und noch ein (wie gewünscht) längerer Abschnitt :
„Dummkopf. Ich hab doch bloß gefragt, was ich tun soll, wenn ich jemandem begegne“, murmelte Saya schmollend. Dann veränderte sich ihre Augenfarbe von schwarz zu einem dämonischen Rot. „Dann lasst uns loslegen!“, rief sie, ein fieses Lächeln auf den Lippen tragend. Ihr Blick fiel auf die Kamera dieses Raumes. Es war, genau wie sämtliche andere im Gebäude, eine alte Kamera. Sogar noch mit Aufnahmeband.
„Die Sicherheitsmaßnahmen des Laborgebäudes sind anscheinend mangelhaft. Ist ja fast ein Segen und ein Fluch für mich“, dachte Saya. Dann konzentrierte sie sich. Keine drei Sekunden später war die Kamera unbrauchbar und das Bandmaterial vernichtet. „Entschuldigung, aber ich mach mich nicht so gut in Filmen. Und erst recht nicht nackt.“, kicherte Saya. Als sie sich umdrehte, drängten sich die Schränke in ihr Sichtfeld. Saya streckte ihren rechten Arm nach ihnen aus, die Finger gespreizt, schloss langsam die Hand als würden ihre Finger die Schrankgriffe wirklich umschließen und riss dann den Arm nach hinten. Die Schlösser zersprangen und mit einem lauten Krachen flogen die Schranktüren auf. Im Inneren befanden sich Proben. Proben von ihr. Saya schaute zu ihrem linken Arm und Wut überfiel sie. Wieder streckte sie den rechten Arm aus, doch diesmal entflammten die Proben. Nachdem alle restlos vernichtet waren, verließ sie den Raum, um sich anderweitig nach Kleidung umzusehen. Im Flur zerstörte sie ebenfalls eine Kamera. Dann überlegte Saya. Ihr fehlte eindeutig etwas zum anziehen. Ein Laborkittel würde ja schon reichen. Vielleicht fand sie Kleidung, wenn sie …
„Was ist hier los? Was machst du da, Kleine?“, ein Wachmann stand Saya gegenüber im Flur. Er runzelte die Stirn. „Wer oder was bist du überhaupt?“
„Gegenfrage, wo finde ich etwas zum anziehen?“, fragte Saya in ruhigem Ton.
Der Wachmann wollte gerade etwas entgegensetzen, doch Saya ließ ihm nicht die Zeit dazu und übernahm die Kontrolle über seinen Geist. „Bring mir Kleidung, damit ich nicht nackt hier herumlaufen muss!“, befahl sie. Während er unterwegs war, um Sachen für sie zu besorgen, schaute sich Saya in den restlichen offenen Räumen um und zerstörte auch dort die Kameras wie die übrigen Proben. Anschließend schlich sie zum Wachraum. Im Inneren war nichts zu hören und auch niemand zu sehen. Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Saya schrie erschrocken auf und wirbelte herum.
Hinter ihr stand der Wachmann, Kleidung über seinem Arm tragend.
„Das hier habe ich für euch gefunden und mitgebracht, Miss“, sagte er und überreichte ihr stolz seinen Fund. Unterwäsche, hübsche, weiße Schuhe ebenso wie ein weißes Kleid hatte er besorgt. Dann drehte er sich um, damit sie sich anziehen konnte.
„Als ob das nötig wäre“, dachte Saya genervt. Allerdings stellte sie fest, es passte alles wie angegossen. „Die Sachen passen perfekt. Woher hast du sie?“, fragte sie den Wachmann irritiert.
„Einer der jungen Wissenschaftler hat sie am Eingang hinterlegt. Sein Name war, glaube ich, Mark … oder vielleicht auch Markus oder so. Er war auf jeden Fall sehr nett. Meinte, er hätte es für eine bestimmte Person besorgt“, antwortete der Wachmann freundlich lächelnd.
Saya grinste jedoch grausam. „Dann brauch ich dich ja gar nicht mehr. Ich werde mich deiner wohl entledigen müssen.“
Die Miene des Wachmanns entglitt ihm zu einem angstvollen Ausdruck, als sie sich ihm langsam näherte wie ein Raubtier sich seiner Beute näherte. Wachsam und auf jede Bewegung bedacht. Ruckartig stürzte sich Saya vorwärts, packte des Wachmanns Hals und drückte kräftig zu. Er taumelte gegen die Wand hinter ihm und sank röchelnd und keuchend zu Boden. Wenige Sekunden darauf verlor er das Bewusstsein. Sayas Augen glühten so rot wie noch nie. „Tod! Töte ihn! Lass uns …“, schrie eine Stimme in ihr, wurde allerdings von anderen Stimmen unterbrochen. Saya wurde von schmerzhaften Krämpfen befallen und stieß sich vom Wachmann weg. Dann brach sie wimmernd zusammen. „Töte ihn! Los, töte ihn!“, schrie die Stimme wieder.
Doch diesmal boten die anderen Stimmen eine noch stärkere Gegenwehr. Langsam ließ der Schmerz nach bis er schließlich ganz verklang. Saya richtete sich auf, ihr Blick eiskalt. Mit einer Hand packte sie den Kopf des Wachmanns und drang in sein Bewusstsein ein. Sie löschte seine Erinnerungen an alles, was die letzte Stunde passiert war und pflanzte ihm dafür neue ein. Kaum war dies erledigt, drehte sie sich um und lief auf direktem Weg in die Eingangshalle der Einrichtung. Vor der Ausgangstür, einer Glastür, blieb Saya stehen. Diese Tür war das einzige, was sie noch von der „Freiheit“ trennte. Langsam schaute sie sich alles hinter der Glastür an, genoss die Aussicht. Dann stemmte sie sich mit voller Kraft dagegen bis die Tür weit genug offen stand und flitzte ins Freie. Beinahe wäre sie auf den Stufen vor der Einrichtung gestolpert, doch sie konnte sich gerade noch halten. „Man, das wäre peinlich gewesen“, dachte Saya und linste zu Markes, der mit seinem Auto, einem schwarzen 1952 Bentley Continental, vor der Treppe geduldig wartete. Dieser jedoch starrte ungerührt auf den Rücksitz seines Wagens. Kein Wunder. Schließlich lag dort die immer noch bewusstlose Rune. Saya atmete einen tiefen Zug der „frischen“ Luft ein und lief freudig die restlichen Stufen zu Markes hinab. Unten angekommen strahlten sie ihn mit ihren mittlerweile wieder schwarzen Augen an. „Schau mal, sieht das nicht toll aus? Sie passen perfekt“, sagte sie und drehte sich im Kreis, um Markes ihr neues Kleid zu präsentieren. „Darf ich vorne sitzen? Bitte. Die Frau besetzt doch sowieso die ganze Rückbank. Darf ich also? Bitte“, bettelte Saya. Markes nickte, legte ihr jedoch, als sie saß, seine Jacke so über den Kopf, dass niemand sie von außen hätte erkennen können. Dann setze er sich an Lenkrad und fuhr los. Auf der Fahrt sprach keiner von ihnen. Auch das Radio lief nicht. Einzig und allein das Motorengeräusch des Bentleys war zu hören. Saya lehnte sich zurück, lauschte dem Brummen des Motors und lugte vorsichtig unter der Jacke durch aus dem Fenster. Darüber musste sie wohl eingeschlafen sein. Denn das Letzte woran sie sich erinnerte, war ein schmaler Feldweg, der aus der Stadt herausführte.