Gedanken über´s Schreiben

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.299 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (25. August 2014 um 19:46) ist von ArchivariusLindhorst.

  • Der Schreibphilosophie- , Gedankenschrotthalden-, "einfach mal (zum Thema "Schreiben" ) gesagt haben will", "Gedankenblitz- " und "darüber diskutier" - thread.

    Ich fand kein passendes Thema an dass ich die nun folgenden Gedanken hätte sinnvoll anknüpfen können, fand sie aber dennoch erwähnenswert und Gedanken dieser Art an sich diskutabel;

    Das Nachwirken kalkwieses´ "Legende des Schreibers", was offenkundig Eindruck hinterlassen haben muss, führte zu denen Gedanken denen ich jetzt ein öffentliches Podium geben mag.

    Sie drehen sich alle um einen difussen Kern, den man am ehesten mit der Frage:

    "Denken / Schreiben/ wir zu engstirnig, klischeehaft?",
    oder: "Ist selbst unsere (kühnste) Fantasie nichts als ein trauriges Faksimile, ein müder Abklatsch, nicht liebloses aber vielleicht lebloses, wieder und immer wiedergeben der selben Muster?"

    und: "Sind viele Vorbilder nicht zuerst auch deswegen Dogma, weil sie irgendwer, irgendwann mal, als selbstsicheres Postulat, in den Raum geworfen hat?"
    (oft in einer Zeit vor Lektoren oder Zielpublikumsanalysen).

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    Ich jedenfalls freue mich hier immer sehr über Texte wie bspw. "Die Legende des Schreibers"

    Könnte man nicht viel irrsinnigere Ideen in Worte fassen? Nachdrücklichere literarische Wirklichkeiten schaffen die über eine "alternative HDR - story" hinausgehen?

    Das soll keine Anschuldigung oder Minderung etwaiger Geschichten dieser Art sein!

    Es soll mehr auch eine Aufmunterung, ein Apell sein, zu seinen Ideen zu stehen und sich auch mal was ungewohntes zu trauen.

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    (Ich merke es an mir selbst dass meine Gedanke immer sehr im HDR - setting spielen.)


    Sprich: eine Idee, gut be-/geschrieben, die "sich selbst (und ihr setting) trägt" , statt eine "Rundreise durch HDR v.8.02 mit anderen generierten Namen" maßgeblich auf das Vorwissen ( Klischeewissen ) des Lesers angewiesen ist.

    Dieses soll, wie gesagt, kein Affront sein. Wer sich zur Diskussion eingeladen fühlt den bitte ich um Senf. ;)


    P.s.: Siehe (thread - Erläuterung): Auch andere Gedanken sollen sich hier sehr gerne willkommen fühlen. :)

    Wenn ihr´s nicht fühlt, ihr werdet´s nicht erjagen.

  • :hmm: Es gibt nichts, was nicht schon einmal in Worte festgehalten wurde. Jede Idee schien neu und war doch irgendwo alt. Bücher sind Spaziergänge, Wege, die man betritt, man füttert mit ihnen den Geist und die Gefühle, und wenn das Buch den Hunger stillt oder gar neue Seiten zu wecken vermag, war es ein gutes Buch.

    HdR ist immer noch ein erfolgreiches Buch. Es ist trotzdem nicht richtig zu sagen, dass alle ihm folgenden Fantasy Geschichten einen gleichen/ ähnlichen Inhalt haben. Nimm Benmanns Stein und Flöte: dieses Buch fängt den Leser nicht mit Epik und heroischen Schlachten, sondern allein durch seine verträumte Stimmung und seine märchenhafte Erzählweise, auch Die Nebel vom Avalon kannst du nicht in die HdR Schublade stecken, um jetzt nur sehr bekannte Werke aufzuzählen.

    Es gibt Bücher, die mich in ihren Bann ziehen, sei es durch die Stimmung, die Sprache, die Figuren der Protagonisten oder die Handlung. Und es gibt Bücher, die ich nach 3 Seiten weg lege, weil sie nichts in mir wecken, sie bleiben Worte auf dem Papier, ohne Echo, ohne Bindung.

    Ich schreibe nicht aus einem literarischen Bewusstsein heraus, sondern einfach, weil es mir Spaß macht. Statt zu lesen und mich füttern zu lassen hab ich mich an den Herd gestellt und koche. Dabei vergleiche ich mich nicht mit anderen Geschichten oder Autoren. Ich werde nie die Stimmung eines Romans wie "Schlafes Bruder" einfangen, nie die überbordende Wortgewandtheit eines Süskinds erreichen, nie so eine ausgefeilte Geschichte wie xy, so spannend wie yz oder so klug wie NN schreiben.
    Na und?
    Schreiben ist im Endeffekt wie kochen. Wenn 1000 Leute eine Lasagne kochen wird sie nicht 1000 mal gleich schmecken. Es kommt auf die Gewürze an: Die Worte, die Beschreibungen, die Protagonisten, die Story....jeder hat seinen eigenen Stil, seine eigenen Charaktere, seinen eigenen Plot.
    Die Kriminalgeschichten leben davon, denn deren Plot ist zwangsweise immer derselbe: jemand tötet Menschen/ einen Menschen und jemand versucht, den Täter zu fangen. Langweilig? Nein. Trotz ausgelutschter Thematik kommen immer wieder Bücher des Genres heraus, die einen zu fesseln vermögen.

    Ich schreibe, weil es mir geradezu diebischen Spaß bereitet, mir eine Geschichte auszudenken, Protas zum Leben zu erwecken und ich freue mich doof, wenn meine Geschichte schlüssig gerät, die Protas echt wirken, meine Worte einen Leser in den Bann zu ziehen vermögen und er sich von mir an der ein oder anderen Stelle überraschen lässt.
    Trotz konventioneller Schreibweise schäme mich nicht für meine Geschichten. Warum auch? Sie sind nicht wichtig genug, nicht als Wegweiser gedacht. Es sind einfach ein paar Äpfel oder Pflaumen auf einem riesigen Markt voller Obst und Gemüse, mir macht es Spaß sie zu schreiben und ich freue mich, hier ein paar Menschen gefunden zu haben, die sie mit Genuss essen.
    Etwas ganz Neues probieren oder alte Strukturen aufbrechen?
    Für mich ist Schreiben mehr oder weniger neu. Ich bin Anfängerin und werde nie soweit kommen, dass ich genervt auf 200 selbstgeschriebene Bücher im Regal gucke und denke: iwie alles das selbe, jetzt versuch ich mal was Neues, das Schreiben langweilt mich.
    Ich feile immer noch daran, mit dem, was mir zur Verfügung steht, meinen Worten, meiner Satzbildung, die Bilder umzusetzen, die ich beim Ausdenken meiner Geschichten im Kopf habe. Den Code zu optimieren, der den Leser beim Lesen genau das fühlen lässt, was ich beim Ausdenken empfunden habe.
    Es ist ein Versuch einer emotionalen Konversation zwischen Schreiber und Leser, Gefühle zu transferieren mittels eines Textes, eine Fantasie "wahr" werden zu lassen. Und ich denke, das ist bei allen Arten von Texten so, das könnte die Schnittstelle sein, wo Literatur aller Couleur eins gemeinsam hat?

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • melli
    Alles, was du sagst, ja beinahe restlos alles ist richtig, schön und gut. Ich pflichte dir auch bei.

    Was ich aber eigentlich versucht habe gedanklich anzustoßen war, den Schreiber dazu zu ermutigen, auch mal exotische Früchte auf dem Markt feilzubieten. Vielleicht hat er sogar eine Phantasiefrucht in der Hinterhand. Vielleicht traut er sich nicht sie unter die anderen Körbe zu stellen weil er denkt sie könnte mißachtet werden, mißfallen, der Handel mißraten, den ganzen Ruf verderben, whatever. Also denkt er sich die Frucht "verkäuflicher". Gibt ihr einen landläufigeres, gewöhnlicheres Aussehen. Die Auslage passt der Marketender, Der allen Ständen an und ordentlich und schön szeneriert dösen die Früchte vor sich hin. Satte Blicke schlendern gelangweilt an ihnen vorbei.
    Die Frucht ist vielleicht jedes Wort, jeder Gedanke, kann ein Bild sein oder ein Dialog.

    Ich frage mich: Rastet der Gedanke, das innere BIld in einem konventionellen, (tradierten, anerzognen ) Gedanken-/ Vorstellungsmuster ein
    ( eigene Leseerwartung und Gewohnheit berücksichtigend und anwendend ), oder sind die Dinge, die du schildern willst, bereits automatisch und absichtlich davon verrückt? ( Brechen sie nicht immer ein bisschen Tradition? )

    Wenn du schreiben wollen würdest "Da liegen Pflaumen neben Cashews", wenn dass deine Botschaft, dein Bild für den Leser sein soll, formulierst du dann 1:1 "Da liegen Pflaumen neben Cashews" oder weicht deine Sprechweise von dieser, angenommenen Referenz, ab?

    Das interessiert mich wirklich, denn das "Bild" "Da liegen Pflaumen neben Cashews" kann man tausendfach darstellen und jedesmal kann! es etwas anderes meinen.

    Dieses "wieso ist das so", und selbst wenn es nur unbewußt geschieht und du sagst: "ich schreibe einfach aus Spaß und es mir grad einfällt" ziehe ich dennoch Rückschlüsse auf das "Warum" . Warum wählst du "unbewusst" diese Perspektive, warum hier braunes Haar. etc. etc.

    Klar passiert der Schreibprozess, das Komponieren größtenteils unbewußt. Ich frage mich aber, wie er bei euch, wenn ihr ihn mal betrachtet, stattfindet.
    Dröselt es mal auf. ( Darum kann es hier in dem thread ja gehen )


    Bezugnehmend zu meinem ursprünglichen Post und Apell: Habt Mut! Wenn ihr "Da liegen Pflaumen neben Cashews" schreiben wollt und euch fallen verschiedene Wege ein das zu tun, nehmt nicht automatisch immer den gefälligsten. Nehmt auch mal den unlogischen oder verborgnen oder sogar den falschen und macht diesen Weg dann zum Gesetz.

    Wenn ihr eine spontane Eingabe habt, schreibt sie! Schreibt sie nieder, intuitiv.

    ( Ich weiß selbst dass man auch sehr oft einfach mal "Da liegen Pflaumen neben Cashews" schreiben muss wenn man das so sieht )

    Aber auch: "Schüttete man das Wirrwarr an Farben, Formen, der Gerüche und Düfte, Körbe zu Schüsseln und Krüge zu Töpfen, Schalen in Bündel und Loses zu Laiben, es würde nicht selten, violettes Muß mit salzigem Geschmack entstehen, etwas was Äpfeln neben Birnen nie passiert wohl wäre," malt "Pflaumen neben Cashewes" in die Gedanken.

    Wenn ihr´s nicht fühlt, ihr werdet´s nicht erjagen.

    Einmal editiert, zuletzt von ArchivariusLindhorst (25. August 2014 um 15:59)

  • Ich verstehe genau was Du meinst.
    Diese Sehnsucht nach einem neuen ureigenen Stil, etwas Erschaffenen und nicht nur "neu" Erschaffenem.

    Wenn ich dann Dein Beispiel lese, werde ich etwas wehmütig, denn ich fühle, dass es mir nicht gegeben ist so mit Worten Farben zu malen.
    Allerdings spüre ich auch, dass mich das als Exotische Frucht im Meer der Literatur (du siehst, ich bemühe mich) fasziniert, ich aber so wirklich nichts damit anfangen kann.
    Es ist als ob mit einem Freund (seines Zeichens Teilchenphysiker) mich über Physik unterhalte. Als Hobbyastronom habe ich schon etwas Vorwissen und in der Schule war auch nicht schlecht, aber wenn er loslegt und dieser Glanz in seine Augen tritt, weiß ich, ihn und mich trennt eine ganze Welt. So geht es mir wenn ich solche bilderschweren Texte lese. Ich kenne die Worte ich kenne die Absicht und erahne die Schönheit, doch am ende ist es mir einfach zu fremd.

    Es gibt selbstverständlich noch einige andere Arten Texte und Worte neu zu verwenden und damit etwas Neues zu erschaffen, wobei man immer sehr sehr vorsichtig sein sollte. Es wurde wirklich schon verdammt viel geschrieben und was manchmal so strahlend neu erscheint, hat sich tatsächlich schon vor 5000 Jahren ein anderer wacher Geist ausgedacht und wer weiß noch vor ihm.

    Mir persönlich (hoffe auch, es ist meine Stärke) bereitet es viel Vergnügen Texte locker zu gestalten.
    Bestimmt habe ich diese Neigung irgendwoher, höchst wahrscheinlich eine Kombination vieler texte, die mir in bestimmten Aspekten gefallen.
    Empfinde ich mich deswegen als Kopist? Nein, gar nicht.
    Oder will mir tatsächlich jemand vorhalten, dass wenn ich ehrlich versuche meinen eigenen Stil zu finden, der sich aber zufälligerweise mit dem eines Anderen deckt, dass ich ihn kopiere?
    Wir leben nun einmal in einer linearen Welt, wo immer jemand vor einem anderen war und keiner wird ernsthaft bezweifeln, dass wir eine nicht genau bekannte Summe aus Faktoren wie Umwelt, Erziehung, Erfahrungen etc. sind.

    Dennoch werde ich ganz sicher versuchen an meiner bildhaften Ausdrucksweise zu arbeiten, allein schon um das Talent jener zu würdigen, die es offensichtlich viel besser können als ich.

    Was ich als Fazit dieser Diskussion mitnehme, ist der Entschluss mich öfters als sonst aus der "Komfortzone zu wagen" (Werbung ganz frech kopiert) und zu experimentieren.
    Selbstredend, werden meine Texte nichts desto trotz weiterhin damit glänzen, wo ohnehin meine Stärken liegen. Von Kunst um der Kunst Willen halte ich nun mal nichts.
    Ich habe bei solchen Versuchen (wie früher im Kunstunterricht) sonst immer das Gefühl, ich habe einfach etwas ausgekotzt und strahle dann stolz über mein Erbrochenes. Seriöses Schreiben ist zum Gutteil wirklich Arbeit, wenngleich die Arbeit ja durchaus Spaß machen darf...

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Es geht ja nicht um "Kunst um der Kunst" willen,
    Oder auch nicht um "Neues um des Neuen willen"

    Vielleicht war das mißverständlich ausgerückt oder unklar formuliert.

    Und es müssen ja auch nicht (schwere) Bilder sein.

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    (Ich finde meinen Stil stellenweise viel zu schwer, sich selbst erdrückend und an sich selbst erliegend. Wie ein Wal im falschen Medium, erstickt er an seinem eignem Manifest )

    Tom Stark vielleicht trifft es dein: "aus der Komfortzone wagen" am ehesten.

    Mich würde interessieren was manch Schriftsteller wohl verbrannte, was er nicht für lesenswürdig empfand. Und nehme an dass es einen Prozess, einen Filter, einen Renderer gibt der gewissen Gesetzmäßigkeiten folgen muss. ( Erfahrungen, Erwartungen etc. ) Prozesse die Gedanken verbalisieren und dabei automatisch konventionalisieren.

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    Jetzt nach der Entschulding eines Foremitglieds und der Rechtfertigung seines, ich will es hier mal "komplexeren Charakters nennen", ( ich weiß es grad nicht genau was er sagte ), denke ich, dass vielleicht genau dieser "komplexe Charkter" der Grund dafür ist dass sich seine Texte (für meinen Geschmack) so stark von anderen unterscheiden können! ( nicht müssen )

    Vielleicht führen, ( und ich will hier weder psychologische Mutmaßungen anstellen noch empfindliche Persönlichkeitsgrenzen verletzen ),
    grade Eigenheiten eines komplexeren Charakters, der vielleicht auch mal Regeln vergißt zu einer Abweichung von dem ungefähr zu Erwartendem.

    Das finde ich unglaublich spannend. Spontan würde ich behaupten, lieber das Risiko eines "über die Stränge schlagens" einzugehen, als das (mir fällt grad nur) "Unbeherschbare" kontrollierbar zu machen. Das Undurchdringliche gläsern.

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    Ich hab ka was in etwaigen threads vorfiel, noch möchte ich hier das mögliche Vorgefallene rechtfertigen. Davon distanziere ich mich, möchte aber dennoch das Bild des "komplexen Charakters" gebrauchen.


    Ich stand und stehe eigentlich noch immer total auf "Sturm und Drang". "Es war getan fast eh gedacht."
    Vielleicht denke ich zu sehr in "Biedermeiereren" und "Stürmern und Drängern"

    Was ich persönlich gruselig finde ist dass ich grade jene Autoren immer wählte und mochte von denen ich im Nachhinein erfuhr dass sie wahnsinnig wurden oder sich gleich selbst über den Acheron gegondelt haben.

    Wenn ihr´s nicht fühlt, ihr werdet´s nicht erjagen.