Es war der Moment, indem Aona die Oberhand zurückgewann. Mar nutze die Eigenschaften aller Rassen. Anders, als sie blindlings losstürmen zu lassen. Die Kashkar spielten dabei die Wachhunde. Ihr Instinkt schlug an, wenn sich Gargoyles unsichtbar an ihnen vorbeischleichen wollten. Vom Eis aus, hatten die Bogenschützen eine höhere Reichweite, was nur von Vorteil sein konnte.
Urplötzlich fühlten sich die Gargoyles gezwungen, den Rückzug anzutreten, wenn dies denn eine Option gewesen wäre. Ihre Befehle lauteten: „Kämpfen bis zum Tod.“
Mar hatte mitgeteilt, was sie mitzuteilen hatte und wandte sich ab. Alles, was sie nun tun konnten, war abzuwarten.
Athos schaute mit wütender Miene vom Berg der Götter hinunter.
Er sah plötzlich seinen Sieg schwinden.
Aona besaß etwas, was selbst die Gargoyles nicht überwinden konnten: Einen ungebrochenen Willen!
„Tantar?“, schrie er in den tosenden Wind und hinter ihm tauchte sein Bruder auf.
„Ja?“
„Hilf ihnen, und nimm gleich die anderen mit! Es wird Zeit, dass sie uns kennenlernen!“
Der Gott des Krieges nickte stumm. Schon lange hatte er darauf gewartet endlich auch das Schlachtfeld betreten zu dürfen. Athos wollte sich um etwas anderes kümmern. Er spürte etwas dort draußen, was seine Aufmerksamkeit erregte. In einer Wasserspirale verschwand er gen Himmel und folgte diesem Geist, der mit jeder Stunde an Macht gewann. Etwas wuchs und er wollte verhindern, dass es jemals den Boden Aonas betreten würde.
Eine bläulich schimmernde Wand hatte sich vor den Gargoyles aufgebaut. Niemand kam daran vorbei und sie war schon von ihrem Lager aus zu sehen.
Die Eisdrachen froren alle Gargoyles ein, die nicht bereit waren zu gehen und naja, das waren so ziemlich alle.
Wendegor ritt auf einem Canis über das Schlachtfeld. Jeder Gegner, der ihm entgegenkam, wurde von seinem breiten Schwert niedergestreckt und tränkte die schwarze Klinge mit dem Blut vieler elbischer Krieger.
„Sterbt! Ihr alle sollt sterben!“, brüllte er dabei wie im Wahn und seine Augen glühten rot auf. Kaum hatte er die eisige Wand erreicht, stieß er sich vom Boden ab und schoss hinauf. Seine Schwingen breiteten sich schlagartig aus und er zeigte Aona, wie die Gargoyles wirklich aussahen. Im Gegensatz zu seinem Gefolge, krönten ihn zwei nach hinten gebogene Hörner. Ein weiterer Grund, warum man ihn als König ansah. „Hässlich“ , beschrieb dieses Monster nicht einmal annähernd. „Nicht von dieser Welt“, passte da schon besser, und genau das waren sie auch nicht, erst recht nicht Wendegor.
Sie waren keine von ihnen und sollten es nie werden, zumindest wenn es nach den Elben, Riesen, Zwergen und Drachen ging. Man kann davon ausgehen, dass es den Kashkar egal war, aber wer wusste das schon mit Sicherheit.
„Halt´s Maul!“, schrie ihm Fone entgegen, als Antwort auf Wendegors Aufforderung zu sterben. Der Eisdrache schoss auf den König der Gargoyles zu und ergriff mit seinen Klauen dessen Schwert.
Der Gargoyle wollte es nicht loslassen, also zog es Fone vor, diesen samt Klinge in Richtung Boden zu drücken.
Es war nicht einfach, denn dieser Mann besaß eine Kraft, die er allein aus seinem Hass bezog. Daig eilte seinem Vater zur Hilfe und verkeilte sich im Rücken des Gargoyles, während alle drei abwärts taumelten.
Derzeit war Onyx im Lager unterwegs. In Lauerhaltung schritt er in Richtung Wald und ahnte, dass der Junge dort entlang ging. Denn auch wenn er unsichtbar war, auch ein solcher Schatten hinterließ Fußabdrücke.
Fraglich erschien ihm nur, was der Junge so fernab seiner Leute tun wollte.
Lefistos hielt sich bedeckt und schlich Onyx hinterher. Der kleine Gnom war so außer Puste, dass es ihn wunderte, dass Onyx ihn nicht schnaufen hörte. Seine Lunge pfiff aus allen Löchern und er hatte sich die Aufgabe, einen Gargoylespross zu beschützen, irgendwie doch leichter vorgestellt.
Seine Arme schliffen fast auf dem Boden, als auch er den Wald betrat.
„Nie wieder Kinder hüten!“, schwor er sich und versuchte irgendwie die Schmerzen in seinem Brustkorb wegzuatmen, wobei er hoffte, dass es einfach nur ein Herzanfall war.
Ferda betrachtete gedanklich das Schlachtfeld und erschrak, als sie Fone und Daig gegen Wendegor kämpfen sah. Mar kletterte auf einen Baum und sah das Spektakel aus nächster Nähe. Als die drei Männer auf dem Boden aufschlugen, stand für einen Moment ihre Welt still.
Was sollte sie tun? Einfach nur all die Zeit zusehen?
Nein, zugesehen hatte sie lange genug. Sie rutschte auf der Rinde nach unten, hangelte sich an einem Ast zu Boden und ergriff ein Schwert.
„Mar?“, schrie Ferda ihr nach, als sie drohte im Dickicht zu verschwinden.
„Lola hat recht. Ich werde auch nicht zusehen!“, antwortete die Zwergenelbin und sprang über ein paar Wurzeln, bevor sie von Thyia aufgehalten wurde, die sich ihr in den Weg stellte.
„Und was hast du vor? Glaubst du, du kannst etwas tun? Allein?“
„Ich bin nicht allein! Nicht mehr!“
Thyia rang mit sich, aber verstand die neugewonnene Freundin gut. Auch sie wollte gerne mehr tun, aber irgendjemand musste auch bei den Schutzlosen bleiben. Cloud tauchte hinter Mar auf, nachdem er die Waldwächter beauftragt hatte den Heilern zu helfen und stimmte der Zwergenelbin zu.
„Das ist keiner von uns. Thyia pass auf Ferda und Lola auf. Ich gehe mit Mar.“
Die Waldnymphe nickte zögerlich. Sie wusste, niemand würde sich von irgendetwas abhalten lassen. Dazu hatten sie eigentlich keine Zeit. Aber bevor Cloud loslief, hielt Thyia ihn noch einmal fest.
„Sei vorsichtig. Ich bitte dich … ihr beide ...“
Cloud lächelte zaghaft und schaute aus dem Wald heraus.
„Nein, Thyia. Vorsicht nutzt uns nichts. Ich muss einfach nur besser als mein Gegner sein.“
Mit diesen Worten lief er zusammen mit Mar los.
Als sie in Richtung Lager rannten, sah das Mädchen auch, was es vielleicht besser nicht hätte sehen sollen. Der tote Körper ihres Vaters lehnte noch am Zelt, umringt von einer dunkelroten Blutlache. Mit weit aufgerissenen Augen blieb sie stehen.
„Vater?“, schrie Mar und Cloud drehte sich um.
„Mar?“, brüllte er nun, aber sie änderte ihre Richtung und schlitterte auf Knien zu Edelbart.
„Vater?“, wiederholte sie, aber der Zwerg war schon in den Fionn übergegangen. In all dem Kriegsgetümmel, hatte niemand Zeit Freunden und Bekannten etwas zu erzählen oder zuzurufen. Fone hätte es ihr sicherlich anders beibringen wollen, aber dazu war es zu spät. Die spontane Entschlossenheit Mars wankte. Die Tränen brannten heiß auf ihren Wangen. Kaum, dass sie einen Vater gewonnen hatte, verlor sie ihn wieder.
„Steh auf!“, wimmerte sie und zerrte an seiner Rüstung.
Cloud ging zu ihr, während um sie herum Soldaten schreiend von Heilern in den Wald geschafft wurden.
„Er wird nicht wieder aufstehen“, flüsterte er ihr leise zu.
„Meinst du das weiß ich nicht?“, konterte sie lautstark und wischte sich die Tränen aus ihrem Gesicht.
„Er hat gekämpft ...“
„Und den Kampf verloren!“
„Nein“, lenkte Cloud ein. „Verloren hat er ihn erst, wenn du jetzt aufgibst. Sein letzter Gedanke galt bestimmt dir, da bin ich mir sicher. Ich weiß, du willst jetzt trauern, aber dazu haben wir keine Zeit. Unsere Toten werden nicht vergessen, aber im Moment ist es nicht der richtige Zeitpunkt.“
Resigniert nickte Mar und hielt ihr Schluchzen zurück.
„Und was machen wir?“, fragte Mar, als ihr eine andere Spielerei einfiel, die sie mit ins Lager gebracht hatte.
Vorsichtig stand sie auf und schaute sich um.
„Ich brauche etwas aus dem Zelt.“
Eilig wandte sich mit einem letzten Blick von ihrem Vater ab und bog um das Zelt herum.
„Was suchst du?“, rief Cloud ihr nach und nach einigen Sekunden kehrte sie zurück. Noch einmal wischte sie ihre Tränen weg und räusperte sich.
„Die haben wir gebaut, also ich meine mein Vater und ich. Du kennst diese Waffe, aber wir haben sie kleiner gemacht und neu eingestellt.“
„Wie eingestellt?“, hakte Cloud nach, als er die umgebaute Armbrust erkannte, mit der sie sich im Schloss der Hochelben beinahe gegenseitig erschossen hatten.
„Ihr Bolzen ist noch empfindlicher!“
Ein sarkastisches Lachen entwich Cloud.
„Schon mal auf einem Bären geritten?“