Es gibt 86 Antworten in diesem Thema, welches 25.769 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (16. Februar 2021 um 17:58) ist von Voluptuous Mayday.

  • Man könnte damit eine Menge Falafel kaufen. Die Falafel in der Gegend sollen sehr gut sein“, meinte Salem, der aus der Menschenmenge heraus plötzlich hinter den anderen stand. Er trug zwei große Beutel bei sich, in denen er den eingekauften Proviant transportierte. Ehrlich gesagt verstand Salem nicht so recht, weshalb ausgerechnet er für ihre Verpflegung sorgen sollte. Nicht, dass er es nicht tun würde. Im Laufe ihrer gemeinsamen Reise hatte sich lediglich seiner Meinung nach oft genug bewiesen, wie abweisend die Menschen auf ihn reagieren konnten. Teilweise war es ein kleiner Kampf gewesen, passende Nahrungsmittel für ihre Reise zu kaufen. Zwieback, Trockenfleisch, ein paar Äpfel … Ein paar der Händler weigerten sich ganz, mit dem großen, vermummten Mann zu reden. Andere wollten ihn offensichtlich so schnell wie möglich los werden.
    Grundsätzlich machte ihm diese Behandlung wenig aus. Nach einem vollen Centennium konnte man sich an vieles gewöhnen und die allgegenwärtige Ablehnung hatte sich zu einem Teil von Salems Dasein entwickelt. Wenn es aber um Dinge wie den Proviant der Gruppe ging, empfand es der Feuermagier als lästig.
    Wie dem auch sein mochte. Schlussendlich war er erfolgreich gewesen und nur das zählte. „Wir gehen also nach Akrabria?“ Es war eher eine Feststellung, denn eine Frage.
    Ich jedenfalls schon“, stellte Aljin klar und wedelte mit einer Karte in der Hand herum. „Die beiden anderen haben sich noch nicht entschieden.“
    Automatisch wechselte Salems Blick zu eben jenen anderen, erst zu Esme und dann zu Jack. „Nun, ich fände es furchtbar schade, auf Eure Gesellschaft verzichten zu müssen“, sagte er und sah dabei vor allem Jack an. Salem war ehrlich: Er wollte den Werwolf um sich haben. Nicht nur aus fachlichen Interesse an seinem Fluch und den Prozess seiner Verwandlung – das interessierte ihn auch an Jack. Hauptsächlich lag der Grund schlicht und ergreifend daran, dass sich Salem zu Jack hingezogen fühlte. Körperlich wie geistig.
    Salem machte sich nichts vor. Er hatte Jack mit den Frauen flirten sehen und hegte keinen Zweifel daran, dass er kein Interesse für Männer aufbrachte. Und Salems Erfahrungen nach behielten sowieso die meisten Männer, die ihr eigenes Geschlecht bevorzugten, diesen Umstand für sich. Religion, gesellschaftliche Akzeptanz und der Druck, den Familiennamen weiterzugeben, ließ ihnen oftmals keine andere Möglichkeit. Dass Jack nicht dieselbe Anziehung empfand, hieß allerdings nicht, dass Salem seine Gegenwart nicht genießen durfte.
    Aber vielleicht diskutieren wir das nicht hier auf der Straße. Es dürfte sowieso zu spät für die Weiterreise sein. Suchen wir ein Gasthaus auf und verbringen dort die Nacht. Dann könnt Ihr überlegen und Aljin und ich bereiten unseren Aufbruch vor.“

    Das Gasthaus hieß 'Zur tanzenden Witwe' und bot gerade noch genug freie Zimmer für die vier weiteren Gäste. Im Schankraum war einiges los; die eingemietet Gäste saßen gleichermaßen an den alten Holztischen, wie die Gäste die lediglich für Speis und Trank herbei gekommen waren. Salem stand am Fuße der Treppe, die zu der Etage mit den Schlafzimmern hinaufführte, und hielt nach den anderen Ausschau.

  • 'Zur tanzenden Witwe' ... Jack wusste nicht genau, ob er den Namen gut finden sollte. Vielleicht tanzte sie aber auch traurig, weil ihr Mann gestorben war. Andererseits, warum sollte eine Witwe nicht fröhlich tanzen dürfen? Vielleicht war ihr Mann ja ziemlich übel gewesen. Der volle Schankraum ließ jedenfalls darauf schließen, dass das Essen gut war.
    Wie immer dachte Jack, wenn er nicht über Dinge, die ihn bewegten nachdenken wollte, über den größten Mist nach.
    Sein Blick streifte Salem, der an den Treppen zu den Schlafzimmern hinauf stand und seinen Blick über die Menge streifen ließ. Es schien, als würde nach Jack Ausschau halten.
    Quatsch!, schalt sich der Werwolf in Gedanken selbst. Er suchte die ganze Gruppe. Warum sollte der Magier ausgerechnet nach ihm suchen?
    Obwohl sein Blick vorhin sehr lange an ihm haften geblieben war. „Nun, ich fände es furchtbar schade, auf Eure Gesellschaft verzichten zu müssen."
    Jack stieß einen tiefen Seufzer aus. Damit kam er auch nicht weiter. Er zwang seine Beine sich in Bewegung zu setzen und hielt auf den großgewachsenen Mann zu, der die Menge wie ein schwarzer Fels überragte.
    "Hi", stieß er wenig geistreich hervor, als er Salem erreichte. Er spürte, wie er bis zum Haaransatz errötete und führ sich verlegen mit der Hand über den Nacken. Warum zum Henker wurde er in Salems Gegenwart so verlegen. Das kennte er gar nicht.
    Bei Frauen war es immer umgekehrt gewesen. Diese wurden rot und stammelten verlegen herum und er musste eigentlich überhaupt nichts dafür tun, dass sie ihm in den nächstbesten Heuhaufen folgten. Ja, das war übertrieben, aber er war verdammt nochmal selbstsicher! Er hatte diese wunderbarer verwegene Ausstrahlung, die zugleich Abenteuer und Sicherheit versprach. Das wusste er ziemlich genau. Und das zog bei Frauen unwahrscheinlich (zumindest bei den unbedarften und behüteten Dorfmädchen). Aber Salem war undurchdringlich. Nicht auf unangenehme Art. Aber er schien schon viele Abenteuer erlebt zu haben und Schutz brauchte er ganz sicher nicht. Was hatte Jack also schon zu bieten, um Salem von seinen Vorzügen zu überzeugen???
    "Geht es dir gut? Du siehst ein wenig erhitzt aus", unterbrach Salem seine Gedanken.
    "Ich .. äh ... ja. Ich bin nur etwas müde." Jack drückte sich an dem Magier vorbei und stieg die Treppe hinauf. Er hörte, wie Salem ihm folgte. Der Flur oben war lang. links und rechts zweigten die Gästezimmer ab. Sie hatten den Luxus von Einzelzimmern. Obwohl Jack sich auch gern ein Zimmer geteilt hatte. Er spürte Salem dicht hinter sich. Die feinen Härchen an Jacks Nacken stellten sich auf. Er blieb vor seiner Zimmertür stehen und drehte sich zu Salem um, um ihm gute Nacht zu sagen. Der Gang war leer. Salems Blick traf seinen und hielt ihn fest.
    "Ach verdammt!", entfuhr es Jack leise. Dann trat er einen Schritt auf Salem zu und küsste ihn. Es fühlte sich etwas seltsam an, weil das Tuch, welches Salems Gesicht verbarg, zwischen seinen und Salems Lippen lag. Aber der Magier war so bedacht, dass niemand sah, was unter dem Tuch war, dass Jack sich nicht traute es ohne dessen Einverständnis hinunter zu ziehen.
    Ebenso schnell, wie Jack sich zum Kuss hatte verleiten lassen, unterbrach er ihn auch wieder. Er traute sich nicht Salem in die Augen zu sehen.
    Scheiße! Er hatte einen Mann geküsst. Und wusste nichtmal, ob dieser das gut fand oder nicht. Am liebsten würde er sich in Luft auflösen. Er konnte Salem nicht in die Augen sehen. Schwule Männer waren selten beliebt. Auch wenn er ja nicht schwul war ... scheinbar mochte er Beides.

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    - F. Scott Fitzgerald

  • Salem fühlte sich absolut überrumpelt. Er konnte nichts denken und er konnte nichts fühlen. Ihm blieb nur übrig, Jack mit überrascht geweiteten Augen anzusehen. Sein Herz schlug ihm vor Aufregung bis zum Hals hinauf und an seinen Lippen spürte er noch die Wärme, die Jacks Atem auf seinem Tuchs hinterlassen hatte. Die flüchtige Bewegung ging hinter dem Stoff verloren, doch Salem schluckte schwer.
    Was war in den Werwolf gefahren, ihn plötzlich aus dem Nichts heraus zu küssen? Jack empfand nichts für Männer; diese Beobachtung hatte Salem oft genug gemacht. Seine Aufmerksam galt immer nur den Frauen. Ruhte in ihm trotz Allem die Neigung zu Männern? Männern wie Salem? Wieso schien ihm die Situation dann so unangenehm zu sein? Jack konnte ihm nicht einmal in die Augen sehen. Offensichtlich schämte er sich für den Kuss. Vermutlich empfand er ihn jetzt schon als großen Fehler.
    Hinter seiner Vermummung seufzte Salem schwer, dennoch lautlos. Er hatte nichts erwartet und das würde auch so bleiben. Damit, nicht in Jacks Beuteschema zu passen, konnte er sich abfinden. Womit er sich jedoch nicht abfinden wollte, war die peinliche Berührung, die Jack ganz offensichtlich empfand. Ihre Bekanntschaft sollte nicht wegen dieser nichtigen Episode auseinanderbrechen. Wenngleich sich Salem, ehrlich gesagt, ein klein wenig ausprobiert vorkam.
    Salem unternahm einen Versuch, den unbehaglichen Moment zwischen ihnen zu vertreiben. Er tat es Jack gleich und presste ihm durch den Stoff hindurch die Lippen auf den Mund. Eine Sekunde später löste er sich bereits wieder von ihm. Jack sah ihn verdutzt an, worauf Salem ihm mit einem Schulterzucken antwortete: „Du hast mich geküsst und ich habe dich geküsst. Jetzt sind wir quitt und es gibt keinen Grund, weshalb der eine gegenüber dem anderen beschämt sein sollte.“ Vergaßen sie Jacks Ausrutscher einfach. Wahrscheinlich bedeutete er sowieso nicht das geringste. Nichtsdestotrotz würde Salem einen Penny für Jacks Gedanken geben und fixierte deshalb interessiert seinen Blick.
    Ihre Bewegungen fanden gleichzeitig statt. Salem spürte Jacks Arme in derselben Sekunde seine Taille umklammern, in der er dem Werwolf besitzergreifend die Hände in den Nacken schob und ihn an sich zog. Im letzten Augenblick riss Salem sich das Tuch vom Gesicht und küsste Jack. Dieser erwiderte den Kuss; Salem versank in dem Gefühl, das Jacks Mund hinterließ. Er spürte seine warmen Lippen und die auffordernde Bewegung Jacks Zunge an seiner eigenen. Salem wollte ihm noch näher kommen und drängte sich an seinen Körper. Die Dynamik, mit der es tat, ließ Jack nach hinten und mit einem hörbaren Knall gegen seine Zimmertür taumeln. Abgelenkt voneinander merkten die beiden Männer nicht, dass die Erschütterung auf die dünnen Holzwand übersprang. Bis sie den losen Nagel eines dekorativ aufgehangenen Bildes aus der Wand trieb und es mit einem lauten Scheppern zu Boden fiel. Durch den Krach alarmiert, wurde eine der anderen Zimmertüren aufgerissen. Aufgeschreckt stoben Salem und Jack auseinander, wobei der Magier rechtzeitig seine Vermummung vor sein Gesicht ziehen konnte. In den Jahren war er gut darin geworden, seine Maskierung blitzschnell an- und abzulegen.
    Was soll der Krach?“ Aljin trat aus der Tür hinaus, im Anschluss öffnete sich auch Esmes Tür. Die Frauen musterten Salem und Jack und zwangsläufig wanderte ihre Aufmerksamkeit zu dem Bild am Fußboden. „Ist alles in Ordnung?“
    Ist es, danke der Nachfrage. Jack ist lediglich gestolpert und hat dabei das Bild heruntergerissen.“Der Feuermagier beugte sich zu besagten Bild herab, sammelte nebenbei auch den Nagel dazu auf und brachte beides wieder an seinem angestammten Platz an der Wand an.
    Gut, dass du noch wach bist, Aljin,“ lenkte Salem davon ab, was eben passiert ist. Vorrangig sich selbst. „Ich habe mir gedacht, dass es für unsere Reise nach Süden angebracht wäre, uns einen beweglichen Untersatz zu organisieren. Eventuell nimmt uns ein Händler ein Stück auf seinem Wagen mit. Was denkst du darüber?“
    Nach Außen hin wirkte Salem gewohnt gefasst.
    Nicht jedoch in seinem Inneren.

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    Aljin hob die Augenbrauen und sah noch einen Moment zwischen Jack und Salem hin und her. Sie war eine Frau und so schnell machte man ihr nichts vor.
    Ja, klar, gestolpert ..., dachte sie, sagte aber nichts zu der Situation und grinste lediglich in sich hinein. Sollten die Kerle doch machen, was sie wollten. Am Ende war es ihr gleich, Hauptsache, sie musste nicht allein reisen und das schien ihr ja nun erspart zu bleiben. Zumindest Salem hatte dem ganzen zugestimmt und da sich sowohl Jack als auch Esme noch immer in dem Wirtshaus befanden, konnte man das doch auch als stumme Zustimmung bezeichnen. Oder? Sollte sie nachfragen? So weit kam es noch! Entweder sie kamen mit, oder nicht. aber sie würde sich nicht die blöße geben und darum betteln.
    Einen letzten Blick warf sie zu Jack und Salem. Wenn der Magier mit ihr kam, stand es eigentlich außer Frage, dass auch Jack mitgehen würde. Oder?
    Nur hoffentlich veranstalten sie zukünftig, was auch immer sie veranstalten, leise... Ein wenig Schlaf hin und wieder, brauchte auch sie. Obwohl sie sowieso wachgelegen und sich ausgemalt hatte, was sie in Akrabira erwarten würde. Worauf mussten sie sich vorbereiten? Schon damals hatte niemand gewusst, was in den Tiefen der Stadt vor sich ging. Nicht umsonst lag eine Stadt mitten in der Wüste, abseits aller Oasen. Wenn es nichts zu verbergen gab.
    "Klingt nach einer guten Idee", gab sie schließlich von sich, nachdem sie von drei Seiten schon schief angeschaut wurde. In der Wüste würden sie am Ende sowieso Kamele benötigen. Oder andere Tiere, die lang ohne Wasser auskamen. Es brachte niemandem etwas, wenn sie ihre knappen Vorräte auch noch an die Tiere abgeben mussten.
    Sie gähnte gespielt und wandte sich um, um in ihrem Zimmer zu verschwinden. Mehr gab es für sie zu diesem Thema nicht zu sagen.

    Es war nicht sonderlich schwer gewesen, einen Händler zu finden, der bereit war, sie bis in die nächste Stadt mitzunehmen. Wüstenrand lag wie der Name schon sagte am Rand der Wüste und war somit der beste Ort, um sich nochmal einzudecken, ehe es dann langsam in die immer weniger besiedelten und immer weniger bewachsenen Ebenen ging. Zwar kam laut Aljins Karte noch ein kleineres Dorf, aber um Tiere zu kaufen, war eine Stadt deutlich besser, wenn auch teurer. Aber Wenn ihre Gruppe irgendwas konnte, dann billig an Sachen kommen.
    Aljin ließ die Beine vom Wagen baumeln und betrachtete die Karte auf ihren Oberschenkeln. Sie war noch nie gut darin gewesen, Entfernungen zu schätzen, aber einige Tage, wenn nicht sogar Wochen würde die Reise dauern. Hoffentlich gerieten sie in keinen Sandsturm.
    Ein Blick in die grüne Landschaft rief in ihr Sehnsucht nach der Unendlichkeit der Sandmeere hervor. Ein Flaschengeist gehörte in die Wüste und nicht in bewaldete Gebiete. Auf der anderen Seite gehörte ein Flaschengeist aber auch in seine Flasche.
    Aljin fuhr mit der Hand über den schmucklosen Körper des Gefäßes. Hoffentlich erwies sich diese dünne Spur nicht auch als Fehlschlag. Wenn sie schon nicht die Lösung ihres Problemes brachte, dann doch wenigstens einen weiteren Hinweis.
    Sie musste grinsen. Immerhin ging sie den Weg diesmal nicht allein - oder lediglich mit einer Schlange als Begleitung.

  • Jack betrachtete die grüne Umgebung und versuchte die Bäume und Wiesen und den warmen Sommerwind in sich aufzunehmen.
    Ihm war bewusst, dass er in der Wüste sehr lange eine solche Landschaft nicht mehr sehen würde und ihm graut jetzt schon vor den eintönigen Weiten der Wüste. Und um ganz ehrlich zu sein fürchtete er sich vor einem Sandsturm. Er war ein Wolf. Er gehörte in Wälder und Bergelandschaften und wenn ein kleines bisschen Schnee lag, war es auch recht.
    Aber andererseits freute er sich auch auf das Abenteuer. Seit er ein Wolf war, war er als Einzelgänger unterwegs gewesen. Allein schon aus Angst entdeckt und verraten zu werden. Aber in dieser Truppe schien er Gefährten gefunden zu haben, die alle ihr Päckchen zu tragen hatten und sich deshalb nicht darum scherten, wer oder was er war.
    Besonders freute er sich über Salems Gesellschaft. Nach ihrem Kuss am vorigen Abend konnte er zumindest davon ausgehen, dass beidseitiges Interesse bestand. Auch wenn Salem sich zuweilen ein wenig distanziert verhielt. Leider wusste Jack wirklich nicht warum. Die Vehemenz ihrer Begegnung sprach eigentlich Bände. Dennoch ... Aber egal. Noch überwog das Hochgefühl, denn es hatte sich wirklich gut angefühlt.

    Auf dem Wagen holperten sie weiter Richtung Wüstenrand. Die Reise würde etwa zwei Tage dauern.
    Sie wurden von einigen anderen Händlern begleitet, die ebenfalls Richtung Wüste unterwegs waren, um ihre Waren zu verkaufen. Insgesamt umfasste die Karawane rund zwanzig Wagen. Jack fragte sich, ob es auf der Handelsroute eigentlich Wegelagerer gab ...

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  • Ein Schlagloch in der Straße brachte den Wagen zum Schaukeln und riss Salem auf diese Weise aus seinem Nickerchen. Die Arme hinter den Kopf verschränkt, hatte er sich von der Sonne die Nase kitzeln lassen, bis ihm die Augen zu schwer wurden, um wach zu bleiben. Ein Buch lag noch aufgeschlagen und mit den Seiten nach unten auf seiner Brust. Er hatte es beiseitegelegt, nachdem ihm durch das Schunkeln ihres Gefährts in Verbindung damit, rückwärts zu fahren, ein wenig übel geworden war.
    Wie lange sein Schläfchen dauerte, vermochte Salem nicht zu bestimmen. Ihm fiel jedoch auf, dass sich die Landschaft bereits veränderte. Von der Küstenregion durch Wälder und Wiesen, sah man immer weniger Grün und stattdessen weiteten sich karge Grasflächen aus, denen der saftiggesunde Farbton fehlte. Der Boden wirkte steiniger auf Salem. Das Rattern der Räder klang lauter, obwohl sie einen befestigten Weg benutzten.
    Der Feuermagier richtete sich auf. Neben ihm saß Aljin zwischen diversen Säcken voller Waren. Esme und Jack fuhren auf der Ladefläche eines anderen Händlers mit und Salem konnte sie daher gerade nicht sehen. „Na, ausgeschlafen?“, fragte Aljin. Salem schloss daraus, doch etwas länger gedöst haben. Bevor er jedoch etwas antworten konnte, ging ein Ruck durch den Wagen. Und er blieb stehen.
    Die ganze Karawane stoppte abrupt und als Salem neugierig den Hals reckte, erkannte er auch die Ursache ihres ungeplanten Halts: Die Straße vor ihnen war blockiert. Herbeigetragene Überreste irgendwelcher Holzkonstrukte bauten sich wie eine Barrikade auf und verhinderten jegliches weitergekommen. „Oh nein, nicht das… “, hörte Salem ihren Wagenführer ängstlich keuchen. Im nächsten Moment startete der Krawall.
    Von irgendwoher kamen Männer herbei geritten. Ihre Gesichter waren von Kopftüchern verdeckt, doch Salem konnte wettergegerbte Haut und abgenutzte Kleidung erkennen. In Windeseile kesselten sie die ganze Kolonne ein. Einer von ihnen grölte laut: „Keine Mätzchen, verstanden?! Wer meint, den Helden zu spielen, den machen wir einen Kopf kürzer! Ihr steigt jetzt alle von den Wagen herunter und macht eure Taschen leer!“ Als er ausgesprochen hatte, lehnte sich einer seiner Kameraden zu ihm herüber und flüsterte etwas. Der Brüllaffe von eben nickte verstehend und ließ noch einmal seine Stimme erklingen: „Achja, falls Ihr das nicht kapiert haben solltet: Das hier ist ein Überfall!“

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    Aljin betrachtete die komische Meute ausdruckslos. Das sollten Banditen sein? Die Wegelagerer, die ihr im Laufe ihrer Reise begegnet waren, hatten einen furchteinflössenderen Eindruck hinterlassen. Sie kannte Diebe und Banditen und war mehr als einmal mit solchen aneinander geraden. Irgendwann verlor sich der Effekt der Angst. Vor allem dann, wenn der Anführer noch Hilfestellungen brauchte als würde er nur einen Schnupperkurs machen. Furcht lösten diese Witzfiguren nur mit ihrem Gestank aus. Die Meute zog eine Note hinter sich her, die vermuten ließ, dass sie entweder in einem Kuhstall lebten, oder die Kühe in besagtem Kuhstall bereits verstorben aber noch nicht beseitigt waren.
    "Die wollen doch nicht wirklich, dass man sie ernst nimmt ...", grummelte Aljin vor sich hin. So wie die Leute dort standen, und sich der Anführer noch Sachen zuflüstern ließ, erweckte der Haufen eher den Eindruck von einfachen Bettlern. Sehr aufdringlichen Bettlern.
    Stumm beobachteten sie und Salem wie die Banditen bereits die ersten Wägen ausweideten und die Händler um ihr Hab und Gut erleichterten. Auf sehr viel Widerstand stießen sie dabei nicht.
    "Ihr solltet lieber tun, was sie sagen", meinte der Händler, der so nett gewesen war, sie auf seinem Karren mitzunehmen.
    Aljin runzelte die Stirn, sprang aber dennoch leichtfüßig vom Wagen.
    "Kommt das öfter vor?", fragte sie.
    Der Händler leerte brav seine Taschen vor sich und nickte. "Es gibt hier sehr viele Banditen. Von den Oberen kümmert sich ja auch niemand um das Problem." Er sprach leise, wohl damit man ihn nicht hören konnte.
    "Warum macht ihr die Reise dann?" Aljin verschränkte trotzig die Arme.
    "Normalerweise halten sich die Banditen von großen Kolonen fern ", antwortete eine alte Händlerin, die den Karren hinter ihnen beritt und versuchte den Zugochsen zu beruhigen. "Aber die Bande ist größer als sonst."
    "Sie passen sich an", brummte der Mann. Er beendet das Ausräumen seiner Taschen. "Größere Kolonen gleich größere Banditenbanden."
    Aljin stieß die Luft aus. Das Gespräch ermüdete sie und sie bereute es, nachgefragt zu haben.
    "Dafür haben wir keine Zeit", murmelte sie in Salems Richtung.
    Dieser antwortete ihr nicht, sondern beobachtete nur wachsam das Geschehen bei den ersten Gespannen. Dort schubsten gerade einige Banditen Frauen grob herum und lachten und grölten, als hätten sie bereits mehr als ein Fass pro Person gekippt.
    Aljin sah über die Schulter in die weite ebene Fläche. Sie konnten die Karawane einfach ihrem Schicksal überlassen und sich über alle Berge davon machen. Allerdings gab es keine Berge. In den Weiten waren sie leicht zu verfolgen. Und auf rennen hatte sie keine Lust. Die Fahrt auf den Wägen der Händler wäre um Vieles entspannter. Aber das setzte voraus, dass diese auch weiterfahren konnten.
    Als sie zu Jack und Esme blickte, zuckte diese nur ebenso ratlos die Schultern.
    "Taschen leeren!", brüllte ihre eine lästige Stimme ins Ohr und als sie sich umdrehte, stand ein großer hagerer Mann mit Hackennase vor ihr. Eine Nase, die man sogar unter seinem Tuch erkennen konnte.
    "Du hast wohl zu lang in der Sonne gestanden", gab Aljin kühl von sich. "Von dir lasse ich mir keine Befehle geben."
    Im ersten Moment schien der Bandit überrascht, ob dem Gegenwind, doch dann blickte Aljin direkt auf die schartige Klinge eines Säbels.
    "Ich wiederhole mich nicht noch einmal", gab er von sich. Zorn schimmerte in seinen Augen.
    "Werde ich auch nicht." Aljin versuchte die Ruhe zu bewahren. Mit ihrer Magie war sie diesen Typen weit überlegen. Allerdings waren es nicht nur zwei oder drei, sondern eine Zahl, die auf den ersten Blick kaum zu überblicken war. Konnte sie auf die Hilfe der anderen bauen, wenn sie diejenige war, die provozierte? Im Grunde gab es für die drei keine Motivation ihr zu helfen. Auf der anderen Seite gab es auch keinen vernünftigen Grund dafür, dass sie sie überhaupt begleiteten. Und es juckte sie in den Fingern herauszufinden, wie weit sie gehen konnte. Davon abgesehen, nichts in der Welt würde sie dazu bringen, diesem Intelligenzallergiker ihre Flasche zu geben.
    Die Klinge des Mannes begann gefährlich zu wackeln, dann grinste er dreckig und ebenso dreckig schimmerte auch der erbärmliche Rest seiner Kauwerkzeuge. "Du bist nicht von hier", stellte er geistreich fest. "Du bist aus der Wüste." Erkenntnis legte sich in seine verschmutzen Züge. "Du bringst sicherlich eine Menge Gold ein." Ein eindeutiger Glanz blitzte in seinen Augen auf.
    Wenn du wüsstest ...
    Aljin musterte den Mann geringschätzig, ehe sie ihm grinsend und ohne Vorwarnung gegen das Schienbein trat und anschließend das Knie in den Magen rammte. Völlig überrascht, ließ der Dieb seine Klinge fallen. Zeitgleich kam Jaki aus ihrem Ärmel und zischte den zu Boden sinkenden Mann warnend an. Stöhnend wich dieser etwas zurück und funkelte Aljin finster an.
    "Miststück."
    Immerhin bin ich es nicht, die danach riecht ... Sie musste sich beherrschen, ihm nicht vor die Füße zu brechen.
    "Du hast da was verloren", ignorierte Aljin die Beleidigung und hob den Säbel auf. Als würde sie sich von einem dieser Lumpensäcke Angst machen lassen. Dass es jedoch funktioniert hatte, hatte auch sie nicht erwartet.
    "Helden gibt es hier nicht, nein", gab sie mit einem letzten Blick auf den Mann von sich, "ich sehe nur einen Haufen maskierter Hohlköpfe." Den Teil verkündete Aljin laut genug, dass auch der vermeintliche Anführer der Banditen es hören musste. Derweil betrachtete sie die Klinge der Waffe, die deutlich bessere Tage gesehen hatte, ehe sie ihre Aufmerksamkeit bewusst auf den Anführer der Banditen lenkte. "Also geht ihr besser uns aus dem Weg und lasst uns weiterfahren, sonst seid ihr diejenigen, die den Kopf zukünftig unter dem Arm tragen." Ein Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht. "Achja, falls das einige von euch nicht kapiert haben sollten: Der Überfall ist beendet!“
    Weglaufen wäre sicherlich weniger anstrengend gewesen ...

  • Jack beobachtete das Geschehen vom zweiten Wagen aus.
    Esme neben ihm grummelte etwas Unverständliches. Jack ging davon aus, dass die Hexe sich bereit machte ... etwas Hexisches zu tun. Für den Fall eben.
    Er bewunderte Aljin für ihre kühle Art, mit der sie ihr impulsives Handeln immer wieder zur Schau stellte. Das war neben ihrer geheimnisvollen Art und der fremdländischen Herkunft etwas, das sie ziemlich interessant machte. Nicht auf romantische Weise (da hatte er im Augenblick nur Salem im Kopf), aber er würde versuchen Aljin besser kennenzulernen.
    Im Augenblick war er einfach nur dankbar, dass sie die Initiative ergriff. Er konnte nicht wirklich mit Waffen umgehen und war nur als Wolf wirklich gefährlich. Aber er wollte sich auf keinen Fall vor einer Gruppe Händler verwandeln, die schon vor zerlumpten Banditen buckelte ... Warum hatte sich die Karawane nur keine Söldner zum Schutz angeheuert? Jack grübelte.
    "Also geht ihr besser uns aus dem Weg und lasst uns weiterfahren, sonst seid ihr diejenigen, die den Kopf zukünftig unter dem Arm tragen." Ein Grinsen stahl sich auf Aljins Gesicht, sodass Jack unwillkürlich mit grinsen musste. "Achja, falls das einige von euch nicht kapiert haben sollten: Der Überfall ist beendet!“
    Der Mann, den Aljin vermöbelt hatte, hatte sich zwar erholt, wagte aber nicht aufzustehen. Die anderen Banditen machten keine Anstalten etwas zu unternehmen. Sie warteten auf Anweisungen ihres Anführers (auch wenn dieser sichtlich überfordert war). Aber das brachte Jack auf eine Idee. Sie mussten dem Anführer Beine machen. Dann waren die anderen keine Bedrohung mehr. Besagter Anführer schien in Gedanken auch endlich zu einem Schluss gekommen zu sein, denn er rief: "Nein, ist er nicht!"
    "Wohl!", brüllte Jack zurück und sprang seiner Eingebung folgend vom Wagen.
    "Nein!" Der Kerl sprang vom Pferd.
    "Doch!"
    "Nein!" Nun stampfte er sogar mit dem Fuß auf.
    "Doch!" Jacks Stimme nahm einen bedrohlichen Unterton an. Eine Art tierisches Knurren.
    "Nein!" Der Räuber kam auf Jack zu.
    "Doch!" Jack konnte spüren, wie Aljin, Esme und Salem sich förmlich mit der Hand gegen die Stirn klatschten und auch Jack musste sich beherrschen weiterhin ernst zu bleiben und nicht in Lachen auszubrechen.
    "Nein!"
    "Doch!" Nun standen die beiden Nase an Nase und lieferten sich ein Blickduell. Und dann plötzlich, wie aus dem Nichts, ließ Jack zu, dass seine Augen sich kurz in die goldenen Augen eines Wolfes verwandelten. Der Mann zuckte zurück. Dann wurde sein Blick wieder entschlossen und er machte einen Schritt auf Jack zu. Aber da bemerkte Jack aus dem Augenwinkel er, wie Salem, Aljin und Esme neben ihn traten.
    Salem, der den mann um eineinhalb Köpfe überragte und mit seinem Tuch vor dem Gesicht für Fremde extrem gefährlich aussah. Aljin mit dem Säbel, um deren Hals sich Jaki wand und bedrohlich zischelte. Esme, der man in diesem Moment ansah, dass sie mehr als nur eine alte Frau war. Jack spürte die Einheit, die sie zu viert auf einmal bildeten. Und diese Aura schien auch der Bandit wahrzunehmen. Er machte auf dem Absatz kehrt, stieg auf sein Pferd, riss es herum und gab ihm die Sporen.
    Der Rest der Bande, den Männern in der Karawane zahlenmäßig immer noch überlegen stutze. Für einen Augenblick glaubte Jack, dass sie ihrem Anführer nicht folgen würden, aber dann sah man kollektives Schulterzucken und die Räuber zogen von dannen.
    "Das war irgendwie schräg", sagte Jack schließlich.

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  • Hinter seiner Vermummung, seine Gefühle vor den Augen der Außenwelt abgeschirmt, schmachtete Salem Jack für seinen Auftritt an. Das Selbstbewusstsein, mit dem sich der Werwolf den Räubern entgegengestellt hatte, imponierte ihm und erneut verstand Salem nur zu gut, aus welchem Grund die Frauen Jack umschwärmten. „Das-das war-…“, stotterte der Händler, auf dessen Wagen Aljin und Salem mitfuhren und leider Gottes musste Salem seine Augen deswegen von Jack losreißen. „Ihr habt sie vertrieben. Einfach so! Unglaublich.“ Sein Gestammel war nicht die Art des Dankes, mit der Salem gerechnet hätte, trotzdem war es amüsant, den Wechsel zwischen Erleichterung und Fassungslosigkeit auf seinen Gesichtszügen zu beobachten. Wahrscheinlich überlegte er gerade, ob er eine Truppe wie diese – zwei Männer, eine junge Frau und eine Greisin, die ganz ohne Handgreiflichkeiten notorische Banditen in die Flucht schlugen - besser nicht mehr auf seinem Karren mitnehmen oder ob er es jetzt erst recht tun sollte. Die Reihen der Händler teilten seine Reaktion. Die allgemeine Erleichterung wurde von einer beklemmenden Stille des Erstaunens erstickt und alle Blicke haftet auf dem ungewöhnlichen Quartett. „Ich schlage vor, wir setzen unsere Reise fort. Jeder der Anwesenden dürfte ein Interesse daran haben, unser Ziel schnellstmöglich zu erreichen.“, durchbrach Salem dieses Schweigen und deutete gelassen auf die Barrikade vor ihnen. Sein Vorschlag blieb unbeantwortet, denn ein anderer Händler sprang mit kreideweißen Gesicht hervor: „Ich-ich erkenne Euch wieder! Ihr wart in Pugna, als das Feuer ausbrach! Ich sah Euch in der Reihe vor dem Schloss und während Eurer Audienz ist es in Flammen aufgegangen! Ihr habt Pugna niedergebrannt!“
    „Unsinn!“, schrie ein anderer Mann dazwischen.„Wie soll er das angestellt haben? Mit Feuerstein und Eisen?! Diese Leute haben uns gerade das Leben und unsere Einkünfte gerettet! Wie könnt Ihr es wagen, sie zu verleugnen?“
    Weitere Händler fanden ihre Stimmen wieder und mischten sich lautstark ein: „Vier Gesellen die eine ganze Stadt anzünden? Ihr macht euch lächerlich!“
    „Ich hatte Verwandtschaft in Pugna!“
    „Der Regent hat bekommen, was er verdien hat! Ein Hoch auf die Feuerteufel von Pugna!“
    „Hipphipp Hurra!“
    „Bei dem Brand habe ich die Hälfte meiner Lager verloren!“
    „Und mein Zulieferer ist ruiniert! Das kostet mich eine ganze Jahresladung Salz!“
    Alsbald verstrickte sich ein jeder in aufgebrachte Diskussionen über den Brand von Pugna. Manche lobpreisten Salem und seine Gefährten für ihre Tat, andere verfluchten sie und wieder andere bezweifelten gänzlich ihre Schuld. Plötzlich meldete sich ein besonders heiserer Schreihals zu Wort: „Mir fällt es wie Schuppen von den Augen! Es bleibt keine Möglichkeit! Diese Leute sind Feuermagier! Wie die Nomaden des Hariq-Stammes!“
    „Die Nomaden des Hariq-Stammes?“, fragte Salem den Händler, der sie mitnahm. Er bestritt den Vorwurf seiner Magie nicht. Wozu auch? Es stimmte schließlich. Der Händler schien offensichtlich unentschieden, wie er über Salem zu denken hatte. Ehrfurcht stand in seinem Gesicht geschrieben, allerdings auch Furcht, Respekt und so etwas wie Anerkennung. Salem nahm an, dass ihn der Brand von Pugna verängstigte, jedoch nicht direkt betraf. „Die Nomaden des Hariq-Stammes durchstreifen die Wüste. Sie beten das Feuer an und erlauben nur ihren Feuermagiern, Nachwuchs zu zeugen. Es heißt, dass sie Kinder mit anderer Magiebegabung töten und die unbegabten unter ihnen als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.“ Erschrocken hob der Händler die Hände „Aber das sind nur Geschichten, die man sich am Lagerfeuer zuraunt. Ich selbst bin noch nie einem Hariq begegnet.“
    „Ihr werdet diese Leute nicht weiter auf eurem Wagen mitnehmen!“, versuchte ein dickleibiger Mann dem Händler zu befehlen. „Wenn Ihr diesen Monstern Euer Gefährt stellt, dann kaufe ich kein einziges Fass Essig mehr von Euch!“
    „Wie könnt Ihr es wagen ihm zu drohen! Er hilft tapferen Menschen! Sie bieten uns Schutz!“
    Damit begann das unkoordinierte Tohuwabohu von vorn. Jeder dachte, darüber bestimmen zu dürfen, ob die Gruppe bei der Karawane bleiben dürfte. Ein Konsens war nicht herauszuhören, jedenfalls nicht für Salems Ohren. Schließlich war es der Händler, der ihnen folgendes sagte: „Hört zu, ich hege keinen Groll gegen Euch. Aber der Frieden innerhalb dieser Karawane ist für uns alle überlebenswichtig. Es tut mir leid, ich kann Euch deswegen nicht bis zu Eurem Endziel mitnehmen. Jedoch…“, er ließ seinen Blick über die Karren schweifen. „Ich verantworte es, Euch bis nach Jaffa mitzunehmen. Jaffa ist eine kleine Stadt am Rande der Wüste, die wir morgen Abend erreichen werden. Dort könnt Ihr Euch für die Weiterreise rüsten, wohin auch immer es Euch am Ende verschlägt.“ Salem nickte verstehend. Jaffa also.
    Dann sollte es so sein.

    • Offizieller Beitrag

    Jaffa ist eine kleine Stadt, hatte der Händler gesagt. Klein traf die Bezeichnung sehr gut, Stadt war allerdings ein sehr optimistischer Begriff.
    Mit gehobener Augenbraue betrachtete Aljin die Ansammlung einiger aus Stein, Sand und Holz gefertigten Häuser. Zwar herrschte reges Treiben und es gab sogar einen Marktplatz, wenn man die baufälligen Stände als solchen bezeichnen wollte, aber als Stadt hätte sie das Dorf nie betiteln wollen.
    Bedauernd sah sie der Karawane Händler nach, dann seufzte sie und setzte sich in Bewegung.
    "Okay, wir brauchen genügend Decken, Proviant, viel Wasser und ich würde zu Kamelen raten. Mit Gepäck kommen wir ohne nur sehr langsam voran." Sie sah ihre drei Begleiter an und blieb schließlich an Salem hängen. "Ich würde dir auch andere Kleidung anraten, mit den Fetzen wirst du dich zu tote schwitzen."
    "Brauche ich nicht. Das geht." Kurz, knapp, wie von Salem gewohnt.
    Aljin hob die Augenbrauen. Ihr sollte es egal sein, sie hatte ihn gewarnt. Zu einem Händler schleifen würde sie den riesigen Kerl sicherlich nicht. "Auch gut. Mehr Geld für andere Sachen."
    Sie klatschte in die Hände, dann trennte sich die Gruppe in zweier Teams auf. Aljin ging mit Esme kümmerten sich um die Decken und Essen, während Jack und Salem zusammen bei einem Händler vier Kamele erstehen sollten. In dem kleinen Kaff stellte das nicht wirklich eine Trennung dar, weil Aljin sich nur umdrehen musste, wenn sie an dem Stand mit den Datteln stand, da konnte sie am anderen Ende des Dorfes Salem über die Köpfe der anderen erkennen und neben ihm Jack, der mit einem Kerl sprach, der beharrlich seine Kamele verteidigte.
    Stadt, grummelte sie.
    "Ihr seid also auf dem Weg in die Wüste?", fragte er Händler als sich Aljin zurückdrehte.
    "Genau", gab sie sachte lächelnd zurück. Zwar hatte sie kein tieferes Interesse an einem Gespräch mit dem Kerl, aber vielleicht ließen sich aus ihm Informationen gewinnen.
    "Es verirren sich nicht mehr sehr viele Leute in die Wüste", sprach der Händler weiter. "Wohin soll es denn gehen?"
    "Akrabria", antwortete Esme, die fleißig dabei war, alles, was der Stand hergab und einigermaßen essbar aussah in einen Beutel zu stopfen.
    Der Mann runzelte die Stirn.
    "Akrabria? Dahin war schon lange niemand mehr unterwegs."
    "Könnt Ihr uns etwas darüber erzählen?" Es war so lange her, dass auch Aljin in dieser Stand gewesen war.
    Der Kerl schüttelte den Kopf. "Aber der alte Dreiauge kann euch sicherlich etwas erzählen."
    "Dreiauge?" Aljin wiederholte den Namen fragend und gleichzeitig bildete sich in ihrem Kopf ein seltsames Bild. Was für ein bescheuerter Name.
    "Ihr findet ihn meist in der Taverne", der Händler zeigte auf ein steinernes Gebäude mit einem schiefen Schild am Eingang. "Er ist oft in der Wüste unterwegs und kennt sich dort aus wie kein zweiter. Wir lassen uns von ihm die Zukunft vorher sagen."
    So einer war das also. Aljin beschloss den Worten des Händlers nicht zu viel Bedeutung zuzuweisen. Jemand, der von sich behauptete, die Zukunft sehen zu können, konnte nicht mehr alle Kamele im Stall haben. Aber vielleicht würde ein kurzes Gespräch mit ihm doch nicht schaden.
    Aljin bedankte sich und drückte dem Mann einige Münzen in die Hand. Mit etwas Glück würde er erst zu spät bemerken - wenn sie Jaffa schon wieder verlassen hatten - dass es nicht einmal ansatzweise genug Geld war, um all das zu bezahlen, was Esme während des Gespräches mit dem Händler eingepackt hatte.
    Eiligen Schrittes, aber nicht zu auffällig schnell, um Verdacht zu erregen, schloss sie zu Salem und Jack auf.
    "Dann sind wir im Geschäft", meinte der Werwolf gerade und schlug siegreich grinsend mit einem frustriert dreinblickenden Kamelhändler ein. Salem drückte ihm einige Münzen in die Hand und im Austausch bekam Jack die Zügel von 4 Kamelen überreicht. Geknickt fluchte der Händler noch einige unverständliche Worte vor sich hin, dann machte er sich scheinbar daran Stroh von einer Seite des gepflasterten Unterstandes auf die andere zu schieben. Die Köpfe seiner zwei übrigen Kamele folgten ihm dabei träge.
    "Einer der Händler meinte zu uns, dass es in der Taverne einen Kerl namens Dreiauge gibt, der wohl angeblich mehr über Akrabria weiß", begann Aljin, als sie ihren Einkauf unbeeindruckt von der Laune des Kamelhändlers an den Decken und Sätteln der Tiere befestigte. "Meint ihr, man sollte isch mal anhören, was er zu sagen hat?"

  • Dem steht kein Grund entgegen“, antwortete Salem gewohnt kurz auf Aljins Frage. Da ihr aktueller Plan vorsah, ohne ebenjenen ziellos durch die Wüste zu irren, hielt er jeden möglichen Hinweis auf ihr Ziel für ratsam. Gänzlich ungewohnt war hingegen, dass der Magier sich augenblicklich in Bewegung setzte und auf die Taverne zuhielt. Selbst wenn es ein stinkender Pfuhl voller Dung wäre – Salem wollte nur eins: Raus aus der Sonne und das so schnell es ging. Die Hitze brachte ihn unter seiner Kleidung um! Er wusste von Anfang an, dass Aljin mit ihrer Weissagung Recht behalten würde, doch was blieb ihm übrig? Ohne seine Vermummung würde er keinen Meter weit kommen, bis ihn die angewiderten Blicke durchbohren würden. Die seiner Gefährten eingeschlossen. Aljin, Jack und Esme würden sich zeitig genug verekelt von ihm abwenden. Salem kannte sich mit dem hiesigen Modegeschmack nicht aus, doch allein Aljins Kleidung verriet ihm die Freizügigkeit. Und diese kam für Salem absolut nicht in Frage.
    Allein die Zeit, in der er und Jack mit dem Kamelhändler verhandelt hatten, ließen Sturzbäche an Schweiß auf Salems Stirn auftreten. Fast hätte er den Werwolf darum gebeten, die Kamele für jeden Preis zu kaufen, den der Händler verlangte. Als er die Taverne betrat, war Salems schwarzer Haaransatz bereits durchnässt. Leider erwiesen sich die Temperaturen im Gebäude nur wenig gemäßigter, denn draußen.
    Wir suchen Dreiauge“, hörte Salem Aljin nach dem Weissager fragen und der Wirt deutete auf eine in weite, farbenfrohe Gewänder verhüllte Gestalt in der Ecke des Schankraums. Der Mann zählte bereits einige Dekaden in seinem Leben und man erkannte auf Anhieb, wieso die ansässigen Menschen ihn Dreiauge tauften: Auf seiner Stirn, genau mittig der Augen, bedeckte ein aufgemaltes Auge seine Haut. Salem bemerkte die wettergegerbte Haut sowie die abgeschlossenen Abnutzungserscheinungen seiner Kleidung.
    Die Gruppe näherte sich seinem Tisch. Noch ehe sie ein Wort des Grußes an ihn richten konnten, sprach er sie bereits an. Seine Augen waren dunkel und milchig. Womöglich sah dieser Mensch nicht mehr gut; zumindest was sein anatomische Optik anging. „Ich grüße euch. Wie ich weiß, sucht Ihr mein Wissen über die Wüste und das Ziel, welches Ihr verfolgt.“ Salem beschloss, dieses Begrüßung nicht als Beweis seiner Fähigkeiten zu werten. Es stellte keine Herausforderung da, in einem relativ leeren Schankraum das Gespräch am Tresen mitanzuhören. Dreiauge richtete sein Augenmerk auf Salem.„Euch, mein magischer Freund, kann ich eins verraten: Ihr werdet Euch in dieser Kleidung zu Tode schwitzen.“
    Was ich sagte“, flötete Aljin. Salem zeigte seinen konsequenten Stoizismus.
    Mit seiner Hand deutete Dreiauge ihnen an, Platz zunehmen, was sie auch taten. Indem dem er den Kragen seines Hemds schnell vor- und zurückzupfte, versuchte Salem etwas Luft unter den Stoff zu wedeln. Wenig erfolgreich.
    Jack kam gleich zur Sache und Salem hätte ihn dafür angeschmachtet, wenn die Wärme ihn nicht vollends im Griff halten würde: „Uns wurde gesagt, Ihr könntet uns Informationen über die Wüste geben. Über Akrabria, um genau zu sein.“
    Akrabria, dort pilgert schon längst niemand mehr hin.“ Dreiauge musterte die Gruppe.
    Wieso? Ist der Weg dorthin so gefährlich?“, wollte Esme erfahren und die Antwort lautete: „Nein.“
    Dann ist er beschwerlich und langwierig?“, hakte Jack nach. Er bekam eine Ähnliche Auskunft „Nö.“
    Der Ort ist verflucht?“, tippte Aljin. Und auch sie verfehlte die Wahrheit: „Nicht mehr, seit vor vielen Jahren diese Gruppe Abenteurer den Fluch auf sich geladen und mit in die Welt getragen haben.“
    Dreiauge schien das ganze irgendwie Spaß zumachen. Ein kindliches Lächeln verriet seine Vorfreude auf den nächsten Versuch der Gruppe und sah dabei Salem an. Als einziger gab er bisher keinen Tipp ab. Salem plädierte gedanklich dazu, dieses Ratespiel nicht länger fortzusetzen. Für solche Späße war es ihm einfach viel zu warm und zu stickig unter seiner Vermummung. Also sagte er: „Es pilgert niemand nach Akrabria, weil es dort nichts zu sehen gibt und man die Ruine nicht betreten kann.“
    Ein kleines bisschen enttäuscht verzogen sich Dreiauges Mundwinkel. Dann bestätigte er, dass Salem richtig lag: „So ist es, Freund. Kein Reisender weiß, wo sich der Zugang zur Ruine befindet. Der Wüstensand hütet dieses Wissen wie ein Geheimnis. Selbst ich vermag nicht zu sagen, wie sich der Eingang finden lässt.“
    Aljin machte Anstalten, aufzustehen und den Tisch zu verlassen, doch Dreiauge gebot ihr mit einem Handzeichen, sich wieder zusetzen. „Aber ich kann Euch verraten, wie ihr ihn finden könnt. Ihr müsst den Wüstenwind um Hilfe bitten, doch der verlangt ein Opfer.“
    Da klingt nicht gut...“, murmelte Jack. Von seinem Einwurf ließ sich Dreiauge nicht beirren: „Die zerstampfte Kralle eines Mantikor muss als Puder dem Wind in Akrabria übergeben werden. Dann wird er Euch den Weg weisen.“
    Und das ist alles um in die Ruine zu gelangen?“Skeptisch runzelte Esme die Stirn und Salem schloss sich dieser Mimik an. Selten begnügte sich das Schicksal mit so wenigen Aufgaben. Ein Kopfschütteln gab seiner Befürchtung recht.
    Ihr werdet noch zwei weitere Anforderungen erfüllen müssen, ehe Akrabria Euch zutritt gewährt. Doch ohne den Zugang nützt Euch alles weitere nichts. Ihr werdet mich konsultieren, sobald Ihr den Mantikor gefunden habt.“
    Jack und Aljin setzten zu einer Diskussion an, doch Salem hielt es nicht mehr aus. Wortlos stand er abrupt auf und verließ die Taverne. Schnellen Schrittes betrat er den angrenzenden Stall; es befanden sich nur zwei Kamele darin. Der Magier lief bis in die hinterste Ecke. Dort würde ihn niemand sehen, der den Stall betrat. Wie erlösend es sich anfühlte, sich das Tuch vom Gesicht zu reißen und Luft an die Haut zu lassen, auch wenn es nur der abgestandene Mief von Heu und Tier war. Wie Aljin sagte: Seine Kleidung würde bei diesem Wetter sein Tod sein.

  • Jack blickte Salem nach, der urplötzlich und beinahe fluchtartig die Taverne verließ. Er warf Esme und Aljin einen fragenden Blick zu, aber die zuckten nur mit den Schultern. Also ergriff der Werwolf die Initiative und folgte dem Magier.
    Er fragte sich, was Salem wohl dazu bewegt hatte einfach zu verschwinden. Das Gespräch war doch gut verlaufen und es war nichts gesagt worden, was in irgendeiner Weise hätte unhöflich oder verletzend sein können. Auch wenn Jack sich fragte, was zum Henker ein Mantikor sein sollte. Allerdings, wenn der Wüstenwind ein Opfer verlangte, war es sicher nichts harmloses ... und Kralle klang jetzt auch nicht nach einem süßen Häschen ... Jack seufzte. Einerseits freute er sich auf die Reise, aber andererseits graute es ihm auch davor. Die Hitze. Die Reise. Die Rätsel ... und sicher gab es in der Ruine auch versteckte Fallen.
    Als Jack hinaus ins Tageslicht trat, sah er Salems dunkle Gestalt in den Stall schlüpfen. Was wollte er ausgerechnet dort?
    Ohne zu zögern ging der Werwolf ebenfalls in den Stall. Die Tür knarrte leise, als er sie öffnete und er musste ein paar Mal blinzeln, ehe sich seine menschlichen Augen (Wolfsaugen waren in jeder Hinsicht so viel praktischer!) an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Suchend blickte er sich um. "Salem?", rief er.
    Er bekam keine Antwort, dafür klang ein hektisches Rascheln aus der letzten Box, in der kein Kamel stand.
    Jack ging darauf zu und blickte hinein. Dort stand tatsächlich der Magier mitten im Heu.
    Jack grinste. "Was machst du hier?" Wie Salem hier so im Stall herum stand, konnte Jack nicht verhindern, das ein gewissen Kopfkino bei ihm einsetze. Unwillkürlich trat in er die Box und schloss die Tür. Er dachte an den Kuss, den er und Salem schon getauscht hatten und ohne Salems Antwort abzuwarten, war er schon bei Magier angekommen. Jack legte die Hände auf Salems schmale Hüfte. Salem beugte sich ihm entgegen und zog wie beim letzten Mal im letzten Moment das Tuch herunter, sodass ihre Lippen sich trafen. Diesmal war es Jack, der Salem gegen die Wand drängte und ihn nicht mehr freigab. Seine Hände strichen über den großen, maskulinen Körper des Magiers und genossen, wie sich dessen Muskeln erregt unter seiner Berührung anspannten.
    Wie genau es geschehen war, wusste Jack nicht, doch nun hatte Salem die Führung übernommen. Gemeinsam sanken sie in einen Heuhaufen. Salem ließ von Jacks Mund ab und begann sich seinem Hals zu widmen. Die Hände des Magiers glitten unter sein Hemd und Jack erzitterte. Salem schob es immer weiter nach oben und seine Küssen zogen eine kribbelnde Spur über Jacks Brust immer weiter nach unten.
    Jacks Atmung beschleunigte sich. Er vergrub seine Hände in Salems Haaren und stöhnte genussvoll auf.


    Nach einer Weile, die Jack endlos und doch viel zu kurz vorgekommen war, lagen sie nebeneinander im Heu. Jack hatte seine Hose zwar wieder an, aber war immer noch Oberkörperfrei. Salem hatte noch alles an. Selbst das Tuch hatte er wieder über sein Gesicht gezogen, ehe Jack einen Blick darauf hatte erhaschen können. In seiner Ekstase hatte er ganz vergessen hinzusehen ... Aber Jack machte das nichts aus. Er mochte das Geheimnis an Salem. Dennoch ... Jack strich sich unsicher durch die Haare.
    "Salem ... also ... hör mal. Ich würde auch gern bei dir ... also wenn du verstehst, was ich meine. Aber ich habe das Gefühl, dass es dir unangenehm wäre, deine Kleidung ... Ich also ... ich will dich zu nichts drängen, bei dem du nicht wohl fühlst und du musst mir meinetwegen auch nicht sagen warum, auch wenn ich es gern wissen würde, also falls du drüber reden willst. Ich meine nur, also ich hätte ein offenes Ohr, aber du musst natürlich nicht ..." Jack machte eine Kurze Pause. Er redete wirres Zeug, Und auch, wenn es stimmte, dass er bei Salem nur zu gerne auch mal Hand anlegen wollte, so wollte er Salem auf keinen Fall unter Druck setzen und ihn so von sich stoßen. Also versuchte er dem Thema eine andere Richtung zu geben. "Egal, ich möchte sagen: Auch, wenn du sehr an deiner Kleidung zu hängen scheinst, solltest du dir für die Wüste etwas luftigeres suchen. Ich meine, es gibt ja auch langärmlige Hemden und lange Hosen, die leicht und außerdem nicht schwarz sind ... Aljin könnte dir bestimmt helfen, etwas Vernünftiges zu finden. Was meinst du?"

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Die Hitze in seinen Eingeweiden machte Salem beinahe noch mehr fertig, denn die Außentemperaturen. Seine Begegnung mit Jack war…überaus spontan abgelaufen. Spontan, unvorhersehbar und absolut ungeplant. Aber Salem konnte sich nicht helfen; Jack übte eine Anziehung auf ihn aus, der nicht einmal sein Stoizismus Einhalt bieten zu vermochte. Und als sich der Werwolf schließlich auch noch an ihn schmiegte, wie sollte Salem es da schaffen, sich zusammenzureißen? Das Gefühl von Jacks Haut und ihr leicht salziger Geschmack benebelte Salem wie Opium die Sinne und sein kehliges, genussvolles Stöhnen hätte den Magier beinahe dazu gebracht, selbst miteinzustimmen, wenn sein Mund nicht bereits beschäftigt gewesen wäre.
    Doch nun füllte Jack die Luft mit seinem wirren Geplapper. Sein nervöser, verunsicherter Schwall an Worte ließen Salem innerlich seufzen. Weshalb schien Jack derart überfordert, obwohl er den Frauen jedes Mal selbstbewusst gegenübertrat? Der einzig offensichtliche Unterschied bestand darin, dass es sich bei Salem um einen Mann handelte. Unter seinen Lippen war Jack förmlich hinweggeschmolzen, doch nun genierte er sich, offen über ihre verbrachte Zweisamkeit zu reden. Lag Jacks Verunsicherung also an Salem? Dabei hätte sich der Magier am liebsten ein zweites Mal auf ihn gestürzt, als er seinen Wunsch auf Gegenleistung vor sich hin stotterte – und ihn aber dann mit einem tollpatschigen Themenwechsel beiseite wischte.
    Salem seufzte erneut, dieses Mal hörbar. Man würde ihn wohl nie wegen seiner Kleidung in Frieden lassen, solange sie durch die Wüste reisten. Nicht, dass er die Sorge seiner Begleiter nicht zu schätzen wusste. Er sah lediglich die Aussichtslosigkeit in ihrem Unterfangen.
    Die Sonne stach, es herrschten hohe Temperaturen. Salem gab nach: „Dann werde ich Aljin fragen.“

    Das tat er auch. Er fand die junge Frau im Schankraum der Taverne. Mehr als fünfzehn bis zwanzig Minuten konnten er und Jack nicht weggewesen sein. „Aljin“?
    „Hm?“
    Wie immer reduzierte Salem das Gespräch auf das nötigste: „Kannst du mir passende Kleidung empfehlen?“

    • Offizieller Beitrag

    Aljin hob die Augenbrauen.
    "Warum auf einmal?", wollte sie wissen.
    "Ich hatte eben einen kleinen... Schwächeanfall, der sicher mit der Hitze zusammenhängt."
    Wäre es anatomisch möglich gewesen, hätte Aljin ihre Augenbrauen noch weiter in die Stirn gezogen.
    "Klar", gab sie lediglich von sich, dann erhob sie sich und klatschte freudig in die Hände. "Dein Glück, dass ihr lang genug weg wart und diese Stadt nicht sehr groß ist", sie beugte sich etwas zu Salem vor, "und dieser Dreiauge echt verdammt unheimlich ist." Sie kramte in ihrer Tasche. Tatsächlich hatte sie sich gerade in dem Moment, in dem Salem wieder zur Tür hereingekommen war, wieder auf einen Stuhl gesetzt. Ihr war klar gewesen, dass sie früher oder später noch neue Kleidung für Salem brauchen würden, ob er das wollte, oder nicht. So war es ihr jedoch deutlich lieber, als wenn der Kerl erst mitten in der Wüste einfach kollabierte. Sie schickte ein gedankliches Stoßgebet an Jack. Egal, was er gemacht hatte, es hatte geholfen.
    Sie zupfte einige bläuliche Stoffstücke aus ihrer Tasche, darunter eine lange weite Hose und ein ebenso luftiges Baumwollhemd, dass mit langen weiten Ärmeln versehen war und in der Regel bis zu den Knöcheln reichen sollte.
    Aljin musterte Salem.
    Bei ihm wohl eher nur bis knapp unter die Knie.
    Dazu drückte sie Salem noch eine lange Stoffbahn in die Hand, die als Gürtel Verwendung finden würde und Tücher, damit Salem sein Gesicht verstecken konnte.
    "Ich habe die größten Sachen genommen, die der Kerl hatte. Der dachte, ich will einen Riesen einkleiden. Also wehe es passt nicht."

    Es war Salems Glück, dass die Sachen tatsächlich passten. Zwar hätten sie an der einen oder anderen Stelle durchaus etwas länger ein können, und eigentlich müsste die Hose auf dem Boden schleifen. Aber da Salem Stiefel trug, würde es schon gehen. Zumindest sah man nichts.
    "Wo wir das Problem gelöst haben", meinte Esme. "Wo finden wir jetzt einen Mantikor, wie es der alte Dreiauge erzählt hat." Die Hexe schwieg. "Und trauen wir ihm überhaupt?"
    Die Frage war berechtigt. Es machte keinen Sinn in die Wüste zu rennen, um dort eine untergegangene Stadt zu suchen, wenn man dann vielleicht nicht hineinkam.
    Aljin schlug sich innerlich selbst. Sie hätte die letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte ihre Heimat mehr im Auge behalten sollen. Wobei Akrabria schon zu ihrer Zeit eher ein Mysterium war. Handelsstadt und belebt. Aber den Weg dorthin hatte sie sich schon damals nicht gemerkt.
    Sie holte die Karte, die sie sich vor einigen Tagen besorgt hatten, aus ihrer Tasche und breitete sie auf dem Tisch aus.
    "Also der Händler damals meinte, dass Akrabria hier ist." Sie deutete auf einen unbeschrifteten Fleck mitten in der Wüste. "Das Gebiet könnte riesig sein und Akrabria schon längst unter einer Schicht Sand begraben. Die Wüste ist launisch." Nachdenklich legte sie ihre Hand an das Kinn. "Dass die Wüstennomaden ab und an den Wind um Hilfe bei der Suche nach ihrem Ziel bitten, habe ich schon gehört." Vertraute sie diesen Menschen mittlerweile genug, um ihnen preiszugeben, dass sie ein Flaschengeist war, oder zumindest, dass sie weitaus älter war als sie aussah? "Zu meiner Zeit haben Reisende oft von einem Nest aus Mantikoren in der Nähe einer großen Oase gesprochen. Die Tiere hätten sich wohl in die Wüste an diesen entlegenen Ort zurückgezogen, weil sie wegen ihres Fells gejagt wurden." Sie zuckte die Schultern. "Ob diese Information heute noch aktuell ist, kann ich nicht sagen." Sie sah in die Runde. "Aber ein Versuch wäre es wert."
    "Wo liegt die Oase?", wollte Jack wissen.
    Aljin suchte die Karte ab.
    "Hier", meinte sie und deutete auf einen grünen Punkt ziemlich weit in der Wüste.
    "Das sieht unglaublich weit aus. In der Zeit haben wir Akrabria auch so gefunden", stöhnte Jack genervt auf.
    "Ich habe gehört, dass ein Nomadenstamm neulich von einem Mantikor angefallen worden sein soll", mischte sich ein Kerl am Tisch neben ihnen in das Gespräch ein.
    Die Gruppe wandte sich dem Mann zu.
    "Nur ein paar Tagesreisen von hier, nur knapp hinter dem Rand der Wüste", sprach der Mann in seinen Bierkrug weiter.
    "Was ein Zufall", knirschte Aljin mit den Zähnen. Seit Ewigkeiten hatte sie von keinen Sichtungen mehr gehört und nun, da sie diese Krallen brauchten, tauchte ein Mantikor in ihrer unmittelbaren Nähe auf.
    "Na dann", meinte Jack und wandte sich wieder an die Freunde. "Schauen wir uns das doch mal an."
    "Ich habe ein komisches Gefühl dabei", nuschelte Aljin vor sich hin.

  • Codrac hatte die Gruppe beobachtet, seit sie in der Stadt angekommen waren. Das war allerdings auch nicht sonderlich schwierig gewesen, denn Jaffa war weder eine große Stadt noch waren die Reisenden sonderlich unauffällig. Besonders der große und vermummte Mann fiel auf. Ihm selber machte die Hitze schon zu schaffen, Joska hechelte fast ununterbrochen und da mochte er sich kaum vorstellen, wie der Vermummte sich unter seinen Gewändern fühlte. Das er jetzt was anderes trug, machte es auch nicht besser.
    Schließlich hatte er dann von ihrem gesteigerten Interesse an einen Mantikor und der Wüste gehört und es kam ihm ziemlich gelegen, die Unterhaltung zu unterbrechen und ihnen von dem Gerücht zu erzählen. Genau genommen war es nicht einmal ein Gerücht, denn er war selber in der Nähe gewesen, als es passiert war. Aber das brauchte er denen ja noch nicht auf die Nase zu binden. Möglicherweise hielten sie ihn am Ende noch für einen dieser Nomaden.
    Wie dem auch sei. Er sah keinen Grund, der Gruppe sein Wissen vorzuenthalten.
    „Ich habe gehört, dass ein Nomadenstamm neulich von einem Mantikor angefallen worden sein soll“, mischte er sich deshalb in die bisherige Unterhaltung ein, woraufhin sich alle zu ihm umwandten.
    Augenblicklich beschlich ihn ein seltsames Gefühl, möglicherweise war das aber nur dieses scheußlich schmeckende Bier.
    „Nur ein paar Tagesreisen von hier, nur knapp hinter dem Rand der Wüste“, sprach Codrac, während er sich bereits wieder seinem Gesöff zuwandte.
    „Was ein Zufall“, hörte er die junge Frau sagen. Wenn er richtig gehört hatte, so hatte der große Kerl sie vorhin Alijn genannt.
    Es wurden noch weitere Worte gewechselt, was Codrac aber nicht wirklich verstand.
    Er hätte nichts dagegen, der Gruppe dorthin zu führen oder zumindest zu begleiten. Immerhin wusste er, was auf sie zukam. Verstohlen kraulte er Joska hinter dem Ohr und leerte den Becher in einem Zug.
    „Ich könnte euch begleiten“, schlug er laut vor und wieder einmal drehten sich die vier gegensätzlichen Menschen zu ihm herum. „Also ich und Joska, sie muss mit mir kommen“, setzte er noch einmal nach, als niemand antwortete.

  • Jack wandte sich an seine Gefährten und zuckte mit den Schultern.
    Er hatte nichtsdagegen. Je größer die Gruppe, desto lustiger würde die Reise werden.
    Außerdem schien die Hündin, Joska hatte er sie genannt, sehr an ihm zu hängen. Dem Instinkt eines Hundes konnte man getrost vertrauen, schließlich waren sie die kleinen Geschwister der Wölfe.
    Da von sich von seinen Gefährten niemand vehement gegen die Begleitung des Kerls aussprach (auch wenn zugegebenermaßen auch niemand in Freudenjubel ausbrach), sie aber jemanden, der sie in der unbekannten Wüste führen würde, gut gebrauchen konnten, drehte er sich zurück zu dem jungen Mann und reichte ihm seine Hand.
    "Jack", stellte er sich vor und lächelte.
    Der Mann blickte von seinem Getränk auf und erhob sich dann.
    "Codrac", erwiderte er mit festem Händedruck.
    "Also dann, Codrac, bist du Bereit oder müssen wir dir noch ein Kamel und Proviant besorgen?"

    Wie sich herausgestellt hatte, brauchte Codrac zumindest keinen Proviant. Jack spürte allerdings Aljins Unruhe. Sie schien wirklich dringend loslegen zu wollen. Also übernahm er die Besorgung des Kamels. Und so kam es, dass sie die Stadt Hals über Kopf verlassen mussten.
    Aber war konnte Jack dafür, wenn jemand sein armes Kamel einfach an einem Pfosten anband, während der Besitzer sich in einer Schenke (für die Größe der Stadt gab es hier erstaunlich viele) volllaufen ließ.
    Gerade als Jack das Kamel losgebunden hatte, taumelte der Besitzer hinaus auf die Straße. Er brauchte einige Sekunden, um seinen schielenden Blick auf sein Reittier und somit auf Jack zu fokussieren.
    "Haltet den Dieb!"
    Aber die wenigen Augenblicke hatten Jack gereicht, um sich auf das Kamel zu schwingen und es anzutreiben. Kamele waren sonst eigentlich gemütliche Tiere, doch die Striemen an seinen Flanken zeigten, dass der Betrunkene es nicht gerade gut behandelt hatte. Es schien seine Chance zur Flucht zu erkennten und preschte durch die Gassen der Stadt.
    Salem, Aljin, Esme und Codrac warteten am Stadtrand auf ihn.
    Erstaunt beobachteten sie, wie Jack auf seinem Kamel an ihnen vorbeisprintete. Erst als Jack im vorbeireiten "Los! Los! Los!" brüllte und wenige Augenblicke später die Stadtwache um die Ecke gefegt kam, begriffen die anderen, was geschehen sein mussten und trieben ihre Kamele ebenfalls an und hinaus in die Wüste.
    Einige Meilen später hatte die Stadtwache aufgegeben. Sie hatten nicht genug Wasser und Proviant dabei, um bei einer längeren Verfolgungsjagd mithalten zu können.
    So trabten sie nun gemütlich über Sanddünen.
    "Auf dem Rückweg müssen wir wohl einen kleinen Umweg machen", grinste Jack die anderen an.
    Er hatte schon lange nichts mehr gestohlen und erst jetzt bemerkte er, dass er das etwas vermisst hatte.

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  • Die Hitze drückte. Das war ein Fakt.
    Abermals hob Codrac den Wasserschlauch an die Lippen und nippte daran. Sie mussten sparsam sein, was zumindest für ihn nicht einfach werden würde. Zumal er noch teilen musste. Er warf einen Blick auf Joska, die gemächlich neben seinem Kamel hertrabte. Sie hechelte heftig, aber ansonsten war sie sehr ruhig und ihr Kopf war stur geradeaus gerichtet.
    Schließlich wandte Codrac den Kopf um und versicherte sich damit, dass bei der restlichen Gruppe alles in Ordnung war. Sie hatten nicht weiter über den beherzten Aufbruch gesprochen, was Codrac auch Recht war. Er wollte die Gruppe zum Nomadenstamm bringen und dann würden sie ohnehin wieder ihre eigenen Wege gehen wollen. Aber vielleicht bestand ja der Hauch einer Möglichkeit, dass er weiterhin bei ihnen bleiben durfte.
    Darüber konnte er sich später noch Gedanken machen. Er richtete seinen Blick wieder nach vorn. Jetzt musste er nur noch den Weg finden und das gestaltete sich nicht als einfach, denn die Wüst war ständig in Bewegung und die Spuren sicherlich schon längst wieder weggeweht. Er konnte eigentlich nur hoffen, dass Joska etwas witterte.
    Und als hätte sie seine Gedanken gelesen, hob sie schlagartig den Kopf und blieb für einen kurzen Moment stehen.
    Codrac trieb sein Kamel etwas an und stieß einen scharfen Pfiff aus. Sofort schloss Joska zu ihm auf und setzte sich schließlich an die Spitze.
    Und dann – am Horizont – konnte er vereinzelte Schemen sehen. Ob es sich um Menschen handelte, konnte er nicht sagen. Aber es sah viel versprechend aus und immerhin hatten sie keine andere Wahl, als jedem Hinweis zu folgen.
    Etwas misstrauisch machte es ihn aber schon. Er hatte mehrere Tage zu Fuß gebraucht, um die Stadt zu erreichen. Entweder reisten die Nomaden langsamer oder sie mochten den Aufenthalt in der Wüste.
    Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Aljin zu ihm aufschloss. Sie hatten sie am Stadttor miteinander bekannt gemacht, während Jack das Kamel besorgt hatte.
    „Ist das der Nomadenstamm!?“, wollte sie wissen.
    „Keine Ahnung“, gab er ehrlich zurück. „Ich will es hoffen.“
    Wenige Augenblick später verlangsamten sie ihr Tempo, denn tatsächlich handelte es sich genau um den Stamm, der vor ein paar Tagen angefallen wurde. Warum sie noch immer hier verweilten, war Codrac ein Rätsel.
    Als einige Stammesangehörige ihre Ankunft bemerkten und sich ihnen zuwandte, hob Codrac die Hand zum Gruß. Mit einem leisen Pfiff holte er Joska neben sich, zügelte sein Kamel und stieg schließlich ab.
    Ein Mann mittleren Alters trat auf die Gruppe zu. Er zog sein Tuch ein, welches er bis zu den Augen hochgezogen hatte, herunter und beschattete sein Gesicht mit der Hand.
    „Willkommen Fremde“, begrüßte er sie zurückhaltend. „Wir wollen keinen Streit, also sagt uns, was Ihr wollt.“
    Da niemand sonst aus der Gruppe das Wort ergriff, trat Codrac etwas näher an den Mann heran.
    „Ich war schon einmal bei euch, vor ein paar Tagen“, erklärte er halblaut. „Als der Stamm von dem Mantikor angegriffen wurde, erinnert Ihr Euch?“
    Der Mann schien mit sich zu hadern und blickte nervös von einem zum anderen.
    „Ja“, gab er zu. „Vielmehr erinnere ich mich an Eure Hündin.“
    Codrac überging die Bemerkung.
    „Sagt, können meine Gefährten Euch einige Fragen zu diesem Angriff stellen?“, fragte er geradeheraus und bemerkte, wie die anderen mit ihren Kamelen sich zu ihm gesellten und das Gespräch verfolgten.
    Wieder diese abschätzigen Blicke des Mannes und schließlich ein Kopfnicken. „Meinetwegen“, sagte er dann und drehte sich um. „Aber nicht hier. Eure Kamele könnte ihr dort anbinden.“ Er deutete auf einige in die Erde geschlagenen Holzpfeiler. „Und dann folgt mir.“
    Er wandte sich der Gruppe um. „Wir sind hier richtig und ich hoffe, dass ihr etwas mit den Informationen anfangen könnt.“

    • Offizieller Beitrag

    Aljin zuckte die Schultern band ihr Kamel an einem Stab an, den man direkt neben dem Wasserlos der Oase tief in den Sandboden getrieben hatte. Stumm wartete die dann, bis auch die anderen ihre Tiere angebunden hatten. Erst dann folgte sie dem fremden Nomaden ins Innere eines Zeltes, das direkt neben einem dürren Busch stand.
    Das Zelt war schlicht eingerichtet, sicherlich, immerhin musste es schnell auf- und abzubauen sein. Lediglich einige wenige Habseligkeiten lagen herum und ein Nachtlager aus Decken und Tüchern. So wie Aljin das sah, schliefen in diesem Zelt mindestens sieben Personen. Vermutlich die komplette Familie des Nomaden.
    "Also, welche Fragen habt ihr?", der Mann blieb neben seinem provisorischen Nachtlager stehen und betrachtete die Gruppe. Wirklich freundlich wirkte er nicht, aber darauf setzte Aljin auch nichts, solang er ihre Fragen beantwortete.
    "Wir suchen den Mantikor, der euch angegriffen hat", kam sie gleich zum Punkt. Es brachte nichts, um das eigentliche Thema herumzureden.
    "Den Mantikor?" Der Nomade hob misstrauisch die Augen. "Warum?"
    "Jemand hat uns gesagt, dass wir die Kralle eines Mantikor benötigen, um nach Akrabria zu kommen", meinte Jack freundlich.
    "Nach Akrabria?" Mit einem Mal wirkte der Mann noch verschlossener als zuvor. Wusste er etwa mehr?
    "Wisst Ihr etwas darüber?", fragte sie deshalb. Ertappt wandte sich der Nomade um.
    "Akrabria fiel vor vielen Jahren der Wüste zum Opfer", meinte er. "Niemand wagte sich mehr in deren Nähe."
    "Dann wisst Ihr, wo sie liegt?"
    "Genau weiß das niemand mehr. Aber es gibt Legenden."

    Aljin rollte genervt die Augen. Legenden. Immer hieß es, dass es Legenden gäbe. Aber konkrete Anhaltspunkte hatte nie jemand.
    "Es gibt einen steilen Felsen nur wenige Tagesreisen von hier. Die Nomanden meiden die Umgebung um diesen. Viele Wanderer sind dort bereits verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Es heißt, Sandstürme würden dort plötzlich kommen und gehen und jeden verschlingen, der dem Felsen zu nahe kommt. Die Legende besagt, dass Akrabria dort in der Wüste vergraben liegt und ein Wüstengeist sie mit sich in die Tiefe gerissen hat. Der Felsen soll angeblich der Turm des ehemaligen Palastes des Sultans sein."
    Wüstengeister. Was für ein Blödsinn, moserte Aljin gedanklich. Sie hatte so lange in der Wüste gelebt, sehr viel länger als Menschen. Und noch nie war sie einem Wüstengeist begegnet.
    "Klingt nach einem Ort, den wir uns mal näher anschauen sollten, oder?" Sie sah zu den anderen. "Also wo finden wir den Mantikor?" Wenn es stimmte, was der alte Kerl in der Taverne gesagt hatte, brachte es noch gar nichts, den ungefähren Ort von Akrabria zu kennen. Sie mussten den Eingang finden und der offenbarte sich nur, wenn man diese Opfer aufbrachte. Und sie hatte sicherlich keine Lust, sich in einen Sandsturm zu werfen und am Ende nicht einmal den Schlüssel dabei zu haben, um auch die Tür zu öffnen. Vielleicht hatte der Alte Recht und sie fanden so einen Weg in die Tiefe der Wüste, oder aber um diese Sandstürme herum.
    Der Mann musterte sie und warf anschließend Blicke zu den anderen. Sein grimmiger Blick nahm etwas Sorgenvolles an.
    "Er verschwand Richtung Osten, Richtung Wüste. Er hat uns letzte Nacht erneut angegriffen. Vielleicht holt ihr ihn noch ein."
    Aljin nickte.
    "Na dann, holen wir uns mal die Krallen von diesem Viech."

  • Jack hatte eigentlich gehofft, dass sie bei den Nomaden eine kleine Pause einlegen würden.
    Er hatte Hunger und der Topf über dem Lagerfeuer, um den mehrere Frauen fleißig herum flirrten, hatte einen allzu köstlichen Geruch verströmt. Dass sie dann trotzdem aufbrachen, erleichterte den Werworlf trotzdem in mehrerer Hinsicht.
    Zum einen waren ihm die Zelte aufgefallen, aus denen Stöhnen und Wimmern drang und aus denen Helfer mit blutigen Binden heraus und mit frischen wieder hineingingen. Scheinbar hatte der Mantikor ziemlichen Schaden angerichtet. Die Nomaden brauchten keine zusätzliche Belastung in Form von hungrigen Wanderern. Zumal sie eh nicht so begeistert von ihrem Besucht waren, obwohl sie Codrac kannten. Was die Frage aufwarf, ob sie allgemein gegen Fremde abgeneigt war oder ob Codrac Mist gebaut hatte. Sie kannten den Neuen ja schließlich nicht, wer wusste also, was er verbockt hatte?
    Zum Zweiten sah Jack ein, dass sie lieber sofort nach dem Mantikor suchten. Was immer Aljin in Akrabia zu finden hoffte, schien ihr unglaublich wichtig zu sein. Sie durften also keine Zeit mit Essen vertrödeln, während der Mantikor auf Nimmerwiedersehen verschwand.
    Obwohl Jack schon ein wenig mulmig zumute war. Die Reaktionen, wenn Akrabia zur Sprache kam, musste zwangsläufig alle Alarmglocken schrillen lassen ...
    Eine feuchte Nase, die seine Hand anstupste, riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah nach unten und erkannte Joska. Die Hündin von Codrac. Seit er von seinem Kamel gestiegen war, nutzte sie jede Gelegenheit ihn zu beschnüffeln. Kein Wunder. Er musste zugleich vertraut und fremd riechen. Plötzlich stellte Jack fest, das Codrac nicht wusste, dass er ein Werwolf war. Was würde passieren, wenn er es rausfand? Der Neue musterte Jack sowieso schon die ganze misstrauisch, weil Joska ihre Nase nicht bei sich behalten konnte.
    Jack lächelte und hob die Hand, um Joska über den Kopf zu streicheln, aber sie wich zurück und musterte ihn misstrauisch.
    "Dann nicht." Jack zuckte mit den Schultern und stieg auf sein Kamel. Immerhin hatte die Hündin ihn nicht vor aller Augen angeknurrt.

    Sie waren schon eine ganze Weile Richtung Osten unterwegs. Die Sonne brannte unerbittlich und Jack hatte sich ein helles Leinentuch um Kopf und Schultern geschlungen. Seine abgetragene Kleidung war zum Glück leicht genug, verdeckte aber den Großteil seiner Haut. Auch seine Hände hatte er eingewickelt. Sie hatten recht schnell eine rötliche Färbung angenommen. Seine helle Nordmannhaut vertrug sich nicht mit der prallen Wüstensonne. Aljin schien keinerlei Schwierigkeiten zu haben. Sie passte mit ihrer Kleidung sowieso wie Arsch auf Eimer in die Wüste. Sie schien sogar etwas aufzublühen.
    Es regte sich kein Lüftchen, trotzdem schien der Sand über die Dünen zu wandern und ihre Spuren nach und nach zuzudecken. Wahrscheinlich war das auch mit den Spuren des Mantikors passiert, denn Jack konnte nichts entdecken. Und da er auch nicht wusste, wie ein Mantikor roch, konnte er auch seiner Nase nicht wirklich vertrauen. Obwohl sich seit einiger Zeit ein unangenehmer Geruch in den Wüstenduft gemischt hatte. Es roch ein wenig wie faules Wasser. Schnell wurde dieser Geruch intensiver. Er warf einen Blick zu Joska, auch sie wurde unruhig und hielt sich dicht bei Codrac. Dann bildete er sich das also nicht ein.
    "Leute", warf Jack vorsichtig in die Runde. Sein Tonfall ließ sie anderen alarmiert inne halten. "Ich rieche da was."
    "Du riechst was?", fragte Codrac skeptisch. "Hier ist weit uns breit nichts zu riechen."
    Jack ignorierte den jungen Mann. "Wir sollten trotzdem vorsichtig sein."
    Salem, Aljin, und Esme nickten, nur Codrac musterte ihn weiter, als hätte er nicht mehr alle Latten am Zaun. Langsamer setzten sie ihren Weg fort. Jack spürte, dass sie nah dran waren.
    Siedend heiß fiel ihm ein, dass sie alle keine Ahnung hatten, wie ein Mantikor aussah, außer Codrac vielleicht, aber er hatte sein Wissen nicht weitergegeben. Okay, Kralle klang bedrohlich, und weiter? Wenn man nicht wusste, wie etwas aussah, wie bekämpfte man es dann? Wie waren die Nomanden dem Monster begegnet? Irgendwie waren so erpicht darauf gewesen den Mantikor zu finden, dass niemand gefragt hatte, wie man ihm nun eine Kralle abluchsen konnte. Schwach war die Truppe keinesfalls, aber wie stark war ein Mantikor?

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • 'Dernach heißt es aus den Alten Sprachen, der Mantikor sei ein Menschenfresser; ein Mischwesen mit dem Leibe des Löwen, dem Schwanz eines Skorpions und dem Antlitz des Menschen. Tödliche Reihen an Zähnen bewaffnen dieses Untier, sowie giftige Stacheln, die der Mantikor mit seinem Schwanz auf seine Opfer zu schleudern vermag'“, las Salem aus einem Buch vor, welches er auf dem Markt von Jaffa gegen eines aus seiner übersichtlichen Sammlung eingetauscht hatte – einen philosophischen Dialog über die Existenz vergangener Zivilisationen. Denn nach dem dritten Lesen verlor jede noch so geheimnisvolle Hochkultur, die angeblich von Ozean verschluckt wurde, ihren Reiz und so hielt Salem es für angebracht, etwas passendere Literatur zu organisieren, nicht zuletzt um seinen eigenen Horizont zu erweitern.
    Salem ließ das Buch sinken und hob dafür den Blick zu seinen Gefährten.
    Giftige Stacheln, die er auf uns schleudert?“
    In der Tat scheinen die Krallen des Mantikor zu unseren geringsten Problemen zu gehören“, bestätigte der Feuermagier und erlaubte sich, seine eigenen Bedenken hinzuzufügen: „Die Nomaden sind das Leben in der Wüste gewohnt und kennen deren Gefahren. Trotz Unterstützung...“er sah kurz zu Codrac, „konnten sie ihm nicht beikommen. Ich halte es daher für fraglich, ob wir als Fremde in diesen Gefilden besser Erfolgschancen haben.“
    Jack fragte direkt: „Also sollten wir uns einen Plan zurechtlegen, denkst du?“
    Zur Antwort zuckte Salem gleichgültig mit den Schultern. „Ich befürchte, dafür besteht keine Zeit mehr.“ Mit Unverständnis in ihren Gesichtern betrachteten die anderen vier Gefährten ihn. Daraufhin wandte Salem seine Augen zu Boden. Er zog seinen Fuß zurück und dort, wo bis eben sein Stiefel die Wüste berührte, glotzte ein Gesicht aus dem Sand hervor. Der Abdruck von Salems Sohlen bildete sich darauf ab. Überaus angesäuert zogen sich die Mundwinkel der Fratze ins Extreme herunter. Oder wie Aljin und Jack es vermutlich ausgedrückt hätten: Der Besitzer des Gesichts war 'richtig, richtig angepisst'.
    Ein Augenblick verging.
    Dann sprang das Wesen aggressiv unter dem Sand hervor.
    Aufgescheucht stob die Gruppe auseinander und brachte Abstand zwischen sich und den Mantikor. Die Stacheln auf seinem Schwanz sträubten sich angriffslustig und als er ein wütendes Brüllen losließ, entblößte er mehrere Reihen rasiermesserscharfer Zähne.