Ich muss sagen, anfangs dachte ich, dass Lydia und Markwill sich kennen, weswegen er sich auch zu erkennen gibt bzw. sie etwas vertrauter miteinander sind. Aber da lag ich wohl falsch. Deswegen finde ich es wie auch Rael komisch, dass er sich zu erkennen gibt. Er hätte alles leugnen können, sich als jemand anderes aus der Tannenberg ausgeben, wieder abtauchen, sie dazu zu bringen nichts zu sagen. Aber alles, was er tut ist: Ja, du hast recht, ich nehme jetzt ein Bad und rasiere mir den Bart ab. Ich meine, warum tut er das? Damit ihn noch mehr erkennen? Dann kann er sich ja gleich vor den König stellen und schreien: "Da bin ich!".
Bei den ersten beiden Abschnitten muss ich mich Wysenfelder anschließen. Sie waren nicht so meins. Irgendwie wirkte es etwas aufgesetzt.
Hart kritisiert bei der Namesgebung ist etwas übertrieben. Die Idee dahinter ist gut, keine Frage. Dennoch müsste das jetzt heißen, dass Ordenshell mit Augenhell, Bornhelm mit Helmbruch geauso wie Markwill und Markborn mit Marksman irgendwie verwandt ist/sind?
Bei dem Teil, in dem der Erzähler als Graf vorgestellt wird, könntest du die Reaktion des Publikums noch kurz beschreiben. Also dass Gemurmel den Raum füllte oder irgendjemand dem Grafen was zuruft?
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Alles anzeigenSie führte ihn in den kleinen Anbau des Heiligtums. Die knallende Hitze von draußen (Komma weg) drang nicht so weit in den Kellerraum hinein. Es war dort sogar dermaßen kühl, dass der Dampf des warmen Wassers verführerisch aus dem Zuber emporstieg. Gegen dieses Angebot (Komma weg) konnte sich Markwill nicht wehren. Innerhalb weniger Wimpernschläge hatte er seine verdreckte Kleidung abgelegt und genießerisch ließ er sich ("ließ sich genießerisch" würde sich flüssiger lesen) in das heiße Wasser hinab gleiten.
Die Hohepriesterin dachte ganz offensichtlich nicht daran, ihren Gast in Ruhe baden zu lassen und besah sich neugierig dessen kräftigen, wenn auch etwas abgemagerten Körper. Was Markwill natürlich nicht entging.
„Habt Ihr genug gesehen?“, fragte er mit geschlossenen Augen. Doch Lydia lachte nur glockenhell auf.
„Mir ist nicht entgangen, wie Ihr mich gerade auf dem Hügel gemustert habt, Graf Markwill. Ich würde sagen, wir stehen unentschieden.“
„Einverstanden“, gab dieser träge zurück und genussvoll ließ er sich tiefer ins Seifenwasser sinken. Lydia machte jedoch noch immer keine Anstalten zu gehen, sodass Markwill sich schließlich bemüßigt sah, ein Auge zu öffnen.
„Ihr seid viel zu dünn“, beschied sie ihm.
„Da merkt Ihr mal, wie schlecht Meinesgleichen bezahlt wird“, gab er zur Antwort und kratzte sich am falschen Bart. Lydia schmunzelte bloß und reichte ihm eine Ledermappe. Seufzend schlug er sie auf und entnahm ihr eine scharfe Rasierklinge.
„Dann werden wir wieder zum Grafen“, sagte er und wirkte wirklich, als wenn er seine Entscheidung bedauern würde. „Schade, die Arbeit hatte durchaus etwas für sich.“
„Ihr seid doch gar kein echter Erzähler“, meinte sie lächelnd.
„Wie wird man denn ein echter Erzähler, Eurer Meinung nach?“, wollte er prompt von ihr wissen, während die ersten Bartsträhnen zu Boden rieselten.
„Sicherlich nicht, indem man durch Lande zieht und die Leute aufhetzt“, sprach sie mit ernster Stimme.
„Ich gab nur das weiter, was mir vor kurzem selbst widerfuhr“, widersprach er dem Vorwurf. Lydia wurde sofort hellhörig.
„Eure Geschichte entspricht also der Wahrheit?“, fragte sie nach.
„Jedes einzelne Wort stimmt“, bestätigte er es, während er sich mit dem scharfen Rasiermesser weiter den falschen Bart abschnitt. „Und Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, endlich dieses Gestrüpp loszuwerden.“
Neugierig ließ sie sich ein paar der Bartsträhnen durch die Finger gleiten.
„Aus was bestehen die denn?“, wollte sie wissen.
„Ich habe ehrlich keine Ahnung“, gestand er ihr. „Helmbruch hat ihn mir angeklebt. Ja, ihn gibt es wirklich. Er hat ihn irgendwie mit meinen echten Bartstoppeln verbunden.“
„Geschickt, so konntet Ihr ihn nie verlieren und Eure Maskerade bleib stets aufrecht.“
„Ja, bis ich eines Tages auf eine neugierige und kluge Hohepriesterin traf, die mich durchschaute“, sagte er und Lydia lachte laut auf.
„Das habt Ihr Euch selbst zuzuschreiben, Graf Markwill. Ihr habt meine Ziehtochter gerettet. Damit habt Ihr mein Interesse geweckt. Ich wollte wissen, wer der mysteriöse alte Mann war, der einen kampferprobten Söldner in den Dreck treten konnte. Also habe ich mir von Sonja alles haarklein berichten lassen.“
Er lächelte grimmig. „War das wirklich alles? Mir ist nicht entgangen, dass Ihr meinen vollen Namen kanntet. Ich habe ihn nie erwähnt. Weder in meinen Geschichten, noch beim Wirt. Ich nannte mich nur den alten Will. Ein Name, der bisweilen recht verbreitet ist, wie ich meine.“
Alles anzeigen„Ihr seid klug und aufmerksam“, lobte ihn Lydia und setzte sich aufrecht hin. „Ich könnte Euch freilich versuchen zu erzählen, dass es daran liegt, dass unsere Grafschaften Nachbarn sind, aber das könnte ich Euch wohl als letztes verkaufen. Langmark und Tannenberg unterhalten keinerlei nennenswerter Beziehungen zueinander. Und selbst wenn doch, würde ich es nie erfahren. Ihr wisst selbst, dass die größten und bedeutungsvollsten Heiligtümer unabhängig sind. Diese Selbständigkeit fürchten die Grafschaften und beäugen uns daher misstrauisch.“
„Das Problem haben wir mit unserem Waldheiligtum nie gehabt“, meinte er langsam und fügte nachdenklich hinzu: „Gut, wir reden nicht viel miteinander, aber zumindest jede Hochzeit wird dort abgehalten und bei jedem Feiertag erscheine ich dort mindestens einmal.“
„Nun, Eure Grafschaft ist voller Militär, ihr seid es gewohnt, (Komma) eure Probleme mit der blanken Klinge zu lösen. Die Herren der Langmark sind das nicht, ganz im Gegenteil. Die Wachen reichen gerade aus, um die Straßen sicher zu halten. Man sieht den Lehnsherren nur, wenn er den Zehnt einfordert. Es gibt keine Treue dem Oberhaupt gegenüber. Folgerichtig sehen sie die Heiligtümer als Gegner, denn diese erwärmen die Herzen der einfachen Bauern. Gerade deswegen sind wir Priesterinnen gezwungen, eigene...“
„Es gibt hier nur Priesterinnen?“, unterbrach er sie.
Lydia zog die Augenbraune (Augenbraue) hoch und fragte interessiert: „Ja, warum, ist es bei Euch denn anders?“
„Ganz recht. Jeder, der sich dazu berufen fühlt, kann in die Dienste des Heiligtums treten. Aber ich habe Euch unterbrochen, verzeiht.“
„Nun, wir Priesterinnen tauschen uns untereinander aus. Bisweilen müssen wir sogar selbst für unseren Schutz sorgen, wenn die Wachen der Lehnsherren wieder einmal Besseres zu tun haben. Folglich unterhalten wir enge Kontakte zueinander und versuchen uns stets ein genaues Bild von der Grafschaft zu machen. Damit wir Schwierigkeiten vorzeitig bemerken und gegensteuern können. Bisweilen bekommen wir auch Brieftauben aus der Fremde. Daher beunruhigte mich auch Eure Geschichte, denn sie enthielt Wissen, welches in der Langmark nicht verbreitet ist. Ihr musstet Eure Kenntnisse aus erster Hand gesammelt haben und aus dem Norden oder Osten stammen, denn weiter war die weiße Garde bislang nicht vorgedrungen.“
Sie fing den Blick des Grafen auf und nickte ihm zu. Jeglicher Spott war aus ihren Zügen gewichen, als sie sachlich weiter berichtete: „Ja, uns ist die weiße Garde bekannt und auch, dass der alte König gestorben ist. Es dürfte Euch freuen zu erfahren, dass der neue König Helldorn erst jetzt anfangen kann, die Langmark in Beschlag zu nehmen. Vorher war es ihm nicht möglich. Unruhen waren ausgebrochen, die der König mit Söldnern niederschlagen ließ. Scheinbar gingen ihm die Soldaten aus. Nur eignen sich Söldner nicht dafür, um den Zehnt einzutreiben. Andererseits will der König auf die reichen Kornkammern der Langmark auch nicht verzichten, keine Frage. Den Gerüchten zur Folge (Komma weg) kommen seine Truppen daher immer näher.“
„Das erklärt aber noch immer nicht, woher Ihr meinen Namen kanntet“, bohrte Markwill nach. „Ich bin in aller Heimlichkeit aus meiner Burg verschwunden und wir sind uns auch noch nie begegnet.“
„Ihr hättet wissen müssen, dass dies nicht von Dauer sein kann“, entgegnete Lydia ernsthaft. „In der Tat sucht der König bereits nach Euch. Nicht offen, sondern verdeckt. Jedoch fing eine unserer Priesterinnen eine Nachricht ab. Ja, ich gebe es zu, wir haben Spitzel in den Herrschaftshäusern. Nun denn, in dem Schreiben stand, dass Graf Markwill zu Tannenberg gesucht werde, mitsamt einer Beschreibung Eurer Person. So wie ich Euch einschätze und Euren Blick deute, habt Ihr dem König wohl weitaus mehr Ärger gemacht, als Ihr bislang zugegeben habt.“
„Das ist wahr, aber wie konnte er das erfahren?“, murmelte Markwill zu sich selbst.
„Ihr hättet wissen müssen, dass der König viele Spitzel im Wasserreich hat. Dieses Land gehörte niemals wirklich zum Königreich und wird daher mit Argwohn beobachtet.“
Markwill hatte die Augen geschlossen und fragte sie nur stöhnend: „Woher habt Ihr jetzt gewusst, dass ich im Wasserreich war?“
Ein breites Grinsen wanderte wieder über ihr Gesicht.
„Der Dolch von meinem Bruder“, erinnerte sie ihm. „Er stamm von meinem Großvater. Er ist weit herumgekommen, kämpfte sogar eine Zeitlang als Söldner für das Wasserreich. Seine Waffen sind unser einziges Andenken an ihn. Daher wissen wir auch, dass diese Klingen hierzulande vollkommen unbekannt sind und das wird in Tannenberg nicht anders sein. Wenn also jemand, der von sich selbst sagt, dass er sich sehr für das militärische Zeugs interessiert, über eine solche außergewöhnliche Waffe nicht vollkommen verwundert ist, dann heißt es, er musste vor kurzem in einer Gegend gewesen sein, wo diese Waffen ein alltäglicher Anblick waren.“
Seufzend ließ sich Markwill wieder tiefer ins Wasser sinken, was nun spürbar kälter wurde.
„Gut, dann meidet bitte meinen Umhang. Wascht ihn nicht und fast ihn bitte auch nicht an. Meine restliche Kleidung könnt Ihr hingegen gerne auswaschen, wenn Ihr das wünscht. Da Ihr alles geplant habt, denke ich, dass Ihr auch Kleidung für mich bereitgelegt habt. Wischt Euch bitte dieses lüsterne Grinsen aus dem Gesicht und reicht sie mir einfach nur. Danke.“
„Warum soll ich den Umhang denn in Ruhe lassen?“, wollte Lydia umgehend erfahren und schaute das lumpige Kleidungsstück unverhohlen an, als wenn sie nur mit ihren Augen dem Mantel alle Geheimnisse entlocken könnte.
„Jetzt hab ich Eure Neugierde geweckt, nicht wahr? Zügelt diese bitte“, bat er sie mit ernster Stimme. Lydia seufzte laut und sagte förmlich, ohne Begeisterung: „Gut, ich werde Eurem Wunsch nachkommen.“
„Danke“, sagte er erleichtert und fügte an: „Könntet Ihr mir dann auch bitte Ersatzkleidung geben? Ich dachte, wir wollten noch gemeinsam speisen.“
Alles anzeigenAm frühen Abend betrat Lydia die Kate ihres Bruders. Ihr folgte gemessenen Schrittes Markwill, der sich neugierig im geräumigen Bauernhaus umsah. Die Inneneinrichtung zeugte davon, dass diese Familie einst verhältnismäßig wohlhabend gewesen sein musste.
Der Tisch, die lange Sitzbank und die Stühle daneben, waren reich mit Schnitzereien verziert. Ebenso kunstvoll waren die Schränke und Kisten geschmückt. Für die landwirtschaftlich geprägte Umgebung (Komma weg) geradezu der Gipfel der Prunksucht.
Aber alles wirkte etwas in die Jahre gekommen. Auf wenig genutzten Flächen konnte man Staub sehen und das Holz wirkte verzogen. In der Grafschaft Langmark war es bei Strafe untersagt, dass Menschen und Tiere sich denselben Raum teilten, was wohl auch die Möbel gerettet hat.
Am wuchtigen Tisch hatte der Bauer seinen Kopf abgestützt, müde von dem langen Tag auf den Feldern. Die beiden Kinder saßen gegenüber von ihm auf der Bank und blickten neugierig auf, als sie eintraten.
Lydia räusperte sich vernehmlich. „Hilmar, ich bringe dir einen Gast mit. Darf ich vorstellen? Graf Markwill zu Tannenberg.“
Markwill trat ruhig vor. Er trug wieder seine alte Kleidung, die jedoch gewaschen war. Nur sein gestepptes Untergewand musste noch trocknen und es fehlte deswegen. Er wirkte deshalb sehr bürgerlich, trotz des gegürteten Schwertes an seiner Seite. Die beiden Kinder machten große Augen. Sie hatten schneller begriffen als ihr Vater, wer da tatsächlich vor ihnen stand.
„Kenne ich Euch nicht irgendwoher?“, fragte Hilmar schließlich argwöhnisch.
Der Graf verbeugte sich lächelnd. „Selbstverständlich kennt Ihr mich. Ich habe Eure Kinder gerettet. Ich bin der alte Will, der Erzähler. Nur das ich in Wahrheit gar kein Erzähler bin.“
Hilmar zuckte zusammen, als das Erkennen ihn durchschoss. Fahrig stand er auf und verbeugte sich kurz vor dem Grafen.
„Bitte, nehmt doch Platz“, stammelte er unbeholfen und zeigte auf einen der verzierten Stühle.
„Jetzt entspann dich, Bruderherz. Du kennst ihn doch schon. Er ist ganz umgänglich“, tadelte Lydia ihren Bruder lächelnd, während sie sich mit Markwill zusammen an den Tisch setzte.
„Bist du wirklich ein Graf?“, fragte Hank staunend.
„Natürlich ist er das“, wies ihn seine Schwester zurecht. „Frag doch nicht so dumm.“
„Aber dann hat deine Soldatin ja tatsächlich denselben Namen wie Mama“, plapperte Hank weiter.
Markwill schmunzelte und fragte sogleich: „Ist es euch denn nicht aufgefallen?“
„Was denn?“, fragte nun Sonja.
„Die Namen“, erklärte er. „Lydia ist ein Name aus der Langmark. Bei uns in Tannenberg bekommen Frauen meist eher kräftig klingende Namen. Wie Mirta zum Beispiel. Männer hingegen bekommen einen Doppelnamen, na gut, manche Frauen auch. Ein Teil des Namens deutet auf die Familie hin. Mein Vater heißt zum Beispiel Markborn. Ich heiße Markwill. Der zweite Teil des Namens stellt die Berufung dar, oder das, was sich die Eltern für ihr Kind erhoffen. Ordenshell zum Beispiel. Familienname und Berufung können auch miteinander tauschen, auch das ist gestattet.“
„Und warum hat Lydia dann einen völlig anderen Namen bekommen?“
„Das ist eine Geschichte für sich, aber ich erzähle sie gerne. ~
Alles anzeigen~ Suns Familie stammt(e?) aus Langmark. Sie waren nicht reich und hatten auch nicht viel Einfluss. Daher mussten sie sich mit dem zufrieden (zusammen) geben, was sie bekamen. Nur war das nicht unbedingt viel. Da sie auch erst spät ins Dorf gezogen waren, verwunderte es nicht, dass ihre Äcker an den kargsten Stellen lagen und dabei sind die Böden in der Langmark ohnehin schon trocken. Ihr wisst es ja selbst, dass diejenigen, die schon seit Generationen in einem Dorf leben, sich meistens auch die besten Äcker sichern. Suns Eltern und Brüder arbeiteten daher hart, damit sie ihre Familie versorgen konnten.
So musste es eines Tages soweit kommen, dass es eine große Dürre gab. Auch das ist für diese Grafschaft ja nichts Ungewöhnliches. Zudem verloren sie einen Teil der Ernte bereits im Spätsommer durch einen Blitzschlag. Suns Vater wusste, dass sie niemals den Zehnt errichten (entrichten) konnten und gleichzeitig den Winter überleben. Also packten sie bei Nacht und Nebel alles auf einen Planwagen, luden so viel Getreide auf, wie sie konnten und flohen.
Das mag sich jetzt etwas übereilt anhören, jedoch planten sie schon lange den Fortzug. Sie liebäugelten mit Tannenberg, da sie hörten, dass das Land zwar rau und ungehobelt sei, jedoch niemand dort verhungern müsste, denn der Wald sorgte für alle.
Also verschwanden sie, noch bevor der Lehnsherr auftauchen, oder einer der neugierigen Nachbarn Fragen stellen konnten. Ihr Großonkel ritt voraus, er kannte den Weg, denn er war in seiner Jugend weit herumgekommen. Ihre Eltern saßen zumeist auf dem Kutschbock, oder führten die Zugtiere an der Leine. Sun selbst spielte die meiste Zeit mit ihrer kleinen Schwester auf dem großen Gespann. Ihre älteren Brüder hatten nicht so viel Glück und mussten schuften, damit sie vorankamen. Denn auch wenn die Straßen mitunter gut ausgebaut sind, gibt es überall tückische Stellen. (Zeit? In dem Satz rutscht du in die Gegenwart, sonst Vergangenheit) Orte, wo der Weg unterspült wurde, wo Äste und Bäume die Strecke blockierten und natürlich die Gefahr von Wegelagerern. Je tiefer sie in Tannenberg hinein fuhren, desto mehr Arbeit gab es für die Brüder. Viele Bäume oder große Äste lagen auf der Straße. Manche als Vorboten eines Herbststurms, manche auch mit Absicht. Denn der Handel war zusammengebrochen und Straßenräuber machten die Wege gefährlich.
Ich möchte jetzt nicht, dass ihr einen falschen Eindruck von meiner Grafschaft bekommt. Die Straßen sind sicher, nur waren es damals andere Zeiten. Rosenstolz hatte gerade den Krieg gegen uns verloren. War es wegen meiner gemeuchelten...? Nein, das war schon früher, da war ich noch ein halbes Kind. Es muss gewesen sein, als sie Onkel Grimmborn mitsamt Familie und Festung verbrannten. Naja, das ist ja auch egal. Auf jeden Fall tobten wir damals vor Wut und machten die Streitkräfte von Rosenstolz platt. Um zu retten, was noch zu retten war, bot uns Rosenstolz eine gewaltige Summe Gold, was ihr Land wirtschaftlich in den Abgrund trieb. In der Folge verarmten zahlreiche Menschen und begingen Diebstähle, um sich zu ernähren. Da die Gesetze von Rosenstolz denen von Tannenberg und auch Langmark ähnelten, wurden sie geächtet und vertrieben, denn sie hatten ja nichts mehr. Aber Rosenstolz sorgte dafür, dass jeder Vogelfreie nur in Richtung Tannenberg freigelassen wurde.
Nun könnt ihr euch sicher vorstellen, dass wir nicht gerade voller Nächstenliebe waren. Schaut mich nicht so an, Lydia, selbst unser Heiligtum verweigerte ihnen die Mildtätigkeit, welche sie für gewöhnlich jedem Vogelfreien zuteil (zusammen) werden ließ. Zuviel haben wir schon von Rosenstolz erdulden müssen. Keine Familie gab es, die nicht einen nahen Verwandten im Krieg verloren hatte. Die keinen Waldbauernhof kannten (du beziehst dich hier auf "keine Familie"? Dann kannte), der nicht in der Nacht niederbrannte und dessen Bewohner in die Wälder verschleppt und gemeuchelt wurden. Selbst unser Heiligtum war vor unzähligen Jahrzehnten von ihnen geplündert und die Priester geschändet und erschlagen worden.
Auch wenn es mir schwer fällt, muss ich gerecht bleiben und zugeben, dass auch Tannenberg mit harten Mitteln kämpfte. Viele von Rosenstolz, und nicht nur Soldaten, fielen durch uns. Manche sogar viele Schritte in die Tiefe, wenn wir wieder die Eisentalbrücke ansägten. Das kann und will ich nicht abstreiten.
Aber ihr könnt euch vorstellen, dass wir weder denen aus Rosenstolz trauten, noch helfen wollten. Zu viel böses Blut gab es zwischen uns. Tatsächlich wurden nicht wenige von ihnen bis zur nächsten Grenze getrieben.
Doch dort ordneten sie sich und begannen gezielt Überfälle zu verüben. Suns Familie, die bis zum Stehkragen mit Getreide beladen war, war da ein gefundenes Fressen für sie.
Mein Vater war natürlich nicht untätig geblieben und hatte längst die Patrouillen verstärkt. Es waren für die Soldaten harte Zeiten. Der Krieg lag noch nicht lange zurück und die ständigen, immer erbarmungsloseren Überfälle, zerrten (zehrten?) uns aus. Kein Tag verging, ohne Meldungen über geplünderte Händler, niedergebrannte Bauernhöfe, oder Gefechte an den Grenzposten. Die Soldaten griffen daher immer rücksichtsloser durch. Wer den Anflug von Widerstand leistete, starb noch an Ort und Stelle.
Suns Familie wusste hiervon nichts. Tannenberg unterhält keinerlei Grenzbefestigung in Richtung Langmark und wozu auch? Langmark ist so harmlos wie ein vollgefressenes Wollhörnchen. Und Suns Familie mied die Nähe der anliegenden Bauern, aus Angst, dass irgendwer vielleicht ihren Lehnsherren verraten könnte, wohin sie geflohen waren.
Also konnte sie niemand vorwarnen, bis plötzlich die Räuber aus den Büschen sprangen und sofort auf sie losgingen. Ihre Eltern, ihr Großonkel und ihre Geschwister starben sofort. Mit Sun wollten sie wohl noch etwas spielen, bevor sie ihr die Kehle durchschneiden wollten.
Bornhelms Patrouille ritt genau in diesem Moment um die Ecke, als sie gerade das Mädchen von der Kutsche zerren wollten. Der Wind stand gegen sie, die Wegelagerer hörten das Klirren der Gerüsteten nicht, doch auch Bornhelm und seine Leute hatten nichts vom Gemetzel mitbekommen. Die Nadelbäume standen zu dicht und schluckten jedes Geräusch. Doch sie waren vorbereitet und achtsam, im Gegensatz zu den Straßenräubern, die gerade anfangen wollten die Kutsche und Leichen zu plündern.
Bornhelms Trupp sprengte sofort dazwischen und griff ohne zu Zögern an. Die Wegelagerer waren geblendet von der Gier, getäuscht von dem schnellen Sieg gegen die Bauern, und griffen ohne zu zögern die Patrouille an. Mit dem, was auf der Kutsche war, konnten sie den Winter überleben, das wussten sie. Doch sie wussten nicht, wie es war, gegen ausgebildeten Soldaten zu kämpfen. Sie starben alle recht schnell. Ihre notdürftigen Waffen (Komma weg) konnten die schweren Rüstungen nicht durchdringen, während sie gleichzeitig nichts vor den scharfen Klingen von Tannenberg schütze.
Innerhalb weniger Lidschläge war es vorbei und Bornhelm hatte nur wenige Leichtverwundete. Sie luden die Leichen auf, nahmen die Kutsche und Bornhelm, dieser Hohlkopf, nahm Sun mit sich auf den Sattel. Und natürlich verliebte sie sich Hals über Kopf in den stattlichen Hauptmann.
Doch der merkte nichts davon. Er war schon immer eine Mischung aus Dickköpfigkeit, absoluter Halsstarrigkeit und Tunnelblick. Und das, obwohl Sun umgehend in meines Vaters Dienste eintrat. Schließlich kannte sie ja sonst niemanden in der Grafschaft. Sie war damals kaum erwachsen, noch ein halbes Kind, wenn auch an der Grenze zur Frau. Trotz der Reichtümer ihrer Eltern (Komma weg) hätte sie es niemals geschafft, (Komma) auf eigenen Füßen zu stehen.
So arbeitet sie also auf unserer Burg und sah fast täglich Bornhelm. Dennoch dauerte es fast vier Jahre, bis sie endlich zusammenkamen. Bis irgendwann der Wink mit der Eisentanne so eindeutig war, dass selbst Bornhelm es nicht mehr übersehen konnte.
Ihrer ersten und einzigen Tochter gab sie deshalb einen Namen, der in ihrer Heimat gebräuchlich war. Es ist auch derselbe Name, den ihre kleine Schwester trug. Sie hat die Entscheidung, zu uns zu ziehen, nicht einen Tag bedauert. Wie sie jetzt darüber denkt, mitten im Krieg gegen den König, weiß ich natürlich nicht. Früher hatte sie mehrfach die Möglichkeit gehabt, runter nach Tannengrün zu ziehen, doch sie lehnte ab. Sie mochte meine alte Burg und ich denke, dass (das) wird sich auch nicht geändert haben.
Ansonsten gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Was unsere Grafschaft anging, nun, die meisten Wegelagerer richtete der Winter, der in diesem Jahr besonders streng ausfiel. Und neue Straßenräuber kamen kaum noch nach. Wir machten unsere Grenzen dicht und ritten ständig Patrouillen an allen Punkten, wo möglicherweise Vogelfreie durchsickern könnten. Rosenstolz hatte Mühe, dafür zu sorgen, dass ihre Verbrecher nicht in ihrem eigenen Land blieben.
Außerdem sprach es sich rasch rum, dass der Aufenthalt in Tannenberg lebensgefährlich war, weshalb die Rosenstolzer sich unter keinen Umständen gefangen nehmen ließen. Entweder sorgten sie dafür, dass es keine Zeugen gab, oder sie griffen die Stadtwachen umgehend an.
Die Tötungsrate in Rosenstolz schnellte in die Höhe. Aufstände drohten auszubrechen. Mein Vater nutzte dies und ließ heimlich Waffen in beiden Städten von denen verteilen. Minderwertige Ware, die niemals mit uns in Verbindung gebracht werden konnte. Doch unser Hauptaugenmerk lag ganz klar auf der Sicherung der Straßen. Sobald das Frühjahr anbrach und der Handel wieder rollte, musste unser Reich gesichert sein. Es stellte sich im Nachhinein als goldrichtige Entscheidung heraus, denn die Herren von Rosenstolz verteilten kostenlos große Mengen an Nahrung, die ihnen ein entfernter Verwandter schickte und entgingen damit dem drohenden Umsturz. ~
Alles anzeigen~ „Eure beiden Grafschaften“, murmelte Hilmar kopfschüttelnd. „Da haben sich ja die Richtigen gefunden. Ihr lasst keine Gelegenheit aus, es dem anderen so richtig zu zeigen.“
„Selbstverständlich nicht“, meinte Markwill mit einem fiesen Grinsen.
„Kennt Ihr den überhaupt den Grund für den ganzen Krieg?“, wollte Lydia, mit vor der Brust verschränkten Armen erfahren.
„Nein, ja, so grob“, antwortete er und erklärte: „Tannenberg und Rosenstolz sind Überbleibsel zweier früherer Großreiche, die es schon lange nicht mehr gibt. Die Beziehungen zwischen uns (Komma weg) waren also von Anfang an belastet. Beide Grafschaften bekamen ihre Unabhängigkeit, noch bevor die Großreiche zerfielen, doch damit wurde auch die Stimmung giftiger. Irgendwann kam es zum Krieg, wo beide Seiten feststellten, dass ihre Ländereien kaum zu erobern sind. Was die Sache nicht besser machte. Natürlich gab es zwischendurch Frieden, manchmal sogar Jahrzehnte lang. Doch die allermeiste Zeit herrschte erbitterter Krieg.“
„Was mich jetzt eher interessiert, wäre, was es mit dem Krieg gegen den König auf sich hat“, meinte Lydia nun. „Was Ihr im Wasserreich gemacht habt und warum ich den Mantel nicht anfassen durfte?“
Markwill lächelte. „Das ist eine Geschichte für sich und ich würde sie gerne morgen im Dorf erzählen. Glaubt mir, ich habe dafür meine Gründe. Meint Ihr, es ist machbar, möglichst viele Bauern in die Schenke zu locken?“
„Nun, die Ernte ist eingebracht und im Kornspeicher. Viel zu tun, gibt es eigentlich nicht mehr. Es sollte nicht allzu schwer sein, sie zu dorthin zu bewegen“, meinte Hilmar mit langsamer Stimme. Dann gähnte er kräftig und sagte nickend zu seinem Gast: „Ich lege mich nun hin. Ihr seid natürlich herzlich eingeladen, die Nacht hier im Haus zu verbringen.“Zur Mittagsstunde versammelte sich eine Gruppe Bauern in der Schenke. Manche von ihnen (Komma weg) hatten die Geschichte des alten Erzählers bislang nur aus zweiter Hand gehört. Viel zu viel gab es in der Erntezeit zu tun. Andere hingegen, lechzten noch immer nach Unterhaltung.
Dieses Mal waren weniger Frauen und Kinder dabei. Deren normales Tagewerk, war zumeist unabhängig von der Ernte, wie das Vorbereiten des Essens, Nahrungshaltung, oder das Versorgen der Tiere. Die meisten von ihnen hatten nicht genug Freizeit, um einem Erzähler zuzuhören. Ganz gleich mit welchen blumigen Worten (Komma weg) die Hohepriesterin einen locken wollte.
Dennoch wirkte Markwill, der sich nun wieder in seinen schmuddeligen Umhang gehüllt hatte, zufrieden. Er nickte kurz Lydia zu und diese trat langsam vor und sagte mit ihrer hellen Stimme: „Ich möchte euch einen seltenen Gast vorstellen, den ihr schon in seiner Verkleidung kanntet. Dies ist Graf Markwill zu Tannenberg.“
Mit ruhigen Schritten trat er vor und legte dabei seinen Umhang ab. Eine kurze Ankündigung war das, klar, aber sie hatte dennoch das gewünschte Ergebnis. Er hatte sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden, als er begann zu reden.~ Die meisten von euch werden mich als den alten Will kennen, den Erzähler. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Ich bin Markwill, der Graf von Tannenberg und die Geschichte, die ich euch erzählte, stimmt.
Ja, ich sehe Verwirrung in euren Gesichtern, doch ihr habt die Worte von Lydia gehört, die meine Echtheit wohl hoffentlich zur Genüge bestätigen. Die Gründe, weshalb ich hier bin, sind vielfältig. Zum einen will ich das Wissen um die Verbrechen des Königs weiterverbreiten. Zum anderen suche ich natürlich auch nach Neubürgern. Oder nach Mitstreitern.
Denn ihr könnt euch vorstellen, dass ich nicht aus freien Stücken meine Grafschaft verlassen habe. Tatsächlich musste ich bei Nacht und Nebel fliehen. Das war mir in dem Moment klar, als mich einer meiner Wachen auf den Bergfried gerufen hatte und ich von dort aus eine große, schwarze Rauchwolke sah. Meine Grenzfeste auf der Sturmbachinsel war vernichtet worden.
Der Sturmbach ist ein wilder, schneller Strom, der zwischen Rosenstolz und Tannenberg fließt. Zu beiden Seiten steigen Felshänge hoch hinauf. Es ist ein natürliches und unüberwindbares Hindernis und nur an wenigen Stellen zu passieren. Die Sturmbachinsel ist eine davon. Dort spaltet sich der Bach für eine Weile in zwei kleinere, sanftere Wasserläufe. Auch die Felswände sind dort nicht ganz so hoch, oder so schroff.
Darum gibt es dort schon seit Ewigkeiten eine wehrhafte Grenzfeste, fast schon eine kleine Burg. Ein Wehrturm, steinerne Wälle, Stallungen, aber alles ist räumlich sehr begrenzt, die Insel ist nicht besonders breit.
Zu Tannenbergs Seite hin, gibt es eine wuchtige Steinbrücke, fast so alt wie die Burg selbst. In Richtung Rosenstolz eine Holzbrücke. Aus Holz deshalb, damit man sie zur Not einreißen konnte, falls die Festung überrannt zu werden drohte.
Da es dort aber lichterloh brannte, war es nahezu ausgeschlossen, dass die Brücke zerstört wurde. Sie mussten die Sturmbachinsel mit Verrat genommen haben. Eine andere Erklärung gab es nicht und es mussten königliche Einheiten sein, denn Rosenstolz gab es nicht mehr.
Ich blieb lange genug auf dem Bergfried, bis ich in der Ferne einen weißen Heereszug sehen konnte, der kurz zwischen den Bäumen aufblitzte. Sie passierten da den Wildhang, eine Stelle, wo ein großes Holzfällerlager lag. Dort waren die Bäume immer niedrig und das war kein Zufall. Tatsächlich war es genau so geplant worden, damit sich keine Armee heimlich in unser Kernland einschleichen konnte.
Ordenshell und Kahn hatten dieselben Gedanken wie ich, wie ich mit einem Blick feststellte. Wir drei lehnten uns an den steinernen Zinnen und beobachteten den feindlichen Heereszug. Als wir über hundert Weißgardisten gezählt hatten und es nicht so aussah, als wenn es weniger werden würde, trat ich seufzend zurück.
Ich hatte diesen Moment schon befürchtet, jedoch nicht gedacht, dass er so schnell eintreten würde. Seit dem Zwischenfall an meiner Burg (Komma weg) waren seitdem (würde ich weglassen) erst drei Wochen vergangen. Genug, dass ich alle Bauern meiner Grafschaft warnen konnte (weglassen) und die Grenzfesten allesamt im Kriegszustand halten konnte, jedoch nicht genug, dass ich ein Heer ausheben konnte.
Ich fluchte kräftig und ausgiebig und befahl dann umgehend Kahn, Ordenshell, Bornhelm und Helmbruch in mein Arbeitszimmer. Sie waren meine Hauptleute, diejenigen, die Gefechte gesehen hatten und alle auf ihrer Weise unabkömmlich für einen Krieg waren, ganz gleich welcher Art.
Nur hatte ich nicht vor, tatsächlich einen zu führen. Die Übermacht war einfach zu groß.
Ich hatte mich die letzten Wochen viel mit dieser Frage beschäftigt und mir war klar geworden, dass die Weißgardisten dann Tannenberg auslöschen würden. Gegen die geballte Streitmacht des Königs (Komma weg) hatten wir nur wenig entgegenzusetzen. Wir mussten sie in Sicherheit wiegen und ihre Kraft aufspalten. Aber das konnte ich nicht tun, wenn ich auf meiner Burg festsaß.
„Ich werde fliehen müssen“, verkündete ich daher den anderen.
„Nein! Warum? Lasst uns kämpfen, Herr!“, knurrte Kahn, wie ich es eigentlich erwartet hatte. Auch die anderen waren gegen meine Entscheidung, dass (das) konnte ich sehen.
Doch ich lachte nur bitter auf und wies ihn auf das Offensichtliche hin: „Sie sind schon auf unserem Land. Sie werden die Grenzfeste mit Verrat genommen haben, bedenke, was Rosenstolz passiert ist. Wie sollen wir sie aufhalten? Wir sind zu wenige.“
„Dann erlaubt den einfachen Bürgern mitzukämpfen“, schlug Bornhelm vor, doch ich schüttelte den Kopf. Ohne gründliche Ausbildung waren sie den Weißgardisten unterlegen. Es würde nur in einem Gemetzel enden und das würde ich nicht zulassen.
„Die Leute werden sich nicht erheben, nur weil ich es ihnen sage. Es sind Truppen des Königs, vergiss es nicht. Ich würde von ihnen verlangen, sich gegen ihren eigenen König zu stellen“, wischte ich den Vorschlag beiseite.
Es gab noch einen weiteren Grund, weshalb ich losziehen wollte und den hatte ich noch niemanden in der Burg anvertraut. Denn mein Vater schickte mir eine lang ersehnte Nachricht. In der schrieb er, dass der König sich vor Dokumenten fürchtet, die zur Gründungszeit des Reiches verfasst wurden. Dort sollte sein Führungsanspruch in Frage gestellt werden.
Verständlich, dass ich auf ein solches Schriftstück scharf war. Mit einem solchen Schreiben in der Hand, könnte ich andere Grafschaften gegen den König aufhetzten (aufhetzen) und damit seine Streitkräfte auf viele Orte verteilen. Genau das, was ich brauchte, um Tannenberg zu retten.
Alles anzeigenIch lehnte mich zurück und gab genaue Befehle für meine Abwesenheit: „Es ist zwecklos, ich muss untertauchen. Verheimlicht so lange wie möglich, dass ich fort bin. Lasst sie unter keinen Umständen in die Burg! Verschanzt euch hier! Ich will nicht ihre dreckigen Stiefel durch mein Zuhause stampfen sehen.“
„Nur zu gerne“, knurrte Kahn und die anderen nickten reihum.
„Gut. Tannengrün soll sich kampflos ergeben. Die Herren Vogelwach und Berggrün bekommen die Befehlsgewallt (Befehlsgewalt) über die Stadt. Haltet aber um jeden Preis die Burg! Wir kennen ja jetzt den Geheimgang, lasst euch darüber mit Nahrung versorgen. Sorgt aber um Himmelswillen dafür, dass sonst keiner von ihm erfährt. Benachrichtigt die Minen(arbeiter?) und Holzfäller. Sie sollen ihre Arbeit niederlegen, sofern es ihnen gefahrlos möglich ist. Der König wird auf unsere Rohstoffe aus sein und wir unterstützen nicht unseren Feind. Überfallt Transporte, wo es euch gefahrlos möglich ist. Macht ihnen einfach das Leben zur Hölle!“
„Selbstverständlich“, antwortete Ordenshell und stellte mir sofort eine berechtigte Gegenfrage: „Aber warum wollt Ihr gehen? Das könntet Ihr auch alles von hier aus steuern.“
Tja, da war ich in einer Zwickmühle. Ihr versteht sicher, dass ich mein Wissen nicht weiterverbreiten wollte. Ein Geheimnis war keines mehr, wenn es mehrere Leute kannten, so denke ich zumindest. Es könnte mein Leben unnötig gefährden. Andererseits wollte ich meine Vertrauten auch nicht im Ungewissen lassen. Wer weiß, was sie sonst taten?
„Ich habe mehrere Gründe“, gestand ich ihnen schließlich ein. „Einer davon ist, wie ihr sicher erraten habt, dass ich eine Streitmacht außerhalb Tannenbergs aufstellen will.“
Ich blickte der Reihe nach in jedes der Gesichter meiner Vertrauten, unsicher, ob ich sie heute zum letzten Mal sah. In die kantigen, vernarbten Gesichter von Kahn und Bornhelm. In das freundliche und dienstbeflissene Gesicht von meinem Wachhauptmann Ordenshell. In das Gesicht meines Heilers und Freundes Helmbruch. Es war bitter, das gebe ich gerne zu.
„Herr?“, sagte Helmbruch langsam. „Es gibt da etwas, was ich dir vorher zeigen muss.“
Ich weiß noch, wie ich damals nur vernehmlich seufzte und meinem Kopf auf den Tisch sinken ließ. Es mag euch überraschen, aber auch ein Graf ist nur ein Mensch. Nicht jeder Adelige ist so faul wie euer Lehnsherr, dessen schwerste Aufgabe es ist, die Straßen sicher zu halten. Es gibt tatsächlich welche von uns, die ihre Aufgabe gewissenhaft ausführen und die sich über der ganzen (die ganze) Bandbreite ihrer Entscheidungen im Klaren sind.
Seht ihr, deshalb brauchte ich einen Moment für mich, bevor ich meinem Burgheiler in sein Zimmer folgen konnte. Seine Heilerstube hingegen war so unordentlich wie eh und je. Dieser verblüffend alltägliche Anblick beruhigte mich beinahe sofort. Kräuter und Tinkturen wechselten sich wild mit Büchern und Papieren ab, sofern sie nicht unter schmutziger Wäsche vergraben waren. Ich verstehe bis heute nicht, wie man in so einem Durcheinander leben konnte, aber er fand es irgendwie gemütlich.
Er eilte zum anderen Ende seines Zimmers und zerrte vorsichtig einen losen Stein aus der Mauer unter seinem Bett. Ich runzelte irritiert meine Stirn, als er ein altes Schriftstück herauszog und mir in die Hand drückte. Er wirkte irgendwie betreten und ich verstand nicht weshalb. Behutsam zog ich das Papier auseinander und begann zu lesen.
„Mein lieber Sohn,
ich weiß nicht, wann dir Mutter diese Zeilen zum Lesen gibt, doch hoffe ich, dass es zeitig sein wird. Ich vertraue ihrem Urteil mehr als meinem.
Ich weiß, dass wir uns nie begegnet sind, doch ich bin Grimmborn, der Bruder von Markborn, dem Grafen von Tannenberg. Zeige dieses Schreiben, sollte ich bereits verstorben sein, meinem Bruder, damit für dich gesorgt wird.
Warum ich dir das nicht von Angesicht zu Angesicht sagen kann, willst du vielleicht jetzt wissen?
Du bist das Ergebnis einer verbotenen Liebe. Deine Mutter, und das weißt du, ist eine vom einfachen Volk. Eine Verbindung zwischen uns ist strikt untersagt.
Tannenberg hat mächtige Feinde, auch das weißt du. Wenn jemand herausfindet, was ich getan habe, wird es meinen Adelsstand vernichten. Vielleicht sogar unser Grafengeschlecht, sollte Markborn gestorben und ich Herrscher sein.
Die Gesetze des Königs sind streng.
Viel Erfolg auf allen deinen Wegen und in der Hoffnung, dass wir uns bald sehen.
Mit liebenden Grüßen
Grimmborn“
„Aber Onkel Grimmborn starb schon vor über fünfzehn Jahren im Krieg mitsamt seiner Familie. Warum hast du es mir nie gezeigt?“, wollte ich von Helmbruch erfahren. Ich weiß noch genau, wie unruhig er mit den Füssen auf den Dielen scharrte. Er wirkte, wie ein ertapptes Kind.
„Ich hoffte, es wäre nicht nötig“, gab er schließlich zu. „Und dann kam nie der richtige Augenblick dafür. Aber nun, wo du gehst, kam es mir falsch vor, es dir nicht zu sagen.“
„Weiß mein Vater davon?“, fragte ich ihm, doch er verneinte. „Ich habe mir alles, was du hier siehst, selbst erarbeitet.“
Ich ließ meinen Blick über die Unordnung gleiten. Grimmborn war ein sehr ordentlicher Mensch gewesen, trotz seiner Schwäche für schwere Waffen und der Jagd. Er hätte seinem Sohn ein solches Zimmer niemals durchgehen lassen.
„Hast du Onkel Grimmborn je kennengelernt?“, wollte ich daher von ihm erfahren.
Helmbruch schüttelte den Kopf. „Er starb vorher. Aber ich habe ihn einmal gesehen. Einen großen, bärengleichen Mann, der gerne lachte. Er kam in die Hütte meiner Mutter und umarmte sie sanft. Ich habe erst viel später herausgefunden, dass er mein Vater war.“
„Ich weiß noch genau, wie wütend mein Vater war, als er von seinem Tod erfuhr. Und wie betroffen“, sagte nun wieder ich. „Jeder hatte ihn gemocht und sein Tod war einfach grausam gewesen. Rosenstolz kam bei Nacht und ließ alle Wachen in Onkels Grenzfestung töten, bevor sie Feuer legten. Sie wussten ganz genau, was sie taten. Sie wollten unser Adelsgeschlecht auslöschen. Vater tobte wie ein Irrer und führte den Feldzug gegen sie persönlich an.“
„Mutter weinte sehr viel, als sein Tod bekannt wurde, doch ich verstand damals nicht warum. Ich wusste ja schließlich nicht, wer er wirklich war. Doch ich ahnte etwas. Doch erst, als der Krieg gegen Rosenstolz siegreich beendet war, zeigte sie mir seinen Brief.“ Er lächelte bitter. „Sie wollte vermeiden, dass ich loszog und Rosenstolzer angriff. Es hat geklappt. Sie hatte mich schon immer durchschauen können.“
„Wenn du willst, kann ich dir später was über Onkel Grimmborn erzählen. Er war hier oft zu Gast, vor allem in der Jagdsaison“, bot ich ihm an. Dann drückte ich ihm nach kurzem Überlegen den Schlüssel zu meinem Arbeitszimmer in die Hand. „Nimm ihn. Die anderen werden denken, dass ich den Schlüssel mitgenommen habe, aber das wäre zu gefährlich. Ich weiß nicht, ob ich lebend zurückkehren werde, bei dir ist er sicher aufgehoben. Verheimliche nur so lange wie möglich, dass du ihn hast.“
„Verrätst du mir jetzt, warum du wirklich gehen willst?“, fragte er mich.
Ich lächelte. Er hatte mich durchschaut.
„Hinter der Holzvertäfelung ist ein geheimer Taubenverschlag, füttere meine Tierchen bitte. Dort halte ich Kontakt zu meinem Vater. Er berichtete mir, dass der König unter allen Umständen verhindern will, dass etwas über eine uralte Abmachung ans Tageslicht kommt, die irgendwann geschrieben wurde, als das Königreich entstand.“
„Und was hat das mit dem zu tun, was wir jetzt erleben?“
„Das weiß ich nicht. Es hängt aber irgendwie damit zusammen, dass der alte König gestorben ist.“
Helmbruch nickte und sagte: „Gut, dass du mir alles erzählt hast. Dann habe ich noch eine Sache für dich. Setzt (Setz) dich bitte dort hin.“
Er deutete auf einen Stuhl und zog gleichzeitig eine Schublade raus, in der irgendwelche Haare lagen. Dann fischte er aus dem Gerümpel eine Schale mit irgendetwas Zähflüssigem. Es war mir nicht klar, was das werden sollte, als er langsam eine gelbliche Flüssigkeit aus einer kleinen Flasche dort hineinträufeln ließ und sich ein sehr scharfer Geruch im Zimmer ausbreitete. Eine Idee, was er vorhatte, (Komma) bekam ich erst, als er die Spitzen der Haare dort einweichte. Dann warf er mir ein lumpiges Kleiderbündel zu.
„Was ist das?“, fragte ich und faltete einen alten, zerschlissenen Umhang auseinander. Ihr kennt ihn. Es ist dieser hier an meinen Schultern. Er verbirgt mehr als nur ein Geheimnis und hat eine lange Geschichte.
„Das ist das, was mein Vater immer trug, wenn er sich heimlich aus der Burg schlich, um verbotenerweise Mutter zu treffen“, erklärte er mir. „Selbst Kahn hat sich davon mal täuschen lassen und den vermeidlichen Bettler rüde vor die Tür gesetzt. Und genau dasselbe werde ich auch mit dir machen.“
Er lächelte mich listig an und fügte an: „Als Bewaffneter, im besten Mannesalter, wirst du ohne Zweifel Fragen aufwerfen, aber wer guckt schon zweimal bei einem alten Bettler hin? Na, verstanden?“ ~