Hallo, seit längerem arbeite ich an diesem Projekt und muss erläuternd hinzufügen, dass die ganze Geschichte sich aus drei teilweise parallel laufenden, teilweise kreuzenden Story Arcs zusammensetzt. Bis letztes WE habe ich an dieser hier gesessen, die bisher 14 Kapitel beinhaltet. Ich bin jetzt an dem Punkt, dass ich das Gefühl eines Tunnelblicks habe und würde mich, vor allem über kritisches Feedback freuen. Wie könnte ich sonst besser werden Hier ist die erste Hälfte des Prologs und ich hoffe, dem ein oder anderen gefällt es
„Bitte, Kellem Duran, Meister der Magie. Verschone mein Land!“ Verzweifelt rutschte der Emir von Navotay auf allen vieren durch seinen Thronsaal. Duran, sehr schlank, zwei Meter groß, mit langem tintenfarbenen Haaren zerrte unwillig an seinem dunkelvioletten Umhang, an dem sich der bettelnde Fürst festhielt.
„Wie oft habe ich Dir in all den Jahren schon beigestanden?“, fragte Duran mit krächzenden Stimme. Der Emir blickte auf, seine Augen irrten umher.
„Jedes Mal?“ Unsicher, worauf das zielte, richtete er sich etwas auf und strich sich die wirren weißen Haare aus der Stirn. Schon am Anfang der Begegnung, hatte er seinen mit Broschen geschmückten Turban verloren.
„Und wie oft habe ich dabei um die Hand Deiner Tochter angehalten?“
Der Emir sank in sich zusammen. „Noch nie“, antwortete er dann leise.
„Das ist richtig. Mein ganzes Wissen, meine Kraft, alles was ich vermag, galt nur dem besten Deines Landes!“
Mit schiefgelegtem Kopf stand der Magier über dem Monarchen, seine schwarzen Augen funkelten böse und die Enden des in Wirbeln auslaufenden spärlichen Schnurrbartes zitterten. Wäre der Anblick und die Situation nicht so ernst gewesen, der Emir hätte lachen müssen, denn die großen Ärmelaufschläge des purpurgestreiften Wamses ließen die in die Hüfte gestemmten Arme des Zauberers wirklich dünn aussehen.
„Zum ersten Mal, seit wir eine ... Partnerschaft eingegangen sind, bitte ich um einen kleinen Gefallen. Ich traue mich, den Wunsch zu äußern, um die Hand Deiner Tochter anhalten zu dürfen. Und Du verweigerst mir das!“
„Aber nein“, wehrte sich der Emir. „Wenn Unifah hier wäre, dann würde Deinem Antrag von meiner Seite her natürlich begrüßt werden. Aber sie macht einen kleinen Ausflug ... “
„Ausgerechnet heute? Hatte ich nicht extra um diese Audienz bei euch beiden gebeten?“
Als läge die Antwort für alles auf dem polierten Boden aus weißem Marmor, hatte der Emir seinen Blick gesenkt. „So ist sie nun einmal. Sie hat ihren eigenen Kopf ... “, murmelte er dann, denn Duran begann unwillig mit seinem Fuß zu wippen.
Unvermittelt packte er den Emir an dessen golddurchwirktem Kaftan und zerrte ihn auf die Beine. Offensichtlich war er weit kräftiger, als es den Anschein hatte. „Sofort wirst Du mich jetzt in ihre Gemächer führen. Ich will mich von dem, was Du sagst, selbst überzeugen!“ Speichel sprühten in das Gesicht des Herrschers, der jetzt bleich wurde.
„Das verstößt gegen alle Gebote der Gastfreundlichkeit. Das verletzt die Ehre meines Hauses!“, versuchte er sich zu widersetzen.
„Aha! Aber, wenn Du mit meiner Hilfe, Deine Nachbarländer unterwerfen willst, dann machst Du Dir andere Gebote. Oder was?“
Das Krächzen wurde fast schrill, der Magier verlor die Geduld. „Und jetzt vorwärts!“, befahl er mit Nachdruck und trat nach dem Emir. Jener war insgeheim froh, dass nur die stumme Leibwache Zeuge der Szenen war, denn er wusste um seine jämmerliche Figur in diesem Moment.
Früher war der Emir ein Recke, ein Kriegsheld gewesen. Hatte unter seinem Vater die Nachbarstaaten unterworfen und Rebellionen niedergeschlagen. Aber als Thronfolger dann, wurden die Muskeln weich und sein Bauch rund. Die Spannkraft der vergangenen Jugend hatte sich zwischen seinen Haremsdamen und vielen anderen süßen Versuchungen über die Jahre davon geschlichen. Und er war diesen unseligen Pakt mit Kellem Duran, dem selbsternannten Magier Magna eingegangen.
Hin und her gerissen zwischen Angst und Würde winkte er endlich den beiden Soldaten neben dem Eingang zum Harem, damit diese sie passieren ließen.
Leise klang schmeichelnde Flöten- und Harfenmusik, ein freundliches Auflachen war zu hören, die Schritte durch dicke Teppiche gedämpft.
Im Moment, wie Kellem und der Emir den mit bunten Tüchern verhangenen Durchgang durchschritten, umfing sie Parfüm geschwängerte Luft.
Gleichzeitig setzte ein Aufschrei, gefolgt von hastigem Aufspringen und hektischen Bewegungen ein. Die Harfe fiel mit einem klimpernden Geräusch zu Boden, die Flöte war in schrillem Diskant verklungen. Die Haremsdamen rissen nach ihren Tüchern und flüchteten sich schimpfend tiefer in den Palast hinein, während die Eunuchen den Eindringlingen entgegenstürzten.
„Oh Emir, Ihr hattet Euren Besuch gar nicht angekündigt“, stellte sich der dickliche Mustafa seinem Herrn in den Weg. Mit einer ebenso hohen Stimme pflichtete der glatzköpfige Mansur ihm bei: „Damit konnten wir nun gar nicht rechnen ... “
„Seit wann muss ich mich in meinem eigenen Hause anmelden?“, fuhr ihn der Emir barsch an, Stärke vor seinem Berater demonstrierend. Sofort machten die Eunuchen sich klein. „Das ist natürlich richtig. Aber Fremde ... “, er deutete auf den Magier, „haben hier trotzdem keinen Zutritt!“
„Das bestimme immer noch ich“, empörte sich der Herrscher. „Und nun will ich wissen, wo die Prinzessin ist!“
Er drängte die Eunuchen beiseite und bewegte sich in die Raummitte.
„Wie Du weißt, oh Weiser aller Emire, ist sie heute Morgen mit drei Leibwächtern nach Tschjadan geritten, um Deine, möge sie ewig leben, Schwester zu besuchen.“
Natürlich passierte nichts ohne Wissen des Emirs, denn er hatte seiner Tochter persönlich die Erlaubnis für diesen Ausflug gegeben.
Kellem Duran lief zwischen den ganzen Diwanen und Sitzkissen hin und her. Überall lagen Kleidungsstücke und Spiegel, auf den flachen Tischen befanden sich Karaffen mit Getränken und Etageren mit Zuckerwaren. Kunstvoll geschnitzte Schränke standen an den Wänden, einzelne Wasserpfeifen zwischen bequemen Sesseln. Hier und da ein Musikinstrument. Es roch nach frischem Kaffee und Süßigkeiten. Neben den kunstvoll vergitterten Fenster standen einzelne Anrichten, mit Schminkutensilien und Schmuck übersät.
„Du siehst, mein hochverehrter Gast“, setzte der Emir an, „ Sie ist leider nicht da, aber das glaubtest Du mir nicht. Ehrlich gesagt, fühle ich mich durch Dein Misstrauen etwas verletzt ... “
Der Magier stand schon eine Weile fast unbeweglich neben einem geöffneten Schmuckkästchen auf einem der Möbel. Fast versonnen ließ er eine dicke Perlenkette durch seine dürren Spinnenfinger gleiten. Er nahm sie heraus, um sie näher bei Licht zu betrachten. „Gefällt Sie Dir, oh Leuchte der Wissenschaften?“, fragte der Emir, wieder um die Gunst seines Gastes heischend. Dieser sagte nichts, aber die silbrig glänzenden Perlen schienen es ihm angetan zu haben. „Wenn Du möchtest, dann mache ich Dir diese Kette zum Geschenk ... “
„Woher stammt sie?“, fragte Duran lauernd und bewegte auf den Emir zu.
„Ich nehme an, sie stammt aus meiner Schatzkammer. Wahrscheinlich eine Kriegsbeute ...“ Wieder spürte er, dass der Zauberer auf etwas Bestimmtes zielte. „Ich habe sie meiner Tochter selbst umgelegt“, fügte er halbherzig hinzu. „Aha, dann zeig mir doch bitte einmal, wie der Verschluss zu öffnen ist." Ertappt nahm der Emir die Kette in die Hand. Was immer er auch mit seinen dicken Fingern versuchte, es funktionierte nicht und er geriet ins Schwitzen. „Das muss ich meinen Hofjuwelier nachschauen lassen. Wahrscheinlich ist damit irgendetwas nicht in Ordnung."
Der Magier musterte ihn kalt, seine Augen bohrten sich wie Nadeln in den Emir, dass dieser fast körperliche Schmerzen verspürte.
„Du kannst mir nichts schenken, was schon lange mir gehört!“ Der Herrscher wusste nicht, wie ihm passiert, er war wie vom Blitz getroffen vor Schreck zusammen gezuckt. „Sie ist Dein, sie ist Dein“, winselte er und schrumpfte vor Kellem Duran zu einem Häufchen Elend.
„Das ist die Perlenkette meiner Mutter, Du schleimiger Frosch!“, schrie der Magier erneut, ihm direkt in Gesicht. Dann wurde seine Stimme leiser: „Sie hat einen magischen Verschluss und der Träger muss darüber Bescheid wissen! Und jetzt frage ich Dich, wie diese Kette hierher in Deinen Harem kommt?“ Er packte den Emir an der Kehle und hob ihn offensichtlich ohne Anstrengungen in die Höhe.
Verzweifelt die Hand umklammernd und mit den Beinen strampelnd, suchte der Emir nach einer Lösung. Jetzt war alles zu spät, er konnte nur versuchen, seine Haut zu retten.
„Es war ein Fehler, ich sehe es ein“, winselte er verzweifelt.
„Oh, das war es in der Tat, mein Emir und das wird Euch teuer zu stehen kommen. Du hast mich auf hinterhältige Weise mit meinem Bruder Buran hintergangen.“
Er warf den Herrscher krachend zu Boden. „Da gehörst Du hin, Du elende Ratte. Wie konnte ich nur glauben, dass Du allein und ohne fremde Hilfe den Aufstand in den Ostprovinzen in den Griff bekommst. Also war die Seuche, die die Rebellen zum Aufgeben zwang, gar kein Sumpffieber, sondern etwas aus dem Medizinkoffer meines Bruders?“
Der Emir rieb sich seine schmerzenden Knochen und gestand kleinlaut, aber immer darauf bedacht, nicht zu viel preiszugeben. „Es war das erste und einzige Mal, dass ich ihn um Hilfe bat. Bitte vergiss nicht, dass Du zu dieser Zeit auf Reisen warst ...“
„Du weißt, dass es mir in bestimmten Fällen möglich ist, innerhalb kurzer Zeit große Entfernungen zu überwinden“, sagte der Magier abfällig, weiter drohend über ihm stehend.
„Das ist richtig, oh Du Sonne der Alchemie, aber ich war mir nicht sicher, ob ich Dich mit einer solchen Kleinigkeit belästigen sollte ...“
An dieser Stelle hatte Duran nur die halbe Wahrheit gesagt. Tatsächlich besaß er die Fähigkeit, sich an bestimmten Orte zu materialisieren, allerdings hatte die Sache zwei Haken: Zum einen musste er diese Orte bereits zuvor besucht haben, zum anderen durfte die Entfernung nicht mehr als ein paar Meilen betragen. Sein Domizil lag mehr als einen Tagesritt von Kayakira entfernt, weshalb er immer bis in die nahegelegenen Hügel reiten musste, um plötzlich in der Stadt oder im Palast auftauchen zu können. Dazu kam, dass es ihn sehr viel Energie kostete.
„Zurück zu der Kette!“ Der Zauberer hielt sie hoch in seiner Klaue und wedelte damit vor dem Gesicht des Emirs herum. Dieser merkte, dass er am Abgrund stand, wusste aber weder ein noch aus. „Buran machte mir die Perlen zum Geschenk ...“, versuchte er es kläglich mit gesenkten Augen und zuckte sogleich wie unter einem Schlag zusammen. „Wohl eher Deiner Tochter, Du nichtswürdiger Lurch!“ Wieder schrie der Magier: „Wieso ziehst Du ihn mir vor? Habe ich Dir nicht über die Jahre beigestanden? Bei Dürre, bei Flut, bei Krankheiten?“ Theatralisch ging er auf und ab, trat hier nach einem Kissen, schlug dort mit der flachen Hand auf einen Tisch.
Tatsächlich war es so gewesen, dass der Emir die verfeindeten,fast gleichaltrigen Brüder in der Blüte ihrer Jahre, gegeneinander ausgespielt hatte. Kellem Buran war auf Unifah genauso versessen, wie Duran und das nutzte der Herrscher aus.
Er wusste, dass seine Tochter keinen der beiden mochte, ja fast verabscheute, ließ die Zauberer aber trotzdem in dem Glauben, Chancen bei ihr zu haben. So war er über viele Jahre gut und billig gefahren, aber das war jetzt vorbei.
„Nun gut!“ Der Magier war zu einer Entscheidung gekommen. Er schaute durch die verschnörkelten Fenstergitter hinaus über die Stadt. Viele Kuppeln und Türme sah man zwischen einem Meer aus weißgetünchten Häusern. Etwas links war der große vielbesuchte Basar und auch vor dem Palast wimmelte es von buntgekleideten Leuten. Es war kurz vor Mittag und die Sonne stieg, er spürte einen heißen Hauch von draußen.
„Heute in einer Woche wirst Du da unten die Hochzeit zwischen mir und Deiner Tochter Unifah verkünden. Dann ist es offiziell, dass eines Tages ich und danach einer Deiner Enkel Dir folgen werden.“
Der Emir wurde blass. „Das kannst Du nicht von mir verlangen, oh Du Bezwinger dunkler Mächte. Ich weiß gar nicht, wann Unifah wieder zurück sein wird ...“
„Eine Woche!“, schnitt Duran ihm das Wort ab. „Ansonsten wird meine Armee Deine Stadt belagern, bis das Volk Dich zwingt, Dein Wort einzulösen.“
Jetzt war die Hautfarbe des Herrschers kaum noch vom Weiß des Marmors zu unterscheiden. „Bitte nicht die Sphingen ...“, flehte er, aber das überhörte der Magier. Dieser schlug seinen Umhang dicht um sich und war gleich darauf in einer Schwefelwolke verschwunden.