Beiträge von RenLi im Thema „Der Sinn des Lebens“

    Hi Rainbow

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    Ja, der arme Fait (Vogel) ist leider gestorben... Dabei mochte ich ihn. Edwin wird total traurig sein...

    Wenn man das in der Endversion lesen würde, wäre das mit dem Vogel verständlicher, denn dann hätte man auch nebenbei Edwins Sicht mitbekommen, der sich mittels "Vogelpost" auf den Weg macht, um Richard zu finden :) Da hattet ihr natürlich einen erschwerten Stand, auch durch die lange Pause.

    Der Teil ist ja aus Samels Perspektive geschrieben und beginnt als eine Rückblende, in der Richard und Sessilia noch nicht verschluckt wurden. Vielleicht kann ich das noch deutlicher schreiben - aber das mach ich, wenn ich in ein paar Jahren X/ wieder an der Stelle bin, bis dahin hat sich sicher noch einiges verändert...

    Stimmt, das mit dem Friedhof könnte ich auch lassen, wenn ich einfach den ersten Post der Geschichte umschreibe. Eine gute Idee! :D geh gleich an die Arbeit!

    Lg, RenLi:thumbsup:

    Fortsetzung:

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    Samuel, Vermächtnis des Heiligen (566 n. Rh.)

    „Hilf mir das Bett da rüber zu stellen“, wies Samuel Sinister an.

    Der Candidatus gehorchte und gemeinsam schoben sie das massive Holzgestell über die alten Dielen. Samuel atmete auf. Die Marcam, ein Ritualzeichen, welches vom Heiligen Rhamnus selbst überliefert worden war, war noch immer da. Da der Ausgang durch den Scheiterhaufen und eine Horde Dämonen blockiert war, blieb ihnen nichts anderes übrig, als das Ritual zur Bannung durchzuführen.

    Wie töricht, dachte Samuel. Selbst Rhamnus hat sie alle einzeln eingefangen und ich soll sie nun alle auf einmal in ihr Gefängnis zurücksperren. Doch einen besseren Plan haben wir nicht.

    Er wandte sich an Richard. „Ich hatte nicht genügend Zeit, das Ritual fertig vorzubereiten“, erklärte er seinem Schüler. „Richard, setz dich in den Kreis, das ist der sicherste Ort.“

    Folgsam setzte Richard sich auf die Marcam[1] und Samuel stellte die Kerzen um den Jungen herum auf.

    Ich kann nur hoffen, dass er wirklich der wiedergeborene Rhamnus ist, dachte Samuel und ließ die Kerzen entflammen. Mit seiner Hilfe könnte es gelingen, diese Dämonen zu bannen.

    Er warf Richard einen Blick zu. Aber auch wenn er es ist, kann ich nicht darauf hoffen, dass er nun aufwacht.
     „Mund auf!“, befahl er. Auch diesmal gehorchte Richard wie ein braves Lämmchen. Samuel gab auch den anderen beiden ein Korn, bevor er sich selbst eins in den Mund schob. Wenn dies auch nur ein bisschen half, sich die Dämonen vom Leib zu halten, war es das wert. Der befremdliche Geschmack breitete sich in seinem Mund aus und er begann mit dem typischen Singsang der Himmelslieder die alten Worte des Heiligen Rhamnus zu rezitieren.

    Samuel konnte spürte wie die Dämonen von den Worten in rasende Wut versetzt wurden. Dies war nicht verwunderlich, da es genau dieselben Worte waren, welche sie vor vielen Jahren in ihr Gefängnis verbannt hatten. Legion. Wenn die Geschichten stimmten, welche Samuel über Rhamnus gelesen hatte, dann war mit diesem Dämon nicht zu spaßen. Über mehrere Jahre hinweg hatte der Heilige das Land durchstreift und etliche Dämonen in einen tönernen Krug gesperrt, um Lux zu reinigen. Dieser Krug wurde seither unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen im Ducatus aufbewahrt. Doch so wie es aussah, waren es genau diese dunklen Geister, die nun über dieses Dorf hergefallen waren. Samuel konnte sich nicht vorstellen, wie Legion aus seinem Gefängnis hatte entkommen können. Es hätte eigentlich unmöglich sein sollen. Falls sie es schafften, aus Pulvis zu fliehen, musste er sich um diese ungelöste Frage kümmern. Doch nun hatte er vorerst andere Probleme.

    Die Macht der Dämonen war gewaltig. Ein dunkler, wütender Pfeil von Bosheit bohrte sich durch den Schutz, den Samuel errichtet hatte. Richard schrie auf, Sessilia wurde ohnmächtig.

    Das ganze Haus erzitterte. Samuel musste sich beeilen. Er konnte nur hoffen, dass die alten Worte ihre Wirkung zeigten und vielleicht würden sie Richards früheres Selbst sogar aufwecken.

    Die Dämonen zerrten am Dach und Samuel ließ es los. Der physische Schutz war nicht das, worauf es ankam. Mit lautem Krachen hob das Dach ab. Der kalte Wind fegte hinein, zerrte an seinen Kleidern. Regentropfen klatschten gegen seine Wange.

    „Es verwischt das Zeichen!“, rief Sinister und deutete auf die Marcam. Der Regen hatte bereits einen Teil verwischt.

    Ich kann nicht länger warten, nun liegt es an Richard. Er trat auf seinen Schützling zu, während er weiter die Worte des Heiligen sprach. Er legte Richard eine Hand auf den Kopf. Sofort verband sich die Energie des Jungen mit der seinen. Ein Fluss von Licht durchströmte ihn, erweckte die Linien der Marcam zum Leben. Doch worauf er wartete, war nicht dies.

    „Es reicht noch nicht“, sagte er halblaut und warf einen Blick zu Sessilia hinüber. Bildete er es sich nur ein, oder lechzten die Dämonen sogar noch mehr nach ihr als nach dem Jungen? Ein Versuch war es wert, was konnte es schon schaden? Schlimmer konnte es kaum werden.

    „Sinister, hol Sessilia her“, wies es den Candidatus an.

    „Sie ist ohnmächtig geworden.“ Obwohl er tapfer die Gebete aufsagte, die er kannte, war er aschfahl im Gesicht und selber der Ohnmacht nahe.

    „Bring sie her!“

    Samuel verstärkte die Verbindung zu Richards Geist. Er war ohne Zweifel kein normaler Junge. Wenn er womöglich auch nicht der Heilige selbst war, so doch eine alte Seele, die in dieser Zeit der Not auf die Erde zurückgekehrt war.

    Ich kann nicht zulassen, dass er von den Dämonen verschluckt wird.

    Samuel wandte sich Sessilia zu. „Wach auf!“, befahl er, die Stimme unterlegt mit dem prickelnden Strom von Magie.

    Ihr Körper reagierte sofort, befreit aus dem Bann, den die Dämonen ihr auferlegt hatten. Von Sinister gestützt saß sie nun neben ihm und Samuel legte auch ihr eine Hand auf den Kopf. Für einen Moment blieb Samuel die Luft weg. Die Energie, die sich von ihrem Körper auf seinen übertrug und sich mit der von Richard verband, war überwältigend. Etwas Fremdes lag darin, das er nicht zu greifen vermochte. Der Lichtstrahl brach mit beeindruckender Kraft aus dem Marcam heraus in den Himmel hinauf. Die Energien des Mädchens und des Jungen schienen miteinander zu tanzen und sich freudig zu begrüßen. Konnte es sein, dass sich mehr hinter der Verbindung zwischen Richard und Sessilia verbarg? Mehr als man von außen sehen konnte?

    Richard starrte mit glasigen Augen in die Ferne, als sähe er dort etwas, das nur er erkennen konnte. Samuel war sich nicht sicher, ob die beiden wirklich noch bei vollem Bewusstsein waren.

    Doch Samuel blieb keine Zeit mehr, sich darüber zu wundern. Die Dämonen setzten alles daran, das Ritual zu unterbrechen. Natürlich wollten sie nicht wieder zurück in ihren Topf, um darin weitere fünfhundert Jahre oder mehr gefangen zu sein. Und zu spät erkannte Samuel, dass ihm etwas Wichtiges entgangen war. Er war zu sehr mit dem Ritual beschäftigt gewesen, als dass er bemerkt hätte, was sich unter ihm abspielte. Die Macht der Dämonen waren in der physischen Welt inzwischen stark genug geworden, um die Wände des Hauses zu zertrümmern. Sollte das Haus einstürzen, bedeutete dies das Ende ihrer letzten Hoffnung.

    Samuel versuchte den Boden mit Magie zu stützen, doch in dem Chaos gelang es einem Dämon seine Barriere zu durchdringen. Für den Bruchteil einer Sekund nahm er Samuel die Orientierung und der Boden sackte ab. Samuel verlor den Kontakt zu Richard und Sessilia, rutschte über die schräge Fläche und schlug an der abfallenden Wand auf. Der Boden hing noch immer schräg in der Luft, doch Richard und Sessilia waren nirgends zu sehen, nur ein großes Loch klaffte in den Dielen.

    Samuel wollte gerade hindurch nach unten springen, als ein mächtiger Windstoß ihn an die Wand zurückwarf. Ein abgesplitterter Balken hing in der Luft und kam direkt auf ihn zugeschossen, bereit, ihn aufzuspießen. Auf einen Wink Samuels stellte sich das Bett wie eine Schutzwand vor ihm auf. Der Balken krachte dagegen, schleuderte das Bett in Samuels Richtung und kam nur knapp vor ihm zum Stehen.

    Was willst du damit erreichen, kleiner Priester?, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf.

    Samuel biss die Zähne zusammen. Er hätte nicht gedacht, dass die Dämonen es durch seinen Schutzschild schaffen würden.

    Der Dämon lachte. Glaubst du wirklich, du könntest etwas ausrichten? Im Vergleich zu Rhamnus bist du ein Nichts. Du wirst uns niemals bannen können.

    Du bist nichts weiter als ein zusammengewürfelter Haufen Angst und Chaos, erwiderte Samuel kühl. Aber sag mir eins: Wie bist du hierhergekommen?

    Wieder lachte der Dämon. Du kennst uns also, kleiner Priester. Wir sind Legion, die vielen. Vom Rhamnus verbannt in einen Tonkrug für über fünfhundert Menschenjahre. Wie wir hierhergekommen sind, wissen wir nicht, nein, das wissen wir nicht. Aber wer uns in die Freiheit entlassen hat, das wissen wir.

    Samuel spürte die listige Bosheit und das Vergnügen, die hinter dieser Aussage steckte.

    Weshalb rede ich überhaupt mit dem Dämon? Er sagt ja doch nicht die Wahrheit, dachte Samuel und nahm sich zusammen. Stehe ich schon so sehr unter seinem Einfluss, dass ich mich auf seine dummen Spiele einlasse?

    Du kennst ihn gut, Samuel, derjenige, der mich hergebracht hat. Aber du kennst ihn nicht gut genug, feixte der Dämon.

    „Ruhe“, befahl Samuel und verstärkte den Schutzmantel um seinen Geist.

    Allmählich klärte sich seine Sicht. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er auf dem Boden lag und ein scharfer Schmerz in seinem linken Bein tobte. Der Dämon hatte ihn so sehr für sich eingenommen, dass er gar nicht bemerkt hatte, was in seiner Umgebung geschah. Samuel schaute an sich hinunter.

    Ein großer Balken lag quer auf seinem Bein.

    Das sieht gar nicht gut aus, dachte er.

    Mit Hilfe von Magie hob er den Balken an und schleuderte ihn fort. Mit der Heilung von Wunden kannte er sich nicht aus, also konnte er für sein Bein nichts tun. Er konnte nur den Schmerz betäuben.

    Ich muss Richard und Sessilia finden.

    Er zog sich an der Wand hoch. So wie es aussah, befand er sich nun im Erdgeschoss des zerstörten Gasthauses. Mit Hilfe von Magie versteifte er sein Bein, sodass er es trotz gebrochener Knochen belasten konnte. Er humpelte vorwärts und wäre beinahe über Sinister gestolpert. Der junge Mann lag leblos auf dem Boden. Samuel spürte noch seinen Pulsschlag, also lebte er noch. Eine dämonische Aura spürte er nicht an ihm, anscheinend war er für die Dämonen nicht wichtig genug, als dass sie sich um ihn kümmern würden.

    „Tut mir leid, Sinister“, murmelte Samuel und trat über den Candidatus hinweg.

    Lass keine Angst in dir aufkommen, beschwor er sich selbst.

    Er nahm sich einen Augenblick Zeit, um seinen Körper mit Ruhe zu tränken und das Licht der Engel durch seine Glieder strömen zu lassen, dann trat er nach draußen. Doch was er da sah, hätte ihn beinahe in ein tiefes Loch aus Panik gestürzt. Schweiß trat ihm auf die Stirn, er taumelte.

    Der Platz vor dem Scheiterhaufen hatte sich in einen dunklen Sumpf verwandelt. Es stank nach Wut, nach Elend und abgestandener Bosheit. Wie viele Dämonen mussten zusammenkommen, um ein solch abgrundtiefes Dunkel zu bilden? Kein Mensch der Welt konnte diese Gräuel fassen. Samuel wurde übel. Der Heilige Rhamnus musste eine wirklich ungeheure Anzahl von Dämonen zu seinen Lebzeiten festgesetzt haben.

    Wo sind sie?, fragte er sich, während er über die bodenlose Finsternis hinwegblickte.

    Samuel schickte seinen Geist aus, zog ihn jedoch sogleich wieder zurück, denn von außen begegnete ihm nur Schmerz und Qual. Er konnte weder Richard noch Sessilia in der Umgebung wahrnehmen. Wenn sie sich tatsächlich in diesem Morast der Scheußlichkeit befanden, gab es keine Hoffnung mehr für sie, dachte Samuel bitter. Doch dann fiel ihm der Habicht auf. Der Vogel kreiste über einer Ausstülpung des Dunkels, gleich neben dem erstickten Scheiterhaufen.

    Samuel, erklang eine zarte Stimme in seinem Kopf. Zuerst wollte Samuel die Stimme aus seinem Geist werfen, doch dann erkannte er, dass es die Stimme des Jungen war.

    Ich brauche deine Hilfe. Alleine kann ich nicht zu Richard durchbrechen, erklärte die Stimme und für einen Moment sah er die Gestalt des Jungen über der Ausstülpung schweben.

    Samuel seufzte ergeben. Ob der Junge nun wirklich Richards Bruder war wie er behauptete, oder nicht, er hatte keine andere Wahl, denn alleine würde er Richard nicht helfen können.

    Ist Sessilia auch da drin?

    Ja, sie leben noch, aber bald ist es zu spät.

    Was kann ich tun?

    Ich brauche so viel Licht wie möglich.

    Samuel nickte. „Heiliger Rhamnus, Lichtwesen, Götter aller Gestirne, ich rufe euch an. Wenn ihr das Sternenkind retten wollt, dann ist dies nun der Zeitpunkt…“

    Er öffnete sich für die Kraft der Lichtwesen, spürte ihre heilende Anwesenheit und konzentrierte die Magie auf den Habicht, der noch immer seine Kreise zog. Der Vogel begann zu leuchten, stieß einen markerschütternden Schrei aus und flog pfeilschnell auf die schwarze Masse zu.

    Samuel wusste nicht, was er erwarten sollte. Dass der Vogel das Dunkel mit seinem Schnabel aufstach und es in sich zusammensackte als würde ihm die Luft ausgehen?

    Der Habicht schoss auf die finstere Masse zu wie ein gleißender Stern in dunkler Nacht – und wurde jäh davon verschluckt.

    Das war’s, die letzte Chance, dachte Samuel. Er stand da, starrte noch immer auf den Punkt, an welchem der Vogel verschwunden war. So endet die Geschichte? War ich zu selbstgefällig? Was wollen die Götterwesen damit sagen? War ich zu sicher, dass ich es mit den Dämonen aufnehmen und Richard beschützen kann? Ist dies eine Lektion, die ich lernen muss?

    Ein irres Lachen stieg aus seiner Kehle aus, brach aus seinem Mund heraus. Die Magie, die sein Bein zusammenhielt, löste sich und Samuel brach zusammen. Noch immer geschüttelt von Lachen lag er auf dem Boden, am Rande eines Sumpfes aus brodelnder Bosheit.

    Doch auf einmal horchte er auf. Da war ein Rauschen im Wind zu hören. Samuel stemmte sich hoch.

    Es ist noch nicht vorbei, säuselten die Geister des Ortes.

    Auf einmal schien der Sturm nicht mehr bedrohlich, sondern strahlte eine wilde Schönheit aus. Selbst der Sumpf aus Bosheit und Hass schien von einer Ruhe ergriffen, die nicht zu erklären war. Ein Klingeln erfüllte die Luft, wie von tausend kleinen Glöckchen. Dann bemerkte Samuel ein Licht, das von der Ausstülpung neben dem Scheiterhaufen ausging. Anfangs war es nur ein schwaches Glimmen, doch es wurde schnell stärker. Auch die Ränder des Sumpfes begannen zu glühen.

    Mehrere Lichtsäulen schossen rund um das Dorf in den Himmel hinauf. Und nun spürte Samuel ihre Anwesenheit. Da waren mindestens dreißig Priester, die im Kreis um das Dorf Stellung bezogen hatten. Der glühende Punkt inmitten des schwarzen Sees platzte auf wie ein überreifer Furunkel und versprühte Licht und Dunkelheit in alle Richtungen.

    Neue Hoffnung durchflutete Samuel. Die Lichtwesen stellten ihn nicht auf die Probe. Das Blatt hatte sich gewendet. Samuel erneuerte die magische Verstärkung an seinem Bein und erhob sich.

    „Dämon, das ist dein Ende!“, rief er.

    Auch wenn er nun keine Marcam zeichnen konnte, so konnte er doch die anderen Priester mit seiner Magie unterstützen. Er spürte ihre Anwesenheit so deutlich als würde er neben ihnen stehen, als er die alten Worte zu rezitieren begann. Glück und Zufriedenheit durchfluteten ihn. Er fühlte sich verbunden mit etwas Größerem, etwas Unerklärlichem. Ohne dass er sich bewusst dafür entschieden hätte, setzte er einen Fuß vor den anderen, trat auf das schwarze Übel zu. Die Dämonen kreischten beim Anblick des Lichtes, das nun überall aus dem Himmel auf sie niederstürzte.

    Mit einem Lächeln auf dem Gesicht zeichnete Samuel einen Weg aus Freundschaft, Liebe, Zuversicht und Gelassenheit vor sich, auf dem er sicher zu dem Lichtkegel schreiten konnte, welcher in der Mitte des Grauens lag. Die Gewissheit, dass der Vogeljunge seine beiden Schützlinge gerettet hatte, war so stark in ihm, dass er keinen Moment daran zweifelte. Sicheren Schrittes ging er durch den Regen aus Licht, bis er vor dem Ort stand, an dem er den Vogel zuletzt gesehen hatte.

    „Richard!“, rief Samuel in das Licht hinein, das so hell war, dass er nichts sehen konnte. „Sessilia!“

    Allmählich wurde der Schein matter. Er konnte die Umrisse von zwei Gestalten erkennen. Richard kniete auf dem Boden, in seinen Armen hielt er den Vogel. Tränen liefen ihm über das junge Gesicht. Sessilia hockte neben ihm, hatte eine Hand auf Richards Rücken gelegt.

    „Edwin!“, schrie Richard in die Nacht hinaus und drückte den Leib des Tieres an sich. Kein Leben war mehr in ihm zu spüren.

    So, das war nun der letzte Teil der Geschichte in dieser Form. Richard ist gerettet. Die Priester, allen voran unser lieber Vater Justus, räumen auf, sperren die Dämonen zurück in ein Tongefäss und karren sie zurück an ihren Platz im Ducatus. Happy End. :) Nein, natürlich ist es dann noch nicht fertig, vielmehr beginnt es erst gerade.

    Auch wenn das gerade der letzte Abschnitt war, freue ich mich trotzdem sehr über eure Kommentare - und auch auf den Moment, wenn ich wieder zu der Stelle komme, vielleicht in ein paar Jahren ;( :dead:, um dann hier weiter zu schreiben.

    Die Geschichte kommt dann auf den Friedhof und ich starte im Mitgliederbereich den neuen Thread. Es würde mich ultral mega freuen, wenn ihr da weiterlest!! Bin gespannt, ob ihr meinen neuen Anfang mögt, oder ob ihr ihn zu langweilig findet...

    Hallo zusammen!!

    Yeah! Ich dachte schon, ihr würdet euch langweilen, wenn die Geschichte wieder von vorne beginnt. :D Aber wenn ihr dabei seid, dann bin ich Feuer und Flamme weiter im Forum zu posten.

    Ich bin superfroh, dass euch der neue Teil von Richard gefällt. Natürlich war das kein einfacher Einstieg. Ich hatte den einfach schon so lange im Kopf, dass er als erstes raus musste. Ein nächster folgt noch, ich kann Richard ja nicht in diesem Schlamassel sitzen lassen. Also schreib ich noch, bis er fürs Erste gerettet ist.

    Und dann geht's los. Ich hab mit dem neuen Anfang bereits begonnen und schreib jetzt tatsächlich mal ein Konzept auf, damit das mal nicht so chaotisch wird. Ob ich mich dann an meine Regieanweisungen halten kann, wird sich zeigen.

    Bin ech gespannt, was ihr von meiner neuen Herangehensweise haltet. Ich denk mal, ich werd einen neuen Beitrag eröffnen, damit es kein Durcheinander gibt...

    Edwin war übrigens richtig da. Keine Illusion des Dämons, was zwar auch cool gewesen wäre. Er ist mit Fait hergeflogen und konnte seinen Geist ausserhalb von Faits Körper verdichten, bis er sogar physisch anfassbar war, während sein Körper Meilen weit entfernt ist :) Das nenn ich mal cool. Aber mehr dazu im nächsten Abschnitt :D

    Hi Rainbow

    Danke für's Lesen und Kommentieren!!!

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    Zu deinem ersten Kommentar:

    "Mh.... ist es nicht ziemlich dumm von dem Dämon seinen Namen preiszugeben? Ich habe mal gehört, dass du ihn nur dann erfolgreich austreiben lannst, wenn du ihn mit seinem Namen ansprechen kannst.."

    Die Dämonen hier funktionnieren etwas anders und dieser hier ist ein besonderes Exemplar. Normalerweise haben Dämonen gar keine Namen. Sie entstehen, wenn Menschen sich zu sehr ihren (oftmals unbewussten) Ängsten, Rachegelüsten etc. hingeben. Alle Menschen haben sozusagen den Keim eines Dämons in sich, ohne dass das auffallen würde. Wird der Dämon zu viel von negativer Energie, wie eben Angst, Wut, Neid etc. genährt, dann kann es sein, dass er die Überhand über den Menschen gewinnt. Der Mensch ist dann sozusagen von seiner Angst oder anderen Emotionen besessen. Geht das weiter, kann der Dämon sogar eine eigenständige physische Form ausserhalb des Menschen annehmen.

    Die Priester der Gnosis wissen, dass die Dämonen sich durch negative Energien der Menschen stärken, wissen aber nicht, dass die Menschen selbst der Ursprung der Dämonen sind. Die Priester, selbst Rhamnus, können einen Dämonen nicht vollständig auslöschen. Das könnte nur der "Besitzer/Erschaffer" des jeweiligen Dämons, indem er ihn als einen Teil seiner Selbst annimmt und sich liebevoll um ihn kümmert, bis die negative Energie durch die positive wieder rein und klar wird. Das wissen aber die Priester nicht. Also können sie Dämonen nur zu einem gewissen Grad auflösen und in Gegenstände hinein bannen.

    Der Heilige Rhamnus hat vor ca. 500 Jahren viele Dämonen ausgetrieben, denn das Land war geradezu versäucht von ihnen. Viele dieser negativen Energien hat er in einen einfachen Tonkrug gebannt. Dort haben sie nun die ganze Zeit geruht. Aus ihnen ist Legion entstanden. Eine schwarze Mischung aus verschiedenen Dämonen. Deshalb sagt er auch, "wir sind viele". Er ist total ambivalent und irre, nicht nur, weil er ein Dämon ist, sondern weil er so viele "Persönlichkeiten" hat.

    Der Tonkrug wurde bis vor Kurzem im Ducatus aufbewahrt. Wie er nach Pulvis gekommen ist, ist ein Rätsel, welches Samuel so schnell wie möglich lösen sollte :D

    Das erklärt auch deine Frage am Schluss, denk ich: "Ich frage mich, welcher Dämon es schafft, gleich meherere Leute gleichzeitig zu befallen...oder hat er Hilfe?" Er ist einfach zu viele :D

    "Sessilia könnte mit einem Stock im sandigen Lehmboden herumstochern oder mit irgendwelchen spitzen Hilfsmitteln was in die Steinmauer ritzen"

    Das klingt wunderbar irre, vielleicht bau ich das noch ein ^^

    "Samuel befreit ihn gerade von einem Rest des Dämons, den er auf den Boden spuckt...er scheint darüber aber kein bisschen erstaunt zu sein oder sich zu ekeln."

    Das stimmt... Hab ich gleich angepasst :D


    Was mich noch wunder nehmen würde: Was hälst du vom Auftauchen Edwins??

    Liebe Grüsse

    RenLi

    Hallo zusammen

    Ich hoffe, ihr seid gut im Neuen Jahr gelandet! Bin mal gespannt, ob ihr noch Interesse daran habt, die Geschichte weiter zu verfolgen nach der Pause. Ich hatte als Letztes bei Jakob aufgehört, nun hatte ich total Lust, bei Richard weiterzumachen. Ich konnte ihn einfach nicht mehr in Pulvis, dem von Dämonen besetzten Dorf, sitzen lassen. Dazu werd ich zwei Posts machen. Danach weiss ich noch nicht so genau, wie ich weiterschreibe. Die Version hier auf dem Forum ist so veraltet, dass ich eigentlich gar nicht wirklich daran weiterschreiben kann, ohne dass sich gröbere Logikfehler breitmachen...
    Also überlege ich, die Geschichte wieder von vorne aufzurollen... Was hält ihr davon?

    Aber zuerst mal muss ich die Sache mit Richard klären. Er ist ja mit Samuel, Sinister, dem Krieger Roland, dem Bauern Tridan und Sessilia unterwegs, um die Dämonen zu bekämpfen, die sich in Lux eingenistet haben. Dazu sind zuerst er und Samuel nach Aper gefahren, sind dort einem Eber-Dämon begegnet und haben ihn vorläufig vertrieben. Mit der Unterstützung der anderen sind sie dann nach Pulvis weitergezogen. Dort wurden sie von aufgespiessten Kaninchen und verrückten Dorfbewohnern begrüsst. Ein Dorf voller Männer, welche ihre Frauen und Kinder abgeschlachtet hatten. Bei einem gescheiterten Fluchtversuch von Richard, Sessilia und Roland, wurde Roland verletzt und Sessilia und Richard werden mit Sinister in eine Zelle in der Festung gesperrt. Dort versuchen sie sich gegenseitig umzubringen, weil sie durch den Einfluss des Dämons irre werden. Wir erfahren den Namen des Dämons: Legion (übrigens ein Dämon aus dem Neuen Testament).

    Und gerade, als Sinster Richard töten will, kommt Rettung! Die Weiterführung im Spoiler...

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    Richard, der Wahnsinn greift um sich (566 n. Rh.)

    Als Richard zu sich kam, fand er sich in einem dunklen, kalten Raum wieder. Seine Glieder fühlten sich steif an, sein Schädel brummte und als er sein Gesicht betastete, fühlte er eingetrocknetes Blut. Mühsam gelang es ihm, sich aufzusetzen. Es stank widerlich, nach Fäulnis und Verwesung.

    Wo bin ich hier?

    Die einzige Lichtquelle war ein vergittertes Loch in der Tür am anderen Ende des Raumes.

    „Richard“, flüsterte eine angsterfüllte Stimme neben ihm. In der Dunkelheit erkannte er Sessilia. Doch sie blickte ihn nicht an. Sie lag auf dem Boden, hatte die Hände auf die Ohren gepresst und krümmte sich, als hätte sie Schmerzen.

    „Nein, ich kenne dich nicht, ich kenne dich nicht“, schluchzte sie. „Richard, hilf mir.“

    Richard rutschte auf den Knien näher zu ihr.

    „Sessilia, ich bin hier“, rief er, doch sie schien ihn nicht zu hören. Ihr Gesicht war angstverzerrt, sie zitterte. „Legion, Legion ist mein Name“, flüstere sie.

    „Sessilia, was redest du, schau mich an.“

    Sie ist völlig von Dunkelheit verschluckt worden. Er legte eine Hand auf ihren Kopf und konzentrierte sich auf das göttliche Licht. „Wach auf, Sessilia!“ Ihr Zittern verebbte. Sie blickte ihn an.

    „Richard!“, keuchte sie.

    Den Göttern sei Dank!, dachte er erleichtert, doch im selben Moment weiteten sich ihre Augen, gepackt von Angst.

    „Bleib weg!“, kreischte sie und stieß ihn zurück. Er taumelte und stürzte nach hinten. Erschrocken schaute er ihr zu, wie sie von ihm wegkroch, murmelnd, fluchend.

    Sie ist verrückt. Genau wie die anderen Frauen. Ich kann sie nicht mehr retten. Sie wird mich umbringen. Wenn ich nicht aufpasse, dann bringt sie mich um!

    Panik griff nach ihm, schnürte seine Brust zu und vernebelte seinen Verstand.

    Sie haben mich gewarnt. Erdrosseln, im Schlaf. Kalter Schweiß rann ihm über die Haut.

    Nicht, wenn ich sie zuerst töte, schoss es ihm durch den Kopf. Seine Hände verkrampften sich und sein Atem ging stoßweise. Ich kann sie erwürgen. Sie ist schwächer als ich. Es ist für uns beide das Beste. Schon stand er auf den Füßen. Sie hatte sich in einer Ecke verkrochen.

    Der Dämon hat von ihr Besitz ergriffen. Es ist die einzige Möglichkeit. Er schritt auf sie zu. Sie kreischte. „Sieh mich nicht an!“, schrie sie, griff sich in die Haare und zerrte daran. Er beugte sich über sie, doch sie schlug wild um sich. Einer ihrer Füße traf sein Schienbein.

    „Richard!“, brüllte eine Stimme neben ihm.

    Reflexartig blickte Richard auf und sah, wie Sinister auf ihn zugestürzt kam. Der Candidatus riss ihn mit sich zu Boden und Richard wurde unter ihm begraben. Ein Schlag traf ihn seitlich an der Schläfe, dann wurde er hochgerissen. Sinister hielt ihn am Kragen gepackt und schüttelte ihn.

    „Du! Von der Straße haben sie dich geholt! Aber du bist nicht würdig! Du musst verschwinden!“

    „Lass mich los, du Irrer!“, schrie Richard und kratzte dem Candidatus über das wutverzerrte Gesicht. Doch Sinister war viel stärker als Richard. Er wird mich töten!, durchfuhr es ihn. Aber ich will noch nicht sterben!

    Sinister schrie auf und ließ Richard auf die Erde fallen. Schnell rappelte Richard sich auf.

    Er brennt! Sinister schrie wie am Spieß, er sah aus wie eine lebendige Fackel. Die Feuer der Hölle verschlingen ihn, dachte Richard. Doch im selben Augenblick erloschen die Flammen und ließen Sinister unbeschädigt zurück. Stattdessen wurde der gesamte Raum in gleißendes Lichtgetaucht. Richard hob die Arme vor die Augen, um sie vor den schmerzenden Strahlen zu schützen.

    Ich habe versucht, sie zu töten, durchfuhr es ihn. Ich habe tatsächlich versucht, Sessilia zu töten!

    „Im Namen von Rhamnus dem heiligen Eingeweihten befehle ich euch zu verschwinden!“, rief eine grollende Stimme und das Licht drang in Richard ein. Er spürte Schmerz, doch es war nicht wirklich sein eigener Schmerz. Der Dämon schrie, als er von dem Licht berührt wurde. Dann war er verschwunden. Richard taumelte, doch ein Arm legte sich um ihn und stützte ihn. Das Licht erlosch. Er blickte auf, in der Erwartung, Samuel zu erblicken, doch die Person, die ihn hielt war nicht sein Lehrer.

    Richards Herz setzte einen Schlag lang aus. Ich bin tatsächlich verrückt!, schoss es ihm durch den Kopf, als er ungläubig in das Gesicht seines Retters starrte. Der Junge, der ihn stützte sah seinem Bruder zum Verwechseln ähnlich.

    „Richard“, sagte nun der Junge mit Edwins Mund. „Ich hab dich gefunden.“

    Richard schreckte hoch und trat weg von dem Jungen. „Ich träume“, keuchte er.

    Samuel trat hinzu. Auf seiner Schulter saß ein großer Vogel, doch Richard beachtete ihn kaum. Wie gebannt starrte er den Jungen vor sich an. „Du bist tot, ich habe gesehen, wie du in die Flammen gegangen bist. Was ist das für ein Spiel? Ist das ein weiterer Trick des Dämons?“

    „Beruhig dich Richard, du bist völlig klar“, versicherte ihm Samuel. „Er ist mir im Dorf über den Weg gelaufen, er hat mir gesagt, wo ich euch finden kann.“

    Misstrauisch schaute Richard seinen Lehrer an. Das ist ein Trick, ein Traum oder so ähnlich. Ich muss aufwachen!

    „Richard, ich bin’s wirklich“, versicherte ihm das Trugbild seines Bruders. „Ich bin nicht tot.“

    „Bleib weg von mir!“, schrie Richard, als Edwin auf ihn zugehen wollte. „Heiliger Rhamnus, befrei mich aus diesem Irrsinn!“

    Edwins Augen wurden traurig. „Ich dachte, du würdest dich freuen“, sagte er.

    Richard konnte nichts darauf antworten. Wie sehr hatte er sich gewünscht, seinen Bruder wieder zu sehen! Aber genau das wusste der Dämon wahrscheinlich. Nun wollte er ihn testen, wollte ihn noch mehr zermürben.

    „Ich pass auf dich auf, Richard“, sagte Edwin, lächelte ein wenig, dann begann sein seine Gestalt durchscheinend zu werden und löste sich auf bis nichts mehr von ihm übrigblieb.

    „Edwin!“, rief Richard verzweifelt. „Verdammt! Das ist doch Wahnsinn!“

    „Reiß dich zusammen!“, hörte er Sessilias Stimme hinter sich. „Der Dämon ist weg, lass uns von hier verschwinden.“

    Samuel nickte, kniete sich neben Sinister, der noch immer auf dem Boden lag. Mit einer sanften Berührung am Kopf weckte er ihn, Sessilia half ihm aufzustehen.

    „Wir hätten uns nicht trennen sollen“, sagte Samuel. „Es tut mir leid, das war ein Fehler. Der Dämon ist stärker, als ich gedacht hatte. Er hatte uns bereits in der Hand als wir das Gasthaus betraten.“

    Richard schwieg. Nichts denken. Vielleicht ist das das Einzige, was hilft. Keine Gedanken, kein Problem.

    Sie verließen die Zelle, eingehüllt in einen feinen Lichtschimmer, der sich um Samuel ausbreitete.

    „Schaut nicht in die anderen Zellen“, warnte der Priester und führte sie auf kürzestem Weg zu einer steinernen Treppe, die nach oben in die höher gelegenen Teile der Festung führte.

    Richard wollte gar nicht wissen, was er in den anderen Bereichen des Kerkers sehen würde. Er richtete den Blick stur auf Samuels Rücken, der schwach leuchtete. Unterwegs berichtete Sessilia, was in der Zwischenzeit geschehen war. Richard spitzte die Ohren. Ihre Geschichte deckte sich mit der seinen, was jedoch nicht hieß, dass er sich tatsächlich in der Realität und nicht in einer Traumwelt befand. Der Dämon war gerissen, wer konnte schon wissen, wozu er fähig war.

    Der Habicht auf Samuels Schulter starrte ihn an. Richard schaute schnell weg. Mit dem Vogel stimmt doch was nicht, dachte er. Und hatte ich nicht vorgehabt, nichts zu denken?

    „Wie seltsam, dass niemand hier ist“, murmelte Samuel, als sie durch eine düstere Halle schritten.

    Mit wachsender Beunruhigung lauschte Richard dem Klang ihrer Schritte, die von den Wänden widerhallten. Regte sich etwas dort drüben in den Schatten? Lauerte ein Dämon in der Dunkelheit? Was bedeutete der wachsame Blick, der sein Lehrer ihm zuwarf? Verdächtigte er ihn etwa? Dachte er womöglich, er sei ein Dämon?

    Samuel blieb stehen. „Richard“, sagte er mit klarer Stimme. „Ich kann dich zwar vor den Dämonen beschützten, die außerhalb von dir sind. Aber nicht vor denen, die du dir selbst erschaffst.“

    Richards zuckte zusammen. „Wer sagt mir, dass nicht du der Dämon bist?“, fragte er mit zittriger Stimme.

    „Wäre genügend Klarheit in dir, würdest du die Wahrheit erkennen“, seufzte Samuel. „Aber du stehst schon zu lange unter dem Einfluss des Dämons. Hast du den Stein noch bei dir?“

    Richard machte eine trotzige Mine. „Ich habe ihn bei Roland gelassen“, gestand er.

    „Dummkopf“, sagte Samuel mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Ich hatte dir gesagt, dass du ihn nicht ablegen sollst.“

    War dies das erste Mal, dass er an seinem Lehrer eine Spur von Wut wahrnahm?

    „Ich wollte Roland damit schützen! Schließlich liegt er noch immer alleine im Wald – hoffentlich.“

    Samuel packte Richard am Arm und presste ihn an die Wand. Der Vogel flog kreischend auf und landete auf der Lehne eines Stuhles in der Nähe.

    „Was soll das?!“, rief Richard erschrocken.

    „Da ist wohl noch etwas, das ich übersehen habe“, sagte Samuel und schlug Richard mit der flachen Hand in die Magengrube.

    Richard blieb die Luft weg, etwas wand sich in ihm, krallte sich in ihm fest.

    Samuel ist tatsächlich besessen!, dachte er voller Panik.

    „Raus da!“, rief Samuel und schlug erneut zu.

    Richard spuckte aus, würgte. Etwas wand sich seine Speiseröhre hinauf, quetschte sich aus seinem Mund und landete platschend auf dem Steinboden. Sinister und Sessilia wichen zurück. Richard atmete schwer, stand nur noch aufrecht, weil Samuel ihn an die Mauer presste. Seine Sicht war verschwommen. Das Ding auf dem Boden zerfloss, verschwand in den Ritzen zwischen den Steinen.

    „Los, wenn wir das Ritual schon nicht aufzuhalten vermögen, müssen wir wenigstens raus, bevor es vollendet ist!“, rief Samuel und riss Richard mit sich.

    „Was war das?“, fragte Sessilia.

    „Falls wir die Sache überleben, bleibt später genug Zeit für Erklärungen“, erwiderte Samuel.

    Richard hatte seinen Widerstand inzwischen aufgegeben und ließ sich mitziehen. Was hatte es für einen Zweck, sich zu wehren? Falls Samuel ein Dämon war, dann hatte er sowieso keine Chance gegen ihn.

    Als sie durch eine Tür nach draußen traten, breitete der Habicht seine Flügel aus und flog in die Nacht davon. Sie befanden sich auf der linken Seite der Festung, die etwas erhöht lag. Von hier aus konnte man das Dorf gut überblicken.

    „Das Feuer brennt bereits!“, zischte Sinister und deutete auf einen riesigen Scheiterhaufen gleich vor dem Tor.

    Ein Schrei gellte durch die Nacht. Erst jetzt bemerkte Richard die kleine, dunkle Gestalt, die sich zuoberst auf dem Berg aus Holz befand. Die Flammen hatten ihre Füße erreicht, doch die Frau war an einen Pfahl gefesselt und konnte nicht davonlaufen.

    „Schnell“, ermahnte sie Samuel.

    Geduckt in die Schatten der Burg schlichen sie voran, erreichten die ersten Häuser. Richard versuchte jeden Gedanken an die Frau auf dem Scheiterhaufen aus seinem Kopf zu verbannen. Aber wie sollten sie das Dorf verlassen ohne bemerkt zu werden, wenn die Opferung gleich vor dem Tor stattfand?

    „Wie können sie nur so böse sein?“, flüsterte Sessilia.

    Ein weiterer Schrei ertönte und in diesem Moment begann die Erde zu beben. Die Finsternis verschluckte die letzten Sterne am Himmel.

    „Da rein!“, rief Samuel und bugsierte Richard durch eine Tür.

    Mit Schrecken stellte Richard fest, dass sie sich wieder in Betties Schenke befanden.

    „Hoch!“, raunte der Priester.

    Sie rannten die Treppe zu den Schlafzimmern hinauf und quetschten sich in eines der Zimmer. Sinister und Samuel zogen eines der Betten von der Wand weg. Darunter kam ein rundes Zeichen zum Vorschein. Richard hatte es schon manchmal an den Wänden im Ducatus gesehen.

    „Ich hatte nicht genügend Zeit, das Ritual fertig vorzubereiten“, erklärte Samuel. „Richard, setz dich in den Kreis, das ist der sicherste Ort.“

    Richard gehorchte, setzte sich auf den schmutzigen Boden, während Samuel Kerzen um ihn herum aufstellte.

    Nur mal angenommen, Samuel wäre tatsächlich ein Dämon…, begann Richard, dachte den Gedanken jedoch nicht fertig. Was solls…

    Auf den Wink von Samuels Hand entflammten die Kerzen.

    „Mund auf!“, befahl Samuel und steckte eines der Kräuterkörner, welche er bereits bei dem Reinigungsritual in Aper an die Dorfbewohner verteilt hatte, in Richards Mund. Auch an Sessilia und Sinister reichte er eines, dann legte er auch sich eines auf die Zunge.

    Die Flammen der Kerzen schossen in die Höhe, als Samuel ein Gebet zu rezitieren begann. Abermals bebte die Erde und Staub rieselte von der Decke auf die Versammelten hinab.

    Legion!, kreischte eine Stimme in Richards Kopf, begleitet von einem stechenden Schmerz, der sich durch seine Schläfen bohrte. Funken explodierten vor Richards Augen, Sessilia brach neben ihm zusammen. Das Haus knarzte und schwankte, von heftigen Böen gepackt. Mit lautem Krachen hob das Dach ab, Holzsplitter flogen durch die Luft. Einer traf Richard im Nacken, bohrte sich durch seine Haut ins Fleisch. Er wollte ihn herausziehen, doch da war nichts, das er anfassen konnte. Hatte er es sich nur eingebildet?

    Sinister kniete auf dem Boden, sein Mund bewegte sich schnell, mitten im Gebet. Richard blickte hoch, sah in den pechschwarzen Himmel hinauf, in den Sturm, der da tobte. Blätter wirbelten in das Zimmer hinein, dann fielen die ersten Tropfen, klatschten auf den Boden.

    „Es verwischt das Zeichen!“, rief Sinister und deutete auf die Linien rund um Richard. Der Regen hatte bereits einen Teil verwischt.

    Samuel ließ sich nichts anmerken, trat auf Richard zu, ohne seine Rezitation zu unterbrechen. Er legte ihm eine Hand auf den Kopf. Die gezeichneten Linien auf dem Boden begannen zu leuchten, schienen lebendig zu werden. Wie Schlangen tanzten sie um Richard herum. Samuel verengte die Augen.

    „Es reicht noch nicht“, murmelte er. „Sinister, hol Sessilia her.“

    „Sie ist ohnmächtig geworden.“

    „Bring sie her!“

    Sinister hob Sessilias schlaffen Körper hoch und schleifte ihn zu Samuel hinüber.

    „Wach auf!“, donnerte Samuels Stimme und ein Zucken durchlief Sessilias Körper.

    Sie schlug die Augen auf und mit Sinisters Hilfe gelang es ihr, sich aufzusetzen.

    Samuel legte nun auch ihr die Hand auf den Kopf, die Linien glühten, lösten sich vom Boden und ein Strahl gleißenden Lichts stach in den Himmel hinauf, mitten in die zusammengeballten Wolken. Weit oben sah er die feine Silhouette des Habichts um den Lichtstrahl kreisen. Richards ganzer Körper fing an zu prickeln, als er so vom Licht umspült dasaß. Auf einmal war seine Angst verschwunden. Er fühlte sich geradezu großartig, lebendig und kraftvoll. Diese Dämonen hatten nicht den Hauch einer Chance, sollte sich einer in seine Nähe wagen, er würde ihn einfach auslöschen.

    Als hätten sie seinen Wunsch gehört, wurde die Zimmertür aufgestoßen. Schwarze Schemen standen im Eingang, schienen jedoch nicht eintreten zu können. Richard wollte schon aufstehen und die lauernden Schatten vertreiben, doch er konnte sich nicht bewegen. Die immense Kraft, die durch seinen Körper strömte war zu viel für ihn. Er fühlte, dass er allmählich seine Grenze erreichte. Sollte dieses Ritual noch lange andauern, würde seine Haut aufplatzen wie eine überreife Frucht. Hilfesuchend richtete er seinen Blick auf Samuel, doch anstelle seines Lehrers sah er eine Lichtgestalt mit langen, silberweißen Haaren auf sich zukommen. Unter ihrem Blick schien er zu schmelzen. Der Druck auf seinem Leib nahm ab, die Energie konnte wieder ungehindert fließen und Richard atmete auf. Die Lichtgestalt streckte ihm eine Hand entgegen.

    „Du kannst mich gerne begleiten, wenn du das möchtest“, sagte die Gestalt mit einer wunderschönen Stimme, die nicht von dieser Welt zu stammen schien. Plötzlich fühlte er sich winzig und unbedeutend, wie ein kleines Kind.

    „Ich möchte mit dir gehen“, sagte er lächelnd. Er streckte die Hand aus, wollte dieses Wesen berühren. Die Gestalt bückte sich näher zu ihm und Richard erkannte die feinen Züge eines Mannes. Was für ein wunderschönes Gesicht! Richard war überwältigt von dem Anblick, konnte sich kaum sattsehen. Er fühlte sich so geborgen, als wäre er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich zu Hause angekommen.

    Doch bevor er dieses wunderbare Gesicht berühren konnte, erbebte die Erde so jäh, dass ihn der Schock aus seiner Erinnerung in die Gegenwart zurückholte. Es bebte und krachte erneut.

    „Das Haus stürzt ein!“, rief Sinister.

    Schon neigte sich der Boden unter ihnen zur Seite, wurde immer schräger und schräger. Richard verlor den Halt und rutschte aus dem Lichtkreis heraus. Das Licht erlosch, während auch Samuel und die beiden anderen Halt suchend über den Boden schlitterten. Ein lauter Knall ertönte und auf einmal befand Richard sich in freiem Fall. Sein Körper schlug irgendwo auf, etwas landete hart auf ihm, er schlitterte weiter, wurde von etwas jäh gestoppt. Für einen kurzen Moment verlor er das Bewusstsein, dann kam er wieder zu sich. Erst wusste er nicht mehr, wo er war, betrachtete die zerstörte Umgebung voller Unverständnis. Um ihn her lagen lauter Trümmer von Balken, kaputter Möbel und Stücke von Boden und Wänden. Dann kam mit der Wucht eines Schlages die Erinnerung zurück.

    „Sessilia!“, rief er. „Samuel!“

    Sein Körper schmerzte fürchterlich. Das war noch viel schlimmer, als von Onkel Theodor verprügelt zu werden. Mühsam zog er sich an der Kommode neben sich hoch, fand schwankend an ihr Halt. Dann erbebte erneut die Erde und eine Tür kam auf ihn zugestürzt. Er wich aus, sie krachte gegen die ramponierte Kommode, wo er sich eben noch festgehalten hatte.

    „Richard!“, hörte er die angsterfüllte Stimme von Sessilia in der Nähe.

    Wir sind Legion!, kreischte es in seinem Kopf, während er sich nach ihr umsah. Er kämpfte sich durch die Trümmer, die ihn nacheinander zu erschlagen versuchten. Mit grimmiger Entschlossenheit sprach Richard die Schutzformel des Heiligen Rhamnus und schaffte es tatsächlich, sich aus Betties alter Taverne zu befreien. Er trat auf die Straße. Zu seinem Schrecken sah er, wie ein paar der Männer Sessilia in Richtung Scheiterhaufen zerrten.

    „Richard!“, schrie sie und versuchte vergeblich sich loszureißen.

    Ohne zu überlegen rannte Richard los. Mit einem Brausen flog der Habicht über ihn hinweg, hinterließ ein Gefühl von Mut in seinem Herzen. Eines der Schattenwesen stellte sich Richard in den Weg. Er wusste nicht, woher er diese Kraft nahm, ob von der Erinnerung an die Lichtgestalt oder von Samuels Ritual, aber das Licht flutete aus ihm heraus wie ein unversiegbarer Strom von Reinheit, Geborgenheit und Liebe, gegen den kein Dämon standhalten konnte. Die Schattengestalt zerriss mit einem erstickten Schrei.

    Richard stürmte weiter, die Lichtwelle eilte ihm voraus. Sie erreichte die Männer, die Sessilia gepackt hatten. Augenblicklich ließen sie Sessilia los und wie bereits Emud brachen sie zusammen, erdrückt von der Erkenntnis ihrer Gräueltaten.

    Richard hatte Sessilia beinahe erreicht, als ein eiskalter Atem seine Füße berührte. Die Eiseskälte stieg seine Beine hoch, machte sie schwer und steif. Er stolperte über seine ungelenken Füße und fiel der Länge nach hin.

    „Nein!“, rief Richard, doch die frostige Kraft stieg höher, erreichte seine Brust und drang ein in sein Herz. Er spürte, wie sein Herzschlag langsamer wurde. Gleich würde er ganz zum Erliegen kommen. Das Licht um ihn erlosch und die Dämonen stürzten sich auf ihn wie die Geier auf ein totes Tier.

    Legion, Legion, viele sind wir! Und du bist einer von uns! Dein Meister hat uns nur weggesperrt, er konnte uns nicht töten. Wir können nicht sterben. Deine gerechte Strafe, Erdenmensch. Legion ist dein Name!

    Richards Kopf wurde angefüllt mit Stimmen, Schreien. Wirr sprachen sie durcheinander. Alle litten sie entsetzliche Schmerzen. Verrat, ausgestoßen, Folter!

    Da erklang eine helle Glocke inmitten dieser Stimmen. Sie riss ein Loch in das Netz der Angst und Pein und durch dieses Loch drang eine Melodie, die er nur zu gut kannte.

    „Losgelöst, ein Körper wie Wind so frei

    Nichts hält dich fest

    Niemand, nichts, jetzt nicht!

    Denn du bist frei

    Keine Banden, die dich halten

    Dein Herz ist unbeschwert, weit wie der Raum

    Erfüllt von der Kraft, die in dir wohnt

    Sich ausdehnt, alles durchdringend

    Niemand, nichts, jetzt nicht

    Denn du bist frei, in diesem Moment frei.“

    Richard schlug die Augen auf. Die Stimme erklang nicht in seinem Kopf wie er angenommen hatte. Über sich sah er verschwommen das Gesicht seines kleinen Bruders. Tränen liefen ihm über die Wangen, während er das alt vertraute Lied sang.

    Über alle Schranken sind wir verbunden

    In dem einen Raum.

    Nicht einmal der Tod kann uns noch trennen

    Keine Illusionen, keine Türen, keine Wände

    Über alle Schranken, vereint im Geheimen.“

    Edwin strich Richard über das Gesicht.

    „Wir haben versprochen, dass wir uns wiederbegegnen“, sagte Edwin mit weinerlicher Stimme, doch ein strahlendes Lachen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Wo auch immer du bist, ich werde dich finden“, sagte er, dann löste er sich auf.

    Richard sprang auf. „Edwin!“, rief er, doch er erhielt keine Antwort.

    Stattdessen erblickte er den Habicht. In einem steilen Sturzflug sauste er in Richtung Erde hinunter. Richard folgte seiner Flugbahn mit den Augen und sah den schwarzen Wolf, der auf Sessilia zusprang. Der Habicht versenkte seine Krallen in den Nacken des Wolfes. Das große Raubtier warf sich auf den Boden und drehte sich auf den Rücken, um den Vogel abzuschütteln. Der Habicht schnellte wieder hoch in die Luft. Richard hatte keine Zeit, sich über das seltsame Verhalten des Tieres Gedanken zu machen. Er rannte auf Sessilia zu. Wieder gelang es ihm ganz leicht, mit dem Licht in Kontakt zu treten. Er fühlte, wie es von oben in seinen Kopf eintrat und seinen Körper ausfüllte. Er stellte sich vor, wie sich eine Wand zwischen dem Wolf und Sessilia bildete und wirklich erschien eine feine, schimmernde Barrikade aus goldenem Licht zwischen ihr und dem Dämon.

    Richard erreichte Sessilia noch rechtzeitig, bevor zwei weitere Wölfe zum ersten hinzustoßen konnten.

    „Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Richard außer Atem.

    „Alles noch dran“, bestätigte sie, doch in ihrem Gesicht stand der Schrecken geschrieben.

    „Keine wirren Gedanken?“, vergewisserte er sich.

    „Ich hoffe nicht…“

    Zur Sicherheit ließ Richard eine Woge von reinigendem Licht durch Sessilias Körper strömen. Erleichterung zeigte sich in ihren Zügen.

    „Da kommen noch mehr“, warnte sie ihn, als sich weitere Wölfe zu dem Rudel gesellten.

    Richard zog einen Schutzwall aus Licht um sie empor und die Jäger begannen ihre Opfer mit langsamen, lauernden Schritten zu umrunden. Sie konnten die Wand zwar nicht durchdringen, aber Richard wusste nicht, wie lange sie ihn aufrecht erhalten konnte.

    „Wo sind Samuel und Sinister?“, fragte Sessilia und versuchte an den Wölfen vorbei zu spähen.

    Auch Richard konnte die beiden nirgends entdecken. Er hatte auch anderes zu tun, als sich mit dieser Frage zu beschäftigen, denn die Wölfe hatten gerade ihr Verhalten geändert. Sie umkreisten die beiden nun nicht mehr, sondern zogen sich zurück in die Schatten. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in Richards Magen aus. Etwas war da faul.

    „Was geschieht hier?!“, rief er erschrocken aus.

    Der Boden um sie her schien flüssig geworden zu sein. Eine wabernde Masse aus schreiender Dunkelheit, die sich langsam hob und senkte wie eine zähe Brühe.

    „Richard, was ist das?“, fragte Sessilia und griff nach seiner Hand.

    „Was es auch ist, zusammen sind wir stärker“, sagte er entschlossen. „Konzentrier dich auf das Licht. Lass es durch deinen Körper strömen und hilf mir, den Schutzwall zu verdichten.“

    Sie biss sich auf die Lippe, nickte und verstärkte den Griff um seine Hand. Er spürte, wie ein zartes Gefühl von Zuneigung und Leichtigkeit von ihr ausströmte, sich mit ihm verband und ihn stärkte.

    Die schwarze Masse griff mit schleimigen Fingern nach ihrem Schutzwall, zog sich daran hoch und hüllte sie ein in einen Mantel aus Dunkelheit. Bald schon konnten sie den Himmel nicht mehr sehen, waren gefangen in diesem Kokon, der sanft erhellt wurde durch das Licht, das beständig aus ihnen herausströmte. Doch der Lichtschein wurde allmählich schwächer.

    „Je dicker die Wand aus Dunkelheit wird, desto mehr sind wir abgeschirmt von den Lichtwesen, die uns helfen“, überlegte Richard und merkte, wie ein Funke von Panik in seinen Eingeweiden zum Leben erwachte.

    Ihr Schutzwall begann sich langsam zusammenzuziehen. Stück für Stück wurde der Platz enger und die finstere Masse rückte näher. Das ganze Leid, die Angst und Verzweiflung, die in der Dunkelheit des Dämons steckten begann durch ihren Lichtschild zu dringen.

    „Richard, ich halt das nicht aus!“, keuchte Sessilia. „Er spricht zu mir! Er kennt mich! Aber ich will mich nicht erinnern.“

    Voller Entsetzen starrte sie ins Leere. Sie ließ seine Hand los, presste sie auf die Ohren, wie sie es in der Zelle gemacht hatte. Sofort rückten die Schatten näher, drangen durch kleine Ritzen in der Mauer aus Licht. Wie dicker Schleim troff die Dunkelheit ins Innere ihrer Festung.

    „Sessilia, ich brauch dich!“

    „Nein!“, schrie sie. „Er will mich. Weil ich ihn damals eingesperrt habe. Legion!“

    Ein gequälter Schrei entfuhr ihren Lippen und sie schlug mit dem Kopf gegen den Boden. Blut tropfte von ihrer Stirn, als sie sich wieder aufrichtete, das Gesicht zu einer Maske des Schmerzes verzerrt.

    Der Schutzwall zerbarst. Die Dunkelheit verschluckte sie. Richard sah nichts mehr. Spürte nur noch die Qual, die sein ganzes Wesen erfüllte. Schmerz. Ein unglaubliches Maß an Schmerz ergoss sich in jede seiner Poren. Doch er konnte nicht schreien. Es gab keinen Mund mehr, nur noch diese unendlich große Pein. Jegliche Gedanken waren fortgespült, er, Richard, existierte gar nicht mehr, denn es gab nur noch diese unfassbare Verzweiflung.

    Hi Az!!!

    Huuuhuuu, du bist schon up to date. Ja leider geht die Pause wohl noch etwas länger. Auch wenn ich mich grad diese Woche zum ersten Mal wieder an die Geschichte rangewagt habe... Aber nicht in der Fortsetzung - obwohl ich doch endlich mal in die Gänge kommen will mit dem ganzen Drama, das nun durch Shankars Vision eingeleitet wurde :evil::D - nein, ein neuer Anfang musste her. Aber er gefällt mir gar nicht.
    Hab grad Rainbow geschrieben: Das Ganze ist mir zu brutal. Ich wollte ja mal eine Kindergeschichte schreiben, aber das war wohl nichts...

    Na mal sehen, was noch alles daraus wird... Aber ich glaub, wenn ich da wirklich was draus machen will, brauch ich Zeit, mich richtig zu vertiefen, um herauszufinden, wie ich die Geschichte aufbauen will. Ich könnte tausende verschiedene Anfänge schreiben, ewig lange ausbauen, Nebengeschichten erzählen usw. Aber das wird ja dann auch langweilig...
    Das Projekt ist einfach ein bisschen zuuu gross...

    Ach, und das Studium, jaaa, klappt. Nur leider geht das noch eewig. In knapp zwei Jahren ist es fertig. Ich hoffe mal, dass die Geschichte nicht bis dahin auf Eis gelegt ist...

    Danke ihr zwei!! Ihr seid grossartig!! <3<3<3

    Beim Schreiben der Zusammensfassung konnte ich kaum mehr bremsen ^^ fertig ist sie zwar bei Weitem noch nicht... Habe erst die "Vorgeschichte" abgearbeitet...

    Den Spoiler hab ich nicht gelesen. Aber wow - meinen höchsten Respekt für diese umfangreiche Zusammenfassung hast du auf jeden Fall!!! Und es ist gut zu wissen, dass es ihn gibt, falls mir irgendwann mal ein Zusammenhang fehlen sollte oder ein Name ein Fragezeichen im Kopf verursacht.

    Ist vielleicht besser. Falls du mal gar nicht mehr durchblickst, wird sie dir sicher helfen, die Hintergründe (die in meinem Kopf rumschwirren, während ich die Leser-Version aufschreibe) zu durchschauen. Aber sonst verdirbt sie wohl auch viel vom Lesespass :) zuu viel gespoilert... Und wie gesagt, ich bin da noch nicht mal in der "Gegenwart" angekommen ^^

    Danke nochmals für euer Verständnis! Jetzt würd ich mich am liebsten wieder an die Geschichte setzen und so richtig in die Tasten hauen. Naja, die Zeit wird bestimmt wieder kommen :D:sarcastic: so schnell geb ich nicht auf :D

    Machts gut und bis zum nächsten Post....

    Hallo zusammen

    Ich hoffe, ihr hattet eine tolle Sommerzeit bis jetzt! Bei mir hat das Studium wieder angefangen und ich habe an meiner neuen Arbeitsstelle gestartet! Bis jetzt geniesse ich die Erkundung dieser neuen Welt.

    Eigentlich wollte ich ja in meiner kleinen Auszeit viel Schreiben, damit ich dann wieder ohne Druck posten kann. Aber daraus wurde leider nichts. Nun ist es das erste Mal, dass ich mich wieder an den PC setze. Auch wenn ich in meinem Kopf weiter an meiner Geschichte gebastelt habe, habe ich nichts zu Papier gebracht. Im Moment habe ich einfach andere Prioritäten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich die Geschichte über Kurz oder Lang wieder aufnehmen werde, aber nun scheint mir nicht die Zeit dazu. Das gibt mir auch die Gelegenheit, selbst noch zu wachsen, in die Geschichte hineinzuwachsen, da sie doch ziemlich hohe Ansprüche an mich stellt.

    Ich hoffe, das ist jetzt nicht zu unbefriedigend für euch. Irgendwie sind bisher alle Geschichten, die ich zu lesen begonnen habe – bis auf die von Rainbow – nach und nach weggestorben. Ich fand das immer total schade, da man sich mit den Figuren vertraut macht und dann nie das Ende der Geschichte erfahren kann.

    Deshalb habe ich beschlossen, euch wenigstens eine Zusammenfassung von den Abläufen der Geschichte zu schreiben -so weit ich bis jetzt einen Einblick habe. Das ist natürlich der super grösste Spoiler überhaupt, ihr könnt selbst entscheiden, ob ihr ihn lesen wollt oder nicht…

    Hier kommt der Spoiler:

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    Alles begann mit… nein, nicht der Erschaffung der Erde… sondern mit dem Abstieg eines Wesens, welches weit oben oberhalb der Wolkendecke lebte. Es gehörte zu einem Volk, welches sich schon beinahe von der materiellen Welt gelöst hatte. Die Körper dieser Wesen waren durchscheinend und mehr ein Lichtgewebe als denn eine grobstoffliche Masse. Der Name unseres Protagonisten lautet Rhamnus. Man kann sagen, dass er männlich war, wenn auch die Geschlechter in seinem Volk nicht so exakt und starr zu bestimmen sind wie in dem der Menschen oder der Tiere. Rhamnus wuchs also auf, oberhalb der Wolken, auf einem der grössten Gebirge angrenzend an das, welches viele Jahre später als «Lux» bezeichnet werden sollte. Doch Rhamnus tanzte etwas aus der Reihe. Er war viel bodenständiger als die anderen und einfach etwas zu fest für die anderen aus seinem Volk. Vieles viel ihm viel schwerer als ihnen und auch wenn sie sich bemühten, ihn zu integrieren, gehörte er doch nie ganz dazu. Die anderen seiner Art interessierten sich viel mehr für die höheren Welten als er. Rhamnus hingegen fühlte sich zur Welt dort unten hingezogen. Stets wollte er Geschichten über die Menschen hören, welche ein so ganz anderes Leben führten, weit weg wie ihm schien.

    Eines Tages beschloss er, seine Heimat zu verlassen und «in die untere Welt» zu gehen. Entgegen der Ratschläge seiner Geschwister trat er durch das riesige steinerne Tor, welches die Lichtwesen vor der Dichte der materiellen Welt schützte. (Dazu habe ich mal eine kleine Textpassage geschrieben…)

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    Rhamnus

    Er trat mitten hinein in die wabernden Nebelschwaden. Wo hinter ihm gerade noch ein Durchgang gewesen war, ragte eine viele Meter hohe Steinwand empor. Nichts, keine Ritze, keine Inschrift und auch kein Weg ließen darauf schließen, dass hier die Pforte zu einer anderen Zivilisation war. Rhamnus schaute nach oben. Irgendwo über diesen Wolken lebte sein Volk in einer friedlichen Welt aus goldenem Licht. Er wandte sich ab, glitt weiter in den Nebel hinein. Seine lichten Füße berührten den steinigen Boden kaum. Im Vergleich zu den Menschen, die unten am Berg im Tal lebten, war sein Körper beinahe schwerelos, nahezu durchscheinend. Weder der Wind noch die Kälte berührten ihn, noch schmerzten die rauen Steine seine nackten Füße.

    In weiten, luftigen Sprüngen segelte Rhamnus die Flanke des Berges hinunter, segelte durch die Wolken hindurch, die sich hier angesammelt hatten. Wo immer er aufkam, begannen die Steine zu flüstern und säuselte der Wind ihm ins Ohr. Hätte ein Mensch dies beobachten können, hätte er wohl geglaubt, ein Splitter eines Sterns wäre vom Himmel gefallen, so sehr leuchtete Rhamnus‘ Körper in der kargen Bergwelt.

    Dass er seine Familie nicht mehr wiedertreffen konnte, bekümmerte ihn nicht sonderlich. Er wollte die Menschen finden, diese würden seine neue Familie werden, dachte er und bahnte er seinen Weg weiter, immer weiter hinunter. Doch seine Sprünge wurden kürzer, seine Landungen fester, als würde sein Köper mehr Gewicht bekommen. Als er die Waldgrenze erreicht hatte, begann ihn tatsächlich ein wenig zu frösteln. Was ist das?, fragte er sich und musste feststellen, dass sein Körper bereits nicht mehr so stark leuchtete und auch nicht mehr so durchscheinend war wie noch im Land seines Volkes.

    Verwundert betrachtete er seine Arme, durch die er die Welt nur noch unscharf wahrnehmen konnte. Er legte die Hand an die Rinde eines Nadelbaumes und tatsächlich konnte er deren Oberfläche auf seiner Haut spüren. Er lächelte, grüßte den Baum, dieser grüßte zurück, dann ging er weiter.

    Der Wald war erfüllt von Stimmen, die Rhamnus noch nie gehört hatte. Unzählige Tiere tummelten sich hier. Unter der Erde, in den Bäumen, in der Luft. Und auch die Bäume selbst sprachen miteinander, flüsterten sich zu, unterhielten sich mit dem Wind und der Erde. Rhamnus betrachtete wie eine Kolonie von Ameisen den Stamm eines Baumes emporklettere. Fasziniert beobachtete er wie sie ihre vielen, hauchzarten Beinchen geschickt über die raue Oberfläche bewegten und mit ihren Fühlern die Welt ertasteten. Ein größeres Tier, mit vielen tausend Beinen kam hinzu, reihte sich ein. Doch Rhamnus erschrak, als die Ameisen in Aufruh gerieten, denn der Tausendfüßer hatte sich keineswegs aus Spaß in die Kolonne der Ameisen eingereiht. Fassungslos schaute Rhamnus zu wie der viel größere Angreifer die kleinen Ameisen verzehrte. Dort wo er herkam hatte er noch nie so etwas gesehen. Warum tust du das?, fragte er den Tausendfüßer, doch er erhielt keine Antwort.

    Nach einer Weile wollte er dem Kampf nicht mehr zusehen. Er richtete sich auf und setzte seinen Weg fort. Mit jedem Meter, den er tiefer stieg, ähnelte er mehr einem Menschen. Sein Körper wurde fester, seine Konturen klarer umrissen, seine Haut empfindsamer. Als er zum ersten Mal seinen Fuß an einem Stein stieß, schaute er verwundert auf die Erde. Nun konnte er nur noch seinen Fuß sehen, wenn er darauf blickte. Die Welt dahinter war für seine Augen verschwunden. Mein Körper wird fest, stellte er fest und ging weiter.

    Allmählich plagte ihn die Kälte zusehends und ein seltsames, ihm unbekanntes Gefühl machte sich unterhalb seiner Brust bemerkbar. Ein Stechen und ein Zusammenziehen, ein grummelndes Geräusch stieg davon aus. Etwas ist da drin, stellte er fest. Doch er konnte seine Sprache nicht verstehen. Und weitere Geräusche kamen hinzu, es rauschte in seinen Ohren und es pochte in seiner Brust. Dieses laute Pochen dröhnte und rauschte durch seinen ganzen Körper. Ob die Menschen sich das die ganze Zeit über anhören müssen?, fragte er sich.

    Seine Beine wurden schwerer, die Füße schmerzten bei jedem Schritt mehr. Wenigstens war er aus dem Nebel raus, aber seine Sicht wurde immer schwächer. Auch die Stimmen der Bäume, der Tiere und der Steine wurden leiser. Alles verändert sich, dachte er. Es ist ganz anders als in meiner Vorstellung. Das Menschsein ist viel anstrengender als in meinen Träumen…

    Rhamnus stieg einen steilen Abhang hinunter, musste sich an Wurzeln und Ästen festhalten, damit er nicht ausrutschte. Dies ist wohl meine erste Prüfung, dachte er und blieb einen Moment sitzen um Luft zu holen und seinem neu entstehenden Köper etwas Ruhe zu verschaffen. Daran werde ich mich erst gewöhnen müssen.

    Die Wesen seines Volkes kannten weder körperliche Beschwerden noch Krankheit oder Hunger. Sie lebten weit oben über den Wolken in einer Welt aus Licht, in einem harmonischen Miteinander, ohne Angst vor Tod oder Leid. Doch Rhamnus war anders als die anderen. Stundenlang hatte er über die Welt geblickt, hatte von den Menschenwesen geträumt, von ihrem Leid und ihrem Kummer. Bis er es irgendeinmal nicht mehr hatte aushalten können. Und nun stieg er zu ihnen hinunter. In diese harte, unwirtliche, unbekannte Welt.

    Weiter setzte er Fuß um Fuß, stieg über umgefallene, morsche Baumstämme, wich Dornengestrüpp aus. Inzwischen hatte er sein langes Gewand hochgebunden, an einigen Stellen war es bereits eingerissen. Auch seine seidenen, goldblonden Haare hatte er ungeschickt verknotet, sodass sie ihm möglichst wenig im Weg waren. Wofür haben die Menschen nur so einen klobigen Körper?, fragte er sich. Da ist es doch kein Wunder, dass sie kein friedvolles Leben führen können.

    Doch er stieg weiter, der erste Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und seine schlanken, langen Finger waren aufgeschürft und schmutzig. Auch die Stelle unterhalb seiner Brust plagte ihn, doch konnte er nicht wissen, dass es der Hunger war, der ihm das Leben schwermachte. Bald werde ich bei den Menschen sein, dachte er und balancierte über einen Baumstamm.

    Doch da er sich an das Gewicht seines Körpers noch nicht gewöhnt hatte, wankte er gefährlich auf dem nassen, von Moos überwachsenen Stamm. Instinktiv ging er in die Hocke, schob sich langsam vorwärts, doch weil er auf sein Kleid trat, geriet er ins Straucheln und rutschte vom Stamm. Was für ein Anfang, dachte er während er fiel. Wie seltsam, dass ich nicht davonschwebe. Und so landete er hart auf dem Waldboden, überschlug sich, versuchte sich irgendwo festzuhalten. Äste und Dornen bohrten sich in seinen noch nicht ganz grobstofflichen Körper, übersäten ihn mit unzähligen Wunden, rissen sein einstmals weißes Kleid auf. Gerade als er glaubte, sich festhalten zu können, fiel der Boden unter ihm ab und er stürzte in die Tiefe.


    Rahmnus wird von einer alten Frau aufgenommen und gesundgepflegt. Allmählich gewöhnt er sich an seinen menschlichen Körper. Zu Beginn ist er etwas hilflos, denn die Menschen verhalten sich oft seltsam, doch mit der Zeit lernt er ihre Kommunikationsmuster deuten. Viele fühlen sich von ihm angezogen und so wird er schon bald regelmässig von verschiedenen Dorfbewohnern besucht. Andere fürchten ihn und wollen ihm schaden. Irgendwann (vielleicht nach dem Tod der alten Dame) zieht er los, um mehr von der Welt zu sehen und um die Wurzel der menschlichen Probleme zu ergründen. Weshalb lebt sein Volk in Harmonie und Liebe, während die Menschen von Zwietracht, Neid und Unglück verfolgt scheinen?

    Auf seinen Reisen nimmt er irgendwann ein Kind auf, einen kleinen Jungen, der ohne ihn wohl den Tod gefunden hätte. Er nennt ihn Diligo (später Richard) und nimmt ihn auf. Gemeinsam ziehen sie umher und allmählich beginnen sich immer mehr Menschen um Rhamnus zu scharen. Diligo wird älter, während Rhamnus kaum zu altern scheint, und unterstützt ihn, denn Rhamnus vermag noch immer nicht alle menschlichen Gebärden und Verhaltensweisen zu deuten.

    Doch obwohl Rhamnus alles daran setzt, den Menschen zu helfen, wird die Lage um ihn immer schlimmer. Mehr und mehr Dämonen machen sich im Land breit und nutzen die Menschen, um breite Landstriche zu verwüsten und um anderen Menschen Gewalt anzutun. Rhamnus beschliesst, den König aufzusuchen. Er zieht Richtung Königshof und wird nach kurzer Zeit vom König hergerufen, der seine erkrankte Frau zu retten versucht. König Entipaz (später Ben, Richards und Edwins Vater) hatte das Reich bereits seiner Tochter Anastasia (später Edwin) und ihrem Gemahl Cedrus (später Vater Justus) überlassen.

    Hier noch eine Erläuterung dazu: Die Eltern von Anastasia (Edwin) waren Entipaz (Ben) und seine Frau (Elvira). Ihr jüngerer Bruder (später Gilbert) starb am Fieber. Als Edwin im Keller von den Menschenhändlern eingesperrt ist, träumt er von einem Jungen, den er wiedererkennt und von dem er weiss, dass sie zusammen gespielt haben. Dies ist eine Begegnung mit dem Gilbert von früher, der damals sein (Anastasias) jüngerer Bruder war. Von daher sind Edwin und Gilbert sich auch so vertraut. Der Tod von ihrem Kind reisst der Königin (Elvira) ein grosses Loch in ihr Leben. Sie verliert den Lebenswillen und stirbt schliesslich selbst – ich glaube das war an einer Frühgeburt. Der Tod seiner Frau wiederum reisst den König (später Ben) in einen Abgrund und er verliert die Kontrolle über das Land und ergibt sich dem Alkohol. Dies wird auch Folgen für das nächste Leben dieser Personen haben. Anastasia jedoch wird so rasch wie möglich mit ihrem Cousin Cedric vermählt, um ein totales Chaos zu verhindern. Doch Cedric ist kein sonderlich guter Stratege, obwohl er ein ausgezeichneter Krieger ist. Unter seiner Führung bricht ein Bürgerkrieg aus und die Umstände werden immer schlimmer. Es gibt Aufstände gegen die Aristokratie. Auch die beiden Söhne Anastasias und Cedric sind verwickelt ins Kriegsgeschehen. Der ältere Sohn Joachim (später Jakob) ist ein begabter Kämpfer. Sein bester Freund Agrippa (später Mar) stellt sich gegen den König und fordert ein demokratisches Regierungssystem. Er versucht Joachim (Jakob) auf seine Seite zu ziehen, doch Joachim bleibt seinem Vater treu. In einer Schlacht (bei Jakob als Rückblende im Kampf gegen die Banditen beschrieben) stirbt Agrippa (Mar) im Versuch Joachim zu schützen, durch Joachims Hand. Dieses Ereignis verändert Joachims Leben. Er zieht sich aus dem Kampfgeschehen zurück und schwört, niemals mehr ein Schwert zur Hand zu nehmen. Sein jüngerer Bruder (später Ganesha) übernimmt die Führung des Volkes nach der Absetzung ihres Vaters.

    Rhamnus tritt in dieses Geschehen hinzu, zu der Zeit, in der das Volk in der grössten Krise steckt. Er rettet Königin Anastasia zusammen mit Diligo (Richard) und versucht den König für sich zu gewinnen. Zuerst geht er mit grosser Sorgfalt vor. Es gelingt ihm, immer grössere Teile des Reiches zu einen und die Menschen für sich zu gewinnen. Doch der König ist neidisch auf den Wandermönchen und fürchtet ihn gleichzeitig. Er ist kein guter Schüler und nutzt seine Macht immer wieder aus. Gleichzeitig bemerkt Rhamnus, dass sein Körper immer schwächer wird. Auch wenn er nicht so schnell altert wie die Menschen, ist es eine Belastung für ihn, in dieser grobstofflichen Dimension der Wirklichkeit zu verweilen. Eine sonderbare Krankheit befällt ihn und er merkt, dass ihm allmählich die Zeit davonläuft. Dabei hat er sein Ziel noch gar nicht erreicht. Er wollte doch die Menschen von ihrem Leiden erlösen und ihnen die wahre Liebe zeigen. Das Problem sieht er in König Cedrus, der noch immer unwillig ist, sich wirklich zu öffnen und seine krummen Spiele weiterspielt. Also setzt er ihn mit Gewalt unter Druck. Diese Szene sehen wir aus Anastasias Sicht in Form von Edwins Erinnerung. Als Demonstration seiner Macht lässt Rhamnus ein Gewitter aufziehen und lässt den unwilligen König beinahe ersticken. Dies ist jedoch eine Ausnutzung seiner Macht und so gerät auch Rhamnus langsam auf die schiefe Bahn. Immer öfter missbraucht er seine Kräfte, um Menschen zu manipulieren, unter dem Vorwand, dass er zu wenig Zeit hat, um den netten Weg zu gehen. Diligo (Richard) macht sich allmählich Sorgen um seinen Freund und Meister, ist jedoch von seiner Romanze mit Anastasia (Edwin) abgelenkt. Die beiden kommen sich allmählich näher, doch da Rhamnus Diligo stets vor der Liebe zu Frauen gewarnt hatte, macht Diligo sich stets Vorwürfe, wenn er mit Anastasia zusammen ist. Schliesslich erfährt König Cedrus von der Affäre und verlangt, dass die beiden hingerichtet werden. Rhamnus gerät in einen grossen Konflikt. Er möchte zumindest Diligo retten, schliesslich hat er ihn grossgezogen und im Zustand seiner Krankheit fühlt er sich nicht kräftig genug, seinen Auftrag auf der Erde ohne seinen treuen Gefährten auszuführen. Gleichzeitig ist er aber auch von Diligo bitter enttäuscht. Jedoch nicht nur, weil der seine Anweisung, von Frauen fern zu bleiben, nicht befolgt hat, sondern auch – und dies kann er sich gar nicht wirklich eingestehen – weil er sich selbst seit längerer Zeit zu Diligo hingezogen fühlte. Diese Gefühle waren ihm fremd und verwirrten ihn mehr und mehr. Ein Teil von ihm wollte sich für Diligos Vertrauensbruch und für sein gebrochenes Herz rächen und ihn neben Anastasia hängen sehen, ein anderer liebte und brauchte ihn. Schliesslich liess er einen anderen Mann an Diligos Stelle am Galgen hängen und rettete seinen heimlich Geliebten. Für Diligo war dies ein sehr traumatisches Erlebnis. Er musste weiterleben, während seine Geliebte in den Tod ging. Versteckt durch Rhamnus lebte er weiter im Palast mit seinem Kummer. König Cedrus wurde schliesslich abgesetzt und sein jüngerer Sohn (Ganesha) übernahm die Thronfolge. Unter ihm wuchs das Reich wieder zu einem schönen und starken Königtum heran. Ich bin mir nicht sicher, wie Diligos Leben endete. Er hatte Anastasia versprochen, sie in einem späteren Leben wieder zu finden. Es ist möglich, dass er seins vorzeitig selbst beendet hat. Rhamnus auf jeden Fall hat sich aus Scham und Gram in die Berge zurückgezogen, um sich in einer Höhle einzusperren, zu fasten und zu meditieren. Das normale Volk glaubte, er wolle nun seine Reise zu den Lichtwesen antreten und als er schliesslich von einem Rudel Wölfe zerrissen wurde und man keine Überreste von ihm finden konnte, setzte sich der Volksglaube durch, sein Körper hätte sich in Licht aufgelöst und er wäre in die höheren Welten aufgestiegen. So nahm das Leben des Heiligen Rhamnus ein tragisches Ende.

    Ungefähr fünfhundert Jahre lang lebten die Bewohner von Lux relativ friedlich. Durch den neuen König (Ganesha) angestossen, wurde die Teilung der Gewalten initiiert. Es entstand eine Art Priestertum und weltlicher Rat. Das Kastensystem entwickelte sich erst viel später. Mit Hilfe von Wesen aus der unsichtbaren Welt, welche in die Herzen der Menschen blicken können, wollten die Priester sicherstellen, dass nur Menschen, welche in ihrer geistigen Entwicklung weiter waren als andere, an Machtpositionen gelangen konnten. Der Grundgedanke war gut, jedoch sind diese Wesen beeinflussbar und so wird heute, zu Richards, Jakobs und Edwins Lebzeiten die Einteilung in die Kasten von manchen Priestern manipuliert. Zudem haben sich über diese Jahrhunderte einige Irrlehren eingeschlichen. Dass Frauen minderwertig sind, hat Rhamnus nie behauptet. Dies wurde von gewissen Priestern nur so gedreht, um ihre Macht sichern zu können. In dieser Hinsicht kam ihnen der Brand der Bibliothek ungefähr einhundert Jahre vor Bens Geburt gelegen, denn dadurch wurden einige wichtige Schriften diesbezüglich verbrannt.

    Nun kommen wir zur Jugendgeschichte von Ben, Elvira, Gilbert und Vater Justus. Die vier sind alle in Caput aufgewachsen. Wie schon geschildert sind sie alle durch ihr vorhergegangenes Leben verbunden. Ben und Elvira waren damals ein Königspaar, Gilbert ihr Sohn und Justus ihr Nachfolger im Königsamt (Cedrus). Ben, der in seinem früheren Leben ein guter König gewesen war, hatte einen guten Start in sein neues Leben. Seine Eltern waren angesehene Handwerker und ermöglichten ihm, eine gute Schule zu besuchen. Dort lernte er Elvira, seine damalige Gemahlin, kennen. Die beiden fühlten sich gleich zueinander hingezogen, doch durch die Geschehnisse in seinem früheren Leben unbewusst beeinflusst, wollte Ben nichts von einer ernsthaften Beziehung wissen. Auch wenn er sich nicht an sein letztes Leben erinnern konnte, fürchtete er sich doch vor dem Verlust seiner Liebsten – schliesslich hatte er zuerst seinen Sohn (Gilbert) und dann seine Frau (Elvira) verloren. Er war jedoch sehr beliebt bei den Frauen und hatte eine hoffnungslose, herzensbrecherische Beziehung nach der anderen. Zudem war er auch magisch sehr begabt und ein Überflieger. Justus, der ihn erst verehrte, fing bald an, ihn zu beneiden. In seinem früheren Leben als Cedrus hatte er die Chance immer wieder verpasst, sich aufrichtig dem spirituellen Weg zu widmen und hatte gar seine eigene Frau Anastasia (Edwin) aus Rachsucht an den Galgen gebracht. Dies kam ihm in diesem Leben nun nicht gelegen. Er war mit Talentlosigkeit gestraft. Dies führte einerseits zu einer grossen Rivalität zwischen ihm und Ben, die Ben jedoch nicht sonderlich ernst nahm, und andererseits aber auch zur Ausbildung eines sehr starken Willens. Obwohl er kaum Talent hatte, arbeitete Justus sich immer höher hinauf. Als Ben in den Vogelstand erhoben wurde, trat Justus in den Ducatus ein, um sein Leben dem Streben nach höherer Geistigkeit zu widmen. Er erzielte grosse Fortschritte, wurde jedoch auch ziemlich verbissen.

    Inzwischen war der Glaube, dass der Heilige Rhamnus oder ein anderer bedeutender Heiliger wiederkommen werde, weit verbreitet. Vater Canis, der damals Hohepriester und begnadeter Sterndeuter war, sagte sein Kommen in die damalige Zeit voraus. Diese Prophezeiung war jedoch nicht korrekt. Was die Sterne ankündigten war nicht das Kommen eines Meisters, sondern ein starker Umbruch im Weltgefüge. Je nach dem wie sich die Menschen auf diesen Umbruch vorbereiteten, würde entscheiden, ob die Welt erhoben wurde, oder denn auf eine tiefere Stufe absank. Dies wird durch Shankars Vision angedeutet. In ihr sieht er, wie Flammen auf die Erde niederfallen und alles unter sich begraben – ein Meteoriteneinschlag, der weite Teile von Lux vernichten würde.

    In dieser Zeit tritt Markus Aurelius auf. Er ist ein erleuchteter Meister, der ähnlich wie Rhamnus, durch die Lande zieht. Um Caput findet er viele Anhänger. Auch Ben, Elvira und Gilbert schliessen sich an. Doch er erscheint der Priesterkaste als eine Bedrohung. Sie beschliessen, ihn zu vernichten und üben einen Mordanschlag auf ihn aus. Dabei stirbt seine Frau, er wird festgenommen und ermordet. Damit er nicht zum Märtyrer werden kann, geben die Priester vor, er sei geflohen und habe seine Anhänger im Stich gelassen. Ben versteckt sich bei Elvira und Gilbert, sie verhelfen ihm zur Flucht. «Onkel Johan», der damals noch einen anderen Namen hatte, war ein guter Freund von ihnen und ebenfalls ein Anhänger von Markus. Er sah in Ben den neuen Markus und folgte ihm. Geleitet durch Träume und Visionen fand er Ben tatsächlich wieder. Gemeinsam zogen sie umher, ausserhalb von Lux, bis sie schliesslich zurückkehrten.

    Gilbert tritt währenddessen wie von seinem Vater erwartet in die gnostische Garde ein. Dort lernt er Talmud kennen. Richards und Edwins Mutter, ein Bauernmädchen, aus einem anderen Land, hört Stimmen, welche ihr sagen, dass sie ihr Zuhause verlassen muss. Mit einer älteren Frau aus ihrem Dorf, welche sie spirituell unterrichtet hat, macht sie sich auf den Weg und trifft schliesslich auf Ben und «Onkel Johan», der sich inzwischen tatsächlich Johan nennt, weil er sich fürchtet, unter seinem richtigen Namen noch immer von der Gnosis verfolgt zu werden. Sie verliebt sich in Ben. Zuerst will er jedoch keine Kinder und auch keine Frau. Er ist noch immer verliebt in Elvira und hat sich durch die Ängste aus seinem alten Leben geschworen, niemals Kinder zu haben. Aber die Frau lässt nicht locker und schliesslich kommt Richard zur Welt.

    Inzwischen stirbt der Vater von Elvira und Gilbert, was die Bahn frei macht für das Waisenhaus. Gilbert kommt aus der Garde zurück und bringt Talmud zurück, welcher sich in Elvira verliebt – diese Liebe bleibt leider Zeit seines Lebens unerwidert. Doch kurze Zeit später werden Talmud und Gilbert eingezogen, da es an den Grenzen Unruhen gibt. In dieser Zeit verliebt sich Gilbert in ein Bauernmädchen aus der Grenzregion. Sie wird schwanger, ist aber aus einer tieferen Kaste als er. Trotzdem steht er zu ihr, und will die Verantwortung für sie und das Kind übernehmen. Da tatsächlich Kämpfe ausbrechen, muss er seine junge Familie jedoch verlassen. Er wird im Kampf zwar verletzt, bewährt sich aber und steigt in der Hierarchie auf. Doch währenddessen gibt es einen Überfall von Banditen auf das Dorf seiner Frau; sie und das ungeborene Kind sterben. Diese Begebenheiten werden in Edwins Erzählung aufgegriffen, im Kapitel «Edwin, die Königstochter und der Uhrmacher» wir die Schlacht um Aster, als Angriff aus Aluid, erwähnt. Gilbert wird zum Hauptmann der Truppen, ersäuft sich in Blut und Alkohol wegen dem Tod seiner Geliebten. Danach ist er nie mehr derselbe. Aus diesen Zeiten rührt die Dunkelheit, die Edwin zuweilen in ihm spüren kann.

    Im Verlaufe der Zeit wird Ben auf die Probe gestellt. Richard ist ein gesundes Kind und wächst gut heran. Sie leben etwas abseits, um nicht mit den Priestern in Konflikt zu geraten. Alles scheint harmonisch, doch bei der Geburt von Edwin stirbt die Mutter. Dies ist eine grosse Erschütterung für Ben. Seine unbewussten Ängste werden Wirklichkeit. Doch in diesem Leben meistert er diesen Schlag. Er übersteht den Tod seiner Frau ohne den Verstand zu verlieren. Er zieht seine beiden Söhne liebevoll auf und lehrt sie seine Weltanschauung so gut er es vermag. Dabei wird er natürlich von «Onkel» Johann und der «Grossmutter» unterstützt. Doch Ben fühlt sich ein bisschen zu selbstsicher. Er glaubt, das Universum auf seiner Seite zu haben und meint, das Schicksal für sich beeinflussen zu können. Deshalb zieht er mit seiner Familie näher an Caput heran und lässt sich am Sumpf nieder und verdeckt auch seinen Namen nicht. Dort stirbt dann auch die Grossmutter, als weise alte Frau. Ihr Tod wird aus Richards Sicht am Anfang der Geschichte kurz beschrieben. Mittels Magie verdichten Johan und Ben den Boden des Sumpfes, geben den Reisenden jedoch an, sie würden einfach einen sicheren Weg über den Sumpf kennen, um nicht aufzufallen. Ihnen ist jedoch nicht bewusst, dass sie der Gnosis bereits ins Auge gefallen sind. Justus, der noch immer einen Groll gegen Ben hegt, bekommt Wind vom Aufenthaltsort seines ehemaligen Rivalen und Staatsverräter. Er nutzt seine Machtposition aus, um geübte Kopfgeldjäger auf ihn anzusetzen. Diese schalten zuerst Johan mit Gift aus – dies ist die Ursache für den Tod des Onkels – und entführen dann anschliessend Ben, als er alleine ist. Die Übergabe des Bewusstlosen wird im Prolog beschrieben. Der schwarze Reiter, aus dessen Sicht dieser beschrieben ist, ist Vater Justus. Justus geniesst es, sich in sein «dunkles Gegenstück» zu «verwandeln». Er glaubt, dass nicht alle Menschen dazu auserkoren sind, in die höheren Welten aufzusteigen. Er sieht seine Aufgabe darin, die Auserwählten, dort hin zu führen und ist auch bereit, schmutzige Arbeit auf sich zu nehmen. So schreckt er auch nicht vor Mord oder Krieg zurück. Er lässt Ben also entführen und sperrt ihn im Ducatus in den speziellen Verliesen für magisch-begabte Verbrecher ein. Aus den Tiefen dieser Verliese versucht Ben Kontakt mit Richard aufzunehmen und ihm den Weg in die Verliese zu zeigen, als dieser im Ducatus wohnt. Dies ist im Kapitel «Richard-Traum» beschrieben. Richard versteht die Botschaft jedoch nicht.

    Gut, mal bis hier. Ich hoffe, das erschlägt euch nicht gleich. Der Rest kommt noch, sobald ich Zeit zum Niederschreiben habe.

    Hallo zusammen

    Ich seid wirklich zuu cool! :superman::mamba2: Danke euch! Ich freu mich schon, wieder posten zu können. Und bis dahin wünsch ich euch eine tolle Zeit, im Forum, draussen hoffentlich viel in der Sonne und was auch immer euch Spass macht!!
    Vielleicht komm ich ja auch mal dazu, was zu lesen :)

    LG, RenLi

    @Rainbow @Tariq

    Hey ihr zwei

    Im Moment poste ich seit Längerem immer stückchenweise, was ich grad vorzu schreibe. Hab gemerkt, dass mir das nicht so liegt, da ich mehr Zeit brauche, um das Geschriebene auch mal etwas liegen zu lassen und es dann nochmals zu überarbeiten. Da diese Semester an der Uni grade ziemlich viel fordert und ich nun in der Prüfungszeit stecke, kann ich auch nicht wirklich in die Geschichte eintauchen und schreibe dann ziemlich unreflektiert und einfach so aus dem Bauch heraus. Auch das passt mir nicht so ganz.
    Deshalb hab ich beschlossen, eine Pause mit Posten einzulegen. Ich hoffe, dass ich bis Anfang August oder September wieder etwas mehr geschrieben habe. Dann werd ich wieder häppchenweise und wöchentlich posten. Falls ihr dann noch immer im Forum mit dabei seid und euer Interesse an der Geschichte noch nicht abhanden gekommen ist, bin ich meega happy, wieder von euch zu hören, wenn es soweit ist!!!

    Bis dahin wünsche ich euch einen ultratollen Sommer und viel phantastische Einfälle!!

    RenLi

    Hi Rainbow
    Oh, da muss ich wohl noch etwas dran schrauben. Dass dir viele Namen nicht bekannt vorkommen liegt daran, dass manche noch gar nicht vorgekommen sind, weil sie für Jakob nicht wichtig waren und dass manche (Sheela und Shaukat) nur kurz erwähnt wurden.
    Dass Amma weitsichtig ist, erwähne ich hier tatsächlich nur nebenbei, das könnte ich noch deutlicher machen. Dadurch hat sie vom Kampf erfahren.
    Shankar ist nicht zurück, ist noch immer da. Kamal war urspr in der Truppe mit dabei, sie haben ihn dann wieder zurück geschickt, deshalb wissen sie von Shankars Vision.Vielleicht hab ich oben mal Shankar statt Shaukat geschrieben. Die Namen sind leicht zu verwechseln. Da muss ich nochmals durchgucken... Das mit dem Lied kännte ich noch besser einführen.
    Danke für deine Anmerkungen!! Ist superwichtig, eine Meinung von aussen zu haben.
    Ich wünsch dir einen tollen Tag!!
    Lg, RenLi

    Überraschung! Heute ein Teil aus Ganeshas Sicht :) Dummerweise schon wieder ein Junge. Eigentlich wollte ich ja aus der Sicht eines Mädchens schreiben...


    Ganesha, Folgenschwer (564 n. Rh.) Teil I

    Ganesha warf Kamal einen Blick zu. Der junge Vater saß wie auf heißen Kohlen. „Lasst mich zurückreiten“, verlangte er abermals. „Dieses Geschwätz macht mich verrückt!“
    „Du bleibst schön hier sitzen!“, donnerte Jagan, der Bruder Kamals. „Durch eure überstürzten Handlungen sind wir überhaupt erst in diese Lage geraten.“
    Mit hochrotem Kopf sprang Kamal auf die Füße. Ganesha konnte sich nicht erinnern, den seinen Onkel jemals so aufgebracht gesehen zu haben. Normalerweise drückte er sich vor Arbeiten und tat so, als ginge ihn die Welt nichts an, doch wenn es um seine kleine vierköpfige Familie ging, war er wie verwandelt. „Du hast mir nichts zu sagen! Nur weil du zu feige bist, bleibe ich sicher nicht untätig hier und warte darauf, dass Lal und Hari mit dem Kind umkommen!“
    Wütend standen sich die beiden Männer gegenüber. Erst sah es so aus, als würde die Sache gleich in einer Rauferei enden, als Jagan mit zitternden Nasenflügeln sagte: „Dann geh! Verfluchter Taugenichts! Dann geh und lass dich umbringen!“
    „Dich würde ich im Tod noch heimsuchen!“, schrie Kamal seinen Bruder an, dann machte er kehrt und verschwand in Richtung der Pferdeweide.
    Ganesha atmete pfeifend aus. Auch den anderen im Kreis stand die Anspannung ins Gesicht geschrieben. „Verflucht!“, rief Jagan aus und ballte die Fäuste. „Dieser Hornochse!“
    Unruhig sah er seinem jüngeren Bruder hinterher, in die Runde und wieder seinem Bruder nach.
    „Komm schon, geh ihm nach, wenn es dich so fertigmacht“, getraute sich Sheela zu sagen.
    Jagan warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Dann stieß er einen verzweifelten Fluch aus und jagte Kamal hinterher. Ganesha konnte seine beiden Onkel gut verstehen. Auch er hätte sich nur zu gerne auf den Rücken seines Pferdes geschwungen und wäre seinen Freunden in gestrecktem Galopp zu Hilfe geeilt. Aber es können nicht alle kopflos durch die Gegend preschen, sagte er sich und blieb sitzen.
    „Nun gut“, durchbrach Chandan die Stille. „Nachdem das geklärt wäre, kommen wir doch zurück zu unserer Gesprächsrunde.“
    „Wir sollten mitreiten! Kamal mag ja unüberlegt handeln, aber wir können die anderen nicht allein lassen“, nahm Ravi das Gespräch wieder auf.
    „Wir kennen die Lage nicht gut genug. Wir wissen nur, dass sie sich in einen Kampf hineinmanövriert haben. Wir sollten warten, bis wir ein Lebenszeichen hören“, hielt Sheela dagegen.
    „Wie kalt“, schnaubte Ravi. „Es ist dir wohl egal, wenn Prema und die anderen umkommen.“
    Sheela verzog bitter das Gesicht. Es war im Lager allgemein bekannt, dass Sheela und Prema eine offene Beziehung führten. Die zwei Frauen verbrachten viel Zeit miteinander und Ganesha hätte es nie auch nur in Betracht gezogen, dass sich Sheela nicht um ihre Geliebte sorgte. Wie hatten sie es fertiggebracht, dass sie einander nun gegenseitig anfeindeten?
    „Dass ich meine Gefühle etwas besser im Griff habe, sehe ich als Vorteil, nicht als Kälte“, zischte sie. „Außerdem glaube ich nicht, dass mein Mädchen sich so einfach unterkriegen lässt.“
    Der Klang einer dumpfen Trommel unterbrach die Diskussion. Alle Augen blickten zu Amma, die mit untergeschlagenen Beinen dasaß und ein Bündel Räucherkräuter in den Händen drehte. „So kommen wir nicht weiter“, stellte sie fest. „Ich schlage vor, dass wir für einen Moment tief durchatmen und uns danach weiter unterhalten.“
    Ganesha sah einige nicken. Auch er war froh um den Vorschlag. „Wie wäre es mit einem Lied?“, fragte er in die Runde.
    Sofort hob Chandan seine Rassel. „Aho!“, rief er und grinste.
    Manche schauten verärgert drein, aber die meisten griffen bereits zu ihren Instrumenten. Auch Ganesha griff nach seiner Flöte. Chandan gab einen gemächlichen Rhythmus vor, andere setzten ein. Musik ist die Stimme der Herzen, dachte Ganesha, als er seine Flöte an die Lippen setzte und ihr einen weichen Ton entlockte. Trauer erklang aus ihr. Neben sich hörte Ganesha Wut aus einer Trommel sprechen und Verwirrung und Sorge aus einer Stimme. Er stimmte in den sorgenvollen Klang mit ein, vernahm die beruhigende Sicherheit aus Ammas tiefem Trommelklang. Auch Chandan untermauerte das Lied mit seinem langsamen, unveränderten Rassellaut. Eine ganze Palette von unterschiedlichen Emotionen fand Platz in dem gemeinsamen Spiel und so gelang es ihnen, sich ohne Worte in harmonischem Klang zu verständigen, ohne jemanden zu vergessen oder übertönen zu müssen.
    Ganesha merkte, wie der Druck auf seiner Brust allmählich leichter wurde.
    Wir finden einen Weg, sagte er sich und fand Mut und Bestätigung im Spiel seiner Schwestern und Brüder.
    Als schließlich auch der letzte Trommelschlag verklungen war, blickte Amma aufmerksam in die Runde. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen. „Ich würde sagen, nun können wir ernsthaft damit beginnen, nach einer Strategie zu suchen.“
    Mit sehr viel mehr Ruhe und gegenseitigem Verständnis gelang es den Spielleuten im folgenden Gespräch ihre Bedenken und Ansichten zu äußern. Ganesha verfolgte das Gespräch mit wachsender Zuversicht. Durch Ammas Gabe der Weitsicht hatten sie in Erfahrung bringen können, dass ihre Stammesmitglieder nach der Vision Shankars in einen Kampf verwickelt worden waren. Ob diese beiden Ereignisse miteinander zu tun hatten, konnten sie nicht beurteilen. Am meisten beunruhigte Ganesha, dass Amma von einem feuerspeienden Ungeheuer berichtet hatte. Wer konnte schon wissen, was sich da alles im Lande von Lux herumtrieb. In seiner Vorstellung sah er bereits, wie Jakob sich heldenhaft dem Ungeheuer entgegenstürzte. Das sähe ihm ähnlich. Er und Ajit wären bestimmt die ersten, die sich ohne viel nachzudenken in eine gefährliche Situation stürzen würden.
    Wenn ich doch nur mitgegangen wäre, dachte er und merkte, wie die Unruhe wieder in ihm aufzusteigen begann.
    Schließlich einigten sie sich darauf, ihr Zeltlager an die Grenze von Lux zu verlegen. Da dies jedoch ein großer Aufwand bedeutete, würden sie einen weiteren Reitertrupp direkt nach Lux schicken, um den Ausgezogenen zu Hilfe zu eilen. „Es mag töricht erscheinen, aber ich könnte mir selbst nicht mehr in die Augen sehen, wenn ich nicht alles Mögliche versuchen würde, um ihnen beizustehen“, sagte Ravi zum Schluss.
    „Diesmal werde ich mitreiten“, sagte Shaukat, der Schamane. „Über die Naturgeister kann ich mit Amma in Kontakt bleiben. So können wir auch über große Distanzen kommunizieren.“
    „Ich möchte auch mitreiten“, erhob Devi ihre Stimme.
    Schockiert schaute Ganesha sie an, doch Devi mied vorsorglich den Blickkontakt mit ihm. Stattdessen sah sie Amma an. „Du kannst nicht gehen“, setzte Ganesha an, doch Amma unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
    „Du hast gerade eben deine Ausbildung begonnen. Willst du das nun in den Wind schlagen?“, fragte sie mit ernster Stimme.
    „Ich breche sie nicht ab“, widersprach Devi. „Ich übe weiter während ich unterwegs bin.“
    „Sei ganz ehrlich mit dir. Glaubst du, du kannst deinen Geist unter Kontrolle behalten, wenn du in dieses Land zurückkehrst, wenn du in einen Kampf hineingezogen wirst. Und siehst, wie Menschen, die dir nahestehen verletzt oder getötet werden?“
    Devi zog eine Grimasse. „Ich bin mir sicher, dass ich in diesem Moment tue was nötig ist. Ich kann sie beschützen.“ Zur Demonstration flackerte eine Flamme über Devis Schulter auf. „Ich habe mich im Griff.“
    Fassungslos verfolgte Ganesha das Gespräch. Wie konnte sie sich nur so sehr überschätzen? Es war noch nicht lange her, dass sie Jakob völlig von Sinnen angefallen hatte. Seither hatte er sich pausenlos um sie gekümmert, hatte mit Amma und Shaukats Hilfe ihren Geist beruhigt, sie in den Schlaf gesungen. Er war so erleichtert gewesen, als sie ihm gesagt hatte, sie wolle die Ausbildung als Schamanin bei Amma antreten, um einen Weg zu finden, den bösen Geist loszuwerden oder wenigstens zu besänftigen. Und nun wollte sie das alles aufs Spiel setzen?
    „Komm nachher in mein Zelt. Ich werde testen, ob du standhaft genug bist“, beschloss Amma und Ganesha atmete erleichtert auf.
    Als sich die Anchin zerstreuten, um sich vor dem Aufbruch wenigstens ein paar Stunden Ruhe zu gönnen, fing er Devi ab. Sie wollte ihm aus dem Weg gehen, doch Ganesha stellte sich ihr entgegen.
    „Willst du mich aufhalten?“, fragte sie, bereit zum Wortgefecht.
    „Ich mache mir Sorgen.“
    „Ich habe mich im Griff.“
    Ganesha hob eine Braue. „Ich kenne dich zu gut, Devi.“
    Sie seufzte. „Wie mühsam“, meinte sie. „Warum nur machst du dir die ganze Mühe? Ich bin es nicht wert“, setzte sie mit einer Spur Bitterkeit hinzu und wandte den Blick von ihm ab.
    „Du kennst die Antwort auf diese Frage. Du bist wertvoller für mich als alle Mädchen der ganzen Erde.“
    „Wie habe ich das verdient?“, fragte sie und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht.
    Traurig blickte Ganesha sie an. „Warum bist du nur so stur? Du hast alles, was man sich wünschen kann, oder etwa nicht? Aber es liegt nicht an dir. Es liegt an diesem, diesem … Gäbe es irgendeine Möglichkeit diese Last von dir zu nehmen, dann würde ich es tun.“
    „Ganseha, es tut mir leid, dass ich so bin. Ich weiß, dass ich dir nie genug danken kann für alles was du für mich tust. Und ich möchte mich ändern. Deshalb habe ich Amma um Hilfe gebeten. Dass ich nun gehen will, heißt nicht, dass ich alle Warnungen in den Wind schlage und einfach abhaue. Im Gegenteil. Ich möchte mich meiner Vergangenheit stellen. Und auch meiner Gegenwart. Deshalb möchte ich nach Lux.“ Sie trat auf ihn zu. „Würdest du mich begleiten?“, fragte sie und die Hoffnung in ihrer Stimme zerriss ihm beinahe die Brust. „Wenn Amma mich gehen lässt, hilfst du mir dann? Wenn ich die Kontrolle verliere, dann bist du der einzige, der mich wieder zurückholen kann.“
    „Du bist wirklich unmöglich“, erwiderte Ganesha schwermütig. „Ich hoffe wirklich, dass Amma dich wieder zur Vernunft bringt. Aber falls sie dich gehen lässt, dann komme ich mit“, versprach er widerwillig.
    Ihr Gesicht leuchtete auf. „Du bist der Beste!“, rief sie und warf sich ihm um den Hals.
    Etwas überfordert tätschelte er ihren Kopf. „Sag das lieber nicht zu früh“, meinte er und schob sie wieder von sich. „Lass uns zu Amma gehen.“

    Hi @Rainbow

    Spoiler anzeigen


    Danke fürs Lesen und deine Rückmeldungen!
    Ja, das mit Shiv ist wirklich fies. Ich mag ihn, wie Jakob auch. Da ist es nicht schön sowas mitzuerleben. Aber wie du schon sagst, so ein Kampf geht nicht einfach gut aus, auch wenn man gewinnt.

    So wies aussieht, muss ich die Stelle mit Joachim und Agrippa nochmals überarbeiten. Auch Tariq hatte etwas Mühe damit. Auch wenn nicht alles auf Anhieb klar sein muss, sollte doch nicht ganz so eine grosse Verwirrung dadurch entstehen.
    Jakob ist da in eine Vergangenheitsschleife reingekommen, so wie Edwin manchmal, wenn er von Anastasia träumt oder von einer Erinnerung überwältigt wird. Da Jakob sich gerade auf einem Kampfschauplatz befindet und er dabei ist, einen Freund zu verlieren, ist diese Erinnerung in ihm wach geworden. Joachim ist Jakobs frühere Identität vor 500 Jahren und so ist auch Agrippa sein Freund vor 500 Jahren.
    Dein Haus meint an dieser Stelle der Geschichte kein Gebäude, sondern Joachims Familie. Aus dem Abschnitt kann man herauslesen, dass Joachims Vater ein Mann mit viel Macht war, Agrippa nun aber für die Unabhängigkeit des Volkes einsteht. Joachim muss sich entscheiden, auf welcher Seite er steht und entscheidet sich für seinen Vater, dessen Macht er irgendwann zu erben gedenkt. Dafür ist er auch - mehr oder weniger - bereit, seinen Freund zu töten, auch wenn er dem lieber aus dem Weg gegangen wäre.

    Mehr zu Jakobs Vergangenheit wird noch kommen. Irgendwann wird man auch seine Verbindung zu Edwin (Anastasia), welche zur selben Zeit gelebt haben, erkennen.

    Denkst du, das ist okay so? Ich muss mir noch überlegen, wie ich das umschreiben kann, damit es klarer wird. Der Nachteil daran, dass ich so nahe an den Figuren schreibe, ist, dass der Leser nicht mehr mitbekommt als sie selbst... Vielleicht muss ich da doch etwas weiter werden und mehr Hintergrundinfos für die Lesenden einbauen...

    Jakob, Wahnsinn oder Schicksal? (564 n. Rh.) Teil IV
    Jakobs Schädel pochte noch immer, als er wieder zu sich kam. Wirre Träume hatten ihn gequält und einen seltsamen Nachgeschmack in seinem Innern hinterlassen. Da war ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust, das ihn auch nach dem Aufwachen noch nicht loslassen wollte.
    Sollte was trinken, dachte er und stützte sich auf. Es war dunkel um ihn herum. Befand er sich in einem Zimmer?
    Wo sind die anderen? Ajit! Wie ein Pfeil bohrte sich die Erinnerung durch seine Brust. Ich war in dem Haus und bin zusammengebrochen! Der Angreifer!
    Panisch schaute Jakob sich um, doch er musste feststellen, dass er sich an einem anderen Ort befand, als wo sein Erinnerungsfaden abriss. Er konnte einen kargen Raum ausmachen, jemand hatte ihn auf ein einfaches Lager gebettet. Die Banditen, sie haben mich erwischt!, vermutete er voller Schrecken. Aber nein, dann wäre ich gefesselt, oder längst tot.
    Jakob hörte Stimmen von draußen. Ist der Kampf bereits zu Ende?, fragte er sich.
    Er tastete die Wand ab, bis er eine Tür fand. Sie war nicht verriegelt und so gelangte er einen Wohnraum und von dort nach draußen auf die Straße. Mit Erleichterung stellte er fest, dass er sich noch immer im Dorf Alea befand. Die Morgendämmerung war bereits angebrochen, es roch nach verbranntem Holz und Schwefel. Das Haus, in welchem er aufgewacht war, befand sich im Dorfkern. Die Grube konnte er von hier aus nicht sehen, doch ein Stück des Drachen ragte über die Hütten hinaus. Nun im schalen Licht der noch nicht aufgegangenen Sonne sah er die Stangen, Stricke und Stoffbahnen, aus welchen der Drache zusammengezimmert war. Im anbrechenden Morgen stand er wie die abgestreifte Haut eines Insekts zwischen den Häusern, leer und tot.
    Jakob wandte sich ab und folgte den Stimmen zu einem Haus gegenüber. „Du kannst es nicht abschneiden! Er wird nie mehr reiten können!“, kreischte Verma, als Jakob eintrat.
    Sie beugte sich schützend über einen Menschen, der auf Decken auf dem Lehmboden lag.
    „Er verliert zu viel Blut, wir müssen es amputieren“, entgegnete Shankar müde aber bestimmt. „Du hast versucht, was du konntest, nun führt kein Weg mehr daran vorbei.“
    „Nein, es ist schon gar nicht mehr so schlimm!“, beharrte Verma.
    „Das ist unvernünftig von dir. Er stirbt, wenn wir es nicht amputieren“, entgegnete Shankar.
    „Verma, lass nur“, hörte Jakob Shivs gepresste Stimme.
    Jakob getraute sich kaum an Verma vorbei auf den Mann am Boden zu blicken. Er konnte Shiv kaum wiedererkennen, so abgekämpft sah er aus. Jakobs Blick wanderte an ihm herunter, registrierte etliche Verletzungen an den Armen, am Oberkörper und blieb schließlich an seinem Bein haften. Es war kaum mehr als ein Bein zu erkennen; blutiger Klumpen traf es eher.
    „Bringen wir’s hinter uns, Shankar“, forderte Shiv den Anführer auf.
    Prema stand neben Verma und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du musst uns helfen, Verma. Sonst verblutet er während der Amputation.“
    Verma hatte Tränen in den Augen. „Vielleicht schaffe ich es noch…“
    Doch Prema schüttelte den Kopf. „Du hast es lange genug versucht. Du vergeudest deine Kraft.“
    Jakob starrte immer noch auf den Klumpen, der einstmals Shivs Bein gewesen war.
    Es wird auf beiden Seiten Verluste geben, hallte eine Stimme in seinem Kopf nach. Wer hatte das gesagt? Er wusste es nicht mehr. Konnte es sein, dass es noch mehr von ihnen erwischt hatte?
    Wie geht es Ajit und Ananda?
    Jakob wollte die Frage laut stellen, doch er brachte kein Wort heraus. Und wie geht es all den anderen? Hier im Raum sah er nur die vier, ansonsten war niemand da.
    „Jakob, du musst das nicht mitansehen“, sprach Shankar ihn an.
    Jakob merkte, dass er immer noch auf die Wunde starrte.
    „Du kannst ins Haus nebenan gehen und nachsehen, wie es Ajit geht“, schlug Shankar vor, um ihm einen Grund zum Gehen zu geben.
    „Ajit ist nebenan?“, fragte Jakob. „Und Ananda?“
    „Keine Ahnung wo der ist“, sagte Shankar. „Aber ihm geht es gut“, fügte er hinzu, als er Jakobs schockierten Blick sah. Dann bugsierte er ihn sanft nach draußen. „Da drüben“, sagte er und deutete auf das Haus zur Linken.
    Wie in Trance ging Jakob auf die besagte Hütte zu. Was für ein Anblick erwartete ihn dort drin? War Ajit noch viel schlimmer zugerichtet als Shiv? Er schob das Tuch vor dem Eingang zur Seite. Eine kleine Kerze erhellte den kargen Raum. Khanna saß daneben, an die Wand gelehnt und polierte ihren Säbel. Sie blickte auf, als Jakob eintrat und fixierte ihn mit ihren wachen Augen. Auch ihr stand die Anstrengung der Nacht ins Gesicht geschrieben. Wortlos schaute sie ihn an. Nahm sie es ihm übel, dass er Ajit im Stich gelassen hatte? Jakobs Magen verkrampfte sich. Er schaute weg und hielt nach seinem Freund Ausschau. Er entdeckte seine schlanke Gestalt in einer Nische, die als Lager für ihn hergerichtet war. Am liebsten wäre Jakob gleich wieder gegangen, doch er zwang sich, auf Ajit zuzugehen und sich neben ihn auf den Boden zu knien. Ajits Gesicht ließ keine Regungen erkennen. Er war blass und sah aus wie tot.
    „Wie geht es ihm?“, fragte Jakob steif.
    „Er lebt, falls du das meinst“, entgegnete Khanna.
    „Gibt es…?“, begann Jakob. „Ist jemand…?“ Er wollte die Antwort auf seine Frage nicht wirklich wissen. Aber es konnte nicht sein, dass jemand von ihnen…
    „Keine Toten auf unserer Seite“, antwortete Khanna knapp.
    Jakob atmete langsam aus. Keine Toten. Aber Verletzte. Er hob die Hand, um Ajits Wange zu berühren, zog sie jedoch wieder zurück. Er wollte ihn nicht wecken.
    „Was ist passiert, nachdem ich zusammengebrochen bin?“, fragte Jakob und brachte damit die schreckliche Wahrheit über die Lippen. Khanna direkt anzusehen wagte er jedoch nicht, stattdessen blickte er weiter auf Ajits Gesicht.
    „Ich wollte Verma holen, da sie von uns die besten Tricks auf Lager hat, um Menschen zusammenzuflicken“, erzählte Khanna. „Aber ich konnte sie nicht finden und bin in ein paar der Dorfbewohner hineingerannt, die gerade dabei waren eines der brennenden Häuser zu löschen. Dort habe ich mich Shiv angeschlossen, der die Dorfbewohner zu schützen versuchte. Doch die Banditen hatten Wolfshunde bei sich. Keine schöne Sache.“
    Wie um ihre Worte zu unterstreichen, drang ein gedämpfter Schrei zu ihnen herüber. Jakob grauste bei dem Gedanken, was mit Shiv gerade im Nebenhaus passierte.
    Jakob warf einen Blick zu Khanna hinüber. Er bemerkte die dunklen Schatten, die unter ihren Augen lagen und den Verband an ihrer Schulter. Anscheinend war auch sie nicht unverletzt geblieben.
    „Es hat etwas länger gedauert als geplant, bis ich Verma schließlich herbringen konnte“, sprach sie weiter. „Ajit war noch am Leben, aber dich konnte ich nirgends finden…“
    „Es tut mir wirklich leid!“, schwor Jakob und sah Khanna endlich direkt in die Augen. „Ich wollte ihn beschützen. Ich bin in eine Hütte gegangen, um ihn von da aus zu beobachten und dann dachte ich, da sei jemand. Ich wollte mich verteidigen, doch dann bin ich zusammengeklappt.“ Er konnte sich noch immer selbst nicht genau erklären, weshalb er eigentlich das Bewusstsein verloren hatte. Außer an seinem Ohr hatte er keine Verletzungen davongetragen.
    Khanna sah ihn unbeeindruckt an, kommentierte seine Geschichte jedoch nicht. Sie fuhr mit ihrer Erzählung fort: „Ich habe dich dann in dieser Hütte auf dem Boden liegend gefunden. Du hast im Schlaf gemurmelt und um dich geschlagen, als ich dich fortschaffen wollte. Wovon hast du geträumt?“
    Jakob war überrascht, dass sie ihn danach fragte. „Ich weiß es nicht mehr genau. Aber was soll’s es war nur ein Traum.“
    „Träume sind nicht nur immer einfach Träume. Ich dachte, das hättest du bereits gelernt“, sagte eine Stimme vom Eingang her.
    Jakob sah auf und erblickte den Turbanmann. „Bist du nicht verletzt?!“, fragte Jakob und stand auf.
    Ananda hob beschwichtigend die Hände. „Kein Kratzer.“
    Tatsächlich sah der Turbanmann frisch und unversehrt aus, als hätte er gerade einen gemütlichen Morgenspaziergang und nicht einen Kampf hinter sich.
    „Aber ich habe gesehen, wie der Bandit dich von hinten erwischt hat“, setzte Jakob nach.
    „Das wäre mir bestimmt aufgefallen“, versicherte Ananda und setzte sich zu ihnen auf den Boden.
    Auch Jakob setzte sich wieder hin und beäugte den Turbanmann ungläubig. Wie konnte er noch aufrecht gehen? Oder hatte er sich wirklich getäuscht?
    „Wie geht’s den Gefangenen?“, fragte Khanna.
    „Sie sind alle gut verschnürt und wohlbehalten. Prema hat sich bereits mit ein paar Freiwilligen um sie gekümmert.“
    „Und die Toten?“
    „Die werden wir mit ein paar der Gefangenen zurückschicken. Als Warnbotschaft“, erwiderte Ananda.
    „Hast du gesehen, wie jung einige von ihnen sind?“, fragte Khanna nach und Ananda nickte.
    „Ein paar sind jünger noch als Jakob und Ajit. Aber einige haben auch schon mehr Jahre auf dem Buckel als Shankar.“
    Jakobs Aufmerksamkeit driftete ab. Er war müde, fühlte sich geradezu erschlagen. Er wollte einfach nur noch schlafen und sich nicht um all die üblen Dinge kümmern müssen.
    Mit einem Ohr hörte er Khanna sagen: „Was treibt diese Menschen dazu, so zu handeln?“
    „Ich habe mit ein paar von ihnen gesprochen. Es ist vor allem die Not in dieser Gegend, welche die Menschen zu solchen verzweifelten Taten bewegt. Aber was mir mehr Sorgen macht, sind die Berichte von diesem Drahtzieher, den sie den Maskierten nennen. Es scheint so, als sei aus einem anfänglich unkoordinierten Banditenhaufen allmählich ein größeres Netzwerk entstanden.“
    „Ein Netzwerk? Worauf haben wir uns da nur eingelassen?“, fragte Khanna erschöpft.
    Jakob erhob sich und ging zur Tür. „Wohin willst du? Läufst du davon?“, fragte Khanna scharf.
    „Lass ihn“, ging Ananda dazwischen. „Er muss das erst verdauen. Das braucht Zeit“, beschwichtigte er sie.
    Jakob ballte die Fäuste und verließ die Hütte ohne zurückzublicken.
    Ich laufe davon, ja, dachte er verzweifelt. Aber was kann ich schon tun? Hätte ich doch nicht darauf bestehen sollen, dass wir helfen?
    Am liebsten hätte er seinen Frust laut hinausgeschrien. Doch er biss sich auf die Zunge, schluckte seine Gefühle hinunter und eilte lautlos über die Straße. Dass jemand auf ihn aufmerksam wurde, wollte er vermeiden, denn geredet hatte er für den Moment genug. Viel lieber wollte er sich verstecken, in einer dunklen Höhle, in welcher ihn das Leben nicht mehr erreichen konnte.
    Warum müssen solche Dinge überhaupt geschehen? Diese vermaledeiten Banditen! Wären wir doch im Stamm geblieben und hätten weiter Schafe gehütet. Aber ich musste ja ein Abenteuer haben. Das einfache Leben da war ja nicht spannend genug.
    Jakob stürmte in das Haus, in welchem er vor Kurzem aufgewacht war. Er fand seinen Weg zurück zu seinem Lager und verkroch sich unter den Decken. „Bitte lass mich einfach schlafen“, flehte er und versuchte weder an die vergangene Nacht noch an Ajits fahles Gesicht oder Shivs Schreie zu denken.

    Jakob, Wahnsinn oder Schicksal? (564 n. Rh.) Teil III
    Ananda rammte den Banditen, den er vor sich hatte, mit der Schulter und beförderte auch ihn durch den Feuerring in das Loch vor dem Drachen. Dann wirbelte er herum und stellte sich dem nächsten Gegner, als hätte sich nicht gerade eben ein Schwert in seinem Rücken versenkt.
    „Steh nicht rum!“, bellte Khanna, die wie ein Wirbelwind mit ihrem Säbel an Jakob vorbeirauschte, mitten in einem wilden Schlagabtausch mit gleich zwei Banditen.
    „Verdammte Scheiße!“, brüllte Jakob. Tränen der Wut brannten in seinen Augen, als er sich auf einen ihrer Gegner stürzte. Durch seinen Angriff abgelenkt, gelang es Khanna dem einen die Schwerthand zu verletzen. Er schrie gequält auf und seine Waffe fiel mit dumpfem Geräusch zu Boden. Im Schein der Flammen hinter ihm konnte Jakob das Gesicht des Fremden nur verzerrt erkennen. Panik zeichnete sich auf den jugendlichen Zügen ab, bevor Khanna ihn in die Grube stieß. Auch dem Zweiten erging es nicht besser. Er versuchte zu fliehen, doch Ananda stellte sich ihm in den Weg.
    Der ist nicht älter als ich!, schoss es Jakob durch den Kopf.
    Der Junge ließ seine Waffe fallen, hob schützend die Arme vor sein Gesicht und schon schickte Ananda ihn zu seinen Gefährten in den Abgrund.
    „Bist du nicht verletzt?!“, rief Jakob und versuchte einen Blick auf Anandas Rücken zu erhaschen.
    „Mein Herz fühlt sich an, als würde es in Stücke geschnitten, aber das wirst du wohl kaum gemeint haben“, antwortete ihm der rätselhafte Krieger. „Khanna und Jakob, ihr kümmert euch um Ajit, ich helfe den Dorfbewohnern beim Löschen!“, wies er sie an und Jakob wurde klar, dass er seinen Freund tatsächlich für einen Moment vergessen hatte.
    Bestürzt rannte er los, um ihn wiederzufinden. Von den Banditen sah er keinen mehr, aber er hörte noch immer Schreie. Von wem, wusste er nicht, doch er hoffte, dass es die Schreie der Gefangenen in der Grube waren.
    „Ajit!“, rief er und suchte die Umgebung ab.
    „Wo ist er, Jakob?“, drängte Khanna.
    „Er war hier! Neben dem Wagen“, versicherte Jakob verzweifelt. „Er sah aus wie tot.“
    „Suchen wir ihn, vielleicht ist es ihm gelungen, sich in Sicherheit zu bringen“, vermutete Khanna.
    Sie teilten sich auf und suchten die Umgebung ab. „Ajit!“, rief Jakob erneut und plötzlich packte ihn etwas am Knöchel. Ein spitzer Schrei entfuhr ihm und er befreite seinen Fuß mit einem Ruck. Eine Hand schaute aus dem Boden heraus, dann verschwand sie zwischen Ästen und Blättern. Jakob starrte auf die Stelle, bis ihm klar wurde, dass dies das Versteck war, in welchem Ajit auf die Ankunft der Banditen gewartet hatte. „Ajit?“, fragte er nun leiser und kniete sich neben die Mulde.
    Mit zitternden Fingern schob er ein Stück des schützenden Blattwerks weg und darunter kam tatsächlich das Gesicht seines Freundes zum Vorschein. „Verdammt, du hast mich zu Tode erschreckt“, wisperte er. „Du siehst furchtbar aus.“
    Ajit stöhnte. „Khanna! Er ist hier“, rief Jakob und wandte sich dann wieder an Ajit. „Ananda sagt, wir sollen uns um dich kümmern. Ich bin sicher, dass Shankar oder Prema dich wieder zusammenflicken können“, fügte er etwas hilflos an.
    Die Kriegerin kniete sich neben ihn. „Ich weiß nicht, ob wir ihn bewegen sollten, solange wir nicht wissen, wie schwer seine Verletzungen sind“, überlegte sie. Auch sie schien etwas ratlos. Vorsichtig schob sie die Blätter von seinem Körper weg, Ajit schien wieder in Bewusstlosigkeit versunken zu sein. „Verdammte Scheiße“, knurrte die Kriegerin, als eine große Blutlache unter dem Laub zum Vorschein kam. Wie ein schwarzer See breitete sich das Blut weiter über Ajits Brust aus, sein Hemd war aufgeschlitzt.
    „Bleib du hier und pass auf ihn auf.“ Khannas Worte drangen nur verzögert zu Jakob durch, der entsetzt auf die Wunde starrte. „Hörst du?!“, rief die Spielfrau und versetzte ihm einen Klaps an den Hinterkopf.
    „Ja“, stotterte Jakob. Er fühlte sich schwindlig und schwach. Er vermochte nicht einmal die Arme zu heben, um sich gegen die aufgebrachte Kriegerin zu schützen.
    Schnell deckte sie Ajit wieder mit Laub zu. „Aber sitz hier nicht einfach so rum, Jakob! Versteck dich und komm nur raus, wenn jemand auf ihn aufmerksam wird. Ich hole Verma.“
    Noch ehe Jakob protestieren konnte, war sie bereits davongestürmt. „Wir kriegen dich wieder hin“, versprach Jakob seinem Freund, auch wenn der ihn nicht hören konnte. „Bald bist du wieder in Ordnung.“
    Taumelnd kam er auf die Füße. Er fühlte sich speiübel. Mit wackligen Schritten erreichte er das nächste Haus. Das Tuch, das einst den Eingang bedeckt hatte, war heruntergerissen worden.
    Sind sie etwa hier drin?! Panisch kämpfte Jakob gegen die Übelkeit an und versuchte etwas im Innern der Hütte zu erkennen. Nur mit Mühe konnte er sich aufrecht halten und die schwarzen Flecken vor seinen Augen wurden immer größer und zahlreicher. Ich muss Ajit beschützen, kann jetzt nicht zusammenbrechen…
    Hustend lehnte er sich gegen die Wand. Wenn jemand hier war, dann hatte er ihn spätestens jetzt gehört. Reflexartig langte er nach seinem Stock und merkte, dass er ihn nicht bei sich hatte. Er ballte die Fäuste. Notfalls verteidige ich mich eben so, dachte er und presste die Hand gegen den pochenden Schädel. Dabei langte er in das Blut, das von seinem Ohr den Hals hinunterlief. Wann hat es mich denn erwischt?, fragte er sich.
    Eine Bewegung innerhalb des Hauses lenkte ihn ab. Plötzlich wurde es taghell um ihn. Das Licht blendete Jakob, sodass er sich schützend die Hand vor die Augen halten musste. Ein Mann trat aus dem Licht heraus. Sein Leib war mit einer einfachen Rüstung gepanzert, in der Hand hielt er ein Schwert. „Hör auf dich vor mir zu verstecken!“, rief der Fremde. In seinem Gesicht konnte Jakob Zorn, Trauer, Bitterkeit erkennen.
    Beim Anblick des Mannes schnürte sich Jakobs Kehle zu. Nun konnte er ihm nicht mehr aus dem Weg gehen. „Du willst dich wohl von mir persönlich hinrichten lassen!“, schrie Jakob und versuchte das Getöse der Schlacht um sie zu übertönen.
    „Hinrichten willst du mich also? Du bist so blind wie dein Vater, wenn du dich als Richter aufspielen willst!“, rief der Andere, der sich seinen Weg auf Jakob zu bahnte. „Dass es so weit kommen konnte ist deinem Haus zu verdanken.“
    „Tu nicht so, als wäre dies meine Schuld. Du bist es, der mich verraten hat!“, schrie Jakob bebend vor Wut. Er stieß seine Lanze nach vorne und schlitzte einem Gegner die Kehle auf. „Hier siehst du, was es bedeutet den König zu hintergehen.“ Nun stand er seinem ehemaligen Freund gegenüber.
    „Komm zur Vernunft, Joachim! Du bist nicht dein Vater, du kannst dich uns noch immer anschließen“, beschwor ihn Agrippa. „Du musst deinem verrückten Vater nicht nachfolgen!“
    Joachim lachte trocken. „Wenn er verrückt ist, dann bin ich es ebenso!“, rief er und führte den ersten Schlag gegen seinen neuen Feind aus.
    „Die Macht gehört dem Volk, keinem Einzelnen!“, hielt Agrippa dagegen und wehrte den Schlag mit dem Schild ab.
    „Die Zeit des Redens ist vorbei, Agrippa!“, schrie Joachim und deckte den Anderen mit weiteren Angriffen ein. Dieser wehrte sich verbissen, doch ihnen beiden war klar, wer diesen Schlagabtausch gewinnen würde. Zu viele Stunden hatten sie mit gemeinsamen Kampfübungen verbracht.
    „Dass du dich mir freiwillig stellst, zeigt mir nur, wie töricht du bist“, knurrte Joachim. Seine Lanze fand eine Lücke in der Deckung Agrippas und sie versenkte sich in seiner Schulter.
    Sein Freund schrie und Joachim verfluchte ihn dafür, ihm nicht aus dem Weg gegangen zu sein. Doch ein Angriff von der Seite lenkte Joachim ab. Es gelang ihm, das Schwert mit seinen Armschienen abzuwehren, doch ein zweiter Streich folgte bereits von der anderen Seite. Während er sich mit Agrippa beschäftigt hatte, hatten ihn die Verräter eingekreist. Joachim schnaubte. Er hatte sich zu sehr ablenken lassen.
    „Nein!“ hörte er Agrippas Stimme. Ohne hinzusehen, ließ er seine Lanze kreisen und führte einen Streich aus. Sehnen, Fleisch, Knochen wurden durchtrennt, die Lanze fraß sich gierig durch den Hals seines Freundes. Der Kopf fiel, der Körper schien noch eine Zeit lang in der Schwebe zu sein, bevor auch er zu Boden sackte.
    „Er wollte ihn retten!“, hörte Joachim jemanden keuchen.
    Es dauerte einen Moment, bis Joachim verstand, was eben vorgefallen war. Agrippa hat sich zwischen mich und den Mann da gestellt, um mich vor seinem Angriff zu schützen! Und ich habe ihn umgebracht!
    „Er hätte sich besser nicht auf die falsche Seite stellen sollen“, knurrte Joachim und fasste sein nächstes Ziel ins Auge.

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    Hi @Rainbow und @Tariq
    Habe diesen Abschnitt nochmals überarbeitet. Mit Vergangenheitseinlage von Jakob :)
    Sorry, dass ich so lange nicht geschrieben habe, musste eine Arbeit fürs Studium marathonmässig durchziehen...
    Hoffe, die Stelle mit Ajit ist nun besser...

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    Hi Rainbow!
    Danke wie immer für deinen Rückmeldung! Ja endlich mal etwas Action. Nicht nur labern :D
    Aber mit diesem Abschnitt ist das Kapitel auch schon wieder zu ende...

    Eigentlich hatte ich mich ein bisschen darauf eingestellt, dass sich das vorherige Kapitel fortsetzt und Jakob mit dem Turban-Mann ein Spaßkämpfchen macht ....und dann kommt SOWAS!

    Ich hoffe, dass der Übergang nicht zu abrupt war. Aber da ich dazu neige, zu ausführlich auch Alltagszeugs zu beschreiben und es selten abgeht, hab ich da mal ein bisschen vorwärts gemacht :)
    Deine Tipps hab ich schon in meinem Skript angepasst, juhuu! Ich wünsch dir noch eine tolle Wocheee!! Hab übrigens noch etwas über gefallene Engel gehört im Studium, ich schreib dir das noch in der PN ...

    Muahahaa, ein bööser Cliffhanger :diablo:

    Jakob, Wahnsinn oder Schicksal? (564 n. Rh.) Teil II
    Jakob lag mit geschlossenen Augen da. Da es mitten in der Nacht war, hätte er auch so nichts gesehen und seine geschlossenen Lider verhinderten wenigstens, dass ihm Dreck in die Augen rieselte. Möglichst bewegungslos lag er in der Mulde. Mit jedem Atemzug sog er den Geruch von Erde und Laub ein und hoffte, dass man ihn tatsächlich nicht sehen konnte. Höchstens zwei Armeslängen von ihm entfernt lag Ajit, doch er konnte nicht das leiseste Geräusch von ihm vernehmen. Lebendig begraben, dachte er. Was für verrückte Ideen. Na wenigstens bekomme ich noch Luft…
    Ein Tag zuvor waren zwei Abgesandte der Banditenhorde im Dorf aufgetaucht, um die verlangten Kinder mitzunehmen. Mit Leichtigkeit war es den Spielleuten gelungen, die beiden gefangen zu nehmen und seither hatten sie auf das Anrücken ihrer Gefolgsleute gewartet. Nun war es so weit. Ananda hatte Alarm geschlagen und Jakob konnte nur hoffen, dass der Turbanmann mit geschlossenen Augen tatsächlich mehr sah als mit offenen – sonst lag er hier nämlich vergeblich in dieser Grube und atmete Dreck ein. Es juckte ihn in der Nase. Jetzt nur nicht niesen!, beschwor er sich. Etwas Dümmeres könnte mir wohl kaum passieren.
    Zu gerne hätte er sich nun gekratzt, aber er zwang sich bewegungslos liegen zu bleiben und zu horchen. Es war beinahe totenstill. Irgendetwas krabbelte über sein Bein. Ungeziefer!
    Angespannt versuchte er das sich immer höher tastende, vielbeinige Wesen zu ignorieren und strich mit einem Finger über den Stock, den er zur Seite hatte. Ich bin bereit, was auch immer kommt, redete er sich zu, doch seine Hände schwitzten und sein Herzschlag war eine Spur zu schnell.
    Vielleicht hat er sich doch geirrt, überlegte Jakob, als er ein leises Wispern in der Stille vernahm. Leise, rasche Schritte im Gras, das Reiben von Stoff aufeinander. Wie erstarrt lag er da. Wie viele sind es?! Er spitzte die Ohren, versuchte ihre Anzahl abzuschätzen. Jäger auf Beutezug und wir sind ihre Opfer.
    Es hörte sich an wie eine ganze Armee, die sich seinem Versteck am Rande des Dorfes näherte. Wie unzählige Füße, unzählige Leiber. Gleich ist es soweit! Jakob hielt den Atem an, es schien ihm nun beinahe unmöglich bewegungslos zu verharren. Der Boden erzitterte kaum merklich, als die ersten an ihm vorüberkamen und Erde rieselte zu ihm in die Grube. Ein lautes Knacken ertönte, gefolgt von einem gedämpften Ausruf, dann krachte der Boden unter den Füßen der Eindringlinge mit lautem Getöse zusammen.
    Das war sein Moment. Ohne abzuwarten, ob auch Ajit aus seinem Versteck hervorkam, sprang Jakob auf. Das Laub und die Äste, welche ihn bedeckt hatten, fielen von ihm ab. Den Stock in beiden Händen versuchte er sich zu orientieren. Der Mond schien gerade hell genug, um das Chaos vor ihm schemenhaft zu beleuchten. Mehrere Gestalten drängten rückwärts auf ihn zu, weg von dem großen Loch, welches sich vor ihnen auftat. Die erste Falle hatte scheinbar ihre Wirkung gezeigt, denn Jakob konnte Schreie und Rufe aus der Grube vernehmen. Nun war es an ihm, diejenigen von hinten zu überraschen, welche nicht auf den präparierten Boden getreten waren.
    Mit so viel Kraft wie möglich schwang er seinen Stock durch die Luft und traf hart auf den Schädel eines der Banditen. Selbst einen Moment erschrocken von der Wucht des Aufpralls, taumelte Jakob zurück, der Bandit stürzte. Ein anderer drehte sich zu Jakob um und hob fluchend seine Waffe. Jakob japste erschrocken und wich der Klinge aus, stolperte zurück.
    „Ruhig bleiben“, raunte Ananda ihm zu, berührte ihn kurz an der Schulter und sprang dem Angreifer mit einem Satz entgegen.
    Jakob bemerkte, dass er zitterte. Entschlossen packte er den Stock fester und biss die Zähne aufeinander. Mit unglaublicher Eleganz und Geschwindigkeit entwaffnete Ananda den Banditen und beförderte ihn mit einem Tritt gegen die Brust in die Grube hinter ihm, wobei der Fallende gleich einen seiner herauskletternden Kameraden, mit sich in die Tiefe riss.
    Ein Schrei ließ Jakob zusammenzucken. Er sah gerade noch wie Ajit seine Waffe fallen ließ und nach hinten stürzte. „Ajit!“, brüllte Jakob und preschte auf den Bewaffneten zu, der seinen Freund gerade abstechen wollte. „Du verdammter Monsterochse!“, rief Jakob, was den Banditen von Ajit ablenkte und ihn aufblicken ließ.
    Jakob ließ den Stock von oben auf den Mann herabsausen, doch dieser parierte den Schlag mit seiner Waffe und stieß Jakob zurück. Bei seinem nächsten Schwung zielte Jakob auf die Kniegelenke, doch der Bandit sprang blitzschnell zurück, um dann sogleich zum Gegenschlag auszuholen. Nur um Haaresbreite verfehlte seine Klinge Jakobs Scheitel. Jakobs Stock hatte zwar die größere Reichweite als das rostige Schwert seines Gegenübers, doch dieser war dafür flinker mit seiner Waffe. Der Bandit stach zu und Jakob gelang es nur mit Mühe, sich die Klinge mit seinem Stock fernzuhalten. Das Metall schabte über das Holz und Jakob war klar, was letztlich standhafter sein würde.
    Ich muss ihn ausschalten!, schoss es ihm durch den Kopf, doch er hatte weder keine Zeit zu denken noch um sich um Ajit Sorgen zu machen, denn der Bandit zielte bereits auf seinen Hals.
    Jakob lehnte sich zur Seite und schoss gleichzeitig nach vorne, den Stock auf das Kinn des Gegners gerichtet. Brennender Schmerz fuhr durch sein Ohr, die Klinge musste ihn erwischt haben. Er verfehlte sein Ziel, taumelte nach vorne. Etwas prallte seitlich in ihn hinein und Jakob wurde auf den Boden geworfen. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen, als er wieder auf die Füße kam und sah sich von drei Männern umringt. „Ajit!“, rief er und versuchte gleich alle drei auf einmal im Blick zu haben. Wo bleibt dieser verdammte Drache?!
    Seine Glieder waren zum zerreißen gespannt, der Strom seiner Gedanken brach ab, nun gab es nur noch ihn und seine Gegner. Eine minimale Bewegung zu seiner Linken und sofort stieß er den Stock in diese Richtung. Dabei drehte er jedoch einem anderen den Rücken zu. Ob er es hörte, spürte oder einfach nur erahnte, wusste er nicht, aber Jakob ließ sich gerade noch rechtzeitig zu Boden fallen, als ein Schwert über ihm hinwegsurrte.
    Wie eine Katze sprang er augenblicklich wieder hoch und schwang den Stab in weitem Bogen durch die Luft, um die Banditen auf Abstand zu halten. Doch sein Angriff hatte keine Kraft. Scheinbar mühelos stoppte einer von ihnen den Stab und packte ihn am freien Ende. Völlig überrascht starrte Jakob den Banditen an. Damit hatte er nicht gerechnet!
    In dem Moment entflammte hinter ihnen ein Meer aus Flammen. Endlich!, stöhnte Jakob.
    Abgelenkt von der plötzlich aufwallenden Hitze verloren sie ihr Opfer einen Moment aus den Augen, wodurch Jakob sich aus ihrer Mitte retten konnte. Das Feuer zog sich rund um das Loch, in welchem noch immer einige von den Banditen gefangen waren. Ein ohrenbetäubendes Kreischen erfüllte die Luft und selbst Jakob, der auf das Kommende mehr oder weniger vorbereitet war, erschauderte bei dem zermürbenden Geräusch. Die Flammen qualmten und stinkender, schwarzer Rauch stieg hoch empor und sammelte sich in der Grube. Hustend flüchtete Jakob sich hinter einen Wagen und rieb die brennenden Augen. Mit Genugtuung beobachtete er, wie die Eindringlinge kopflos durcheinanderrannten und ihren gefangenen Freunden zu helfen versuchten. Und dann, mitten aus dem Rauch, stieg etwas empor, schob sich vor den Mond und seine riesenhafte Silhouette zeichnete sich gewaltig vor dem Himmel ab. Die Augen waren zwei glühende Punkte in der Dunkelheit und es riss sein gigantisches Maul auf. Schreie erfüllten die Luft, einige der Banditen ließen ihre Schwerter fallen und deuteten nach oben. „Es funktioniert!“, rief Jakob begeistert.
    Rote Funken stoben auf und dann ergoss sich ein Feuerstrahl aus dem Rachen des Ungeheuers. Die Banditen stoben auseinander, um dem tödlichen Angriff zu entkommen. Einige versuchten zu fliehen. Das würde euch so passen!, dachte Jakob und sprang mit neuem Mut hinter seinem Versteck hervor.
    Er wollte gerade auf seinen der Fliehenden losstürmen, als er über etwas stolperte und hinfiel. Verdammt!, fluchte er und schaute zurück.
    Ein regloser Körper lag da auf der Erde und bei dem Anblick drehte sich Jakob der Magen um. Er erbleichte, als er Ajits fahles Gesicht erkannte. „Ajit“, krächzte er und packte den Freund an den Schultern. „Ajit!“
    „Dafür hast du keine Zeit!“, rief jemand und Ananda tauchte neben ihm aus dem Nichts auf, einen Angriff auf Jakobs Rücken abwehrend.
    Er ist tot, er ist tot, er ist tot, leierte Jakobs Verstand vor sich hin. Mit starrem Blick sah er auf Ajits reglosen Körper und bemerkte nicht, dass das Haus neben ihm in Flammen aufging.
    Eine Hand packte ihn im Nacken und zog ihn hoch. Ihm entfuhr ein Schrei und er strampelte vergeblich in der Luft. „Du hast gewusst, dass das kein hübscher Mondspaziergang wird, also nimm dich zusammen. Er ist noch nicht tot“, knurrte Ananda und stellte ihn auf den Boden.
    „Er ist noch nicht tot?“, wiederholte Jakob.
    Doch Ananda hatte keine Zeit, sich weiter um ihn zu kümmern. Ein Mann mit einem brennenden Holzscheit bewaffnet stürzte sich auf ihn. Noch immer benommen verfolgte Jakob den Schlagabtausch. Es sah aus, als würde Ananda leicht mit dem Banditen fertigwerden, doch dann gesellte sich ein zweiter hinzu und attackierte den Turbanmann von hinten. „Ananda!“, rief Jakob, doch es war zu spät. Die Klinge drang durch den Körper des Kriegers.
    Jakob schrie auf, stürmte nach vorne und hieb mit seinem Stock auf den Rücken des Mannes ein. „Hinterhältiges Schwein!“, schrie er und der Mann brach zusammen.

    @Rainbow

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    :D hihii, cool dass dir der Part gefällt
    Ich bin auch gespannt, wie das mit dem Drachen wird. Ich glaub, das wird ein ziemliches Spektakel - wenn alles rund läuft... :)

    Ahhh... er kann also Jakobs Gedanken lesen (?)

    Nee, da hab ich mich wohl nicht ganz richtig ausgedrückt. Jakob sagt das laut. Hab ich im Skript nun etwas deutlicher gemacht...

    Aber ich weiß es noch ganz genau Das war doch ihr erstes Zusammentreffen...

    Jaa!! Juhuu! Du weisst es noch :D

    Den Turbanmann finde ich ja nach wie vor sehr cool charakterisiert. Die Weisheit, die aus jeder seiner Pore strömt würde mich wahrscheinlich genau wie Jakob in den Wahnsinn treiben. Der hat so eine Art, jemandem mit wenigen Worten die eigenen Unzulänglichkeiten aufzuzeigen...

    Oh, cool, dass er so rüberkommt. Ich dachte, er nervt nur ^^
    Dann ist er vielleicht doch nicht ganz so unerträglich, wie Jakob ihn findet :D

    Danke fürs weiterhin mitlesen!! Auf unser Geschreibsel!! Im Teamwork wird eh alles besser :beer:

    @Aztiluth

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    Hi Az, bin gar noch nicht dazu gekommen, dich wieder hier willkommen zu heissen! :super:
    Cool, dass es dich gleich wieder reingezogen hat!

    So sehr er sich gegen "Männerliebe" streubt, und so schwierigkeiten er mit der Frauenwelt hat, würde ich es feiern wenn er mal selbst was mit dem gleichen Geschlächt anfängt oder aber Asexuel wird, aber dafür mochte er Asha etwas zu sehr hihihi.

    Hihii, ich fände es ja toll, wenn er sich in Ganesha verlieben würde. Wären sie nicht ein tolles Paar?? :D

    Ich finde es toll, wie du immer so kleinere (und nicht so kleine) Liebesgeschichten einbaust, und wie diese si natürlich wieder auseinander gehen. Sonst sieht man das häufig, dass der Held mit der "erstbesten" auch am ende zusammenkommt. Bei dir weiß man nie, wird es Devi? doch Asha? oder kommt Emili noch mal vor? Oder doch etwas ganz anderes?

    Jaaa, das find ich an vielen Geschichten nicht sooo cool. Da weiss man oft schon von Anfang an, wer mit wem und so weiter. Find ich nicht so realistisch. Irgendwie verliebt man sich im echten Leben doch auch ständig neu und vor allem in jungen Jahren haben wir Mädels uns jedenfalls ständig in einen aus der Parallelklasse verliebt, ohne überhaupt auch nur ein Wort mit dem Typen gesprochen zu haben. Einfach nur, weil er eben süss war oder so... Hach, die guten alten Zeiten...

    Außerdem frage ich mich, ob die Gnosis wirklich so schlimm ist, in anderen Strängen sehen wir sie von einer besseren Seite.

    :diablo: hahaa, damit spiel ich am liebsten. Dieselbe Sache von verschiedenen Blickwinkeln darstellen und schon sieht alles wieder anders aus. Da bin ich derselben Meinung mit Ananda - auch wenn er wirklich manchmal nervt. Es ist eben nicht alles einfach Schwarz oder Weiss. :D
    Na auf jeden Fall willkommen zurück und ich bemüh mich so regelmässig wie möglich neue Abschnitte zu posten, auch wenns im Moment nicht so gut klappt...



    Jakob, Wahnsinn oder Schicksal? (564 n. Rh.) Teil I
    Misslaunig stach Jakob mit der Nadel durch den rauen Stoff. Frauenarbeit!, schimpfte er innerlich und warf dem Mädchen neben sich einen Blick zu. Sie ging viel schneller und geschickter mit der Nadel um als er.
    „Wir können nur hoffen, dass das auch funktioniert“, murrte Jakob. Er hätte auf die Tricks der Spielleute lieber verzichtet und wäre den Banditen offen gegenübergetreten.
    „Mach dir da mal keine Sorgen. Wenn Verma sagt das klappt, dann wird es auch“, meinte Ajit, der ebenfalls zum Nähdienst verdonnert worden war.
    Jakob musste niesen. „Ah, hier ist es einfach zu staubig“, beklagte er sich.
    Es kam ihm so vor als würden sie bereits seit Stunden im Strohlager sitzen und an dem Ding rumbasteln. „Ich brauch mal ein bisschen frische Luft, kommst du mit?“, fragte er seinen Freund, doch der schüttelte den Kopf.
    „So langsam hab ich den Dreh raus, geh du ohne mich“, sagte Ajit.
    „Ist das dein Ernst?“, fragte Jakob ungläubig. „Du magst das?“
    Ajit zuckte mit den Schultern. „Ist mal was anderes“, meinte er nur und zog den Faden durch das Loch.
    „Dir hat der Staub das Hirn zerfressen“, entgegnete Jakob.
    Ajit zog eine Schnute. „Ich kann eben noch anderes als nur mit dem Stock auf Leute einzuschlagen“, sagte er beleidigt.
    Kopfschüttelnd ließ Jakob seinen Freund mit den anderen Nähenden zurück, kletterte die Leiter hinunter und trat hinaus auf den Platz vor dem Lagerhaus. Der Himmel draußen war bewölkt und ein kühler Wind strich zwischen den Hütten hindurch. Erneut musste er nießen, als er sich den Staub von den Kleidern klopfte. Nun ein kleiner Übungskampf mit Ganesha wäre gut, dachte Jakob sehnsüchtig. Oder ein Ausritt auf Venja…
    Doch da sie kein Aufsehen erregen wollten, waren die meisten Pferde nicht hier im Dorf untergebracht. Einige der Dorfbewohner und der Spielleute waren mit den kleinen Kindern ein Stück weitergezogen, um die Banditen weiter zu verwirren, falls sie ihr Lager entdeckt hatten.
    Die Dorfbewohner hatten die Anchin viel freundlicher aufgenommen, als Jakob gedacht hätte. Anscheinend dachten viele von ihnen ähnlich wie Perpetua. Konnte es doch sein, dass es ihr Schicksal war hier zu sein? Oder der Wille eines höheren Wesens?
    Jakob legte den Kopf in den Nacken und blickte zum trüben Himmel auf. Irgendwo dort oben saß seine Schwester und schaute hinunter zu ihm. Wie viel konnte sie beeinflussen? Konnte sie ihnen helfen die Banditen zu vertreiben? Und wenn sie da oben war, wie viele Verstorbene waren dann noch in dieser seltsamen Welt oberhalb des Weltenbaumes, an dessen Ästen die Sterne des Himmels hingen?
    „Vielleicht kann sie mich nicht sehen, wenn der Himmel bewölkt ist“, überlegte er und hielt vergeblich nach einem blauen Flecken in der Wolkendecke Ausschau.
    Ein raues Lachen holte ihn auf die Erde zurück. „Du stellst dir das alles zu weltlich vor“, grinste Ananda, der in gewöhnlichen Bauernkleidern neben einer Hütte saß.
    Jakob zog die Brauen zusammen. „Dich hab ich nicht gefragt“, sagte er, doch gleichzeitig beäugte er den Turbanmann neugierig.
    Er hatte Ananda in den beiden vergangenen Tagen beobachtet. Es kam ihm so vor, als hätte der seltsame Frauenheld zwei verschiedene Gesichter. Da war das eine, welches Jakob bereits vertraut war. Dann machte der Turbanmann kuriose Sprüche, grinste oft und erzählte seine fehlplatzierten Geschichten. Und da war auch seine andere Seite. Dann war er ernst und eher in sich gekehrt. Oft saß er mit geschlossenen Augen am Rande des Dorfes, ohne auch nur mit den Lidern zu zucken.
    „Kann es sein, dass zwei Menschen in einem Körper wohnen?“, frage Jakob geradeheraus.
    „Ich würde nichts ausschließen, nur weil ich es noch nicht gesehen habe“, gab Ananda zur Antwort.
    Genau diese Art von Ausreden war es, welche Jakob nicht leiden konnte. „Was machst du, wenn du dasitzt und nichts tust?“, fragte er weiter. „Wir haben viel zu tun, du könntest mithelfen.“
    Jakob war sich bewusst, dass er für eine solche freche Bemerkung von Prema bestimmt zurechtgewiesen worden wäre, doch Ananda gegenüber konnte er sich einfach nicht zusammennehmen.
    „Hinter den geschlossenen Läden eines Hauses kann so manches passieren.“
    Jakob verdrehte die Augen. „Und was machst du?“
    „Manchmal tue ich tatsächlich nichts. Manchmal beobachte ich die Welt“, rückte Ananda heraus.
    „Wie kannst du die Welt beobachten, wenn doch deine Augen geschlossen sind?“
    „Manchmal sieht man ohne Augen besser.“
    „Machst du das absichtlich?“, fragte Jakob genervt.
    „Was?“, fragte der Turbanmann mit Unschuldsmine zurück.
    Jakob setzte sich vor Ananda auf die Straße, stützte die Hände auf die Knie und schaute ihm direkt in die Augen. „Ich weiß nicht, ob du verrückt bist oder ob du mich absichtlich zur Weißglut treibst.“
    „Mir gefällt, dass du deine Anliegen so frei ausdrücken kannst“, entgegnete Ananda, woraufhin Jakob seinen Kopf hätte gegen eine Wand schlagen mögen.
    „Kein Wunder, dass du keine Freunde hast. Wer würde das aushalten?“, seufzte der Junge.
    Ananda lachte. „Ah, ich schätze deine Ehrlichkeit“, sagte er und lehnte sich an die Wand hinter sich. „Suchst du noch immer nach dem Sinn des Lebens?“
    Einen Moment war Jakob zu verdutzt, um antworten zu können. „Ich denke schon“, erwiderte er schließlich und überlegte, wann er dem Turbanmann von seiner Suche erzählt hatte.
    „Wo ist denn dein Enthusiasmus geblieben?“
    Jakob zog die Stirn kraus. „Der ist wohl irgendwo zwischen Ertrinken und Verdursten auf der Strecke geblieben“, gab er zur Antwort. „Ich bin auch kein Stück weitergekommen. Manchmal frage ich mich, ob das Ganze überhaupt einen Sinn ergibt. Aber dann…“ Jakob musterte den Turbanmann skeptisch. Rosalie hatte ihm geraten, Ananda zu vertrauen. Er gab sich einen Ruck. „Dann hatte ich diesen Traum, oder vielleicht war es auch kein Traum.“
    Jakob verstummte, doch Ananda unterbrach ihn nicht. Er schaute ihn nur aufmerksam an, lehnte entspannt an der Mauer. Ob nun der vernünftige Ananda da ist?, fragte Jakob sich.
    „Ich bin einen großen Baum hochgeklettert, an dessen Ästen alle Sterne des Himmels hingen und oben war eine andere Welt. Dort habe ich meine Schwester getroffen, obwohl sie bereits seit Jahren tot ist. Wir haben miteinander gesprochen und vielleicht kann ich wieder dorthin gehen, um sie zu sehen. Sie hat gesagt, dass sie dich geschickt hat, um mir zu helfen. Wie geht das? Wie kannst du mit ihr sprechen?“
    Angespannt wartete Jakob auf eine Antwort. Wenn er wieder mit einer Geschichte antworten würde, dann war das sein letzter Versuch gewesen, etwas Vernünftiges aus dem komischen Kauz herauszubekommen…
    „Was mich leitet ist der Pulsschlag der Erde, das Wispern des Windes und die Geister in den Baumkronen – und manchmal höre ich auch auf die Anliegen verstorbener Seelen. Getroffen habe ich deine Schwester nur einmal direkt, meist hat sie mir durch andere Wesen Warnungen zukommen lassen, wenn du in Gefahr warst. Sie ist wirklich sehr hartnäckig und hat nicht lockergelassen, bis ich nach Caput gegangen bin, um dich zu suchen. Du forderst dein Schicksal wirklich heraus, junger Krieger. Wärst du wie ein anständiges Kind in dem Waisenhaus geblieben, hätte ich nicht alle Hände voll zu tun, um dich aus misslichen Lagen zu befreien.“
    Jakob blieb der Mund offen stehen. „Warst du etwa die ganze Zeit hinter mir her?“, fragte er vollkommen perplex.
    „Werd mal nicht übermütig. Ich habe noch anderes zu tun, als immer auf dich aufzupassen. Aber deine Schwester hat ein Hänchen dafür, mich im richtigen Moment abzupassen.“
    „Hat sie dich auch jetzt geschickt?“, fragte Jakob aufgeregt.
    „Das hätte sie wahrscheinlich – schließlich bist du gerade dabei, dich heldenhaft dem Tod auszuliefern“, antwortete Ananda und fixierte Jakob mit seinen dunklen Augen. „Aber das war nicht nötig. Ich bin auch so gekommen. Die Anchin und die Menschen dieses Dorfes liegen mir am Herzen. Ich war selbst schon viele Male hier und kenne die Dorfbewohner gut, da würde ich nicht mitansehen wollen, wie sie alle niedergemetzelt werden.“
    Jakob schauderte. „Glaubst du, das mit dem Drachen wird funktionieren?“
    „Glauben kann man alles. Wie es kommt, das werden wir sehen, wenn es soweit ist.“
    Auf Jakobs Schnauben hin, lächelte Ananda und hob eine Braue. „Immer willst du fixe Antworten. Das Leben ist nicht in Stein gemeißelt, Jakob. Es gibt nicht einfach richtig oder falsch, gut oder schlecht.“
    „Jedes Kind weiß, was gut und was schlecht ist“, murrte Jakob.
    „Bist du dir da sicher? Hast du einmal über die Situation nachgedacht, in der du dich gerade befindest? Woher willst du wissen, ob du das Richtige tust? Nehmen wir einmal an, die Banditen überfallen dieses Dorf. Du hast mit eigenen Augen gesehen, was geschehen kann, wenn sie mit einem Dorf durch sind.“
    Jakobs Glieder versteiften sich. Daran wollte er bestimmt nicht denken.
    „Keine schöne Sache, nicht wahr? Stell dir also vor, der ganze Plan mit dem Drachen misslingt und nicht nur die Dorfbewohner, sondern auch deine Freunde sterben bei dem Versuch, sie zu retten. Würdest du dich dann nicht selbst dafür verfluchen, auf deine tollkühne Heldentat bestanden zu haben?“
    „Sie werden nicht sterben!“
    „Das kannst du nie wissen.“
    „Aber Prema hat gesehen, dass das Pferd siegen wird. Wir sind das Pferd, anders macht es keinen Sinn. Und die anderen sind auch dafür zu helfen!“
    „Und schon weichst du der Frage aus… Es ist nicht immer einfach zu sagen, was nun die richtige Entscheidung ist. Was zum Beispiel willst du mit den Banditen tun, wenn sie kommen. Willst du sie töten?“
    Jakob war bereits versucht einfach mit Ja zu antworten, doch dann verschränkte er mürrisch die Arme vor der Brust. „Willst du nun etwa sagen, dass es falsch ist, diese bösartigen Kreaturen zu töten? Ich meine, sind das überhaupt noch Menschen? Das sind Bestien!“
    „Wie kannst du dir da sicher sein? Du kennst sie nicht, weißt nicht, was sie dazu treibt, so zu handeln wie sie es tun.“
    „Was gäbe es für eine Rechtfertigung dafür, dass sie Menschen töten und ausrauben?“, blaffte Jakob.
    „Du bist selbst nicht weit davon entfernt, so zu werden wie sie.“
    „Was?!“
    „Du sagst, du bist bereit zu töten und gestohlen hast du schon viele Male.“
    „Aber nie von armen Menschen. Und das sind keine Menschen, die ich töten würde“, rechtfertigte sich Jakob entschieden.
    „Der Mensch ist bereit Schlimmes zu tun, wenn die Not groß genug ist. Vielleicht wirst du noch die Gelegenheit bekommen, einen von ihnen näher kennenzulernen. Womöglich verstehst du dann, was ich meine.“
    „Ich glaube nicht, dass sie eine Chance gegen uns haben. Wir haben zu viele gute Kämpfer – und du wärst sicher nicht hier, wenn wir in deinen Augen schon so gut wie tot wären“, trumpfte Jakob auf.
    Ananda grinste. „Gut kombiniert. Aber lass dir eines gesagt sein: Die Zukunft kennt niemand. Nicht einmal die Lichtwesen kennen sie. Und sollte jemand etwas anderes behaupten, dann weißt du, dass du diesem Menschen nicht trauen kannst.“
    Ananda erhob sich und knotete seine Haare im Nacken zusammen „Erst wenn du frei bist, kümmert dich die Zukunft nicht mehr“, sprach er weiter, während Jakob ebenfalls auf die Füße sprang. „Sterben können wir jederzeit. Ob heute oder morgen, oder in zehn Jahren. Erst wenn du dich damit abgefunden hast, kannst du deinem Herzen wirklich folgen. – Bist du bereit, mir zu zeigen, was du bei Chandan gelernt hast?“
    Sofort spannte sich Jakobs Körper an und seine Wahrnehmung schärfte sich. „Für einen Kampf bin ich immer bereit“, entgegnete er. Im Kampf kann man nicht lügen, da zählt nur noch Sieg oder Niederlage. Schwarz oder Weiß…

    Hi Rainbow

    Danke dir! Jap, bin wieder putzmunter und mit Bergluft gefüllt wie ein Ballon :)

    "He, kennst du meine Schwester? Hat sie dich geschickt?!“
    Mit blitzenden Augen sah Ananda auf, er grinste herausfordernd. „Da ist wohl einer von seiner Reise zurück – aber ganz angekommen bist du wohl noch nicht“, setzte er hinzu, als Jakob taumelnd um sein Gleichgewicht kämpfte. „Ich bin hier, weil es an der Zeit ist, hier zu sein. Und weshalb bist du hier?“ (das sagt Ananda, als Antwort auf die Frage, ob er von Rosalie geschickt wurde)

    „Wie kann Rosalie dich nur mögen?“, murrte Jakob. (hab ich jetzt noch angefügt)

    „Sie hätte dich ein bisschen besser erziehen können“, meinte Ananda schelmisch.
    „Dann kennst du sie also doch?!“
    „Ich kenne jede hübsche Frau im Umkreis von vier Welten.“

    Meinst du, das geht so?
    Ich hoffe mal, ich brauch nicht allzu lange bis zum nächsten Abschnitt. Bin auch schon gespannt, wie sie sich mit den Banditen zurechtfinden werden :)

    Jakob, die Welt der Toten (564 n. Rh.), Teil II
    „Der Turbanmann, ich weiß nicht…“, murrte er, doch dann kam ihm etwas anderes in den Sinn. „Weshalb bist du eigentlich gegangen Rosalie?“, fragte er und fühlte die schmerzhafte Anklage in seiner Brust. Sie war sein einziger Anker gewesen in der Welt und sie hatte ihn verlassen, indem sie sich selbst umgebracht hatte. All die Jahre lang hatte er zwar dem Gutsherrn die Schuld in die Schuhe geschoben, um weiterhin am guten Bild seiner geliebten Schwester festhalten zu können, aber ganz hatte er den Vorwurf an sie nicht verdrängen können.
    „Das tut mir so leid, Jakob. Komm, ich erzähle es dir während wir gehen.“ Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn vom Hügel hinunter. „Ich glaube, du erinnerst dich nicht mehr an alles, was damals vorgefallen ist“, begann sie. „Der Gutsherr hat uns übel mitgespielt, das wirst du wahrscheinlich noch wissen. Glücklicherweise war da noch die Köchin, die uns ab und zu mal etwas zugesteckt hat, sonst hätten wir die harte Arbeit wohl nicht überstanden. Außerdem konnte ich ein paar Münzen stehlen und sobald ich genug zusammen hätte, so sagte ich mir, würde ich mit dir von diesem Ort verschwinden. Wir hatten beide bereits ein kleines Bündel gepackt und unter dem Bett versteckt, zusammen mit dem Geld. Doch an dem Abend, an dem wir fliehen wollten, hat der Gutsherr mich zu sich bestellt, wie er es manchmal tat. Ich hätte gleich mit dir weglaufen sollen… Er war betrunken und wurde gewalttätig, als ich bei ihm war. Als ich mich gewehrt habe, wurde es nur noch schlimmer, bis er mich von sich stieß und ich mit dem Kopf an die Wand schlug. Dadurch verlor ich das Bewusstsein. Doch er glaubte, ich sei tot. In seinem Wahn hat er keinen anderen Ausweg gewusst, als mich in meiner Kammer an einem Strick er erhängen, um meinen vermeintlichen Tod auf diese Weise wie einen Selbstmord aussehen zu lassen.“
    „Du hast dich gar nicht umgebracht?“, stammelte Jakob.
    „Nein, das hätte ich dir nicht antun können.“
    „Aber du hast gesagt, du hättest den Sinn des Lebens verloren.“
    „Das war bevor ich den Entschluss gefasst hatte, mit dir zu fliehen. Von da an wusste ich, dass es nicht so weitergehen konnte. Du hast mir immer so viel Kraft gegeben. Immer wenn ich dachte, ich müsse im Elend versinken, hat dein strahlendes Lachen mich wieder aufwachen lassen. Ich bin so froh, dass du einen Weg bis hierher gefunden hast, Jakob. Und dass du trotz allem noch immer lachen kannst.“
    Tränen schimmerten in ihren Augen und sie küsste ihn auf die Wange. „Ich werde auch weiterhin mein Möglichstes tun, um dich zu schützen. Aber werd mir bloß nicht zu wagemutig, schließlich kann ich nicht zaubern“, mahnte sie ihn mit einem Lächeln. „Streng lieber deinen Kopf etwas an.“
    „Ich und wagemutig? Niemals“, scherzte er, doch dann verging ihm das Lachen, denn er wurde gewahr, wo sie sich befanden. Rosalie hielt das Seil zum Abstieg in den Händen und hielt es ihm hin. „Muss ich schon gehen?“, fragte er betrübt.
    Sie nickte. „Du musst dich wieder um andere Dinge kümmern. Dein Leben spielt sich dort unten ab. Auch da gibt es Menschen, die dich brauchen. Aber ich bleibe immer in der Nähe. Auch wenn du mich nicht sehen kannst.“
    Stürmisch umarmte er seine Schwester, dann packte er das Seil entschlossen mit beiden Händen.
    „Ich rette diese Menschen, du wirst schon sehen. Und ich sterbe nicht dabei, das verspreche ich dir!“, rief er und begann den Abstieg. Wieder passierte er diese seltsame Wasserschicht und erreichte den Stamm des Baumes. Je weiter er kam, desto mehr blendete ihn das Licht, das von überall her zu kommen schien. Bald schon sah er nichts mehr, sodass er sich blind vorantasten musste.
    Er kletterte die Wurzeln hinunter und rannte in die Richtung, in welcher er das Zelt vermutete. Der Boden begann zu beben, Stimmen dröhnten in seinem Kopf und das Licht blendete ihn. Er strauchelte, fiel hin und als er die Augen wieder aufschlug, erblickte ein glattes Ei mit Mund, Nase und zwei Augen.
    „He, Jakob!“, rief das Ei und schüttelte ihn. „Endlich! Ich dachte schon, du bist wer weiß wo steckengeblieben.“
    Jakob starrte in das Gesicht und nun erkannte er Rahul, der bereits drauf und dran war, ihm eine Ohrfeige zu verpassen.
    „He, er braucht noch einen Moment, lass ihn mal ankommen“, hörte Jakob eine weitere Stimme und kräftige Hände packten den erhobenen Arm Rahuls.
    Jakob brauchte einen Moment, um die Szene einordnen zu können. Er fühlte sich gar nicht als Teil des Ganzen, eher wie ein Zuschauer. Doch allmählich kehrte das Gefühl in seine Glieder zurück und er erkannte, dass er in dem Zelt lag, welches er mit Rahul teilte. Er atmete geräuschvoll aus, krümmte seine Finger und setzte sich dann langsam auf. „Das war unglaublich!“, schnaufte Jakob.
    „Was ist passiert?“, wollte Rahul wissen. „Schon seit einer Ewigkeit versuche ich dich zu wecken, aber du hast kein Lebenszeichen von dir gegeben.“
    „Wenn das Tor offen ist, dann kann es schon mal vorkommen, dass jemand gleich mitgeht“, meinte Shiv. „Komm erst mal mit nach draußen, du kannst auch da noch erzählen, was du erlebt hast.“
    Also folgte Jakob Rahul aus dem Zelt hinaus, Shiv half ihm beim Gehen, denn seine Beine wollten sein Gewicht noch nicht vollständig tragen.
    Die Sonne schien bereits über die Baumwipfel und es schien als haben sich alle bereits um die erkaltete Feuerstelle versammelt. „Was macht der Verrückte hier?!“, rief Jakob aus und deutete auf Ananda, der neben Shankar saß und mit dem Alten redete.
    „Er ist zufällig hier vorbeigekommen. Unglaublich wie er es fertigbringt, immer zur richtigen Zeit an richtigen Ort zu sein“, sagte Shiv ehrfurchtsvoll. „Wir können seine Hilfe wirklich gut gebrauchen!“
    Jakob schnaubte, doch dann erinnerte er sich an die Worte seiner Schwester. Warum soll ich ihm vertrauen? Na gut, er hat mir zwei Mal das Leben gerettet. Aber er ist verrückt…. Kann er wirklich mit meiner Schwester sprechen? Warum hat er mir nie gesagt, dass sie ihn schickt? Am besten ich frage ihn direkt!
    Jakob machte sich von Shiv los und stapfte so selbstsicher wie möglich auf den Turbanmann zu, baute sich vor ihm zu voller Größe auf und fragte: „He, kennst du meine Schwester? Hat sie dich geschickt?!“
    Mit blitzenden Augen sah Ananda auf, er grinste herausfordernd. „Da ist wohl einer von seiner Reise zurück – aber ganz angekommen bist du wohl noch nicht“, setzte er hinzu, als Jakob taumelnd um sein Gleichgewicht kämpfte. „Ich bin hier, weil es an der Zeit ist, hier zu sein. Und weshalb bist du hier?“
    „Wie kann Rosalie dich nur mögen?“
    „Sie hätte dich ein bisschen besser erziehen können“, meinte Ananda schelmisch.
    „Dann kennst du sie also doch?!“
    „Ich kenne jede hübsche Frau im Umkreis von vier Welten.“
    Jakobs Gesicht wurde feuerrot und hätten seine Haare in Flammen gestanden, es hätte wohl niemanden überrascht. „Genau deshalb kann ich dich nicht leiden!“, rief er empört.
    „Komm mal wieder runter, Jakob. Und Ananda, du könntest dich auch ein bisschen rücksichtsvoller verhalten“, wies Prema die beiden zurecht.
    Ananda erhob sich und verbeugte sich elegant. „Entschuldige, Jakob. Manchmal geht es mit mir durch. Ich wollte dich nur ein bisschen auf die Schippe nehmen, aber sobald wir etwas mehr Zeit haben, beantworte ich dir all deine Fragen.“
    Jakob schnaubte. Er glaubte keine Sekunde lang, dass dieser aufgeblasene Trottel ihm auch nur eine seiner Fragen würde beantworten können. „Nichts als heiße Luft“, sagte er zerknirscht in seiner Landessprache, einen Moment vergessend, dass Ananda diese auch fließend sprach. Doch der Turbanmann ging nicht darauf ein. Stattdessen wandte er sich an die Versammelten: „Nun da wir vollzählig sind, können wir unser weiteres Vorgehen besprechen.“
    Sofort entbrannte eine hitzige Diskussion darüber, ob man nun eingreifen sollte oder nicht. Dabei spielten die Berichte von Perpetua und Prema eine wichtige Rolle. Die beiden Frauen berichteten, sich in der Mittleren Welt aufgehalten zu haben. Normalerweise hätte Jakob den Worten mit viel Skepsis gelauscht, doch nach seinem eigenen Erlebnis diese Nacht, kam er nicht umhin, ihnen mehr Bedeutung zuzumessen.
    „Die Zeichen sind unmissverständlich. Wir müssen handeln“, sagte Shankar.
    „Beide Frauen haben gesehen, wie das Pferd den Bären bezwingt. Wir werden es schaffen“, meinte Rahul.
    „Aber sowohl das Pferd wie auch der Bär haben Wunden davongetragen“, wandte Raj ein.
    „Keine tödlichen.“
    „Und das Pferd war verkleidet als Wiesel, das muss etwas zu bedeuten haben!“
    „Vielleicht müssen wir uns als Dorfbewohner verkleiden.“
    „Und was ist mit den Ungeheuern, welche den Bären erschreckt haben?“
    Ananda ergriff das Wort: „Ich habe da so eine Idee, was es bedeuten könnte. Aber als erstes würde ich sagen, sprechen wir mit den Dorfbewohnern. Sie müssen mit der Sache einverstanden sein, sonst können wir noch lange diskutieren.“
    Shankar stimmte ihm zu. „Ich denke, der erste Teil der Botschaft ist ziemlich klar. Wir mischen uns unter die Dorfbewohner, sodass die Banditen nicht merken, dass wir überhaupt hier sind – wir können nur hoffen, dass sie unser Lager noch nicht entdeckt haben.“
    „Einige von uns könnten weiterziehen, um den Eindruck zu erwecken, dass wir kein Interesse an dem Dorf haben.“
    „Das wäre eine Möglichkeit. Ananda, du kennst die Dorfbewohner. Gehst du mit Perpetua, Shiv und Jakob hin, um mit ihnen zu sprechen?“
    „Warum ich? Er spricht doch die Sprache“, wandte Jakob ein.
    „Sie haben dich und Shiv schon einmal gesehen und ihr habt ihnen nichts Schlimmes getan, sondern habt euch zurückgezogen. Vielleicht hilft dies, ihr Vertrauen zu gewinnen.“
    „Ich werde auch mitgehen“, sagte Prema. „Ich möchte Perpetua begleiten.“
    Shankar nickte. „Gut, dann geht. Länger zu warten lohnt sich nicht.“

    Spoiler anzeigen


    Hi Rainbow
    Danke dir für die Rückmeldung!

    Auch, dass Jakob Rosalie trifft, finde ich eine schöne Idee. Und dass sie ihm erzählt, sie habe ihn die ganze Zeit über beschützt...

    Jaaa, soo super! Endlich bekommt Rosalie mal die Gelegenheit mit ihm zu sprechen! Wollte sie schon lange, weil sie sieht, wie er sich quält wegen ihrem Tod und so - auch wenn er es ja schon ziemlich verarbeitet hat...

    Und sein Entschluss dürfte am Ende also feststehen. Er wird sich dafür einsetzen, dass den Menschen geholfen wird.

    Und die anderen sind nun auch ziemlich dieser Meinung nach den Erlebnissen der beiden Frauen. Es kann also losgehen! :D