge zerrissen, fleckig. Der Stoff verströmt einen modrigen Geruch, ebenso wie die ehemals roten und abgewetzten Polster. Auf ihnen sitzen zwei Soldaten, geschützt von einer leichten Kettenrüstung. Neben einem der Männer sitzt ein Junge in zerfetzter schlammiger Kleidung. Seile scheuern an den auf den Rücken gefesselten Gelenken. Tränen rinnen über die Wangen, ziehen feuchte Spuren durch den Schmutz. Die Kehle des Jünglings kratzt vom vielen Schreien, das erst in ein Wimmern übergeht und schließlich verstummt. Die Soldaten schweigen im Halbdunkel, das der schwindende Tag in der Kutsche hinterlässt. Mit Einfahrt in den Forst scheint die Finsternis Besitz von dem Gefährt zu ergreifen. Bäume strecken ihre knorrigen, kahlen Äste aus, kratzen über die malträtierte Farbe, singen ein schauriges Lied für die Menschen im Inneren.
„Prrr, halt“, ruft die raue Stimme vom Kutschbock aus. Aufgeregt wiehern die Pferde, mit einem Ruck kommt die Kutsche zum stehen.
„Raus“, stößt einer der Soldaten aus und reist die Tür auf.
„Bitte nicht … ich will nicht sterben … ich muss meinen Eltern in der Mühle helfen“, bettelt der Junge. Rau und hektisch kommen die Worte aus seiner Kehle und fast überschlagen sie sich. Grob wird er vom Polster gezogen und zur Tür geschubst und fällt aus der Kutsche, landet mit einem dumpfen Laut auf den Knien. Schluchzend versucht er, sich unter das Gefährt zu schieben. Große Hände schließen sich schmerzhaft um seine Fußgelenke und zerren ihn erbarmungslos zurück. Laub und Erde wirbeln auf, als er zurückgezogen wird.
Schonungslos ziehen ihn die Soldaten an den Füßen durch den Dreck. Hustend zappelt er, kann nicht verhindern, dass eine Eisenfessel um seine Fußknöchel geschlossen wird. Kalt und eng liegt das Metall auf seiner Haut, eine schwere Kette rasselt. Die Krieger lassen seine Gelenke los und verschwinden in der Kutsche. Mit donnernden Hufen galoppieren die Pferde über den modrigen Waldboden und tragen die Passagiere davon. Zurück bleibt der gefesselte Jüngling.