Der Untergrund bebte unter den schweren Hufen der Pferde. Robin duckte sich tiefer wobei er Marion mit in die Deckung zog. Durch das dichte Laubwerk erkannte er die Reiter auf der Kuppe kaum Hundert Yards von ihnen entfernt. „Söldner,“ zischte er leise Marion zu.
Der vorderste von ihnen trug keinen Helm und Robin sah das dunkle lange Haar des Anführers. Sein Pferd tänzelte nervös, dann riss er die Zügel herum und verschwand mit seinen Begleitern in die entgegengesetzte Richtung. Langsam verklangen die Geräusche in der Ferne.
Robin atmete einige Male ein und aus ehe er sich sicher war das keine Gefahr mehr drohte, erst dann richtete er sich auf. „Sie sind fort!“ Marions besorgter Blick begegnete ihm. „Wie lange wird es dauern, bis Sie den Karren finden?“ Robin wusste, dass er ihr darauf keine Antwort geben konnte. Niemand konnte das, deswegen nahm er sie in die Arme und beugte er sich zu ihr. Der lange zärtliche Kuss war ein Versprechen an Marion, dass ihr keine Gefahr drohte, wenigstens zum jetzigen Zeitpunkt.
Nur wiederstrebend beendete Robin den Kuss. Ihre Augen halb geschlossen glitzerten und ihre Lippen glänzten feucht. „Bis Sie ihn finden sind wir schon weit weg von hier.“ „Oder auch nicht!“ Sagte eine vertraute dunkle Stimme. „John?“ Er sah in die Richtung. Ein dunkler bärtiger Riese löste sich aus dem Schatten eines Baumstamms. „Du wirst unvorsichtig Robin. Ich hätte…“ Die folgenden Wörter gingen in einem Keuchen unter, als eine Klinge sich blitzschnell an seine Kehle drückte. Johns Augen wurden groß und starr. „Was wolltest du sagen?“ Fragte Nasir mit rauer Stimme. John war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. „Nasir verdammt. Ich dachte mein letztes Stündlein hat geschlagen. Mach das nie wieder,“ presste er hervor. Der Sarazene bleckte die Zähne zu einem breiten Grinsen, dann ließ er die Klinge sinken.
„Wo wir bei dem Thema Unvorsichtigkeit sind.“ Dieses Mal war es Will der hinter Nasir stand. Unverkennbar mit einem Messer in der Hand. Robin runzelte ärgerlich die Stirn. Diese Demonstration machte ihm deutlich wo ihre Defizite lagen und was er in nächster Zeit trainieren würde. Erleichtert nahm er war das weder John noch Will verletzt waren. John legte im Gegenzug die Stirn in Falten, als sein Blick an Robins Schulter hängengeblieben, die Marion verbunden hatte. „Wie schlimm ist es?“
„Nur ein Kratzer!“ Er sah wie Marion die Augen verdrehte. „Männer...“ Will kam näher, aus seinem Gesichtsausdruck war schwer zu lesen. Etwas schien ihn zu bedrücken aber Robin war sich nicht sicher. „Will…?“ Als er den Kopf hob war sein Blick auf ihn gerichtet. „Herne schickt uns. Robert… Er brauch deine Hilfe.“ Robin wartete mit gerunzelter Stirn ab, das Will noch etwas sagte aber es kam nichts. Marion rang neben ihm die Hände, instinktiv fasste er nach ihrer Hand und drückte sie. Ihr gehetzter und zugleich verzweifelter Blick ging ihm unter die Haut.
Will übernahm die Führung und das Tempo was er an den Tag legte zeigte deutlich wie eilig er es hatte. Sie erreichten den Black Will und das Seeufer. Der Ufer war dicht mit hohem Schilf bewachsen was den Höhleneingang zusätzlich tarnte. Dort im Schatten der Felsen saß Tuck. Robin empfand nichts anderes als große Erleichterung den Mönch unverletzt zu sehen. Dennoch lag etwas in seiner Haltung was ihn stutzig machte. Er erhob sich mühsam und kam mit ungläubigem Blick auf ihn zu. Seine Augen glänzten feucht. „Robin? Robin ich kann es nicht glauben… John hat es mir erzählt aber ich…, “ mit Tränen erstickter Stimme verstummte er. Robin wollte ihn gerade umarmen, als er Hernes Worte hörte. „Robin! Komm, die Zeit drängt.“ Es war wie ein Flüstern in seinem Kopf. Lange hatte er diese Stimme nicht gehört. „Entschuldige Tuck, ich muss…“ Das schiefe Lächeln von Tuck misslang als er seinen Satz beendete. „Zu Herne, nicht wahr? Geh zu ihm…“
Er brauchte einen Moment, ehe sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Das leise Plätschern der Quelle war deutlich vom Eingang der Höhle zu hören. Ein vertrauter Geruch nach verbrannten Kräutern weckte alte Erinnerungen an diesen Ort. In der Vergangenheit war Herne mehr als eine Sagengestalt gewesen, die von den Dorfbewohnern verehrt wurde, für ihn war er im Laufe der Zeit zu einem Freund, einem Vater, einem Ratgeber geworden. Das war viele Jahre her. Was würde Herne jetzt für eine Rolle in seinem Leben einnehmen?
Eine seltsame Spannung lag in der Luft, so wie das Atemholen vor einem entscheidenden Schlacht. Robin ging langsam weiter. Sein Blick viel auf den altarähnlichen Tisch vom Licht der Feuerschalen erhellt. Jemand lag darauf und Herne stand hinter dem Altar und beugte sich über ihn. Sein Fellumhang schimmerte im flackernden Licht in vielen Schattierungen.
Robin war stehen geblieben. Er fühlte sich seltsam, so als würde er gerade etwas aus einem seiner Träume erleben. Diese Szene war ihm bis ins kleinste Detail vertraut. Die entzündeten Feuerschalen, der beleuchtete Altar, Herne in seinem Fellumhang, selbst der Geruch nach verbrannten Kräutern erinnerten ihn daran. Nur das der Mann auf dem Altar nicht er war, sondern Robert…
Er sog scharf die Luft ein. Das Gefühl, das hier etwas verkehrt war, wurde von Minute zu Minute intensiver, bis er es nicht mehr aushielt.
„Herne..?“ Seine Stimme, halb erstickt, ließ den Waldgott den Kopf heben. Über die Entfernung hinweg begegneten sich ihre Blicke. Kluge wissende Augen sahen tief auf seine Seele, so kam es Robin vor. Sein Atem ging stoßweise und der Puls raste in wildem Takt. Dann verschwamm für einen Moment die Umgebung ehe das Bild wieder klarer wurde.
„Komm zu mir mein Sohn!“ Hernes Stimme so vertraut wie sie auch war hatte in diesem Gefühlschaos auch etwas beängstigendes, dennoch kam Robin näher. Herne hielt weiterhin den Blick auf ihn gerichtet, auch als Robin erkannte das Roberts Brust frei lag. Ein seltsam verschnörkeltes Zeichen war mit einer braunen Paste darauf gemalt. Die Flammen zeichneten ein zuckendes Muster darauf, als hätte das Zeichen ein Eigenleben.
Atmete Robert? Ein Blick in sein kalkweißes Gesicht, die bläulich verfärbten Lippen und die geschlossenen Augenlider ließen Robin zweifeln. War er Tod? Wie würde Marion auf diese Nachricht reagieren? Sie hatte ihn gewarnt, dass nur wenig Zeit blieb um Roberts Leben zu retten. Hatte er versagt…? Ein würgender Kloss in seiner Kehle schnürte ihm bei dem Gedanken die Luft ab.
Herne hatte sich von ihm abgewendet und war in den hinteren Teil der Höhle gegangen. Er hörte lediglich seine Schritte und das schleifen des Umhangs auf dem Boden. Wie von selbst streckte er die Hand aus. Seine Finger zitterten als er an Robert heran trat und seine blasse Haut berührte. Statt die erwartete Kälte war sie warm. Unendliche Erleichterung durchflutete ihn.
„Robin!“ Herne war unbemerkt zu ihm getreten. In seinen Händen hielt er ein reich mit Einlegearbeiten verzierter Holzkasten. Robin wusste was darin lag. In roten Samt eingeschlagen ruhte der silberne Pfeil in diesem Kästchen. Robert de Renault, ehemaliger Sheriff von Nottingham, hatte diesen Kasten anfertigen lassen. Und dieser Pfeil war auch Simon de Belleme zum Verhängnis geworden. Er hatte den mächtigem Hexer den Tod gebracht. Sein Schicksal war an den Pfeil gebunden, dass fühlte Robin auch jetzt. Ein unwiderstehliches Gefühl das Kästchen zu öffnen und ihn in die Hand zu nehmen ließ ihn schaudern. Dieser Pfeil rief nach ihm er war sein Hütter.
„Nimm ihn!“ Hernes Stimme war rau und leise, so als würde es ihm Mühe bereiten die Worte auszusprechen. Er hielt den Atem an als er dieser Anziehung nachgab und den Deckel nach hinten klappte. Im flackernden Schein der Flammen leuchtete das Silber auf Rot. Sein Herzschlag beschleunigte sich zu einem Tosen. Alles was hier geschah, kamihm vor als hätte er es schon einmal erlebt und das machte ihm Angst.
„Du bist Robin of Sherwood, der Hütter dieses Pfeils. Geschmiedet in den Feuern des Lichts und der Dunkelheit. Gesegnet mit den Kräften von Licht und Schatten. Er hat auf dich gewartet.“ Diese unwiderstehliche Anziehungskraft machte es unmöglich sich dagegen zu wehren. Robin streckte die Hand aus und berührte den Pfeil. Wie von selbst schlossen sich seiner Finger um das Metall. Es war nicht kühl sondern warm, die Oberfläche war glatt bis auf die Rillen und dem Pfeil ähnliche Schaft.
Seine Finger ertasteten die eingeprägten Schriftzeichen an der Unterseite. Mit dem Daumen fuhr er sie nach. Irgendwo her wusste er was diese Zeichen bedeuteten. Hernes Sohn ist mein Hütter. Er hielt den Pfeil in beiden Händen und schaute darauf herunter. Ein seltsames Summen erfüllte seinen Kopf, als wäre es der Pfeil der mit ihm redete. Ihm wurde bewusst das Herne auf eine Antwort wartete, als er wieder aufschaute.
Der fragende Blick der auf ihn gerichtet war sagte es ihm, doch die Frage dazu war Robin entgangen. „Ja..?“ Herne deutete zum Altar und seine Lippen bewegten sich doch Robin hörte nur das anschwellende Summen in seinem Kopf. Es schmerzte da es weiter zunahm ihn ausfühlte und schließlich in seinem Kopf explodierte.