Beiträge von Tariq

    Sein Freund nickte. „Commandant, können wir kurz in Ihrem Büro sprechen?“

    Verblüfft sah Ares zu, wie Malcolm sich, ohne auf eine Antwort zu warten, umdrehte und auf den Raum zuging, in dem der Commandant der Garde sein Refugium hatte. Er folgte ihm, nachdem er dem Diensthabenden noch einmal kurz zugenickt hatte. Die verwunderten Blicke des Mannes spürte er in seinem Rücken.

    „Was sollte das?“, verlangte er aufgebracht zu wissen. „Warum hast du mich hier hoch rufen lassen.“

    „Um dich davor zu bewahren, dich lächerlich zu machen!“ Malcolm war an der Außenwand stehen geblieben. Jetzt drehte er sich um. „Ares, was um alles in der Welt ist in dich gefahren?“, fragte er besorgt.

    Ares fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Ich muss wissen, wie er es gemacht hat. Wie er ...“

    „Was denn?“, unterbrach Malcolm. „Was ist denn überhaupt passiert?!“

    Ares starrte ihn an. Lange. Erst jetzt realisierte er, dass er Malcolm ohne ein erklärendes Wort aus der Kommandozentrale geholt und zum Sicherheitsdienst geschleift hatte. Krell war ganz bestimmt noch nicht dazu gekommen, es jemandem zu erzählen. Malcolm wusste also gar nichts von Etienne!

    „Der Chef des Sicherheitsdienstes wurde zusammengeschlagen“, brachte er heraus. „Unten, im ersten Obergeschoss.“

    „Othoni Fatou?“ Malcolm riss erschrocken die Augen auf. „Wer war das?“

    „Wer schon? Dwayne Coholt!“

    „Wann soll er das getan haben?“

    „Irgendwann heute Nacht.“

    „Ares, da war er eingesperrt.“ Malcolm verschränkte die Arme vor der breiten Brust. „Hast du Beweise?“

    „Was meinst du, was ich in der Sicherheitszentrale finden wollte?!“ Ares atmete tief durch. Malcolm verdiente nicht, so barsch angefahren zu werden. „Entschuldige. Ich ... Ich weiß, dass er es war.“

    „Was für einen Grund soll er gehabt haben?“

    „Denk mal nach: Wer hat damals bei dem zusammengeschlagenen Onta unten in der Fünf erst dich und dann das Medi-Team alarmiert? Wer ist also schuld an Dwaynes Rausschmiss?“

    Malcolm schüttelte den Kopf. „Das ist sehr weit hergeholt, Ares. Wie soll Coholt herausgefunden haben, wer es gemeldet hat? Und wie soll er heute Nacht sein Quartier verlassen und sich an ihm gerächt haben? Die Tür konnte er nicht selbst öffnen. Meinst du, er hatte Helfer? Verdächtigst du etwa gar einen dieser beiden Nachtschicht-Othonis?“

    „Wer soll es sonst gewesen sein? Etienne hatte keine Feinde im Ring!“

    „Und das weißt du so genau? Du, der du deinen besten Freund seit ein paar Tagen nicht einmal mehr ansiehst? Ihr wart unzertrennlich! Jeder fragt sich, was zwischen euch vorgefallen ist.“

    Ares starrte ihn an. Mit einem Mal fühlte er sich leer, wie ausgehöhlt, und unglaublich einsam. Er merkte, dass er einen Menschen brauchte, der ihm half, mit dem klarzukommen, was passiert war. Er musste mit jemandem reden. Über alles. Von Anfang an. Malcolm war nicht Etienne, aber er war Freund genug, um ihm vertrauen zu können.

    „Ich werde es dir erklären“, sagt er leise. „Aber erst gehen wir zu Linus hinunter.”


    Linus Krell wartete noch im Südkorridor des ersten Obergeschosses. Er stand mit zwei Ypir-Gardisten auf dem Gang vor Etiennes Quartier. Ares murmelte eine beiäufige Entschuldigung für die Verspätung, als er und Malcolm ihn erreichten.

    „Es tut mir leid, Commandant“, meinte Krell. „Wie geht es Ihrem ... dem Sicherheitschef?“

    Ares war das Zögern aufgefallen. Also gehörte auch Linus zu denen, die sich fragten, wieso die Freundschaft zu Etienne zerbrochen war. Außerdem konnten die beiden Ypirs mithören.

    „Er ist auf dem Weg nach Auckland in die Klinik.“ Prüfend sah er sich um. „Wie habt ihr davon erfahren?“

    „Ich hoffe, er kommt bald wieder auf die Beine“, meinte Krell. Dann ruckte sein Kinn in Richtung eines weiblichen Servicers in violettem Overall, der ein Stück abseits stand. „Sie hat uns alarmiert. Eine von Logistik und Verpackung. Sie kam den Korridor entlang und hat das gesehen.“ Seine Hand wies auf den Fußboden im Gang. „Zeitgleich wurde wegen bedrohter Lebensfunktionen in diesem Raum in der Klinik der Alarm aktiviert.“

    Ares kniff die Augen zusammen. Der Bodenbelag war dunkel, aber die zwei blutigen Sohlenabdrücke darauf konnte man klar erkennen. Etiennes Blut.

    Er atmete tief durch und öffnete die Tür.

    In dem dämmrigen Raum herrschte Chaos. Die breite Couch lag auf die Seite gekippt, der Tisch ebenfalls und sein Gestänge war verbogen. Ein kleineres Regal war umgerissen worden und sein Inhalt ebenfalls verteilt. Und überall dazwischen hoben sich Blutflecken grellrot ab. Auch auf dem Bett im Schlafzimmer fand er sie und das Badezimmer sah aus, als wäre jemand abgestochen worden.

    Er hatte genug gesehen. Coholt war ein jämmerlicher Feigling, der sich nur an Schwächeren vergriff. Etienne hatte ihm körperlich nichts entgegenzusetzen gehabt.

    Ares fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Coholt konnte froh sein, dass er im Moment unerreichbar weit weg war. Ihn zu einem Onta zu machen, das wäre eine gerechte Strafe. Inklusive Clearing. Und dann drei Tage ins Loch ...

    Unwillig schüttelte er den Kopf. Er war nicht Coholt. Und den hatte man noch nicht verurteilt.

    „Axiom, Sie kümmern sich um diese Sauerei hier“, wies er Krell knapp an und deutete auf die Fußspuren und die Unordnung im Raum. „Ich erwarte Ihren Bericht bis Mittag. Inzwischen informiere ich den General.“

    Krell neigte den Kopf. „Selbstverständlich, Commandant.“

    „Kommen Sie in mein Quartier, sobald Sie hier fertig sind.“

    Krell salutierte und Ares ging mit Malcolm zurück zum Lift.

    Ich habe nicht ganz geschnallt, welche Funktion Malcolm hier hat und warum er plötzlich da auftaucht. Habe es zweimal gelesen, aber es trotzdem nicht verstanden. (Möglicherweise tauchte er vorher schon mal auf, aber ich erinnere mich nicht richtig). Es kann aber sein, dass es´klar wird in der Fortsetzung.

    Nein, die Fortsetzung geht darauf nicht ein, von daher habe ich hier nachgebessert (blaue Schrift). Malcolm war zu dem Zeitpunkt der diensthabende Axiom in der Kommandozentrale der Garde und hatte Ares ja gerade gemeldet, dass der Gleiter mit Coholt an Bord abgeflogen ist. Für mich als Schreiber war irgendwie klar, dass Ares nicht allein in die Sicherheitszentrale geht mit dem Gedanken, eventuell jemanden zu verhaften :patsch: Aber das war nicht aus dem Text erkennbar, du hast völlig Recht. Mein Fehler. Vielen Dank!, auch für dein Lob!

    Thorsten

    Ich freue mich, dass Frida dein Interesse gefunden hat. Es überrascht mich sogar, denn ich hatte ihr gar nicht sooo viel Aufmerksamkeit geschenkt. Aber wie Chars das halt so machen, sie hat ein bisschen ein Eigenleben entwickelt.

    Ich freue ich immer über deine interessanten Gedanken, ich grübele lange darüber und entscheide dann, ob ich was ändere oder nicht. Dass ich gemäß deiner Vorschläge oder Anmerkungen Änderungen vornehme, hast du schon erlebt, als wir uns in der Knovi über Frida unterhalten haben.

    Du hast mich erst ueberzeugt dass sie in einer Suchtbeziehung zu Coholt ist, jetzt versuchst Du mich zu ueberzeugen dass die Sucht durch ein paar Worte beendet werden kann... ich fuerchte da werden wir uns nur einig dass wir da andere Vorstellungen haben.

    Richtig, die Suchtbeziehung wollte ich so darstellen. Und jetzt macht Frida wohl das durch, was man den freiwilligen kalten Entzug nennt. Ich kenne Menschen, die das in puncto Rauchen geschafft haben, und ich habe eine Kollgin, die eine toxische Beziehung zu einem Mann hatte, der ihr nicht gutgetan hat. Sie hat es beendet, als sie erkannte, dass er sie als gläubiger Muslim nie heiraten wird, ohne danach die Schuld bei sich zu suchen. Ich habe in dieser Zeit viele Gespräche mit ihr geführt und sie war mir in Bezug auf Fridas Verhalten ein Bespiel.

    Also bitte, hör nicht auf, mir mitzuteilen, was du denkst.

    Und das censored- Pflaster, das ja hier im Forum eigentlich ein zipper ist, war bei mir wirklich so angekommen, dass du dich irgendwie zensiert gefühlt hast durch mich. Und das möchte ich natürlich nicht auslösen.

    So. Ich mach dann mal weiter.

    Zum vorigen Part: Kapitel 48 (2/3)
    Sein ComPad vibrierte.
    „Commandant“, meldete sich Malcolm Benedict. „Der Gleiter hat den Ring pünktlich verlassen.“
    „Der Gleiter?“ Er hatte Mühe, sich zu besinnen.
    „Der mit den Gefangenen an Bord. Sie haben befohlen, dass Sie nach dem Abflug informiert werden.“
    Coholt und seine Männer haben den Ring verlassen, schoss es ihm in den Kopf. Und Etienne wurde fast totgeschlagen. Coholt verschwindet von hier und Etienne wird aufs Festland gebracht. Coholt hat Etienne verprügelt ...
    Wie ein Mantra wiederholten sich die Worte in seinem Hirn, während er seine Schritte erneut zum Lift lenkte. Sie hatten so viele Pläne gehabt. Die Leitung des Ringes übernehmen, die Produktion der manipulierten Chips stoppen, die Gedächtnisse der entführten Ontas wiederherstellen, sie in ihr verlorenes Leben zurückbringen, seine eigene Vergangenheit herausfinden ...
    Wag es ja nicht, zu sterben, befahl er Etienne in Gedanken. Wir haben noch viel vor.

    Fast hätte er die Tür zur Sicherheitszentrale mit der Schulter gerammt, weil sie sich nicht schnell genug öffnete. Er stürmte in den wie immer dunklen Raum. Malcolm, den er aus der Kommandozentrale herbeordert hatte, folgte ihm. Die beiden Ypir-Gardisten, die er mitgebracht hatte, blieben vor der Tür.
    „Wer ist der Diensthabende?“, blaffte Ares.
    Ein Servicer stand auf. „Ich, Commandant.“
    „Schaffen Sie mir die beiden von der Nachtschicht her, und zwar augenblicklich!“
    Der Mann riss erstaunt die Augen auf, beeilte sich aber dann, zu nicken. Er setzte sich wieder. Ares sah, wie er zwei ID-Codes auf die Holo-Konsole tippte.
    Mit mühsam erzwungener Ruhe ließ Ares den Blick durch den Raum wandern. Das Licht der Bildschirme tauchte die Arbeitsplätze der Othonis in kaltes Blau und ließ von ihnen nur eine schwarze Silhouette erkennen. Alle hatten ihre Arbeit unterbrochen und sich umgedreht zu ihm und Malcolm, der an der Tür stand. Die Wartezeit, bis die beiden eintrafen, erschien ihm ewig und die Ungeduld brachte ihn fast um.
    Endlich öffnete sich die Tür und ein Mann und eine Frau traten ein.
    „Wer war heute Nacht der Diensthabende?“, zischte er.
    Ihm war klar, dass er so wirkte, wie er sich im Augenblick fühlte: gefährlich. Und er sah befriedigt, wie der Mann sich unwillkürlich straffte.
    „Das war ich, Commandant, Othoni Vincente Carrasco.“
    Ares nickte und wandte sich erneut an den Diensthabenden.
    „Ich will die Kameraaufzeichnung im Ostflügel des zweiten Obergeschosses von der vergangenen Nacht sehen!“, verlangte er.
    „Ab welchem Zeitpunkt möchten Sie beginnen?“
    Ares überlegte. Wann war Etienne gekommen? Bevor er selbst erst ein paar Minuten auf der Dachterrasse gestanden hatte und dann zu Mestor zum Abendessen gegangen war.
    „Neunzehnhundert.“
    „Da war die Spätschicht noch da.“
    „Egal, neunzehnhundert.“
    Der Mann rief mit ein paar wenigen Handbewegungen die Bilder auf den Schirm.
    Ares trat näher. Er glaubte nicht, dass Coholt es gewagt hatte, diese feige Aktion zu so früher Zeit durchzuziehen. Das Risiko, jemandem zu begegnen, war am Abend deutlich höher als in der Nacht. Doch Coholt agierte nicht vernünftig. Deshalb glaubte Ares auch nicht, dass es dem Kerl gelungen war, sich ungesehen an den Kameras vorbeizuschleichen. Irgendeine musste ihn erfasst haben!
    Langsam beugte er sich vor und kniff ein wenig die Lider zusammen. Zu sehen war nichts als ein leerer Gang, nur erhellt vom sanften Licht der Nachtbeleuchtung.
    „Lassen Sie es schneller laufen!“
    Der Servicer gehorchte.
    Ares starrte gebannt auf den Bildschirm, bis eine Person vorbei huschte.
    „Stopp! Noch einmal, langsamer!“
    Hinter ihm räusperte sich Malcolm.
    Es kümmerte Ares nicht. Alles, was zählte, war, Dwayne zu überführen. Er fixierte die Person, die nun erneut auf dem Bildschirm erschien und in normalem Tempo über den Gang lief. Zu klein. Es war nicht Coholt.
    Wie soll er das überhaupt gemacht haben?, fragte eine Stimme in seinem Kopf. Die Zugriffsrechte für die Türöffnung sind bei seinem Chip gesperrt worden. Jemand hätte ihn befreien müssen. Und wer sollte so dumm sein, sich dabei von der Kamera beobachten zu lassen?
    Ares ignorierte es. Es konnte kein anderer als Coholt gewesen sein. Und er würde dafür sorgen, dass dieser Widerling diesmal seine gerechte Strafe erhielt.
    Sein ComPad meldete sich. Eine Schriftnachricht. Er wurde in die Kommandozentrale gerufen. Verdammt, was konnte so wichtig sein, dass der Vertreter, den Malcolm für die Zeit seiner Abwesenheit benannt hatte, nicht allein damit fertig wurde?
    Linus Krell fiel ihm ein. Den hatte er völlig vergessen! Sicher wartete er noch unten im ersten Obergeschoss.
    Er musterte die beiden Nachtschicht-Othonis kurz mit einem vernichtenden Blick. „Ich komme zurück“, verkündete er barsch. „Sie warten hier!“
    Dann gab er Malcolm einen Wink und verließ die Sicherheitszentrale.
    Als er an der Kommandozentrale der Garde ankam, hatte sich seine Wut noch gesteigert. Diese Störung hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Er wollte herausfinden, wieso Coholt Etienne das antun konnte, und das wollte er sofort. Jetzt, in diesem Augenblick. Alles, was ihn davon abhielt, musste als weniger wichtig betrachtet werden.
    Er marschierte als Erster hinein und nachdem auch Malcolm eingetreten war, hörte er das vertraute Zischen der Tür. Vor Malcolms Vertreter blieb er stehen.
    „Was ist los?“, fragte er knapp.
    Der Mann hob erstaunt den Kopf. „Commandant?“, fragte er verwirrt.
    „Schon gut, ich kläre das.“
    Malcolms Stimme hatte das gesagt.
    Ares fuhr herum.
    „Du?“, fragte er verdutzt.

    Will sagen, fuer den gutglaeubigen Leser gibts vermutlich irgendwann das eine oder andere boese Erwachen. Ist das dramaturgisch gut oder schlecht?

    Für mich ist das kein Problem. Ich möchte beim Lesen gern bei Tanred bleiben. Es macht mir Spaß, mit ihm die Welt, die Politik und die Religion zu entdecken. Auch er wird bei manchen Dingen ein böses Erwachen haben, und wenn es mich zu diesem Zeit auch erst erwischt, dann geht das in Ordnung. Es erscheint mir auf jeden Fall leichter und angenehmer, als Dinge wie:

    Ketran ist eine Gauklerin die grade mal Schreiben kann und ihr Leben lang nie bei Hofe war - sie kennt den Typen ueber den sie redet gar nicht selbst, Maldua ist Herzogin, Hexe und Herrscherin ueber ein grosses Territorium und als Teil des Hochadels kennt sie den koengilichen Hof (vor Edred) und seine Mitglieder persoenlich

    ständig während des Lesens im Hinterkopf behalten zu müssen (wobei ich mich hier frage, ob Tanred all diese Dinge bis jetzt schon erfahren hat. Wenn nicht, dürfte es ihm schwerfallen, die Aussagen von Ketran und Maldua so gegeneinander abzuwägen. Falls ja - sorry, aber ich habe nicht mehr jedes Detail aus den bisherigen Parts im Kopf). Also, lass mich mit Tanred auf einer Stufe stehen und mit ihm Drama erleben. :D

    Ich will nicht sagen, dass ich während des Lesens mein Denken ausschalte. Aber ich möchte nicht ständig nach Zusammenhängen fahnden, auf subtile Botschaften oder nicht Gesagtes warten oder Hintergründe erahnen müssen. Das schmälert mein Lesevergnügen.

    dass es nicht nur einen Umsturz um den Thron gegeben hat, sondern dass sich gleichzeitig auch die Religion radikalisiert hat - was Hand in Hand geht weil Edred und Armanas paktieren

    Radikalisierung der Religion? Tut mir leid, aber das ist komplett an mir vorbeigegangen. Ich habe den strenggläubigen Tanred als Kind seiner Zeit wahrgenommen. Seine anerzogenen (Glaubens-)Werte kollidieren mit dem, was er momentan erlebt, besonders, was Recht und Ordnung angeht, also das, was er Gerechtigkeit nennt. Aber das ist ja nicht auf die Radikalisierung der Religion zurückzuführen, sondern auf das, was Maldua ihm erklärt hat.

    Was mich mehr interessiert, ist, dass Maldua in Armanas die größere Gefahr sieht. Und da bin ich ganz bei ihr, weil wir alle wissen, was religiöse "Fehl"leitung der Gläubigen bewirken kann. Ich halte sie für eine sehr kluge Frau und bin gespannt, ob ihr Misstrauen gerechtfertigt ist.

    Thorsten

    Ah... ich glaube bei der Beurteilung von Illusionen die man sich so macht und was eine deutliche Ansage ist, kommen wir wohl nicht zusammen... :) Da koennte ich Geschichten erzaehlen... naja :censored:

    Ich glaube es dir, dass du viel darüber weißt und darum auch viele gute Vorschläge unterbreiten kannst, wie Frida reagieren soll(te). Das schätze ich enorm und bin dir auch sehr dankbar dafür.
    Ich habe mit mehreren (ja, zugegeben: Frauen :rolleyes:) gesprochen, ihnen das Problem und Coholts Verhalten und Charakter geschildert und dann gefragt, wie Frida ihrer Meinung nach auf Coholts Aussage reagieren soll. Und die Mehrheit hat gemeint, dass man danach wohl auf jeden Fall aus rosaroten Wunschwolken abstürzt und ziemlich hart auf dem Boden der Tatsachen aufschlägt. Das deckt sich mit dem, was ich für Frida im Sinn habe.
    Natürlich kann sie für Coholts Verhalten und Worte Entschuldigungen finden, das wäre in jedem Fall verständlich. Aber sie tut es nicht. Sie merkt, dass sie sich selbst was vorgemacht hat und dass ihre Befürchtungen wahr geworden sind.
    Trotzdem noch einmal ein dickes Danke für dein intensives Reindenken in meinen etwas sperrigen Frida-Charakter und deine interessanten Anmerkungen zu ihrem Verhalten. Sowas hilft mir sehr!

    Und nimm bitte das 'censored'-Pflaster von dem Emoji weg. :nono:

    Für den König

    (Schreibwettbererb Januar/Februar 2024: "Für den König")

    Die eisigen Finger der Kälte stachen bei jedem Atemzug in die Brust des Jungen. Aber das unerbittliche Toben des Sturmes machte nicht nur das Atmen schwer. Mit der fast tauben Linken umklammerte Virgas den Saum seines Umhangs und hob den Arm, um sein Gesicht so vor den Eisnadeln zu schützen. Er hatte das Zeitgefühl längst verloren, stolperte durch die Nacht, folgte den Fußstapfen im knietiefen Schnee. Die wirbelnden Flocken nahmen Virgas fast die Sicht und er konzentrierte sich allein darauf, den Schlitten und die Silhouette des Mannes, der ihn zog, nicht aus den Augen zu verlieren. Es gab kein Mondlicht und weder er noch sein Vater hatten eine Hand frei für eine Fackel, die bei diesem Sturm sowieso nicht brennen würde.

    Ohne Pause stapften sie voran. Es gab keine Straße, aber der Vater schien den Weg zu kennen. Seine dunkle Gestalt war kaum noch zu sehen und Virgas wäre fast über den Schlitten gestolpert, als der plötzlich anhielt.

    „Wir übernachten hier“, hörte Virgas seinen Vater sagen. „Dort drüben, bei den Bäumen.“

    Ohne auf eine Antwort zu warten, zwängte sich der Mann mit dem Schlitten zwischen den tief herabhängenden Zweigen durch. Virgas folgte.

    Die Stelle war gut gewählt. Weil die Äste der Nadelbäume hier so dicht wuchsen, erreichte der Schnee den Boden nicht.

    Virgas hauchte in seine Hände, doch er beklagte sich nicht. Er war zwölf, also bald ein Mann, und er würde nicht jammern wie ein kleines Kind. Ein verstohlener Blick zur Seite zeigte ihm, dass der graue Bart seines Vaters gefroren war. Schneeflocken klebten in seinen schweißfeuchten Haaren und den buschigen Augenbrauen.

    Noch immer wusste der Junge nicht, warum er mitten in der Nacht aus dem Bett gezerrt worden war. Sein Vater hatte ihm befohlen, alles anzuziehen, was er besaß. Virgas war der Aufforderung ohne Murren oder Fragen gefolgt. Fador Schmied war kein Freund großer Worte, das wusste der Junge, aber er hätte doch gern erfahren, warum sie den ganzen Tag schon in eisiger Kälte durch die Wildnis stapften und wohin ihre Reise ging. Was ihn am meisten wunderte: Der Vater hatte sein Werkzeug diesmal nicht mitgenommen. Wann immer man ihn als Schmied an einem anderen Ort brauchte, packte er alles ein, was er dafür benötigte. Doch heute trug der kleine Schlitten nur Decken und Felle, einen Kochkessel, zwei Schinken und zwei Brote.

    Sein Vater räumte alle Sachen außer einer Decke ab. Die legte er auf die Holzstreben und wies Virgas mit einer Geste an, sich darauf niederzulassen.

    „Kein Feuer“, meinte er. „Sieh zu, dass du warm bleibst, vor allem deine Füße und Hände!“

    Virgas kroch tiefer in seinen Umhang und schlang die Arme um sich. „Wohin gehen wir?“

    „Gondred“, stieß sein Vater hervor. „Wir müssen nach Gondred.“

    Virgas riss die Augen auf. In die Hauptstadt des Nachbarreiches? Sie würden erst übermorgen oder noch später dort ankommen, wenn das Wetter so blieb. Als kleiner Junge hatte er seinen Vater schon einmal dorthin begleitet und mit offenem Mund über den geschäftigen Hafen und die auf einem Hügel thronende Burg gestaunt.

    „Warum nach Gondred?“, fragte er verständnislos. „Der Fürst des Landes hat seine Grenze zu unserem Reich befestigt und seine Armee aufgestockt.“

    „Aus gutem Grund.“ Sein Vater betrachtete ihn lange. „Du weißt vom Königsmord. Danach fürchtete jeder, der unseren guten König Menalos näher gekannt hatte, um sein Leben. Man raunte hinter vorgehaltener Hand, dass der Bruder des toten Königs nicht nur der Nachfolger, sondern auch dessen Mörder war. Der Fürst von Gondred, ein guter Freund von König Menalos, glaubt das ebenfalls. Deswegen ...“ Er hob hilflos die Hand. „Ich war Schmied am Hof unseres ehemaligen Königs“, fuhr er fort. „Wir sind gemeinsam aufgewachsen und auch später trotz des Standesunterschiedes Gefährten geblieben.“

    „Du hast den ermordeten König gekannt?“, stieß Virgas verblüfft hervor.

    Sein Vater nickte. „Als ich heiratete und auch Menalos sich eine Königin wählte, trennten sich unsere Wege. Ich ging fort von der Burg und weil drei Dörfer weiter ein Schmied fehlte, ließ ich mich mit meiner Dinah dort nieder.“

    Er nickte versonnen. Sein Gesicht war im Dunkeln nicht zu erkennen. Virgas wusste, seine Eltern hatten sich sehr geliebt und der Tod der Mutter vor zwei Jahren den Vater schwer getroffen.

    „Und warum sind wir jetzt auf der Flucht? Das sind wir doch, oder? Du hast dein Werkzeug nicht mitgenommen.“

    „Das sind wir, du hast Recht.“ Die Stimme des Vaters hatte sich verändert. Verhaltener Zorn bebte darin. „Die Königin und ihr kleiner Sohn wurden eines Morgens tot aufgefunden, man hat nie erfahren, woran sie gestorben sind. Und Margos, der neue König, ließ nach den Vertrauten und Freunden seines ermordeten Bruders fahnden. Es hat viele davon gegeben, weil Menalos ein Mann des Volkes gewesen war. Viele flohen nach Gondred, aber viele folgten ihrem König und Freund ins Grab. Ohne Anklage, ohne Gericht. Sie verschwanden einfach.“

    „Aber dich hat er nicht gefunden!“

    „Das dachte ich auch. Bis gestern Abend dieser Soldat bei uns auftauchte, weil sein Pferd ein Eisen verloren hatte. Es war schon spät, ich wollte erst gar nicht vor die Tür gehen. Wahrscheinlich habe ich deshalb auch vergessen, mir den Mann anzusehen, bevor ich mich ihm zeige. Du weißt, das tue ich sonst immer, aber gestern habe ich nicht drangedacht. Ich trat aus der Haustür und stand ihm gegenüber. Dem Stummen Sporek, einem treuen Gefolgsmann von König Margos. Er hat mich sofort erkannt, ich sah es an seinen Augen.“

    Virgas dämmerte, was der Grund ihres überstürzten Aufbruchs gewesen war, doch er sagte nichts.

    „Ich weiß, dass Margos noch heute Nacht von mir erfahren wird“, fuhr sein Vater fort. „Und dann ist mein Leben keinen Dreck mehr wert. Und deines auch nicht. Also habe ich die Esse gelöscht, sobald Sporek davongeritten war, das Nötigste auf den Schlitten gepackt und dich aus dem Bett geholt. Es tut mir leid, Virgas“, er hob den Kopf und sah den Jungen an, „dass du wegen mir dein Heim verloren hast. Wir werden versuchen, Gondred lebend zu erreichen, und nie nach Harasien zurückkehren.“

    „Denkst du, sie folgen uns?“

    „Ganz sicher. Margos hat Angst vor dem Volk. Deshalb merzt er alles aus, was seiner Herrschaft gefährlich werden könnte. Und alte Freunde seines Bruders stehen ganz oben auf der Liste. Ich glaube aber nicht, dass sie in der Nacht weitersuchen werden. Es hat fast ununterbrochen geschneit, unsere Spuren sind nicht mehr zu sehen. Außerdem gehört dieser Wald schon zu Gondred. Margos und seine Leute haben hier nichts verloren.“

    „Und wenn sie Hunde haben? Dann finden sie uns vielleicht doch.“ Verbissen bemühte sich Virgas, die Furcht aus seinen Worten herauszuhalten.

    „Ja, möglich.“ Ernst sah der Vater ihn an. „Aber ich hoffe, dass sie an der Grenze umgekehrt sind.“

    Sie richteten sich auf den Fellen ein Lager her und schliefen, unter den Decken eng aneinandergeschmiegt, ein paar Stunden. Kaum dämmerte der Tag, drängte der Vater zum Aufbruch. Virgas schob hastig ein Stück Brot in den Mund, dann folgte er wieder dem Schlitten.

    Am Mittag erreichten sie Gondred. Keine Reiter waren aufgetaucht, keine Hunde hatten sie mit ihrem Bellen angetrieben.

    Das Stadttor war weit geöffnet, doch die doppelte Wache auf beiden Seiten verriet, dass der Fürst wachsam war. Virgas‘ Vater trat an einen der Posten heran. Der Mann hob misstrauisch eine Augenbraue.

    „Was wollt ihr?“, fragte er.

    „Ich muss zum Kommandant“, erklärte der Vater zu Virgas größtem Erstaunen. „Er kennt mich.“

    „Wie ist dein Name?“

    „Ich bin Fador, der Schmied.“

    „Warte hier!“

    Der Soldat verschwand und kehrte kurz darauf mit seinem Vorgesetzten zurück.

    „Fador Schmied!“

    Erstaunt sah Virgas, wie der Offizier seinen Vater lachend umarmte. „Wie viele Jahre ist es her?“

    „Später, Freund“, gab der ernst zurück. „Bring mich zuerst zu deinem Fürsten. Ich habe eine wichtige Nachricht für ihn.“

    Während sich Virgas noch fassungslos fragte, wieso sein Vater einen Offizier der Gondreder Stadtwache ‚Freund‘ nannte und was wohl diese wichtige Nachricht war, wurden sie zur Burg geleitet. Man ließ sie überall durch und bevor sich der Junge versah, machte er an der Seite seines Vaters einen tiefen Diener vor dem Herrscher des gondrischen Fürstentums.

    „Von wem kommt deine Botschaft, Schmied, und wie lautet sie?“, hörte er den Fürsten fragen.

    „Sie kommt vom ehemaligen Hofmagier des ermordeten Königs Menalos von Harasien und sie hat keinen Wortlaut, sondern ist eine Person.“ Er nahm Virgas am Arm und schob ihn nach vorn. „Ich bringe euch Prinz Rilko, Sohn von König Menalos und Königin Yania und Thronerbe von Harasien.“

    Der Fürst stand auf, kam näher und musterte Virgas eingehend, der vor Schreck wie erstarrt war.

    „Prinz Rilko war aschblond und ihm fehlte der rechte kleine Finger“, entgegnete der Herrscher von Gondred. „Dieser Junge hat zehn Finger und rabenschwarzes Haar!“

    „Ich weiß.“ Fador Schmied senkte den Kopf. „Der Hofmagier brachte ihn in der Nacht des Königsmords zu mir. Er hatte einen Zauber über ihn gelegt, der sein Äußeres veränderte. Prinz Rilko wurde zu Virgas Schmiedsohn. Das war das Letzte, was dieser Mann und ich für unseren König tun konnten: seinen Sohn beschützen. Und das haben wir getan. Aber jetzt ist er bei mir nicht mehr sicher und ich vertraue ihn Eurer Obhut an.“

    Unter seinem Kittel zog Fador eine kostbare, goldverzierte Schwertscheide hervor, die Virgas nie gesehen hatte.

    „Nehmt das Schwert, Prinz Rilko“, bat er und verbeugte sich dabei. „Es gehörte dem ermordeten König, Eurem Vater, und es wird beweisen, dass Ihr sein Erbe seid.“

    Zögernd streckte Virgas die Hand aus. Kaum hatten seine Finger das Schwert berührt, spürte er, wie ein Prickeln seinen Körper erfasste. Die Härchen auf seinen Armen richteten sich auf und als er beide Hände um den mit Edelsteinen besetzten Griff des Königsschwerts schloss, rann ein Schauer seinen Rücken herab.

    Er hörte, wie alle Umstehenden scharf die Luft einsogen. Gemurmel setzte ein und dem Fürsten entfuhr ein überraschter Laut.

    Virgas drehte sich langsam um und starrte mit weit aufgerissenen Augen in den Spiegel, der an der Wand zwischen zwei Fenstern hing. Ein unbekannter Junge sah ihm daraus entgegen, mit fremdem Gesicht und mit aschblonden Haaren ...

    Hallo Thorsten :)

    Spoiler anzeigen

    Ich bin mir nicht sicher ob wir ueber genau den gleichen Punkt reden - ja, wenn sie es an diesem Punkt begriffen hat, dann geht die Reaktion in Ordnung.

    Mein Punkt war aber - wieso hat sie es ausgerechnet an diesem Punkt begriffen?

    Weil mir - und ich kann ja nur von mir als Frau ausgehen - diese Aussage von Coholt

    "... Dass man uns trennt, ist mir völlig egal. Wir hatten beide unseren Spaß und eine schöne Zeit, aber wie es aussieht, ist sie vorbei. Also lass uns die Sache nicht unnötig dramatisieren.“

    reichen würde, um zu begreifen, dass es vorbei und meine Wunschwelt zerbrochen ist.
    Ich denke, noch deutlicher kann man es ja kaum machen. Und ein 'morgen klingt das bestimmt wieder anders' gibt es ja nicht, denn am Abend verlässt er den Ring (zumindest muss sie zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgehen). Sie wird ihn also nicht noch einmal sehen oder sprechen. Das ist der letzte Stand. Das ist ihr klar.
    Ein bisschen Stolz hat Frida ja auch noch. Ich habe es nicht extra mit geschrieben, aber ihr Abgang sollte eigentlich deutlich machen, dass sie sich einen Rest Selbstachtung bewahren will. Sie braucht Coholt nicht zum Überleben. Und sie wird trotzdem bleiben. Es ist vielleicht nicht unbedingt einleuchtend, warum, und es mag auch nicht realistisch rüberkommen. Und ja, wenn man es recht betrachtet, wirkt das alles unüberlegt und unreif. Aber sie will jetzt nicht klein beigeben und heulend davonlaufen.

    Danke auch für dein Feedback zum Kapitel 47. Freut mich, dass es gefällt.
    Und jaaaa, die sicheren Leitungen :D - das ist schon ein heißes Eisen. Aber Ares wohnt ja seit diesem Tag im Quartier des Garde-Commandanten, das Frida am Morgen geräumt hat. Ich habe das mal noch mit einem Satz eingefügt, damit der Leser das im Hinterkopf hat. Und Ares vertraut auf die KI, auch was das Abhören oder Ausspionieren seines Quartiers angeht. Er ist sich sicher, dass Webster das nicht entgehen würde, wenn da irgendwas installiert wurde. Sollte ich das noch mit erwähnen?

    Danke auch Kirisha für deine Sorge um Ares und dir und allen anderen für's Weiterlesen und eure Likes. Und weil ihr ja alle up to date seid, bring ich mal schon den nächsten Part. Mit 900 Wörtern eher kurz, aber für zwei Teile ist das Kapitel zu lang, deshalb drei. :)

    Zum vorigen Part: Kapitel 47

    ~~~ Kapitel 48 ~~~


    Kapitel 48 (1/3)
    Am nächsten Morgen saß er in seinem Zimmer und hatte einen Kaffee vor sich. Er mochte das bittere Getränk, das heutzutage wegen seiner aufwändigen Herstellung nur selten erhältlich war und kaum noch Liebhaber fand. Er war einer von ihnen. Der aromatische Duft und der herbe Geschmack hatten ihn dazu werden lassen.
    Er lehnte sich in das weiche Polster des Sessels zurück und streckte die langen Beine aus. Etienne hatte sich noch nicht gemeldet, aber es würde wohl nur noch ein paar Minuten dauern.
    Ares war gespannt, was sein Freund erreicht hatte. Er selbst kannte diesen Cane nicht, aber Etienne war überzeugt gewesen, dass der Junge etwas herausfand.
    Sein ComPad vibrierte. Er hob den Arm und sah Krells besorgtes Gesicht auf dem kleinen Bildschirm.
    „Linus?“
    „Es gab wieder einen Vorfall. Besser du kommst vorbei.“
    „Wo seid ihr?“
    „Erstes Obergeschoss am Ende des Südkorridors.“
    „Erstes Obergeschoss? Bei den Servicern?“
    „Ja.“
    „Eilt es?“
    „Es wäre schon ...“ Der Axiom stockte. „Nein“, fuhr er fort, „das tut es nicht.“
    „Ich bin in ein paar Minuten da.“
    Er schob das ComPad in die Tasche zurück und nahm sich die Zeit, seinen Kaffee auszutrinken. Nach einem letzten Blick hinaus auf die im Morgenlicht badende Insel verließ er sein Quartier. Etienne würde warten müssen.
    Auf dem Weg zum Lift überlegte Ares. Im ersten Obergeschoss, hatte Krell gesagt. Ein Vorfall. Das konnte alles Mögliche sein. Unweigerlich musste er an den toten Onta denken. Aber auf der Eins gab es keine Ontas. Dort wohnten nur Servicer. Und die verursachten normalerweise keine Vorfälle. Was auch immer es war - heute würde es keine Prügelattacke sein, denn Coholt saß unter Arrest.
    Der Gleiter!, fiel Ares in diesem Moment ein. Er trifft um achthundert ein. Ein rascher Blick zur Zeitanzeige verriet ihm, dass das bereits vor zehn Minuten gewesen war. Er ließ sich mit dem leitenden Servicer auf der Landeplattform verbinden und erfuhr, dass der Frachter pünktlich gelandet und Coholt mit seinen Männern bereits an Bord war. Der Start würde in fünf Minuten stattfinden.
    Ares bat den Mann, die Kommandozentrale der Garde über die Ankunft der neuen Axiome zu informieren. Benedict hatte die Frühschicht, er würde sie von einem Gardisten am Frachttor abholen lassen.
    Während er den Lift betrat, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf.
    Was, wenn der Vorfall, den Linus meinte, von Frida verursacht wurde? Gestern Abend hatte sie Coholt noch einmal sehen dürfen. Jetzt war ihr Liebster weg und Frida allein zurückgeblieben. Sie hatte ihr Quartier im ersten Obergeschoss! Konnte es sein, dass seine Entlassung ihr derart den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, dass sie ohne ihn nicht weiterleben wollte?
    Bevor er Krell erreichte, vibrierte sein ComPad erneut. Es war Julian.
    „Ares, können Sie in die Klinik kommen? Es wäre gut, wenn Sie es selbst sehen.“
    Sie hat sich wirklich umgebracht, schoss es ihm bei diesen Worten in den Kopf. Oder es zumindest versucht.
    „Lebt sie?“, fragte er zurück. Wenn Frida als Angehörige der Garde ihrem Dasein ein Ende gesetzt hatte, würde er ihr keine Träne nachweinen. Aber auf den Ärger, den das nach sich ziehen würde, konnte er verzichten.
    „Wieso sie?“, hörte er Julian fragen.
    Verwirrt blieb er stehen. „Reden wir nicht von Frida? Ich dachte ...“
    „Ares“, unterbrach ihn der Arzt, „es ist Etienne.“

    Er hätte ihn nicht erkannt. Einen Augenblick zweifelte er sogar, dass es sein Freund war. Doch ein Medi-Servicer hatte am Klinikeingang auf ihn gewartet und ihn direkt hierhergebracht. Jetzt stand Ares wie angewurzelt an der Tür und starrte betroffen auf die reglose Gestalt auf dem Gravi-Board.
    Etienne lag da wie tot. Sein Gesicht war blau-violett verfärbt und grotesk angeschwollen. In Bart und Haaren klebte Blut. Auch in den Halsausschnitt seines Freizeitoveralls war es gesickert und hatte dort dunkelrote Flecken hinterlassen.
    Ein Strudel von Gefühlen riss Ares unbarmherzig mit sich und ließ keinen klaren Gedanken zu. Unsagbare Wut auf Coholt ergriff ihn, denn niemand anders konnte es gewesen sein. Und im selben Augenblick gesellten sich zu dieser Wut hilfloser Zorn auf sich selbst, Schuldgefühle, Trauer, Sorge ...
    Das war seine Schuld. Er trug die Verantwortung. Die Kehle wurde ihm eng. Verdammt, Etienne, dachte er, es tut mir leid.
    „Wie geht’s ihm?“, fragte er heiser.
    Julian, der Etiennes verschwollene Lider angehoben und mit einer Lampe in die Augen geleuchtet hatte, richtete sich auf. Er hob die Schultern. „Ich bin noch nicht fertig mit der Bestandsaufnahme. Hab ihn erstmal schlafen gelegt, damit er richtig atmen kann trotz der gebrochenen Rippen.“
    „Wann kann ich mit ihm sprechen?“
    „Sprechen? Keine Ahnung. Sein Unterkiefer ist ein Puzzle. Das Nasenbein und die Jochbeine sicher auch. Er muss heute noch aufs Festland. Das kann ich hier nicht richten. Etliche Zähne wurden ihm ausgeschlagen. Und er hat sich zweimal auf die Zunge gebissen. Das muss man nähen. Die meisten Sorgen macht mir sein Kopf. Ich befürchte Blutungen im Gehirn.“ Er sah Ares an und ruckte mit dem Kinn in Richtung Tür. „Gehen Sie wieder. Sie können ihm eh nicht helfen und ich habe zu tun. Emma kommt gleich und hilft mir. Ich wollte nur, dass Sie es mit eigenen Augen sehen. Rufen Sie mich später an.“
    Die Tür schloss sich hinter Ares und er stand wie betäubt im Klinikkorridor. Die Erinnerung an etwas, was Etienne einmal gesagt hatte, machte ihm die Kehle eng. ‚Ich möchte nicht der Nächste sein, der in einem Raum da unten gefunden wird. Oder den niemand findet ...‘, das waren seine Worte gewesen.

    Hier geht's weiter: Kapitel 48/2

    Hallo Jufington ,

    ich hab deine drei Szenen mal gelesen. Meine Gedanken dazu pack ich dir in den Spoiler :)

    Spoiler anzeigen

    Dicke Schutzbauten flankieren beide Seiten der Bucht, als ihr Schiff in den Hafen einläuft wie der Krill in den Rachen des Wals. Die Krieger auf den Mauern beachtet der Kapitän kaum, zu sehr beschäftigt ihn der Anblick vor ihm.

    Mein Gedanke beim Lesen: Ah, der Kapitän behält trotz der offensichtlich fremdartigen Bauten und der Krieger an den Seiten der Bucht die Anlegestelle im Auge, damit das Schiff sicher anlegen kann.

    Hundert, vielleicht hundertfünfzig Schritt hoch. Der Basalt schimmert grün, violett und blau im diffusen Licht. Kein einziges Moos scheint auf der glatten Oberfläche zu wuchern, kein Vogeldreck bedeckt seine Flanken.

    Mein Gedanke beim Lesen: Ah, die Bucht besteht also nicht aus Sand, sondern aus farbig schimmerndem Basalt.

    Gestern noch hatte er einen Matrosen zum Deck schrubben verdonnert, als er ihn dabei erwischt hatte, Märchen über den Pfeiler zu erzählen. Nun, da er ihn mit eigenen Augen sieht, kann der Kapitän nicht anders, als Urols Licht um Beistand zu flehen.

    Mein Gedanke beim Lesen: What? Was für ein Pfeiler? Wo kommt der denn auf einmal her?

    Was ich damit sagen will: Ohne dein Bild hätte die Szene bei mir nicht funktioniert. Ich hätte mir die Location nicht vorstellen können. Schon mal dass "Turm" und "Pfeiler" für dich dasselbe sind, wäre mir nicht klargeworden. Zumal ja auch der Titel nichts darüber verrät. :hmm:

    Ich denke, du tust dir keinen Gefallen, wenn du diese riesigen Bilder nicht in Spoiler packst. Sie sind das erste gewesen, was ich mir angesehen habe. Danach erst habe ich gelesen. Du nimmst meinem Kopf mit den Bildern die Arbeit ab. Und du kannst - nicht falsch verstehen bitte - deine Beschreibung weniger sorgfältig halten, weil das Bild ja für Kopfkino sorgt. Wenn es dieses nicht gäbe - ich hätte wirklich nicht gerafft, wie die Landschaft aussieht.

    Kann natürlich sein, dass das Bild das Wichtigere ist und die Geschichte nur vom Bild inspiriert wurde und somit eine Erklärung liefert für das, was ich da sehe. Dann wäre es verständlich, dass die Beschreibung knapper ausfällt, weil es ja keine Missverständnisse gibt. Deshalb wäre meine Frage: Schreibst du für das Bild oder soll das Bild dem Geschriebenen helfen?

    Wenn ihnen andere Reisende begegnen, so werden die Wanderer von ihnen ignoriert. Sie bieten ihnen kein Wasser an und tun ihnen auch nichts zuleide. Denn jeder weiss: Diese Menschen haben eine Aufgabe. Ihnen dabei zu helfen ist untersagt, sie daran zu hindern ist unverzeihlich.

    Hier ist mir der Bezug von "ihnen" und "sie" nicht immer klar. Der Absatz gehört den Pilgern (das erste und zweite "ihnen"). Also gehe ich davon aus, dass die Pilger den Reisenden kein Wasser anbieten (sie können ja auch gar nicht, weil sie nackt unterwegs sind) und ihnen nichts zuleide tun.
    Aber der Satz "Ihnen dabei zu helfen ..." ist mir nicht klar. Welche Aufgabe haben denn diese Reisenden, bei der ihnen niemand helfen und an der sie niemand hindern darf?
    Meinst du mit Wanderern und Reisenden dieselbe Personengruppe? Oder sind Wanderer und Pilger dieselbe Personen? Das ist für mich nicht klar ersichtlich.

    als es der junge Mann endlich über den Zenit des Bergs schafft.

    Das Wort "Zenit" habe ich als Bezeichnung für einen Berggipfel noch nie gehört. Ich kenne es als Bezeichnung für das Himmelsgewölbe und für den Höhepunkt einer Leistung(sfähigkeit) und finde es deshalb an dieser Stelle nicht ganz passend. Kann aber auch sein, dass das nur mir so geht. Wollt's nur mal angemerkt haben.

    So, für alle, die auf Neuigkeiten zum aktuellen Stand von

    Das eBook gibt's erstmal nur bei Sweek und Kobo, auf Amazon folgt es in ein paar Tagen. Das dauert bei denen immer länger, keine Ahnung, wieso. :schiefguck:

    warten: Ich habe vorgestern (drei Wochen nach Veröffentlichung!) jetzt doch einmal nachgefragt bei Sweek, warum das eBook in Deutschland nicht bestellbar ist. Die Antwort kam von Bookmundo und da hieß es, meine Kapitelüberschriften hätten ein falsches Format, deshalb würden die deutschen Onlineshops das eBook nicht listen. Toll, dass man erst nachfragen muss, um so was zu erfahren. Und toll, dass es bei den anderen eBooks keine Probleme gegeben hat, obwohl alle mit derselben Formatdatei erstellt wurden. :thumbdown:
    "Wieso antwortet mir Bookmundo und woher haben die meine Mailadresse?", hab ich mich gefragt und mich kundig gemacht, was das Unternehmen mit Sweek zu tun hat. Die Antwort war einfach:

    Spoiler anzeigen


    Und Bookmundo hat mir eine Formatdatei verlinkt, die ich für das eBook verwenden soll. Nett, oder?

    Ich hab mein Buch also aus der Veröffentlichung genommen (in den Niederlanden, Frankreich und der Schweiz ist es ja schon seit Anfang Februar erhältlich gewesen), das Manuskript auf diese Formatdatei angepasst und 24h später noch einmal veröffentlicht (eher war es nicht möglich). Und siehe da: Seit gestern ist es genau wie das Taschenbuch im deutschen Online-Buchhandel erhältlich.

    Und die ersten drei Rezensionen sind auch schon da!! Vielen Dank! :panik:

    Hallo, Thorsten

    Spoiler anzeigen

    weil ich diese Formulierung mag, fällt sie mir auf. Um so mehr, wenn sie sich wiederholt.

    Warum genau mußten die Dinge zwischen ihnen auf einmal so kompliziert sein?

    Wieso mußten die Dinge auf einmal so kompliziert sein?

    Zumal Tanred bei beiden Textstellen über Arngard nachdenkt. :hmm:

    Ist jetzt nix, was geändert werden muss. Wollt es nur mal anmerken, dass es mir aufgefallen ist.

    Vielen Dank für dein Feedback, Thorsten .

    und es ist ja nicht das erste Mal dass er etwas grobes oder gemeines zu ihr sagt - und dieses eine Mal hat ihr aber jetzt die Augen geoeffnet?

    Hm. Das, was er diesmal zu ihr gesagt hat, war schon etwas mehr als nur etwas Grobes oder Gemeines: Er hat sie abserviert. Und sie hat es begriffen. Ich denke, dass eine derartige Reaktion da in Ordnung geht. Keine Frau will gerne hören, dass sie sich was eingebildet hat, was nicht da war. Auch eine taffe Ex-Commandantin nicht. Wir hatten uns ja in der Konvi lange über Frida und ihr (für dich nicht ganz nachvollziehbares) Verhalten unterhalten. Ich möchte sie trotzdem so lassen: Sie erkennt mit einem Schlag, dass ihre Hoffnungen, mit Dwayne ein Leben außerhalb des Ringes aufzubauen, gestorben sind. Und zurück bleibt bei ihr nichts als diese Wut, die sie ihm entgegenschleudert. Vielleicht gibt es ja noch andere Meinungen zu dieser gestörten Beziehung und deren abruptem Ende.


    ~~~ Kapitel 47 ~~~

    „Commandant, eine Meldung von Pitcairn: Aufgrund technischer Probleme auf dem Flugfeld kann der Gleiter, der heute Abend die neuen Axiome bringen sollte, nicht starten. Der Flug wird auf morgen früh sechshundert verschoben.“
    „Danke, Axiom.“ Ares nickte Hernandez zu, der heute Dienst in der Kommandozentrale hatte, und der Kubaner verschwand wieder. Die Anrede war noch ungewohnt, denn sie duzten sich privat. Aber als Vorgesetzter hier in der Zentrale? Da ging das natürlich nicht.
    Also kam der Gleiter erst morgen früh. Das bedeutete, dass Coholt und seine Männer noch eine Weile hier im Ring zubrachten ...
    Ares seufzte und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Seine Nacht war kurz gewesen. Und der gestrige Abend anstrengend. Erst hatte er versucht, von Frida i erfahren, um was er sich als Commandant alles kümmern musste. Doch die ehemalige Commandantin war das Gegenteil von dem, was man kooperativ nannte. Jedes Wort musste er ihr mühsam abringen und ihre Genugtuung, dass er auf sie angewiesen war, konnte man nicht übersehen. Es war alles andere als eine glückliche Lösung, aber es gab niemanden sonst, der mit den Aufgaben vertraut war.
    Ares war sicher, dass sie ihm einiges verschwiegen hatte, wohl aus Rache, um ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Aber selbst wenn das der Fall sein sollte – er würde zurechtkommen und ihr nicht den Triumph gönnen, Fehler zu machen.
    Dann der Abend gestern in der Bar. Mit Linus und Malcolm hatte er ja schon oft dort zusammen­gesessen. Aber diesmal war Hernandez dabei gewesen und weiß der Himmel: Der Mann vertrug erstens etwas und machte zweitens den Abend mit seinem Temperament zu einem Erlebnis. Glücklicherweise hatten die drei auf seinen neuen Rang gepfiffen und es war locker und ungezwungen zugegangen. Die Ereignisse des Nachmittags hatte er deshalb in seinem Kopf weit nach hinten schieben können.
    Heute Morgen waren sie ihn wieder da gewesen. Zusammen mit heftigen Kopfschmerzen, die sich bis jetzt nicht bessern wollten, obwohl er kaum etwas getrunken hatte. Inzwischen war schon Mittag vorbei. Es war wohl alles ein bisschen viel gewesen.
    Coholt ...
    Er hätte den Mann lieber jetzt als morgen außerhalb des Ringes gewusst, doch gegen technische Probleme konnte man nichts machen. Und der ehemalige Axiom befand sich – wie seine Männer - unter Arrest, also war alles in Ordnung.
    Wie bizarr, dachte Ares fast belustigt, es ist noch keine Woche her, dass Coholt mich abführen ließ. So schnell ändern sich die Seiten.
    Drei Gardisten, wie Verbrecher verhaftet und eingesperrt! Einen solchen Fall hatte er nie zuvor im Ring erlebt. Es gab keine Haftzellen für Angehörige der Garde, weshalb er die drei kurzerhand in leere Timori-Zellen im ersten Untergeschoss einquartierte. Er wollte kein Risiko eingehen, denn er schätzte Coholt als unberechenbar ein.
    Die ehemalige Commandantin hatte gestern Abend um Erlaubnis für einen Besuch bei Coholt gebeten. Ein abfälliges Lächeln verzog Ares‘ Mundwinkel, als er daran dachte. Das musste ihr schwergefallen sein, dessen war er sich sicher. Einen Grund, es abzulehnen, gab es nicht, also gestattete er es und ließ Dwayne von drei seiner Vierstreifen in die Besuchskammer für Timoris bringen. Die Carbonscheibe zwischen Häftling und Besucherin hatte er selbstverständlich ausfahren lassen, damit Frida Dwayne nichts geben konnte. Und der Türkamera war keine Bewegung entgangen. Außerdem stand ein Gardist mit im Raum und der hatte keine besonderen Vorkommnisse gemeldet.
    Etienne würde staunen über die Neuigkeiten, wenn er sie ihm ...
    Ein Gedanke durchzuckte ihn: Wenn der Gleiter heute nicht starten kann, wird auch Etienne heute Abend nicht zurückkehren! Erst morgen!
    Er stöhnte. Und ihm selbst stand heute auch noch der Abend mit Mestor bevor.
    Ein Knurren ausstoßend, schlug er mit der Faust auf den Computertisch. Wann würde sein Leben endlich wieder in ruhigen Bahnen verlaufen?
    Er stand auf und verließ die Zentrale, um die beiden Stellvertreter-Axiome aufzusuchen und ihnen mitzuteilen, dass sie noch ein wenig auf ihre Ablösung warten mussten. Dann würde er für eine Stunde in sein neues Quartier gehen, um die Kopfschmerzen loszuwerden.
    „Ich drehe eine Runde und bin dann oben“, verkündete er Hernandez im Vorbeigehen.
    Er spürte den Blick des Axioms im Rücken und dessen Nicken war fast mitfühlend gewesen. Offenbar machte er nicht den allerbesten Eindruck, was Fitness und Wachsein anging. Kein Wunder nach dem, was er hinter sich hatte.

    Eine halbe Stunde und einen Powerdrink später lag er auf seiner komfortablen Ruheliege und starrte die Decke an. Müde schloss er die Augen und versuchte das quälende Hämmern hinter der Stirn zu ignorieren. Hoffentlich wirkte das von der Klinik geschickte Medikament bald.
    Der Computer riss ihn aus der Schläfrigkeit. „Kontaktanfrage Doktor Witt“, verkündete die freundliche Frauenstimme.
    „Gewährt“, stöhnte er, ohne den Kopf vom Kissen zu heben. Das waren doch nicht mal zehn Minuten Ruhe gewesen!
    „Commandant, mir wurde mitgeteilt, dass Sie starke Kopfschmerzen haben“, hörte er Julian sagen. „In Anbetracht der zurückliegenden Ereignisse bitte ich Sie, in die Klinik zu kommen. Ich würde Sie gern untersuchen.“
    Ares antwortete nicht sofort. Julian glaubte scheinbar an einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen der letzten Woche und seinem schmerzenden Schädel. Doch deswegen gleich ...
    „Das ist nicht nötig“, gab er zurück.
    „Dann sagen Sie mir wenigstens, ob das Medikament, dass Doktor Milström Ihnen vor drei Stunden geschickt hat, wirkt.“
    Drei Stunden?!
    Ares fuhr hoch. Ein Blick auf sein ComPad bestätigte die Worte. Er hatte drei Stunden geschlafen! Verdammt, Hernandez würde auf ihn warten!
    „Es ...“ Einen Augenblick horchte er in sich hinein. „Ein bisschen, ja.“
    „Ich bitte Sie trotzdem noch einmal, sich in der Klinik vorzustellen.“
    Er hörte den besorgten Unterton in Julians Stimme. Seufzend schwang er die Beine von der Liege. „Ich komme“, erklärte er. „Geben Sie mir zehn Minuten.“
    Während er in der Nasszelle versuchte, mit kaltem Wasser seine Benommenheit zu vertreiben, gab er Hernandez Bescheid. Mit beiden Händen auf die Waschmulde gestützt, starrte er danach in den Spiegel.
    Vielleicht ist es wirklich besser, dass Julian mich mal checkt, dachte er, als er sein Gesicht sah.

    „Ares, sind Sie wach?“
    Wieder fuhr er aus dem Schlaf auf. Einen Moment lang hatte er Probleme, sich zu orientieren. Ja, er war in seinem neuen Quartier, der großzügigen Wohnung des Garde-Commandanten. Eine halbe Stunde nach seiner Ankunft in der Klinik hatte Julian ihn widerstrebend wieder gehen lassen und er war wieder hierher zurückgekehrt.
    „Webster“, murmelte er, denn nur die KI hielt sich nicht an die Regeln der Kommunikation im Ring. „Was wollen Sie?“
    „Ich selbst nichts. Der Sicherheitschef wünscht Sie zu sprechen. Ich habe eine gesicherte Leitung erstellt.“
    Etienne?
    Etienne kontaktierte ihn aus New York? Nein, Moment, da war er nicht mehr. Er war ...
    „Dann los“, seufzte er.
    „Hey, du Faultier“, hörte er die vertraute Stimme. „Wollen wir uns zufällig“, er betonte das Wort ironisch, „in der Servicer-Cantina treffen?“
    „Haha, sehr witzig“, knurrte er. „Sitzt du auf dem Stützpunkt fest?“
    „Festsitzen? Nein, wieso? Ich bin in meinem Quartier und habe dir viel zu erzählen. Also wie ist es - Lust auf einen netten Abend in der Bar?“
    Ares verstand überhaupt nichts mehr. Etienne war wieder im Ring? Aber Pitcairn hatte doch Probleme auf dem Flugfeld gemeldet! Das war vor ...
    Verblüfft merkte er, dass es draußen bereits dunkel war. Er hatte tatsächlich den ganzen Nachmittag verschlafen! Inzwischen konnten Starts auf dem Stützpunkt längst wieder möglich sein.
    „Geht nicht“, seufzte er. „Ich bin zum Essen bei Mestor eingeladen. Erzähl mir jetzt, was es Neues gibt.“ Er fragte nicht, ob es Probleme auf Pitcairn gegeben hatte. „Wie war dein Flug?“, wollte er stattdessen wissen.
    „Herrlich unspektakulär“, kam es zurück. „Sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg. Bevor ich erzähle – gibt es im Ring was Neues?“
    „Ja, einiges. Aber das dauert länger. Lass uns morgen früh darüber reden. Webster schaltet uns wieder einen Kanal, da kannst du mir alles erzählen. Und ich dir. Ich würde lieber noch eine Weile vergehen lassen, bevor wir uns wieder gemeinsam in der Öffentlichkeit zeigen. Nur dienstliche Kontakte vorerst.“
    „In Ordnung, dann bis morgen. Und einen schönen Abend dir!“
    „Ja, es wird ganz wundervoll werden“, gab Ares missgelaunt zurück.
    Er hörte noch Etiennes Lachen, dann war die Verbindung unterbrochen.
    Es war sicher noch ein wenig Zeit, bis er sich bei Mestor einfinden konnte. Ares beschloss, noch ein bisschen an die frische Luft zu gehen. Kurz überlegte er, ob er sich umziehen sollte, doch sein Dienst-Overall war eine durchaus passende Kleidung für diesen Termin. Gerade weil Mestor diesen Abend im privaten Rahmen plante.

    Hier geht's weiter: Kapitel 48 (1/3)

    Ich fand diese dörfliche Szene richtig schön. Beim Lesen von solchen Passagen kann sich mein Kopf irgendwie einfach ausruhen und genießen. Nichts, worüber ich nachdenken müsste oder was ich sorgsam im Gedächtnis behalten sollte. Bis auf diesen Fuchs. Der ist wirklich interessant. Bin schon gespannt, wer sich hinter/in ihm verbirgt. :thumbup:

    Diese Passage fand ich sehr gut weil ich mir denke dass die kleine Leserin das sofort versteht weil sie sicher selbst schon oft diese Frage gehört hat und weiß worauf sie abzielt. Durch diese indirekte Formulierung bekommt die Leserin das Gefühl dass sie schlauer ist als das Einhorn und ich denke mir dass das Kind beim Lesen bestimmt dazwischenruft und sagt dass es weiß was gemeint ist.

    Das weiß ich nicht, aber ja, das könnte durchaus so gewesen sein ^^ . Muss ich mal fragen, ich hab ja nicht selbst vorgelesen. :D

    Vielleicht kennst du die Bücher von Mamma Mu (die sind ja auch ins Deutsche übersetzt). Da passieren auch gerne zwischendurch Dinge die man nur durch die Zeichnungen indirekt erraten kann aber die die Figuren im Text nicht thematisieren. Ich denke das macht den Kindern auch viel Spaß.

    Nein, die kenn ich nicht. :hmm: Muss ich meine Tochter mal danach fragen.

    Vielen lieben Dank fürs Lesen, liebe Kirisha, schön, dass es dir gefallen hat.

    Jaaaaaa, das einzige Fantasy-Element ist das sprechende Einhorn, da hast du natürlich Recht. :jennagorn:Das Schreiben hat mir Spaß gemacht und da die Geschichte etwas länger geworden ist als eigentlich geplant (wegen der Moral ^^ ), ist daraus eine kleine Tages-Challange geworden. Und die Kids hatten jeden Abend ein Stück zum Vorlesen.

    Hallo, Zarkaras Jade :)

    Nachdem wir im Discord ja schon ausführlich über deinen Epilog gesprochen haben und ich dir meinen Eindruck geschildert habe, will ich mich zu deiner neuen Version auch noch äußern.

    Gefällt mir schon viel besser!! Mit dieser Version schließt du die Lücke zwischen dem letzten Angriff auf Renee und dem Abschied von UFO, ohne dass du den Erklärbär bemühst. Ein paar Dinge sind noch ungeklärt zum Ende, aber man kann den Leser ja auch mit ein paar Denkaufgaben und Vermutungen zurücklassen.

    Ich bringe mal noch den Rest vom Kapitel 46, auch wenn es erst Mittwoch ist. Aber ich möchte das abschließen. Danke für dein Feedback, Novize . Ich weiß nicht, ob der zweite Part vom Kapitel das enthält, was du vermisst. Aber gib mir gern nochmal Bescheid, falls es nicht so sein sollte. :)


    Zum vorigen Teil: Kapitel 46 (1/2)

    Das Abendessen in der Emerald-Cantina war die reinste Qual gewesen. Jeder hatte sie angestarrt, unverhohlen, neugierig und manche sogar schamlos grinsend. Sobald ihr letzter Bissen hinuntergewürgt war, hatte sie den großen Saal fast fluchtartig verlassen. Nur mit Mühe bremste sie ihre Schritte, um niemandem die Genugtuung zu geben, sie davonhasten zu sehen, vertrieben von der Häme und dem stummen Spott ihrer neuen Kameraden.

    Kameraden! Nie würden sie das sein.

    Mit energischen Schritten stampfte sie zurück in ihr Quartier. Dort angekommen, hatte sie sich auf ihre Liege fallen lassen.

    Dwayne ...

    Er hockte in einer Arrestzelle ein Stockwerk über ihr. Und sie hier. Wegen ihm. Zorn kochte in ihr hoch, als sie realisierte, dass ihre Karriere für ihn weggeworfen hatte.

    „Verdammt!“

    Ein neuer Schlag auf ihren Oberschenkel.

    Ob sie ihn noch einmal sehen durfte, bevor er den Ring verlassen musste? Eine Erlaubnis dafür durfte bei arrestierten Mitgliedern der Emerals-Garde ausschließlich der Commandant ausstellen. Sie würde also Ares Daktyl bitten müssen. Eine weitere Demütigung. Doch Dwayne sollte nicht einfach so gehen müssen, ohne zu erfahren, was aus ihr wurde.

    „Computer, Kontaktanfrage an Commandant Daktyl!“, knurrte sie.

    „Was gibt es?“, hörte sie nur Sekunden später.

    „Gardist Busch erbittet eine Besuchserlaubnis bei Ax... bei Gardist Coholt“, presste sie heraus.

    Es blieb still. Der Mistkerl ließ sie zappeln. Er genoss es, dass sie ihn um etwas bitten musste.

    „Gewährt“, kam es schließlich zurück. „Melden Sie sich bei Axiom Hernandez in der Kommandozentrale. Ein Gardist wird Sie begleiten.“

    Sie bedankte sich und machte sich auf den Weg zum Lift. Wieder begegneten ihr Ypirs und wieder glaubte sie Häme in ihren Gesichtern zu sehen und Flüstern hinter ihrem Rücken zu hören.

    Dwayne saß mit verschränkten Armen auf dem weißen Carbonhocker in der Besuchskammer und wartete. Er trug keine Uniform mehr.

    Als sie sich auf den Hocker vor der Scheibe setzte, sah sie, wie die Finger seiner Rechten auf den Ärmel des Freizeitoveralls trommelten. Wenn er so gereizt war, war er manchmal grob geworden und hatte sie gedemütigt. Besonders schlimm wirkten sich ein, zwei Alkoholeinheiten aus.

    Die hatte er heute mit Sicherheit nicht intus. Und heute würden Dwayne und sie auch nicht miteinander die Nacht verbringen. Vielleicht war das gut so, denn eine derart brodelnde Wut hatte sie noch nie bei ihm gesehen.

    „Frida“, stieß er hervor und sie hörte auch an seiner Stimme, wie papierdünn seine Beherrschung war. Sein Kopf zuckte kurz herum, um den Wach-Ypir flüchtig zu mustern. Dann flog sein Blick zur Kamera über ihrem Kopf.

    „Das wird er mir büßen!“, presste er kaum hörbar heraus.

    Ja war er denn verrückt? Wie konnte er das hier und jetzt ins Mikrofon sagen? Er musste doch wissen, dass jedes Wort von ihm aufgezeichnet wurde!

    „Dwayne, sag nicht so was!“, mahnte sie kaum hörbar.

    Er schnaubte. „Der, dem ich das zu verdanken habe, wird dafür büßen!“, wiederholte er und funkelte sie wütend an.

    Sie knetete unschlüssig ihre Hände. Das Thema musste gewechselt werden, denn sonst redete er sich um Kopf und Kragen.

    „Ich verstehe dich, aber du bist selbst schuld“, stellte sie klar. „Und ich wollte mir eigentlich keine Racheschwüre anhören, sondern mich von dir verabschieden, bevor du morgen abreist, denn ...“

    Er starrte sie an. „Du bleibst?“

    Sie nickte und sah auf ihre verschränkten Finger hinab. „Ich habe lange nachgedacht. Und ich denke, dass es das Beste ist. Fürs Erste.“ Langsam hob sie den Kopf wieder. „Du wirst dir ein neues Leben aufbauen und wenn das geschafft ist, komme ich nach. Ich werde versuchen, mich auf eine Position irgendwo in deiner Nähe versetzen zu lassen, damit ...“

    „In Ordnung“, unterbrach er sie schon wieder.

    Sie biss sich auf die Lippen. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Versprich mir, dass es nicht lange dauert.“

    Irritiert hob er eine Augenbraue. „Was denn?“

    „Dein neues Leben aufzubauen.“ Sie hätte gern seine Hand genommen und diese fest geballte Faust gestreichelt, bis sie sich öffnete. Doch die Carbonscheibe ließ keinen Körperkontakt zu. „Ich bin auch wütend, dass wir getrennt werden, Dwayne, aber ...“

    „Frida, damit eines klar ist: Ich bin nicht deswegen zornig. Dass man uns trennt, ist mir völlig egal. Wir hatten beide unseren Spaß und eine schöne Zeit, aber wie es aussieht, ist sie vorbei. Also lass uns die Sache nicht unnötig dramatisieren.“

    Es war so emotionslos gekommen, dass ihr alles, was sie noch sagen wollte, in der Kehle erstarb.

    Ihr Innerstes war wie zu Eis erstarrt. Schonungslos zählte ihr Verstand ihr all die Ereignisse auf, in denen Dwayne nur an sich gedacht und sich herzlich wenig liebevoll gezeigt hatte. Seine Worte eben hatten nur bestätigt, was sie insgeheim befürchtete. Sie fror plötzlich.

    Ruckartig schob sie den Hocker zurück und stand auf.

    „Fahr zur Hölle, du Mistkerl“, zischte sie und legte all die Verachtung, die sie in diesem Moment empfand, in den Satz. Ja, sie verachtete ihn. Aber ebenso sich selbst. Sie hatte sich verhalten wie ein liebeskranker Teenager.

    Doch das war vorbei.

    Mit einem kalten Blick nickte sie Dwayne zu und verließ die Besuchskammer.