Schwarz-Magier (Die Magier - Pentalogie)

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 2.213 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (25. Juli 2015 um 17:51) ist von Tom Stark.

  • Die Magier - Pentalogie

    Schwarz-Magier
    Schwert-Magier
    Schatten-Magier
    Schiffs-Magier
    Schwingen-Magier

    Raba K'Abar wird schon seit vielen Jahrhunderten vom Chaisar, oder seltener, der Chaisara beherrscht, die mit der Duldung und manchmal sogar dem Segen des Drachens regieren. Die Schardari sind mit ihrem Oasenreich Scharda und ihrer goldenen Chaisarstadt Schardara, die mächtigste bekannte Volkgruppe auf Erda, da ihr Reich durch die funkelnde Wüste, den einzigen nahezu unbegrenzten Zugang zu dem Stoff hat, der mächtige Magie überhaupt erst möglich macht: Dem Diamantstaub.
    Abar bedeutet in der Sprache der Schardari der Drache und Raba, das Reich. Scharda und die besetzten umliegenden Länder bilden daher Raba K'Abar, das Reich des Drachens.
    Durch gnadenlose Kriegszüge und die Grausamkeit der Sklavenernter werden die neun Vasallen-Reiche unter einer blutigen Knute gehalten, jeder aufkeimende Widerstand brutal zerschlagen.
    Wäre da nicht der magie-unempfindliche Drache, der sich mit bekannter Vorliebe von zu mächtigen Magiern ernährt, die womöglich seiner göttlichen Oberherrschaft gefährlich werden könnten, Erda würde längst von Schardara aus regiert. So herrscht ein schwankendes Gleichgewicht zwischen der mystischen Macht der Magierorden, dem drachengesegneten Chaisar und seiner Militärmacht und dem unfassbaren Reichtum der Sklavenhändler.
    Begrenzt vom Drachenstein-Gebirge im Süden und Westen, dem großen Salzwasser im Osten und den Säueresümpfen, die den einzigen bekannten Weg durch die Bergländer im Norden darstellen, wird Reich des Drachens sowohl an einer weiteren militärischen Ausdehnung gehindert, als auch vor möglichen Invasoren geschützt. Einzig die Salzwasser-Reiche unternehmen manchmal Plünderfahrten zu kleineren Küstenorten, aber viel wichtiger ist ihnen der Handel mit Mechano-Magie, Kunst, Sklaven und natürlich dem Diamantstaub.

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (24. Juli 2015 um 11:54)

  • Prolog

    »Und du bist sicher, dass Du das tun willst? Bedenke, dass alles gescheitert sein könnte, wenn das Auge Abars auf dich fällt.«
    Der jüngere Mann lächelte seinen um viele Jahre älteren Mentor an. Obwohl beide Schwarze Magier waren, dem überall bekannten und gefürchteten, grausamsten und gewissenlosesten aller Orden angehörten, war ihr Umgang sowohl liebevoll als auch von gegenseitigem Respekt geprägt.
    »Es hat keinen Sinn noch länger zu warten. Abar hat sich schon seit sieben Jahrzehnten nicht mehr gezeigt und der Chaisar ist entweder zu schwach, um seine Generäle zu kontrollieren, oder es ist ihm egal. Die Sklavenernten fallen jedes Jahr höher aus und längst werden nicht mehr nur die Schwerverbrecher oder die Rebellen in die magischen Ketten der Blauen gezwungen. Wie Du besser weißt als ich, beginnen die Sklavenhändler inzwischen auf barbarische Weise den Willen der Sklaven durch Folter oder das sogenannte Training zu brechen.«
    Der Alte zuckte unmerklich zurück und wer genau seine Unterarme sehen konnte, konnte die Spuren einer solchen Folter deutlich erkennen. Den von Narben zerfurchten Rücken hatte schon seit Jahren niemand mehr zu Gesicht bekommen.
    »Ja, und wenn es ihnen gelingt noch Magier ihren Sklavenheeren hinzuzufügen, wird sich das Gleichgewicht völlig auflösen.« Die Stimme das Alten war düster geworden.
    »Und wir wissen genau, was Abar das letzte Mal getan hat, als das geschehen ist.«
    Beide schwiegen. Jeder, selbst der ungebildetste Narr, wusste genau, wie Abar bei der zweiten Verheerung gewütet hatte. Die Menschen hatten drei Generationen gebraucht um wieder annähernd den Stand zu erreichen, den sie vor der Wut des Drachens hatten.
    Allen klang die Warnung des Drachens auch über die Jahrhunderte im Ohr, unermüdlich von der Drachenpriesterschaft verkündet: »Eine vierte Verheerung, wird es nicht geben!«
    Ein letztes Mal umarmten sich die Beiden. Die hellen blauen, fast farblosen Augen des Alten waren feucht.
    »Ich werde sehr gut auf Deine Schüler achten und wenn Du nicht bald zurückkehrst, überragt Ihr Können das Deine vielleicht, wenn Du sie wiedersiehst.«
    Beide lächelten.
    Auch die sturmdunklen Augen des Jüngeren glänzten verräterisch.
    »Darauf zähle ich fest, Meister.«

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (24. Juli 2015 um 11:51)

  • Nummer Neun, die Drachen-Gezeichnete

    Obwohl es immer noch heiß war und Sonna, die Sonnengöttin ihre Schwester Erda um diese Stunde weiter versuchte braun zu backen, war die goldene Stadt des Chaisars wie ein geschäftiger Ameisenhaufen. In Schardara stand das Leben selten still, wie es in den anderen Oasenstädten der Wüste meist um diese Zeit der Fall war.
    Magiebetriebene Mechanik-Wedel fächerten jenen, die sich diese teuren Geräte leisten konnten, kühle Luft zu, oder ein Sklave tat dasselbe, für die weniger Reichen, aber immer noch Wohlhabenden. Wer dazu zu arm war, erledigte sein Tagewerk aus dem Schatten heraus, den die großen Gebäude der goldenen Stadt reichlich spendete, oder verbrachte die heiße Tageszeit in den wassergekühlten Markthallen. Wer auch dazu zu arm war, der zählte ohnehin nicht.

    Der größte Auflauf herrschte gerade am Stand der Sklavenhändler, die lautstark ihre Waren anpriesen ließen, meist von anderen Sklaven mit gut ausgebildeten und wohltönenden Stimmen.
    Unter den bunten Markisen vor den schlimmsten Angriffen Sonnas geschützt, aber dennoch hervorragend beleuchtet, standen die Sklaven und präsentierten sich den Käufern. Natürlich standen alle Sklaven unter dem magischen Kettenbann, der sie zwang jedem ausdrücklichen Befehl zu befolgen. Der Orden der Blauen Magier, die sich auf die Beherrschung und Bindung des Geistes spezialisiert hatte, ließ sich gut dafür entlohnen, aber dafür hatte man die Gewähr, dass der Sklave, zumindest für die festgelegte Dauer des Banns, keine Gefahr für seinen Herrn darstellte. Wer es sich leisten konnte, ließ sich mit solchen Bannketten auch Bestien wie die wilden Wüstenkormorane zähmen und wen man in Sattel einer solchen Terrorechse durch die Stadt oder an ihren Wänden entlang reiten sah, den behandelte man besser mit Ehrerbietung.
    Natürlich schwanden die Bannketten um so schneller, je aufständischer ein gebundener Geist war, und so hatten die Blauen stets ein gesichertes Einkommen.
    Damit hatten sich die Blauen ihren Ruf als käufliche Handwerker erworben und auch wenn sie geachtet waren, standen nur noch die Weißen Magier unter ihnen, die in kleinen Spitälern ihre Heilkünste, oft kostenlos, anboten. Obwohl auch die Reichen ihre Dienste nur zu gerne in Anspruch nahmen, galt Heilmagie als unbedeutend. Was nichts kostete, konnte nicht viel wert sein.

    An einem kleineren Sklavenstand gab es einen Aufstand. Ein Mann, ganz offensichtlich ein hochgestellter reicher Adliger, hatte eine Sklavin entdeckt, deren athletische Figur durch einen hauchdünnen Seiden-Burnus verhüllt wurde. Sie hatte rotblondes Haar, eine echte Rarität und ihr stolzes Gesicht war von einer harten Schönheit, wie man sie in der Wüste selten erblickte.
    »Die da gefällt mir, los zieh ihr das Gewand aus, ich will sehen, was ich kaufe!«
    Er wedelte herrisch von seiner Sänfte in Richtung der Schönheit.
    Der Händler sprang von seinem Schattenplatz auf und trat zur Sänfte, machte eine tiefe Verbeugung und sprach in servilem Tonfall. »Oh, edler Herr, Drache unter den Drachen, euer Blick ist von brillanter Schärfe und Euer Auge unfehlbar in seiner Wahrnehmung.«
    Der Adlige winkte gnädig dem Händler fortzufahren.
    »Diese Sklavin ist von so erlesener Schönheit und Grazie, dass ich es nicht wage, ihre Gestalt vor allen anderen Augen zu enthüllen. Sie sollte allein das Kennerauge ihres neuen Besitzers erfreuen.«
    Noch einmal verbeugte er sich tief.
    »Was ich sehe, gefällt mir, aber so wundersam schön ist sie auch nicht. Und schau Dir ihre Augen an. Sie steht doch unter einem Bann?«
    In der Tat war der Blick der Sklavin keineswegs so unterwürfig, wie man das erwarten durfte und die Vorsicht des Adligen war wohl begründet.
    »Oh, Herr der Herren, Größter unter den Großen, das macht doch genau ihren Reiz aus. Sie ist so schwer zu bändigen, dass man sogar monatlich den stärksten Bann neu auf sie legen lassen muss. Doch im Moment, so versichere ich Euch, ist sie fest gebunden und bereit jeden Befehl ihres Meister aufs Genauste auszuführen.«
    Der Adlige war nicht überzeugt, doch er war interessiert. Eine etwas wildere Sklavin wäre eine Abwechslung zu seinen durch und durch fügsamen Gespielinnen, bei denen er sich manchmal fragte, ob eine Erneuerung des Banns überhaupt nötig war. Natürlich ging er kein Risiko ein. Da Sklaven Eigentum, also Dinge waren, wurden sie nicht bestraft, wenn sie ihren Besitzer umbrachten. Man bestrafte schließlich auch kein Schwert, nur weil sein Besitzer sich daran aufgespießt hatte.
    »Zuerst herunter mit ihrem Gewand. Und sie soll sich ein paarmal drehen, vielleicht kann sie ja einen Tanz?«
    Sichtbar widerwillig trat der Händler zu seiner Sklavin, schreckte aber vor ihrem wilden Blick zurück und blieb wenigstens so weit vor ihr stehen, dass sie ihn nicht sofort treten hätte können.
    »Nummer Neun! Dein Befehl: Entkleide Dich, drehe Dich und tanze für uns.«
    Wenn Blicke töten könnten, wäre der Händler tot umgefallen, aber so ließ die Rothaarige ihr Gewand fallen und begann Tanzschritte zu machen und sich dabei zu drehen.
    Zuerst schien der Adlige angetan von den fein modellierten Muskeln der Schönheit und er konnte seinen Blick nur schwerlich von den langen Beinen abwenden. Doch dann fiel sein Blick auf ihre Brüste und mit einem spitzen Aufschrei, der gar nicht zu seiner stattlichen Figur passen wollte, wich er zurück und wäre um ein Haar aus der Sänfte gefallen.
    »Sie hat das Abari-Mal. Bist Du wahnsinnig, sie gehört dem Drachen! Weg, weg! Los, ihr faulen Hunde, bringt mich weg von hier! Das hat ein Nachspiel, du elender Schacherer. Mir eine Gezeichnete anzubieten! Das wirst du bereuen!« Wütend schlug er auf seine Sänfte-Sklaven ein, welche stoisch die Sänfte hochhoben und in den lange trainierten sanften Laufschritt verfielen um ihren Herrn fortzubringen.
    Noch Andere starrten die Sklavin an, deren Brandzeichen in Form eines Drachens von ihrem Hals unter ihrer linken Brust, unter dem Arm durch bis über ihren Rücken verlief. Das Brandmahl leuchtete in einem glimmenden Rot, als wäre es gerade erst auf das Fleisch gedrückt worden, doch nichts an der Haut der Frau deutete auf eine frische Brandverletzung hin.
    Unbeugsam, nur durch die magischen Bande gehalten, erwiderte die Frau die oft ängstlichen aber nicht selten gierigen Blicke der Vorübergehenden. Keiner blieb jedoch lange stehen.
    Es war nicht verboten eine Arbari zu versklaven, vermutlich hatte sie es sogar verdient, denn die Sklavenernter hatten strenge Auflagen. Doch eine Drachengezeichnete in sein Haus zu holen, hieß den Drachen selbst zu versuchen.
    Die Sklavin, mit dem Sklaven-Namen Nummer Neun lächelte ihren derzeitigen Herrn an, doch es war das Lächeln einer Tigerin. Nicht zum ersten Mal fragte sich der Händler, ob sie sogar das wenige Gold wert war, was er für sie bezahlt hatte. Natürlich hatte er die richtigen Papiere, die so echt waren, wie sie nur sein konnte. Dennoch war ihm bei ihrer Übernahme klar gewesen, dass ihre Gefangennahme nicht mit rechten Dingen zugegangen sein konnte. Sie zu töten wäre die logische Handlungsweise gewesen, aber niemand, wirklich niemand tötete eine Gezeichnete vorsätzlich. Es gab zu viele andere Gezeichnete, alle mit den Kräften des Drachens ausgestattet, die sich so grundlegend von der Zauberkunst der Magier unterschieden. Und diese pflegten den Mord an ihren Brüdern und Schwestern ohne Nachsicht und an allen zu rächen, die sie damit in Verbindung brachten. Rechtmäßig Verurteilte befreiten sie jedoch nicht. Diese Gezeichneten, die auch den alten Namen Pal'Adini trugen, waren so rechtschaffen, dass man sich bedenkenlos ihrem Urteil unterwerfen konnte, wenn man unschuldig war. Durch ihre Drachengaben war es sehr schwer sie zu belügen und daher genügte oft das Wissen, dass einer der Pal'Adini zum Richter bestellt war, damit der Schuldige freiwillig nachgab. Das Urteil eines Drachen-Gezeichneten war in der Regel weitaus härter, als alles, was ein Schuldiger durch das gängige Recht zu erwarten hatte. Aber war ein Urteil eines Abari erst einmal gesprochen, dann war es gültig und selbst der Chaisar hätte sich ihm beugen müssen.

    »Nummer Neun: Dein Befehl: Zieh dich wieder an und hör auf so albern herumzutänzeln, und hör auf mich anzustarren!«
    Für einen Moment überkam den Händler die Furcht, dass sie ihre magischen Bande abgestreift haben könnte, doch dann sah er erleichtert, wie sie gehorchte. Er würde sie so schnell wie möglich loswerden müssen. Er wollte nicht mehr hier sein, bis ihn die Rache des Adligen ereilte. Er hatte versucht ihn zu täuschen und dazu gebracht, vor Angst zu kreischen. So etwas vergaßen diese hochgeborenen Bastarde nicht.

    »Ich nehme sie Dir ab. Gib mir ihren Bindungsstein und die Papiere!«
    Als der Händler sah, wer dort gesprochen hatte, fragte er sich ernsthaft, wie viel schlimmer dieser Tag noch werden konnte.

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (25. Juli 2015 um 13:00)

  • Oh, etwas ganz neues aus deiner Feder. Das Setting gefällt mir sehr, auch wenn ich nicht unbedingt ein Fan des Namens Erda bin (dann hätte man es auch gleich bei Erde lassen können). Aber der Überblick, den du bisher geliefert hast, verspricht viele mögliche interessante Geschehnisse. Ich bleibe auf jeden Fall dran.

  • Carn o Van, der Schwarze Magier

    Die Menge in der Straße ging dicht an dicht und nur der Einsatz von Gerten oder Ruten, mit denen Diener Platz für ihre Herren schafften, gewährte Einzelnen einen kleinen Freiraum. Dennoch gab es etwas, was geeigneter war als diese Ruten, sogar geeigneter als die Dämonenkreaturen, die oft ihre Herren, die Roten Magier begleiteten. Die schwarze Robe, mit hauchdünnen, kaum sichtbaren Ornamenten aus Silberfäden, verschaffte ihrem Träger maximalen Freiraum und nicht einmal die heiße Luft, die sonst an der Menge klebte wie Leim, schien ihm anzuhaften. Es war, als folgte ihm eine eisige Nordlandbrise.
    Die Kapuze war bis in den Nacken gerutscht und gab schwarzes Haar über einem braungebrannten Gesicht preis, mit dunklen blauen, fast schwarzen Augen, in die ohnehin niemand zu schauen wagte. Schwarze Magier hatten Leute schon wegen weniger als einem direkten Blick in die Augen grausam zugerichtet. Er trug keinen Zauberstab mit jener typischen Kugel aus magischem Glas an der Spitze, in der die meisten Magier ihren Diamantstaub lagerten und zugleich damit ihren Reichtum zur Schau stellen. Wären nicht die schattenhaften Runen, die dicht unter seiner Haut über sein Gesicht wanderten, man hätte ihn vielleicht beschuldigt sich mit einem falschen Stand zu schmücken. Doch anderseits würde niemand freiwillig als Schwarzer Magier gelten wollen. Man verwehrte ihnen selten etwas, aber willkommen waren sie nicht einmal an den verrufensten Orten.

    »Ich nehme sie Dir ab. Gib mir ihren Bindungsstein und die Papiere!« Seine Stimme klang teilnahmslos, als verlangte er nach einem Becher Wasser.
    Der Händler vergaß seine Sorge wegen der aufsässigen Sklavin, vergaß die Angst vor der Rache des Edelmanns, denn dazu war in seinem panikerfüllten Herzen im Moment kein Platz mehr.
    »Erhabener Meister. Ihr habt ein gutes Auge. Doch niemals würde ich wagen euch solch eine schäbige Ware zu verkaufen. Ihr müsst Euch nach einer anderen Sklavin umsehen, ich habe noch viele bessere Angebote.«
    Er war ja kein Heiliger, aber eine Drachengezeichnete in die Hände eines Schwarzen Magiers zu geben, das käme einer Schmähung des Drachens gefährlich nahe.
    Dieser lächelte, doch das Lächeln begann als Eis in seinen Augen und endete als blanker Hohn in seinen Mundwinkeln. »Oh, was habe ich nur mein ganzes Leben gemacht, wo ich doch Deinen Ratschlag vermisst habe, der Du mir sagst, was ich tun ... muss!«
    Das letzte Wort traf ihn wie ein Schlag in den Nacken.
    »Oh ...,oh ..., das liegt mir sehr fern, hocherhabener Meister! Mir fällt gerade ein, Ihr dürft als Magier ohne festen Wohnsitz in der Stadt des Chaisars, gar keinen Handel treiben.«
    Nicht, dass sich jemals irgendwer darum gekümmert hätte. Schweiß lief ihm über die Stirn und trübte seinen Blick.
    »Nun sagst Du mir sogar, was ich nicht darf? Wie kann ich Dir nur dafür angemessen danken!«
    Bevor der Händler wusste, wie ihm geschah, hatte der Magier seinen rechten Unterarm gepackt. Der Griff war fest, beinahe schmerzhaft.
    »Schau auf Deine Hand.« Nicht nur der Händler, auch die Zuschauer, die stets wie Schmeißfliegen vom Pferdemist, so auch vom Unglück anderer Menschen angezogen wurden, sahen bestürzt auf die gepackte Hand. Man konnte zusehen, wie sie Stück für Stück verdorrte. Die Finger wurden zuerst blau, dann braun und schließlich waren es nur noch ausgetrocknete leblose Würstchen, die an der Handfläche hingen, die langsam aber sicher dasselbe Schicksal ereilte.
    »Herr, Meister, ich flehe Euch an, lasst los.«
    Der Magier lachte kalt. »Sobald ich loslasse, wandert mein Fluch deinen Arm hinauf und befällt innerhalb weniger Minuten Deinen ganzen Körper. Ich bezweifle, dass sogar ein Weißer Dir noch etwas anwachsen lassen kann, was bereits verfault ist.«
    Eine Lache bildete sich unter dem Händler, doch niemand schien den Amoniakgeruch zu bemerken.
    »Hast Du mir noch etwas zu sagen, noch einen guten Rat? Nachdem Du mir gesagt hast, was ich muss und was ich nicht darf, willst Du mir jetzt vielleicht mitteilen, was ich ... will?«
    Die Augen des Händlers rollten vor Panik, sein Atem ging stoßweise und seine bleiche Hautfarbe verriet, dass er nur noch Momente von einem Kollaps entfernt war.
    »Nein? Dann lass mich das für Dich übernehmen. Da ich nicht gegen das unbeugsame Handelsgesetz verstoßen will, wirst Du mir die Sklavin schenken, als Zeichen Deines guten Willens. Bindungsstein und die Papiere, jetzt!« Die Stimme des Magiers war keinen Deut lauter oder schärfer geworden. Falls möglich, klang sie noch gelangweilter als zuvor.
    »Herr, bitte nehmt sie, bitte nehmt sie, aber verschont mich.«
    Ohne den Händler loszulassen, nahm er den Bindungsstein entgegen, den jener seit den Befehlen an die Sklavin immer wieder an seinem Gürtel berührt hatte.
    »Sklavin, Befehl: Such die Papiere, die Deinen Sklavenstatus betreffen, nimm sie mit und dann stelle Dich neben mich.«
    In den Augen der Sklavin stand kein Stolz mehr, seit sie erfahren hatte, wer sich für sie interessierte. Nackte Furcht wechselte sich mit verzweifelten Willensanstrengungen ab, die Bannfesseln abzuwerfen.
    »... und hör auf, dich gegen die Zauber zu stemmen, Du zwingst sie nur sich fester um deinen Geist zu ziehen. Wenn Du so weiter machst, bist Du in wenigen Minuten nicht viel mehr als eine willenlose Puppe. Das will ich nicht.«
    Das Publikum murmelte mitleidsvoll. Das Schicksal, welches der Sklavin höchstwahrscheinlich blühte, wünschte man nicht einmal seinem ärgsten Feind.
    Der kalte Blick des Magiers fixierte die rollenden Augen seines Gefangenen.
    »Schau mich an! Ich sagte: SCHAU MICH AN!«
    Unwiderstehlich von der Macht der Stimme angezogen, hob der Händler seinen Blick, auch wenn er versuchte überall hin, nur nicht in diese grausamen Augen zu schauen.
    »Wo hast Du sie her?«
    »Ich habe sie nicht illegal erworben. Ich habe kein Unrecht begangen!« Sein jämmerlicher Tonfall, strafte seine Worte Lügen.
    »Ich wollte nicht wissen, was Du nicht getan hast, und Unrecht oder nicht, ist mir völlig einerlei. Woher hast Du sie?«
    Der Magier ergriff das andere Handgelenk und sein Opfer schrie gequält auf. Er starrte auf seine Finger, die wieder zusehends verdorrten.«
    »Aus Anxx, ich habe sie aus Anxx, bitte ..., bitte ...«
    Das Publikum hielt den Atem an. Anxx war die Hochburg der Sklavenernter und selbst beim einfachen Volk wurde gemunkelt, dass dort immer wieder Leute verschwanden, die dem Chaisar oder dessen Günstlingen im Weg standen, die aber zu mächtig waren, um sie einfach ermorden zu lassen. Selbst die Priester des Drachens wagten sich nicht dort hin, obwohl sie doch unantastbar waren.
    »Anxx, soso. Die haben Dir in Anxx eine Abari verkauft? Oh, Mann, ich verschwende meine Zeit mit Dir. Du bist schon gerichtet, Du hast es nur noch nicht gemerkt. Und wehe jenen, die mit Dir noch Geschäfte machen.«
    Sein Lachen war grausam und eiskalt, als er die Arme des Händlers losließ. »Ich lasse Dir Deine Hände, mein lieber, guter Ratgeber. Wie sollten dich die Pal'Adini sonst anständig kreuzigen?«
    Ein Raunen ging durch die Menge, als sich die beiden Hände innerhalb weniger Sekunden wiederherstellten.
    Er wandte sich seiner zitternden Skalvin zu, zupfte ihren durchsichtigen Burnus zurecht, so dass ihre körperlichen Vorzüge noch besser zur Geltung kamen.
    »Sklavin: Befehl. Folge mir, bleib in meiner unmittelbaren Nähe und unternimm nichts, bevor ich es sage.«
    Ohne ihr einen weiteren Blick zu gönnen, schritt er zügig davon und sie, durch die Zauberbande gezwungen, versuchte bei ihm zu bleiben. Die breite Gasse, die sich vor ihnen auftat, machte es ihr nicht schwer.

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    6 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (25. Juli 2015 um 13:09)

  • Zitat

    gewährten Einzelnen einen kleinen Freiraum

    gewährte (der Einsatz)

    Zitat

    Er trug keinen Zauberstab mit jener typischen Kugel aus magischen Glas an der Spitze
    mir fällt ein gerade ein

    magischem

    Oh man, das wird ja gleich am Anfang richtig spannend. Jetzt fragt man sich doch, wie die Hierarchie zwischen den Magiern geregelt ist. Und vor allem warum. Ach ja und natürlich, was der Mann mit einer Abari will.

  • Die Sklavin des Magiers

    Die Sklavin war hin und hergerissen, ob sie den Magier fürchten oder hassen sollte.
    Voller Selbstvertrauen ging er vor ihr her. Sie hielten an einem Marktstand, an dem alle möglichen Arten von Kleidung auslagen. Er betrachtete die Einlage eingehend und winkte dann die Frau zu sich, die sich zwischen zwei Leinen mit aufgehängten Kleidern versuchte zu verstecken.
    »Los, komm her. Meine Sklavin braucht Schuhe, Unterwäsche, was eine Frau eben so braucht. Hilf ihr ein Sortiment zusammenzustellen, das sich für Überlandreisen eignet. Binde es zu einem Packen zusammen, der auch hällt.«
    Die Frau zögerte der Anweisung nachzukommen, war kurz davor wegzulaufen. Doch dann konnte man das Sklavenmal erkennen, was viele Besitzer ihren Sklaven auf die linke Wange tätowieren ließen, wenn sie für ihre Herren in der Öffentlichkeit Arbeiten zu verrichten hatten. Die Frau hätte nicht weglaufen können, selbst wenn ein Dämon hier aufgetaucht wäre, da sie den Befehl hatte, hier zu bleiben.
    Der Sklavin des Magiers tat diese Frau leid. Sie hatte erlebt, wie ungeduldig der Schwarze war und wie grausam er vorging um seinen Willen durchzusetzen.
    »Los, Sklavin, geh zu der Frau und besorge Dir was ich gesagt habe. Und wenn es sein muss, versichere ihr, dass ich kein Interesse daran habe sie zu schikanieren.«, sprach er sie an.
    Mit großen Augen musterte sie sein unbewegtes Gesicht, was bestenfalls beiläufiges Interesse an der Situation erkennen ließ. Er schien vielmehr nach etwas Ausschau zu halten, wahrscheinlich ein neues Opfer, das seiner Aufmerksamkeit wert war.
    »Was zögerst Du? Willst Du mich durch Deinen albernen Widerstand ärgern? Muss ich es als Befehl formulieren?«
    Alles, nur das nicht! Sie hasste es, wenn ihre Glieder ein Eigenleben entwickelten und sie nur noch Gast im eigenen Körper war. Schnell huschte sie zu der Händlersklavin.
    »Hilf mir zu suchen, was der Schwarze will.« , sagte sie leise. »Wir wollen ihn nicht gegen uns aufbringen.«
    Zusammen verschwanden sie in einem Gebäude, dem eigentlichen Laden. Der Stand und die Waren davor waren nur dazu gedacht, die Kunden anzulocken.
    »Du hast kein Mal.«, hörte die Abari die Sklavin andächtig sagen. »Hat er Dir den Befehl gegeben nicht wegzulaufen?« Sie schüttelte den Kopf zur Antwort, während sie einen eleganten und doch festen Stoff anprobierte.
    »Er ist ein Schwarzer! Lauf weg, Gezeichnete! Du kannst hinten raus. Er wird noch eine Weile nicht nach Dir suchen.«
    Die Abari lächelte dankbar. »Das mag sein, aber was wird er mit Dir machen, oder Deinem Herrn?«
    Die Sklavin des Händlers wurde bleich. »Er darf mir nichts tun. Ich gehöre ihm nicht ...«, brachte sie unsicher vor.
    »Er ist ein Schwarzer Magier. Du weißt es doch genauso gut, wie ich.«
    »Aber er sagte, er will mir nichts tun?«
    Die Gezeichnete verdrehte die Augen. Die Menschen waren im Normalfall nicht unbedingt böse, aber von erstaunlicher Naivität.
    »Sie halten sich an keine Regeln, tun was sie wollen und ziehen ihre Kraft aus dem Leid anderer. Vielleicht hofft er sogar, dass ich versuche zu fliehen. Dann hat er einen Anlass sein wahres Wesen zu zeigen.«
    Sie hatte ihre Sachen beisammen und hoffte, dass der Schwarze zufrieden wäre.
    »Du bist wunderschön. Vielleicht hast du Glück und er will dich als Lustklavin?«
    Sie musste fast lachen, als sie den mitleidsvollen Blick der Sklavin sah. Diese arme Frau machte sich tatsächlich mehr Sorgen um sie, als um sich selbst.
    »Magier sind doch impotent. Das liegt an diesem Diamantstaub. Er raubt ihnen über die Jahre ihre Männlichkeit.«
    Die Sklavin riss die Augen auf. Darüber wurde hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, aber nie hätte sie gewagt, es so laut auszusprechen. Diese rotblonde Frau war viel mutiger als sie, das erkannte sie nun.
    Als sie alles zu einem Bündel zusammenpackten, flüsterte sie ihr zu: »Ich habe Dir ein Messer in den Packen gesteckt. Vielleicht kannst Du es verbergen und den Schwarzen umbringen.«
    Die Abari lächelte dankbar und trat dann mit der Sklavin zusammen vor das Gebäude.
    Der Magier tastete kurz das Bündel ab und prüfte die Festigkeit des Stoffs. Er verschwendete keinen Blick auf die Gezeichnete, der beinahe das Herz stehen blieben. »Was kostet es mich?«, fragte er die Sklavin, und jene zuckte zusammen, als sie den Blick der sturmblauen Augen auf sich ruhen sah.
    »D ..., e ...«, versuchte sie zu sagen, doch ihre Zunge wollte nicht gehorchen.
    Die Abari hielt den Atem an, als der Magier die beiden Schultern der Sklavin ergriff, ihr geradewegs in die Augen schaute und leise aber deutlich sagte: »Ich werde Dir nichts zu Leide tun. Und nun sag mir, was ich bezahlen muss.«
    Als ob die Furcht verflogen wäre, richtete die in sich zusammengesunkene Sklavin sich auf, zeigte sogar ein schüchternes Lächeln: »Ich sollte 32 Silber dafür verlangen und nach dem Feilschen auf 27 bestehen.«
    Lächelte der Magier da? Die Arbari war sich sicher, sich getäuscht zu haben, oder es war dieses verächtliche Lächeln, was er die ganze Zeit für alles und jeden bereit gehalten hatte.
    »Dann gebe ich Dir 29 Silber. Ich bin in Eile und feilsche deshalb nicht so ausdauernd, wie sonst.«
    Ohne den Blick von ihren Augen zu lassen, zählte er die Münzen, aus einer unter der Robe verborgenen Tasche, auf den Tisch vor die Sklavin hin.
    Dann reichte er ihr das Messer, welches sie wenige Minuten zuvor im Bündel versteckt hatte.
    »Du warst freundlich zu meiner Sklavin, daher gebe ich es Dir zurück. Aber versuche so etwas nie wieder mit einem Magier, ganz egal welche Farbe seine Robe hat. Einem Sklaven zu helfen seinen Herrn zu ermorden, fällt auf Deinen Herrn zurück und die Konsequenzen daraus würden ihm nicht gefallen.«
    Weiß wie eine Wand wich die Sklavin zurück, ließ das Messer fallen, als wäre es eine Giftschlange und verschwand schluchzend im Laden.

    Ein eisiger Blick traf die Abari. Sie taumelte davor zurück und fiel samt Bündel hin, als sie über eine Unebenheit im Pflaster stolperte.
    »Törichtes Weib! Du fürchtest mich bis in Deine Knochen und trotzdem versuchst Du so etwas Dummes. Wenn Du weiterhin so kopflos handelst, weiß ich nicht, ob ich Dich überhaupt gebrauchen kann!«
    Ohne ein weiteres Wort, setzte er seinen Weg fort.
    Erstaunt sah sie ihm nach. Keine Strafe, keine Folter? Und hatte er tatsächlich vergessen ihr zu befehlen, ihm zu folgen? Eine volle Minute saß sie da, betäubt und unsicher, was sie nun tun konnte.
    Da wurde sie sich der Blicke der Leute bewusst, die sie anstarrten, einerseits voller Furcht, andererseits voller Gier. Sie hatte fast vergessen, dass sie immer noch diesen transparenten Stoff trug, der ihre Exotik eher noch verstärkte, als irgendetwas verbarg.
    Verzweifelt, aber auch wütend aufschreiend, kam sie wieder auf die Füße. Natürlich hatte er ihr nicht befohlen, das musste er gar nicht. Wahrscheinlich waren die Ereignisse am Sklavenmarkt inzwischen Stadtgespräch und niemand würde ihr helfen. Im Gegenteil, würden es viele Schurken gar nicht erwarten können, einem Schwarzen einen Dienst zu erweisen.
    Sie lächelte böse, was sogar die Zuschauer auf Abstand gehen ließ, die sich etwas näher herangewagt hatten.
    Woher sie es wusste, hätte sie nicht sagen können, aber der Magier würde jedem, der Hand an sie legte, ganz sicher keine Freundlichkeit entgegenbringen, völlig egal, ob derjenige glaubte damit seine Gunst gewinnen zu können, dessen war sie sich gewiss.
    Sie musste rennen, um zu ihm aufzuholen. Das Bündel war schwerer, als sie gedacht hatte und sie musste sich den Weg manchmal frei stoßen. Die Gasse hatte sich längst hinter dem Schwarzen geschlossen. Endlich ging sie wieder hinter ihm und ihr pfeifender Atem beruhigte sich. Schweißbäche rannen ihr von den Gliedern und ihr Gewand klebte an ihrem Körper, wie eine zweite Haut.
    Als sie sich wieder etwas erholt hatte, hielt ihr Herr plötzlich an und reichte einen kleinen Tonkrug. Sie roch den Saft süßer Mandarinen daraus.
    »Trink.«
    Zögernd ergriff sie den Krug und trank schluckweise.
    Er forderte sie mit einer knappen Bewegung seiner Hand immer wieder auf zu trinken, bis der Krug leer war. Sie fühlte sich erfrischt. Mehr als es hätte sein dürfen, kam es ihr in den Sinn. Als sie ihm den Krug zurückreichte, knurrte ihr Magen.
    Auch er hatte es gehört und die Sklavin lief hochrot an.
    »Er hat mich hungern lassen. Er meinte, das würde meine Muskeln besser zur Geltung bringen.«, erklärte sie leise und war wütend auf sich, dass sie sich dessen schämte.
    »Wir werden gleich bei einem Geschäftspartner essen.« Ob es eine direkte Antwort auf ihre Erklärung war, oder er einfach eine Tatsache feststellte, die zufällig dazu passte, konnte sie nicht sagen.
    Er musterte sie eingehend und sie verspürte den Impuls ihre Arme über die Brüste und ihre Scham zu legen, die sich, durch das am Körper klebende Gewand, überdeutlich abzeichneten.
    »Lass das. Du siehst gut aus und je mehr Dich die Leute anstarren, umso leichter bekomme ich, was ich brauche und umso schneller sind wir hier fort.«
    Er ließ den Krug unter seiner Robe verschwinden und die Sklavin fragte sich ernsthaft, was er darunter noch alles verbarg.
    Wieder ohne etwas zu sagen, setzte ihr Herr seinen Weg fort.
    Diesmal blieb sie nicht zurück.

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (25. Juli 2015 um 13:15)

  • Tet Etlan, der Weiße Magier

    Sie gingen durch die Straßen und überall bot sich ihnen dasselbe Bild. Kaum tauchte die schwarze Robe auf, wichen die Leute zu beiden Seiten aus oder hatten plötzlich Geschäfte in den Häusern zu erledigen.
    Sogar die Wache des Chaisars, die zu den mutigsten Soldaten des Reiches zählte und die den Frieden auf den Straßen der goldenen Stadt mit aller Härte und gegenüber jedem konsequent durchsetzte, wich respektvoll zur Seite, als der Schwarze mit seiner Sklavin die Mitte der Straße für sich beanspruchte, als gehörte die Stadt ihm.
    Ob der Hitze, vielleicht auch als Folge des tagelangen Hungerns, taumelte die Sklavin immer wieder unter ihrer Last, doch entgegen ihrer Befürchtungen, erntete sie nicht einmal einen Tadel. Im Gegenteil hielt ihr Herr jedes Mal an, kühlte beiläufig sein Gesicht mit dem Wasser eines öffentlichen Brunnens oder verharrte für eine Weile im Schatten eines Eingangs um die Menschen zu beobachten. Sobald sie sich einigermaßen in der Lage fühlte weiterzugehen, brach er wieder auf, obwohl sie geschworen hätte, dass er sie keines einzigen Blickes gewürdigt hatte.

    Nach einer halben Stunde Fußmarsch hielt er an einem Gebäude an, welches schon weit bessere Tage gesehen hatte. Vor dem Eingang, im Halbschatten einer alten Markise, saß ein Mann in einer weißen Robe und mit einem weißen Kopftuch. Tuch, wie auch Robe, waren zwar sauber, aber an manchen Stellen fadenscheinig.
    Der Mann blickte nach oben, als der Schatten des Schwarzen Magiers auf ihn fiel.
    Kühl trafen sich ihre Blicke und zum ersten Mal erlebte die Abari jemand, der keinerlei Angst vor ihrem Herrn zeigte.
    Ausgerechnet ein weißer Magier, ein Heiler, ein Orden der geschworen hatte zu dienen und der Macht und Reichtum entsagt hatte! Sie galten so wenig, dass man sie sogar bisweilen aus ihren Häusern warf oder gar unter Zwang von einem Patienten wegriss, wenn ein Mächtiger ihrer Dienste bedarf. Und nie wurden sie wütend, nie erteilten sie ihren Peinigern die Lektionen, die sie als Magier zweifellos hätten erteilen können.
    »Tet Etlan«, sagte der Schwarze. Es war laut und deutlich und jeder konnte die Verachtung hören, die der Schwarze dem Weißen entgegenbrachte.
    »Ich werde heute Dein Gast sein, denn ich bedarf Deines Wissen um die Heilkunst!«
    Aus allen Fenstern schauten auf einmal Köpfe und in den Eingängen sammelten sich die Zuschauer und murmelten. Keiner wollte die Aufmerksamkeit eines Schwarzen auf sich ziehen, aber auch wenn die Weißen bei den Mächtigen nicht hoch im Kurs standen, betete das gemeine Volk sie fast an, war ihre Hilfe doch kostenlos und gleich gerne gewährt, ohne Ansicht der Person. Auch ein Schwarzer sollte es nicht wagen »ihrem Weißen« ein Leid zuzufügen.
    Sichtlich wütend darüber, dass man ihn aus allen Richtungen anstarrte, herrschte er seine Sklavin an. »Halt keine Maulaffen feil. Leg das Bündel hier ab und geh hinein, hol einen Krug und geh zum Brunnen dort, um Wasser zu schöpfen!«
    Seine Stimme war scharf wie ein Peitschenknall und sie beeilte sich einen großen Krug zu finden. Beinahe hatte sie vergessen, wie bösartig er sein konnte und sie wollte nicht das Ziel seiner Boshaftigkeit werden.
    Schnell eilte sie hinaus, während der Weiße und der Schwarze ins Haus gingen.
    Schon kam die schöne Sklavin wieder herein, keuchend wegen der Last.
    Der Schwarze erhob sich und nahm ihr den Krug ab und entleerte ihn in einen Steintrog.
    »Hier, den machst Du jetzt voll und ich möchte, dass Du Dir Zeit dabei lässt. Du wirst nicht laufen, sondern es in Ruhe angehen. Mach am Brunnen immer eine Pause, kühle dich am Wasser, trinke ruhig etwas.« Seine Stimme klang befehlsgewohnt aber sie hatten ihren schneidenden Klang von zuvor völlig verloren.
    Verwirrt verließ sie das Haus wieder. Der Schwarze war wahnsinnig. Seine Gefühlsschwankungen waren völlig unvorhersehbar. In einem Moment schien er auf sie Rücksicht zu nehmen, im nächsten Moment herrschte er sie an. Die Furcht vor ihm, die etwas nachgelassen hatte, kehrte um so heftiger zurück. Froh darüber, dass er es ausdrücklich befohlen hatte, machte sie betont langsam. Fast vergaß sie die lüsternen Blicke, welche man ihr immer wieder zuwarf.

    Im Gebäude unterhielten sich indessen die beiden Magier, auch wenn sie ihr Gespräch immer wieder unterbrachen, wenn die Sklavin mit einer neuen Ladung Wasser hereinkam und es erst wieder aufnahmen, sobald sie wieder auf der Straße war.
    »Sehr hübsch. Das wart also ihr auf dem Markt?« Ein Schmunzeln.
    »Ihr wisst ja, dass ich keine Dame in Not zurücklasse.« Man hätte nicht sagen können, ob das ehrlich oder sarkastisch gemeint war.
    »Eine Gezeichnete! Und jetzt lasst Ihr sie quasi nackt auf der Straße von den Leuten begaffen? Dafür wird Sie Euch irgendwann den Kopf abreißen.«
    »Möglich, wahrscheinlich sogar, man wird sehen.«
    Wieder machten sie eine Pause, bis die Sklavin erneut verschwunden war.
    »Habt Ihr alles, was Ihr braucht, Meister Carn?« Der Weiße flüsterte beinahe.
    »Ich hoffe es. Nun werde ich eine ganze Weile unterwegs sein. Seid sehr vorsichtig, mein alter Freund.« Auch die Antwort des Schwarzen war kaum mehr als gehaucht.
    »Natürlich Herr, was mein ist, sei Euer ...«, sagte Tet Etlan laut und vernehmlich, als die Abari wieder eintrat.
    »Der Bottich ist nun voll ... Herr.«, wagte sie mit trockenem Mund zu sagen.
    »Hervorragend. Zieh Dich aus und wasche deine Sachen am Waschstein im Hof.«
    Sie zitterte. Der Hof war durch die Hintertür schnell zu erreichen, doch auch dort starrten die Bewohner und machten lange Ohren um vielleicht etwas von den Angelegenheiten der beiden Magier zu erhaschen.
    »Herr ... bitte ... die Leute.«
    Er blickte sie an und knurrte. »Du bist schon den ganzen Tag beinahe nackt. So langsam sollte es Dich nicht mehr stören. Wirst Du es tun, oder muss ich es Dir befehlen? Überleg es Dir gut, vielleicht befehle ich Dir dann auch gleich noch die lüsterne Meute da draußen zu unterhalten. Ich wette, die haben noch nie eine Gezeichnete gesehen.«
    Schluchzend floh sie nach draußen, entkleidete sich und wusch ihr Gewand.

    »Oh, Sie wird Euch die Haut abziehen, sobald sie die Gelegenheit dazu hat.«
    Der Weiße schüttelte tadelnd den Kopf und der Schwarze hob die Schultern.
    »Sie ist unglaublich störrisch. Der Blaue, der sie in den Bann geschlagen hat, muss sehr gut sein.«
    »Ich werde gehen und euch etwas zu essen holen. Sie hat so wenig auf den Rippen, mein Hirsebrei alleine wird sie kaum sattmachen.« Meister Tet Etlan erhob sich.
    Carn erhob sich ebenfalls und reichte ihm einen schweren Beutel.
    »Kauf reichlich Vorräte, immerhin zahlt ja ein Schwarzer und wenn wir vieles sind, aber wir sind nicht kleinlich.«
    Beide Männer lachten leise, dann ging der Weiße aus dem Haus in Richtung Bauernmarkt, sorgsam mit einer beherrschten Mine und einem strammen Schritt, der nur mühsam unterdrückten Zorn zeigte.
    Der Schwarze Magier förderte ein Tiegelchen unter seiner Robe hervor und stellte es an den Rand des Steinzubers.
    Dann schloss der Magier die Haustüre und ging zur Hintertür.
    Grinsend beobachtete er den wohlgeformtem Hintern seiner Sklavin, der sich hob und senkte, während sie ihr Gewand schrubbte.
    »Genug. Häng es auf und komm herein!«, befahl er. Seine Stimme klang wie kalter Stahl und trieb die allzu neugierigen Beobachter wieder in ihren Häuser. Man hörte einige Türen und Läden zufallen und Riegel, die hastig vorgeschoben wurde.
    Ohne ihn anzusehen, kam die Abari herein. Ihre Hände waren von der Lauge gerötet und ihre Knie vom scharfen Kies im Hof aufgescheuert. Er wartete bis sie ganz im Raum war, dann zog er einen schweren Vorhang vor die Tür und sorgte dafür, dass dieser auch die ganze Öffnung verdeckte.
    Dann ergriff er sie an der Hüfte und schob sie auf den Bottich zu. Sie hielt den Atem an und schloss ergeben die Augen. Eine Hand weiterhin an ihrer Hüfte, ergriff er den Tiegel und drückte ihn der Sklavin in die Hände. Es duftete nach parfümierter Seife. Sie öffnete überrascht die Augen und hob fragend den Kopf.
    Er lächelte und wieder war sie vor den Kopf gestoßen, von seinem plötzlichen Stimmungsumschwung.
    »Steig hinein und wasche Dich, während wir warten, bis Meister Etlan mit dem Essen zurückkommt.«
    Er half ihr hinein und stellte sicher, dass sie sich hinsetzen konnte, ohne auszurutschen. »Irgendwo muss es hier einen Schwamm geben. Wenn Du artig bist, wasche ich Dir sogar den Rücken.«

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (25. Juli 2015 um 13:21)

  • Scheint ja ein recht begabter Schauspieler zu sein, der Schwarze. Und der Weise auch. Bin echt gespannt, woher die beiden sich kennen. Allerdings finde ich die Angst der Leute doch etwas übertrieben. Dass man Platz macht, ok, aber von dem Blick alleine zurückzutaumeln, naja ich weiß nicht.
    Dennoch sehr gelungen bisher.

  • Stocksteif setzte sie sich hin und ließ zu, dass er ihr zuerst den Rücken wusch, dann die Haare. Gegen ihren Willen entspannte die Sklavin sich. Die Erschöpfung, das wohltuende Bad und die zarten Berührungen ließen es zu, dass ihre Müdigkeit überhandnahm.
    Sie merkte kaum, wie er ihren Hals, die Schultern und die Arme säuberte. Als sie mit geschlossenen Augen in einen angenehmen Schlummer verfiel, ließ sie es ebenfalls geschehen, dass er zuerst ihre Beine, dann ihre Füße wusch. Kurz zuckte sie zusammen, als er die wunden Fußsohlen säuberte und winzige Steinchen entfernte.
    »Ruh Dich aus, Sklavin. Ich werde dir kein Leid zufügen.«
    Entgegen jeder Vernunft glaubte sie ihm, ließ sich noch weiter im Halbschlaf treiben, verdrängte die schlimmen Erfahrungen der letzten Monate und quittierte die belebende Massage an ihren Sohlen mit einem zufriedenen Seufzen...

    »Wenn Ihr damit fertig seid, Eure Sklavin zu verführen, schlage ich vor wir essen. Ihr wollt bestimmt aus der Stadt sein, bevor sie die Tore zur Nacht schließen ...«
    Sowohl Herr wie auch Sklavin fuhren zusammen. Überrascht kniff er sie in den Zeh und sie trat reflexartig aus, traf ihn am Kinn und schickte ihn zu Boden.
    Wie ertappte Sünder schauten beide zum Weißen. Keiner hatte ihn kommen hören, doch dieser schien völlig damit beschäftigt zu sein, das Essen zu zubereiten.
    Noch etwas schwankend erhob sich der Schwarze schnell, strich seine Robe glatt und sammelte seine Würde auf, die quasi zeitgleich mit seinem Hinterteil auf dem Boden der Wirklichkeit gelandet war.
    Auch die Abari war wie der Blitz aus dem Wasser und wollte bereits in den Hof stürzen, um ihre Kleidung zu holen.
    »Halt, warte ...«. War da ein unterdrücktes Kichern in der Stimme des alten Heilers? »Ich habe Dein Bündel mit reingebracht. Da ihr bald die Stadt verlasst, wäre es angebracht, wenn Du Dich angemessen kleidest.«
    Erst jetzt bemerkte sie die Kleidung, die über einen Stuhl und das Bett ausgebreitet war. Der Weiße musste schon eine ganze Weile zurückgewesen sein. Ohne sich recht erklären zu können warum, errötete sie noch mehr.
    »Natürlich nur, wenn dein ... Herr, keine anderen Pläne für Dich hat.«
    Der Schwarze hatte sich wieder völlig im Griff und mit der gleichgültigen Mine, die sie von ihm gewohnt war, gab er mit einem halbherzigen Wink sein Einverständnis.

    Sie aßen alle still. Es gab reichlich und die Männer hatten einen guten Appetit.
    Immer wieder rieb sich die Abari unter ihren Achseln, in den Kniekehlen und anderen Stellen, die durch die Sonne, den Sand und den Schweiß der letzten Tage wund waren und nun durch den stabilen Stoff der Wüstenkleidung aufgescheuert wurden.
    »Iss.«, kam die Anweisung des Schwarzen, als er bemerkte, dass sie aufgehört hatte und sie folgte der Anweisung, immer noch außer Stande ihm in die Augen zu blicken.
    »Iss, mein Kind. Eure Reise wird beschwerlich.« Der Alte schob ihr die Reste des Mahls zu, als sie wieder aufgehört hatte.
    Endlich waren sie fertig und die Männer erhoben sich.
    »Warte draußen, Sklavin, vergiss aber nicht zuvor dein Seidengewand zu holen. Wir finden mit Sicherheit noch Gebrauch dafür.«
    Schnell befolgte sie die Anweisung und hörte, wie die Tür hinter ihr geschlossen wurde.

    »Gib auf Dich Acht, alter Mann. Lass Dich nicht erwischen!«
    Der Heiler lachte. »Du bist fast doppelt so alt wie ich. Hat sich was vom alten Mann! Und Du bist es, der sich in Gefahr begibt. Achte gefälligst selbst auf Dich und Deine ... Sklavin.«
    Der Schwarze verengte seine Augen und die Atmosphäre kühlte sich schlagartig ab.
    »Willst Du irgendetwas andeuten?«
    Unbeeindruckt wiegte der Weiße seinen Kopf. »Ich weiß, was ich gesehen habe und ich kenne Dich schon mein ganzes Leben lang. Du kannst Dir Deine Einschüchterungs-Magie bei mir also sparen, die zieht nicht.«
    Ernst legte der Schwarze dem Weißen die Arme auf die Schulter.
    »Ich bin ein Schwarzer, Tet. Egal, was Du zu wissen glaubst, ich BIN ein Schwarzer! Reiz' mich besser nicht und vor allem: Lass Dich durch unsre Freundschaft nicht verleiten, einem anderen Schwarzen zu trauen.«
    Weniger ernst doch mit einem warnenden Lächeln in den Augen fuhr er fort.
    »Zudem hasse ich es, an Mitgliedern meines eigenen Ordens Rache zu verüben, aber das müsste ich, würde es einer wagen Hand an Dich zu legen, völlig egal, ob Du ihn dazu gezwungen hast.«
    Der weiße Magier ergriff die Hand seines Freundes. »Du weißt, wir haben den Schwur der Gewaltlosigkeit getan. Das bedeutet, dass ich auch verhindern muss, dass Du jemand um meinetwillen zur Hölle schickst. Du kannst also beruhigt sein.«
    Er reichte dem Schwarzen einen Tiegel mit duftenden Fett.
    »Du musst ihre wunden Stellen einreiben, sonst entzünden sie sich.«
    Der Schwarze drückte die Hand des Weißen noch einmal dankbar, wohl wissend, dass es das letzte Mal sein könnte und öffnete die Tür.
    Er schob seine Kapuze tief in die Stirn, bevor er sich ein Lächeln erlaubte und die erschöpft neben der Tür eingeschlafene Sklavin weckte.
    »Es wird Zeit. Sonna taucht bald in den Horizont und bevor des dunkel ist, will ich
    noch einige Meilen geschafft haben.«

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Lexa, Sklavin des schwarzen Magiers

    Sehr viele Meilen waren es nicht mehr, bis die Dunkelheit sich wie ein kühlendes Handtuch über den erhitzten Sand legte, der so weit das Auge reichte die Oasenstadt umgab.
    Sie waren, kaum außer Sicht der Stadt, vom gut befestigten Weg abgewichen und hatten ihren Pfad zwischen den Dünen gesucht.
    Die Abari war bald wieder am Ende ihrer Kräfte und froh, dass der Magier den schweren Packen geschultert hatte, der ihm direkt nach Verlassen der Stadt von einem heruntergekommenen Mann überreicht worden war. Einige Münzen hatten den Besitzer gewechselt und dann hatte der Fremde gar nicht schnell genug wegkommen können.
    Nachdem sie immer wieder ins Straucheln geriet, hatte der Schwarze endlich ein Einsehen.
    »Noch eine Meile, dann kommen wir zu einem Wadi. Dort werden wir die Nacht verbringen können.«
    Erleichtert hatte die Sklavin ihre letzten Reserven mobilisiert und war an Ort und Stelle in den Sand gefallen, als ihr Herr endlich verkündete: »Wir sind da. Hier sind wir sicher vor fremden Augen und auch vor den Sandbestien.«

    Nach einigen Minuten öffnete sie ihre Augen und sah dem Magier zu, wie er mit geübten Handgriffen ein kleines Lager errichtete. Er bohrte die Stangen für den Windschutz tief in den Sand und spannte das Segeltuch dazwischen. Aus dem Rucksack und zwei Decken formte er geschickt zwei Sitze und mit einem kleinen Spaten grub das drei handbreit tiefe Loch, was es brauchte um den Hei'Ko hineinzustellen, jenes mechano-magische Gerät, welches zugleich Wärme spendete, als auch das Kochen von Nahrung auf einem kleinen Topf ermöglichte. Unerfahrenen Wüstenbesucher vergaßen oft für genügend Standfestigkeit zu sorgen und der vom Wind oder dem wandernden Sand umgeworfene Hei'Ko zündete sie in ihren Decken an.
    »Schon wieder Hunger?«, wurde sie gefragt.
    Müde schüttelte sie den Kopf. »Ich bin nur müde ...«, antwortete sie. »...Herr!«, fügte sie schnell hinzu, doch er schien es nicht zu bemerken.
    Er legte sich direkt in den Sand, der noch warm war und genug Wärme abgab. um ihn gegen die schnell zunehmende Kühle zu schützen. Sie setzte sich auf den Rucksack, die bequemen Decken wollte er wahrscheinlich für sich selbst.
    Er schwieg und sie schwieg auch. Die ersten Sterne erschienen. Sie erkannte das Schwert des Orion, des großen Eroberers, und das große Streitross. Leise zählte sie die Namen der Sterne auf: »Merak, Alkaid, Phekda, Mekled, Alott ...«
    »Megrez, Alioth ...«, wurde sie fast ebenso leise verbessert.
    Erstaunt schaute sie zu dem dunklen Schatten im hellen Sand, mehr konnte sie nicht mehr erkennen.
    »Dann sind da noch Mizar und sein unscheinbarer kleiner Bruder Alkor, aber man muss schon wissen, dass er da ist, sonst kann man ihn mit bloßem Auge nicht sehen.«
    Wieder schwiegen sie eine Weile.
    »Ihr Schwarzen Magier verehrt das große Streitross?«
    Er lachte. Es war ein herzliches Lachen, wie eine Reaktion auf ein Kind, das eine kluge aber zugleich sehr dumme Frage gestellt hat.
    »Was Du das Streitross, nennst, nannten die Menschen früher, viel früher, den großen Bären, oder den großen Wagen. Wenn du genau hinsiehst, kannst du die Deichsel ziemlich genau erkennen.«
    Sie sah nach oben. Wenn man es so sah, hatte er recht. Doch er schien in guter Laune zu sein und das wollte sie nutzen, bevor wieder einer dieser unheimlichen Stimmungswechsel alles verdarb.
    »Und Orion, der Eroberer?«
    »Ja, Orion heißt er schon immer. Früher kannte man ihn als Jäger, aber ich denke ihm ist es gleich. Seine wichtigsten Sterne sind Riegel und Seif unten die Stiefel, Mintaka, die Mutter, Al'Nilam ud Al'Nitak ihre Söhne in der Mitte bilden seinen Waffengurt, und Bell'Atrix und Bete'Ige'Uze, welche die Schultern darstellen. Das leuchtende Auge in seinem Kopf ist Heka.«

    Spoiler anzeigen


    Sie murmelte die Namen nach, die nicht einmal ihr Ziehvater kannte, der immerhin schon sein ganzes Leben jede Nacht zu den Sternen emporsah und so die Richtung auf dem Boden fand.
    »Wenn Du von Bell'Atrix nach rechts wanderst, kannst du ganz schwach die Sterne sehen, die in einem leichten Bogen nach oben steigen. Das nannte man früher Orions Bogen, heute ist es als sein Krummsäbel bekannt.«
    Sie suchte seinen Blick, doch der war in den Tiefen seiner Kapuze verborgen.
    »Lernt man das auf der Magierschule?«
    Wieder hatte sie ihn zu diesem Lachen gebracht. Es ärgerte sie einerseits, dass sie offensichtlich so ungebildet war, aber sie beschloss, dass ihr dieses freundliche Lachen um so mehr gefiel.
    »Der Orden der Schwarzen hat keine Schulen, nur unabhängige Meister. Vielleicht ist Dir schon einmal aufgefallen, dass wir als einziger Orden kein Oberhaupt haben?«
    »Das weiß doch jeder. Ihr bringt sofort denjenigen um, der sich versucht über Euch zu stellen.« Kaum waren die Worte heraus, biss sie sich auf die Zunge. Dumme Närrin, reiz ihn doch nicht!
    »Das ... trifft es ... ziemlich genau.«, war die zögerliche Antwort.«
    »Mein Meister ist der Bruder meines ersten Mentors. Auch wenn beide unterschiedliche Ansichten haben, wie es in der Welt zugehen sollte, sind sich beide in einem einig: Man sollte wissen, wie die Dinge heißen und was sie bedeuten, die einen umgeben, egal ob das Wissen direkt zur Mehrung seiner Macht oder der Ausübung des Handwerks nützlich scheint.«
    Die Abari lächelte nun selbst. Das war das erste Mal, dass der verschlossene Mann etwas Persönliches von sich preis gegeben hatte. Und wundersamerweise klang es gar nicht nach dem Schrecken, den sie bei der Ausbildung eines Schwarzen erwartet hätte.
    »Ich habe mich gefragt ...«, sie hielt inne. Vielleicht sollte sie es für heute gut sein lassen.
    »...gefragt?«, kam auffordernd von seiner Seite.
    Sie räusperte sich: »Warum reiten wir nicht auf einem Pferd oder Kamel? Dieser Weg ist zu Fuß doch auch für Euch beschwerlich?«
    »Wir hätten unser Reittier ohnehin nur bis übermorgen. Ich hatte keine Lust ein solch teures Mahl mitzunehmen.«
    »Wir hätten es gegessen?« Sie verstand kein Wort.
    Er lachte. »Nicht wir, aber sei geduldig. Ich will Dir die Überraschung nicht verderben. Ich verspreche aber, dass sich das Warten lohnt.«
    Sie presste die Lippen aufeinander. Den Hinweis hier nicht nachzuhaken hatte sie wohl verstanden. Doch ganz war sie nicht bereit, das Thema schon fallen zu lassen.
    »Wir hätten einen fliegenden Teppich verwenden können?«
    Sie sah, wie er sich erhob und hinsetzte.
    »Ich würde nicht einmal auf so einem Ding mitfliegen, wenn man mich dafür zum Chaisar machte.« Er klang gar nicht, als ob er spaßte.
    »Warum nicht? Ich habe schon mehrfach einen gesehen. Sie sind bequem und sicher und vor allem unermüdlich.«
    Sein Schnauben erschreckte sie, denn es lag tiefe Verachtung darin. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass diese Verachtung nicht ihr galt.
    »Bitte erklär es mir ... Herr.«
    Er gähnte. »Gut, warum nicht. Aber nur, wenn Du mir Deinen Namen verrätst.«
    Sie erschrak. Es war allgemein bekannt, dass Magier schlimme Dinge mit jenen tun konnten, deren Namen sie kannten. Allerdings könnte er ihr einfach befehlen ihn zu nennen. Überhaupt erstaunte es sie, wie wenig er sie tatsächlich zwang. Es war, als ginge er einfach davon aus, dass sie widerspruchslos gehorchte.
    »Lexa. Meine Mutter nannte mich so.«, wählte sie einen Mittelweg.
    »A'lexa N'dra.« Sie erschrak. Ihre kleine List war durchschaut. Er lachte erheitert und so laut, dass sie befürchtete die ganze Wüste würde ihn hören.
    »Was?!«, fragte sie aggressiver, als beabsichtigt.
    »Diejenige, welche die Männer abwehrt.«, erklärte er nachdem er sich beruhigt hatte. »Was für ein passender Name, für ein so hübsches Geschöpf. Ich wette, Du musstest in deinem Leben schon viele Verehrer abwehren.« Wieder lachte er und sie gestatte sich ein Lächeln. Sie hatte tatsächlich eine Weile ihre liebe Not mit verliebten Mondkälbern, die ihr nachgestellt waren. Doch das war bis sie die Schwertkunst erlernt hatte. Niemand stellte einer Kriegerin nach ...
    Sie wischte die aufkommenden Gedanken fort. Sie war keine Kriegerin mehr. Sie konnte froh sein, wenn der Schwarze sie nicht zu einer dieser seelenlosen Kreaturen machte, welche gehorsam und unaufhaltsam den Willen ihrer Meister durchsetzten.
    »Du hast verspr ... gesagt, Du sagst mir, was Dir an den fliegenden Teppichen missfällt.«
    »Wenn ich das gesagt habe, muss ich wohl dazu stehen. Wir Schwarze sind ja weithin dafür bekannt, dass wir unser Wort halten.«
    Auch wenn sie den sarkastischen Unterton wohl bemerkte, schien er nicht böse zu sein.
    »Natürlich weißt Du, was Diamantstaub ist.«
    Sie nickte, erst als ihr bewusst war, dass er das vielleicht nicht sehen konnte, antwortete sie. »Ja, Herr.«
    »Diamantstaub ist tödlich. Nicht in kleinen Mengen, aber selbst da kann es schon krank machen, wenn man es zu sich nimmt, einatmet oder am Körper trägt. Daher sind so kleine Spielereien wie der magische Kocher nicht so schlimm. Die Menge die man dazu braucht ist sehr gering. Dennoch würde ich seine Mechanik nur mit Mundschutz öffnen.«
    »Und so ein fliegender Teppich braucht eine Menge?«
    »Gut mitgedacht. Und was noch viel schlimmer ist, man sitzt direkt auf ihm. Es gibt genug Stellen auf der Haut, die unmittelbar und auf längere Zeit mit ihm in Kontakt kommen.«
    Sie dachte nach. »Wie kommt es, dass die Magier nicht daran sterben?«
    »Und wieder gut mitgedacht. Behalte diese Art des Denkens stets in Dir.«
    Er verlagerte sein Gewicht bevor er fortfuhr.
    »Sie sterben daran, wie jeder es täte, aber es ist wie ein schleichendes Gift und wir Magier kennen ein Gegenmittel.«
    »Dann ist doch alles gut?«
    »Das glauben die meisten Menschen und wir Magier lassen sie in dem Glauben. Du hast gesagt, dass Magier impotent wären. Das kann zwar auch vom Diamantstaub kommen, aber es ist ganz sicher eine Nebenwirkung des Gegengifts.«
    Sie blinzelte ungläubig und er schien es zu bemerken.
    »Ja, wenn du einmal der Macht verfallen bist, die der reichhaltige Einsatz von Diamantstaub dir gewährt, dann erscheint Dir Nachkommen zu zeugen, womöglich nicht mehr wichtig, besonders da uns die Magie erlaubt unser Leben ganz ordentlich zu verlängern.«
    »Und warum ist der Staub so ... giftig?«
    »Das ist eine Geschichte für eine andere Gegengabe.«
    Sie blickte ihn verwundert an.
    »Dachtest Du, ich gebe Dir mein Wissen einfach so preis, ohne, dass Du es Dir verdienen musst?« Er schmunzelte, was sie nicht hören aber in seinen Worten fühlen konnte. »So funktioniert das nicht mit dem Wissen. Es will zusammengebaut sein, gejagt wie ein Wild und wenn man es zur Strecke gebracht hat, fühlt man die Zufriedenheit des Jägers oder eines Erbauers. Vertraue niemals Wissen, was Dir allzu einfach zufliegt. Jede gute Täuschung kommt im Gewand der Leichtigkeit.«
    Er nahm sich eine Decke und wickelte sich ein: »Schlaf jetzt, Lexa. Morgen wird ein interessanter Tag.«

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (22. Juli 2015 um 23:29)

  • Zitat

    Und wundersamerweise klang es gar nicht dem Schrecken, den sie bei der Ausbildung eines Schwarzen erwartet hätte.

    nach dem Schrecken

    So so, deine Welt ist also unsere Welt in ... später?
    Würde zumindest die Ähnlichkeit der Namen erklären.
    Habe weiterhin nichts auszusetzen, im Gegenteil ist die Atmosphäre biher recht gut.

  • Carn O Van, der Schwarze Magier

    Die ersten Sterne verblassten schon, als Carn erwachte. Er hatte gut geschlafen, was natürlich auch daran lag, dass er nicht umgeben war von Mauern und Menschen, die in ihm diese dunkle Wut auslösten, die er sich, selbst nach all den Jahren, nicht erklären konnte.
    Als er sich leise erhob, sah er die Abari, wie sie gefährlich nahe ans Hei'Ko gerutscht war. Eine einzige Decke war offenbar nicht genug, um sie warmzuhalten. Für die nächste Nacht würde er in die Trickkiste greifen müssen, um sie dazu zu bringen sich neben ihn hinzulegen. Sie hatte immer noch Angst vor ihm, was auf der einen Seite gut war. Er hatte sich zwar gut im Griff, besonders hier, wenn ihm keine anderen Menschen auf die Nerven gehen konnten, aber es war kein Fehler, wenn sie sich langsam und stückweise an seine Angewohnheiten anpasste.
    Andererseits war es unbedingt notwendig, dass sie lernte, ihm zu vertrauen. Die Kontrolle durch den Beherrschungsstein hatte er, gleich nachdem sie eingeschlafen war, beendet. Unnötig aktive Magie regte ihn ebenso so sicher auf, wie unnötig schnatternde Menschen. Wie andere Magiesensitive dieses ständigen Hintergrundgeräusche ertragen konnten, war ihm ein Rätsel.
    Er fragte sich, ob er es ihr mitteilen sollte, entschied sich aber dagegen. Sollte sie ruhig noch eine Weile glauben, dass sie nur einen Befehl davon entfernt war, seine willige Sklavin zu werden.
    Während er kochte, erwachte sie schließlich.
    Zuerst tat sie so, als schliefe sie noch, beobachtete ihn und schien sich zu wundern, dass er so profane Dinge tat, wie Frühstück zu machen. Die Leute tendierten dazu zu glauben, dass Magier nur mit dem Finger schnippten und dann stand der gedeckte Tisch vor ihnen. Natürlich hatten die meisten Magier Sklaven oder Dienerschaft, aber die hatten nicht seinen Lebensstil, würden wahrscheinlich allein in der Wildnis verhungern.
    »Ich weiß, es ist schon fast unverschämt, aber auch bösartige Magier haben morgens Hunger. Wenn Du auch Tee willst und süßen Reis, dann steh besser auf und hol Deinen Teller. Ich habe jedenfalls großen Hunger und es könnte bald nichts mehr da sein.«
    Sie blinzelte, erhob sich aber dann erstaunlich schnell.
    Als sie sich beim Essen gegenübersaßen, schwiegen sie wieder. Carn fand ihre Gesellschaft angenehm. Sie war schnell von Begriff und neigte nicht zum Plappern. Davon abgesehen, sah sie sogar nach einer unbequemen und durchfrorenen Nacht hübsch aus, auf wilde Art. Auf jeden Fall nicht der schlechteste Anblick an einem frühen Morgen.
    »Was verlangt Ihr von mir?«
    Die Frage überraschte ihn, also hob er fragend eine Augenbraue.
    »Dafür, dass Ihr mir das mit dem Diamantstaub erklärt.«
    Nun lächelte er. Sie kam gerne schnell auf den Punkt, wofür er sie sogleich noch mehr schätzte.
    »Heute Abend wirst Du bei mir liegen. Wir werden uns eine Decke als Untergrund und eine zum Zudecken teilen. Und wir werden uns gegenseitig Wärme schenken.«
    Sie schluckte schwer und rang mit sich. Er ließ ihr die Zeit, die sie brauchte und kochte noch einmal zwei Tassen Tee.
    »Gebt Ihr mir Euer Wort, das Eure Absichten ehrenhaft sind?«
    Darauf konnte er nur kopfschüttelnd antworten: »Das sind sie vermutlich nicht. Aber ich werde Dir nicht näher treten, als Du es selbst willst. Nicht heute Abend.«
    Die Abari atmete durch. »Ich glaube Euch. Einverstanden.«
    Er sparte sich diesmal den Hinweis, wie vertrauenswürdig die Mitglieder seines Ordens waren und reichte Ihr eine Tasse mit frischen Tee.
    »Hilf mir zusammen zu packen. Diesmal teilen wir uns die Last. Immerhin muss ich Dich während des Gehens unterrichten. Aber bevor wir losgehen, entkleide Dich.«
    Stocksteif blieb sie stehen.
    »Hast du nicht gehört. Trödle nicht herum. Sonna wird bald hoch stehen und uns das Wasser aus den Leibern trocknen. Bis dahin will ich unseren Rastplatz für den Mittag erreicht haben.«
    Sie senkte den Blick und beinahe wäre Carn schwach geworden, hätte sie beruhigt und sich erklärt, aber dann begann sie sich entschlossen zu entkleiden.
    Zufrieden nickte er. Es war gut, dass sie sich entschloss seine Anweisungen zu befolgen. Das würde alles leichter machen, wenn es an der Zeit war.
    »Gut, breite die Decken aus und lege Dich lang hin.«
    Wieder zögerte sie, aber sie war auch neugierig geworden. Er lächelte. Dumm war sie wirklich nicht und so war ihr klargeworden, dass er sich Ihr wohl nicht gerade jetzt aufzwingen würde.
    Er nahm den Tiegel und kniete sich neben sie.
    »Ich werde Deine wunden Stellen einreiben. Zwischen den Beinen wirst Du es selbst machen, aber ich werde darauf achten, dass Du es richtig machst.«
    Mit großen Augen verfolgte sie jede seiner Bewegungen. Mit der Erfahrung vieler Jahre versorgte er ihre entzündeten Stellen. Ihrer anfängliche Unsicherheit schwand unter seinen professionellen Händen.
    »Ihr ... Ihr seid ein Heiler?«
    Er schmunzelte in Gedanken an die fernen Zeiten, in denen das keiner mit solch überraschtem Gesichtsausdruck gefragt hätte.
    »Auf jeden Fall war ich einstmals einer. Wie ich sehe, erinnern sich meine Finger noch an die Arbeit. Hier, Du hast gesehen wie ich es gemacht habe. Du musst die Stellen und auch ihre Ränder besonders gut bestreichen. Ich habe noch ein paar Binden, die wir zum Abdecken und Polsterung verwenden werden, zumindest dort, wo es geht.«
    Auch ihre Finger waren geschickt und er erkannte, dass sie nicht unausgebildet in der Wundversorgung war. Als er sah, dass sie es alleine gut machen würde, erhob er sich und begann die Packen zu schnüren.
    »Danke.« Hörte er sie sagen und sie reichte ihm den Tiegel.
    »Steck ihn in Deinen Packen. Du wirst das jede Rast machen müssen und mit etwas Glück, bist Du in zwei Tagen wieder genesen.«
    Stumm half sie ihm die letzten Kleinigkeiten zu verstauen und nahm klaglos ihr Paket auf.
    Immer noch schweigend schlugen sie den Weg weiter in die Dünen ein.

    »Warum ist er giftig?«, fragte sie schließlich, als sie bereits einen Stunde unterwegs waren.
    »Komm, geh neben mir. Ich will nicht laut sprechen müssen.«
    Als sie sich neben ihn gesetzt hatte und sie ihre Schritte aufeinander eingestellt hatten, begann Carn zu sprechen.
    »Im Besitz meines Meisters befindet sich eine Art Gedicht, mit fremdartigen aber regelmäßigen Buchstaben, geschrieben von einer mecha-magischen Maschine. Das Material, auf dem es geschrieben steht, ist glatt und glänzend, wie polierter Marmor, aber weder Papier noch Stoff.«
    Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, unterbrach ihn aber nicht.
    »Manche der Sätze sind verblasst, manche ergeben keinen Sinn und alles in der Sprache der Welt vor der ersten Verheerung geschrieben.«
    Sie gingen einige Dutzend Schritt bis er fortfuhr. Er gab sich redlich Mühe die fremde Sprache ins Moderne zu übersetzen.
    »Oh ruf mir zu, ob du sie noch sehen kannst, in Sonnas ersten Strahlen,
    jene, die wir stolz bejubelten, in Sonnas letztem Licht.
    Deren dicke Balken und leuchtende Sterne, selbst in der Stunde der schrecklichste Schlacht Wellen schlagen, auf den Festungsmauern, die wir bewachen.«
    Er machte eine Pause, versuchte die Bruchstücke des Rests sinnvoll zu übersetzen.
    »Die Feuerbälle glühen rot in der Nacht und erleuchten die Sternenfahne, die immer noch stolz weht, über dem Land der Freien und Tapferen.«
    Sie schüttelte den Kopf zum Zeichen, dass sie nicht erkennen konnte, worauf er hinaus wollte.
    »Geduld.«, mahnte er sie.
    »Dieses Gedicht schrieb jemand, der in den geeinten Staaten am Erica lebte, dieses Land, das offenbar belagert war und das verzweifelt darum kämpfen musste, nicht unterzugehen.«
    »Am Erica?«, fragte die Abari?
    Er zuckte die Schultern. »Vielleicht ein gewaltiger Fluss, oder ein Bergmassiv. Wir werden es nie erfahren.«
    »Ich habe noch nie davon gehört.«
    Er lächelte. »Kaum jemand hat das. Das war noch vor der ersten Verheerung.«
    Ihr stockte der Atem. Das musste mindestens 10.000 Jahre in der Vergangenheit liegen. Niemand wusste wirklich genau, wann die erste Verheerung stattgefunden hatte.
    »Diese Freien und Tapferen waren vielleicht der Höhepunkt der menschlichen Zivilisation, belagert von den kriegsführenden Barbarenvölker. Vielleicht war es aber auch genau anders herum. Dieses Volk am Erica, hätte sich wohl kaum selbst in den eigenen Gedichten als die Barbaren bezeichnet. Ich denke aber, sie waren in Wissen und Magie hochentwickelt, militärisch aber schwach.«
    »Ja, aber warum erzählst Du mir das?«
    »Ganz einfach deshalb, weil die funkelnde Ebene aus dieser Zeit stammt. Sie wurde durch eine gewaltige Explosion gemacht, gewaltiger als alles was wir heute schaffen würden, selbst mit aller Magie, die wir zusammen aufbieten könnten. Vermutlich könnte selbst Abar nicht so furchtbar mit einem einzigen Feuerstoß wüten.«
    »Du willst sagen, es war eine einzelne Explosion?« Lexa war stehen geblieben. Angesichts der schieren Größe der Wüste, die man die funkelnde Ebene nannte, war das ungeheuerlich.
    »So gleichmäßig, wie die Wüste ist, muss es so gewesen sein. Sonst hätte es mehrere Krater oder mehrere Schichten ... egal. Glaub es mir einfach.«
    »Gut. Aber warum ist der Staub giftig?«
    Er schmunzelte und winkte sie weiterzugehen.
    »Du kennst den eisernen Wald des Todes, der einen krank macht, wenn man nur ein paar Stunden in seiner Gegend verweilt?«
    Sie nickte. Diesen Alptraumort kannte jeder, wenigstens aus den Geschichten. Manche sagten, es wären Ruinen einer uralten Stadt, aber Lexa war einmal bei al-Qāhira (Kairo / Anm. d. Autors), der Eroberin gewesen, die am Ende eines gewaltigen, langen, staubtrockenen Tals und am Anfang der großen Wasserwüste lag. Ja, es sah einer völlig zerstörten Riesenstadt ähnlich. Doch diese hätte Platz für wenigstens eine Million Bewohner gehabt. Welches Land hätte eine so große Stadt ernähren können?
    »Ich war einst dort, mit meinem Vater. Es ist riesig. Nicht lange nach unsrem Besuch ist Vater krank geworden. Die Heiler sagten, es sei ein Gift, was sich tief in seine Knochen eingegraben hätte. Selbst ihre Heilkraft hat versagt.«
    »Und dasselbe Gift ist im Diamantstaub. Warum es nicht so schnell wirkt, wie das Gift, was in der Luft und im Boden von al-Qāhira lauert, weiß ich nicht.«
    »Das bedeutet, was immer al-Qāhira vernichtet hat, hat auch die funkelnde Ebene geschaffen?«
    Er nickte. »Oder etwas, was von derselben Art war.«
    »Und was hat das mit den Volk der Freien und Tapferen zu tun?«
    Nun blieb er stehen. »Mein erster Meister ist ein Heiler und Forscher zugleich. Er sagt, dass viele unserer Krankheiten ihren Ursprung in den beiden Verheerungen haben. Er meinte auch, dass diese Tapferen und Freien unglaublich mächtige Magie eingesetzt haben, die überall auf Erda die Reiche ihre Feinde vernichten sollte.«
    Lexas Augen waren groß geworden.
    »Du meinst, es gibt noch andere Reiche wie al-Qāhira, die genauso tot sind.«
    »Ja, das weiß ich sogar gewiss.«
    »Kein Wunder, dass Abar aus seinem Ruheplatz im Gelbstein aufgewacht ist. Die Menschen waren gerade dabei Erda zu zerstören.«
    »So sagt es jedenfalls die Legende.«, antwortete er gleichmütig.
    Sie schnappte nach Luft: »Du lästerst den Drachen. Tu das nicht.«
    Sein Lächeln erreichte nicht seine Augen und seine Stimme war eisig.
    »Noch hast Du Dir nicht das Recht erworben, mir zu sagen, was ich tun darf und was nicht.«
    Schnell schwieg sie. Sie hatte nicht vergessen, was er dem Händler angetan hatte und wollte dessen Erfahrungen nicht am eigenen Leib machen.
    »Verzeih ...«, hauchte sie bittend.
    Carn knurrte. »Sei still und geh. Wir haben bald Mittag und noch nicht einmal die Hälfte unsres Weges geschafft.«
    Seine Mine war unbewegt und er bemühte sich die aufsteigende dunkle Wut nicht an ihr auszulassen, die wie immer, nur knapp unter der Oberfläche lauerte.

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (25. Juli 2015 um 12:49)

  • Obwohl beide Schwarze Magier waren, und damit dem überall bekannten und gefürchteten, grausamsten und gewissenlosesten aller Orden angehörten, war ihr Umgang liebevoll und von gegenseitigem Respekt geprägt.

    Vielleicht schaffst du es ja, den Satz etwas umzuformulieren, damit es nicht so viele Wiederholungen von "und" gibt.


    Ich habe gerade mal angefangen diese Geschichte zu lesen und bin jetzt schon fasziniert. ich werde in den nächsten Tagen alles aufholen, was du bis jetzt schon online gestellt hast, aber erst einmal habe ich mit dem Epilog angefangen (der eigentlich immer ganz am Ende eines Buches steht. Vielleicht taufst du es ja noch in Prolog um ;) )Ich bin neugierig wie du die Geschichte weiter geschrieben hast und es verspricht jetzt schon spannend zu werden :D

    LG
    Kisa

  • Zitat

    was natürlich daran auch lag

    auch daran

    Zitat

    dass er Ihr wohl nicht gerade jetzt sich aufzwingen würde.

    sich ihr

    Zitat

    Mit großen Augen verfolgte sie jeden seiner Bewegungen.

    jede

    Zitat

    dieses Land, dass offenbar belagert war

    das

    Zitat

    Dieser Volk am Erica,

    dieses

    Zitat

    Warum es nicht so schnell wirkt, wie das Gift, was in der Luft und im Boden von al-Qāhira, weiß ich nicht.«

    ... ist,

    So langsam setzt sich das Bild deiner Welt zusammen. Also benutzen sie radioaktives Material für ihre Magie. ich bin ja mal auf das gegenmittel gespannt :D

  • Ein böser Drache. Ein böser Magier, der in seinem Herzen eigentlich ganz gut zu sein scheint. Und dann noch eine hübsche Frau, die irgendeine besondere Rolle zu haben scheint.
    Spannung: Top!
    Handlung: Seeehhr interessant.
    Schreibstil: Unnötig zu erwähnen, dass dieser (wie gewohnt) tadellos ist :)

    :super:

  • @Skadi hat mich drauf gebracht, mal zu schauen, was ich an alten Zeichen-Versuchen noch digital herumliegen habe.
    Dieses hier hat mich sogar an unsren Magier Carn erinnert:
    Digitalisiert am ‎Mittwoch, ‎18. ‎Mai ‎2005, ‏‎09:32:52 , sagt jedenfalls Windows ..., sollte aber noch wenigstens 3-4 Jahre älter sein. Unglaublich, was man alles aufbewahrt. Das Original gibt's vermutlich nicht mehr.

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet