Es gibt 493 Antworten in diesem Thema, welches 147.943 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (19. September 2023 um 09:17) ist von Mephistoria.

  • [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 3 ]

    Wieder vibrierte mein Kommunikator. Ich dachte zuerst, es sei erneut Zell. Aber ich hätte es ahnen müssen...
    # Wann gehst du duschen? :) #
    # Chu! Wieso willst du das wissen?! #
    # Ich möchte dir etwas zeigen. Das geht am einfachsten unter der Dusche. :) #

    Darauf antwortete ich nicht. Mehr als verstörend! Das ging eindeutig zu weit in meine Privatsphäre! Ich konnte mir schon denken, was sie mir zeigen wollte. Und das wollte ich garantiert kein zweites Mal erleben.
    Mit strengem Blick verdunkelte ich wieder das Display und widmete mich wieder dem Essen. Aber keine zwei Minuten später folgte eine weitere Nachricht.
    # Soll ich dich abholen? :) #
    # Nein! #
    Das ging so die nächsten zehn Minuten weiter. Und dann wurde es mir zu bunt! Ich legte den Kommunikator auf meinem Tablett ab und erhob mich. Ohne ein Wort zu sagen, schnappte ich mir dann meine Sachen und stampfte davon.
    Als ich auf halbem Weg nach draußen war, schloss Hal auf und schaute mich verwundert an. „Warum so eilig? Du hast nichtmal komplett aufgegessen. Das kenne ich gar nicht von dir.“
    „Dann hast du eben jetzt kennengelernt!“
    Sie packte meinen Arm und drehte mich zu sich rum. Unsere Augen trafen und vertieften sich. Streng war ihr Blick auf mich gerichtet. „Wer ist es diesmal? Serena Tallow? Emilie Blaze? Endlich Slay? Chu? Gaya? Oder Valery?“
    Dazu äußerte ich mich nicht. Musste ich auch nicht, da sie bereits einen Namen bestimmt hatte. Keine Ahnung, wie sie das anstellte, aber sie sagte: „Es ist wieder Chu!“
    Reuend nickte ich leicht und senkte mein Angesicht. Sie sollte mich nicht so anschauen, mit ihren funkelnden, einnehmenden Augen.
    „Sam, du sollst es nicht in dich hineinfressen, hat Zell uns gesagt! Wenn Chu dich belästigt, sollst du es sagen. Ist sie wieder in deinen Kopf eingedrungen?“
    „Nein. Ich kann es nicht sagen. Sie soll keinen Ärger kriegen.“
    „Den Ärger wird sie kriegen, wenn sie dich noch wirklich verletzt! Sag jetzt endlich, was geschehen ist, oder... oder wir werden den freien Tag nicht miteinander verbringen.“
    Abwinkend zischte ich gleichgültig und starrte an die Decke. „Ich werde es dir nicht sagen, Hal! Das würde dich nur unnötig aufregen...“
    „Es regt mich jetzt schon auf, dass du immer so stur bist!“
    Dann schwiegen wir uns an. Gegenseitig grimmige Blicke trafen aufeinander und versuchten sich auszustechen. Wer würde als erstes nachgeben und sich entschuldigen? Wer hatte mehr Überzeugungskraft, wer mehr Willenskraft? Ungern wollte ich mich ihr gegenüber so stur verhalten. Aber die Wahrheit hätte sie mit Sicherheit noch mehr aufgeregt als das geschwiegene Wort.
    Noch einige Minuten verharrten wir in dieser Position, bis sie mich doch eingelullt hatte. Ich zeigte ihr die Nachrichten, warnte sie aber vor, dass der Inhalt verstörend klingen könnte. Als sie die ersten Zeilen las, kniff sie die Augen ganz fest zu, hielt den Atem und brummte tiefste Töne. Dunkelviolett schwoll sie an und krallte ihre Finger immer fester um meinen Kommunikator. Langsam bog sich das Display unter ihrem ständig ausgeübten Druck darauf. Es drohte zu zerbrechen, so schien es.
    Leichte Bläschen ergossen sich aus den Mundwinkeln, als sie murrend sprach: „Ich werde ihr den Hals umdrehen, bis er abreißt!“
    Richtig tollwütig bildete sich Schaum vor ihrem Mund. Das machte mir eine Heidenangst. Da verzichtete ich liebend gern auf mein technisches Gerät.
    „Diese Chu..!“ Am ganzen Körper zitternd, schüttelte sie ihn durch, atmete immer hektischer und presste einen unterdrückten Schrei heraus. „Ich hasse sie! Ich will sie erwürgen! Und du..!“
    „Ich? Was ist mit mir?“
    „Du willst bestimmt zu ihr!“ Dann knackte es kurz und kleine Risse entstanden im Display. Hal hatte es geschaft, er war zerstört.
    „Ich habe es gewusst! Die ganze Zeit lang habe ich es gewusst, Sam!“
    „Was hast du gewusst?“ Wovon redete sie? Eigentlich war ich schon etwas dumm, was ich leider zu spät erkannte. Denn schon kam der Kommunikator mir entgegen und wurde mir auf die Brust geschlagen. Mit Tränen in den Augen und den Mund überschäumend schrie sie mich an. „Wieso hintergehst du mich mit ihr?! Bin ich dir nicht mehr gut genug, oder was?!“
    „Was? Wieso..?“
    „Weißt du eigentlich, was ich zur Zeit alles..? Ach, vergiss es einfach, Sam! Ich will dich heute nicht mehr sehen..!“
    Vorsichtig versuchte ich sie in die Arme zu nehmen, aber sie stieß mich von sich weg und ergriff die Flucht. Ohne ihren Kommunikator, ohne das Tablett abzugeben rannte sie heulend davon, wäre fast noch über einen Stuhl gestolpert und verschwand aus der Kantine.
    Eilig, ohne einen Gedanken zu verschwenden, rannte ich ihr nach und versuchte sie einzuholen. Doch nur wenige Augenblicke später war sie bereits in den Seitengassen verschwunden.
    „Hal!“, schrie ich verzweifelt. „Warte doch mal! Ich kann dir alles erklären!“
    Meine Hände um den Kommunikator geklammert, lief ich planlos umher und suchte hektisch eine Person nach der anderen ab. Aber sie war nicht mehr zu finden. Was sollte ich nur tun? Wohin wollte sie fliehen? Was wäre, wenn sie sich nun etwas antun würde? Bestand Gefahr für sie? Ich wusste keinen Rat. Aber zurück zu den anderen konnte ich auch nicht mehr. Oder konnte ich das?
    Mein Kopf war leer für einen Moment. Nicht mal an Hal konnte ich denken. Mir blieb keine Wahl, ich musste es ihnen beichten. Sie würden es vermutlich besser verkraften, als meine Partnerin.
    Anfänglich konnte ich mich noch zurückhalten und meine Verzweiflung auf hecktisches Atmen beschränken, doch irgendwann brachen die Tränen aus mir heraus. Wie eine Barriere, die ich durchstoßen hatte. Ich konnte meine Gefühle nicht mehr zurückhalten und weinte bitterlich. Kaum noch was erkennend, tastete ich mich vorsichtig an der Wand entlang und suchte Halt an einem Stahlpfeiler. An diesem lehnte ich mich an und rutschte langsam in die Hocke hinunter.
    Minuten vergingen, in denen ich mich versuchte, wieder zu beruhigen. Nicht viele Tränen flossen, dafür aber umso konstbarere. Ob mich die anderen Leute anstarrten, war mir relativ egal. Dann kollabierte ich eben spontan. Na und?
    Mir war klar, dass ich durch Trauer nichts bewirken konnte. Allein meine Kollegen konnten mir nun Trost bieten. Sie wussten garantiert Rat. Zell auf jeden Fall.
    Ich rappelte mich auf, atmete tief durch und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Mit immer noch leicht zittriger Atmung stackste ich dennoch erhobenem Hauptes in die Kantine zurück. Trotz meiner Versuche, meine Zweifel vor der Gesellschaft zu verbergen, schienen sie es dennoch erahnt zu haben, dass irgendwas nicht stimmte. Verzweifelt schaute ich auf mein gesprungenes Display und versuchte Hal anzufunken. Aber das verflixte Ding wollte nicht. Oder die Tastfunktion war hinüber.
    Hiar sprang auf und kam mir entgegengerannt. Ich wusste nicht, war es Einbildung, oder quetschte sie sich auch gerade ein paar Tränen heraus? Mir war es egal, ich wollte nur zu Hal. Oder am besten ganz weit weg von ihr.
    „Sam!“, sagte Hiar ganz aufgeregt und warf ihre Arme um meinen Körper. Unsere Köpfe trafen sich an den Schläfen und nun vergossen wir gemeinsam ein paar Tränen. „Sam, was ist los?“ Behutsam führte sie mich zu unserem Tisch rüber.
    „Hal ist weg“, flüsterte ich und nahm wieder zwischen meinen Mädels Platz. Mich tröstend rieben sie mir über den Rücken und steckten die Köpfe mit mir zusammen.
    „Wie sie ist weg?“ „Wohin ist sie denn?“
    „Sie ist weggerannt wegen Chu.“
    „Chu? Was hat sie damit zu tun?“
    Dann warf ich ihnen meinen schrottreifen Wunderkasten auf den Tisch. „Chu hat mir verstörende Sachen geschrieben und nun ist Hal sauer auf mich, weil ich sie angeblich hintergehen würde. Was gar nicht stimmt, weil... weil ich sie liebe.“
    „Was hat Chu vestörendes geschrieben?“, fragte Zell sofort nach und schnappte sich meinen Kommunikator. Etwas unbeholfen hielt er ihn in seinen klobigen Händen und schüttelte ihn leicht durch. Alles klapperte und knirschte, bis weitere Glassplitter vom Display abfielen.
    Ich verlangte ihn zurück. Zell würde eh nicht die richtige Datei finden. Mit verschwommenem Blick und zittrigen Händen öffnete ich mühselig die Konversation mit Chu und versuchte die Textzeilen in eine Position zu bringen, wo man sie halbwegs lesen konnte.

    # Wann gehst du duschen? :) #
    # Chu! Wieso willst du das wissen?! #
    # Ich möchte dir etwas zeigen. Das geht am einfachsten unter der Dusche. :) #

    Schweigen brach aus. Totenstille herrschte an unserem Tisch. Alleinig mein Schluchzen und Schniefen störte diese Ruhe und gab dieser noch mehr Nachdruck. Ich konnte deren Gesichter nur schwer deuten, waren sie doch durchgängig entgleist und sureealer als so manche Bildkunst.
    „Chu ist schwanger.“
    Sofort fixierte ich mich auf Lin. Sie glotzte mich an, legte zwei Finger an die Schläfe und nickte angedeutet.
    „Leute, Chu ist schwanger.“
    Dann schwenkten alle zu ihr um. Und Zell senkte tief den Kopf, rieb sich nachdenklich über die Stirn und räusperte sich. „Ich denke, wir wollten es vorerst für uns behalten, Lin...“
    „Aber nicht, wenn Samuel und Hal darunter leiden müssen. Das hast du selbst gesagt. Außerdem ist Samuel selbst dran schuld. Er hätte es einfach schon eher sagen sollen.“

    • Offizieller Beitrag

    „Diese Chu..!“ Am ganzen Körper zittern, schüttelte sie ihn durch, atmete immer hektischer und presste einen unterdrückten Schrei heraus.

    zitternd

    So, den Rest ham mer ja imChat besprochen ^^
    Daher hier ein etwas Kürzeres Kommi :D

  • Angetrieben wird die Arche mit einem Orion-Antrieb, bei dem atomare Bomben hinter dem Schiff, in einem bestimmten Abstand zu diesem, zur Explosion gebracht werden und diese dann durch die Druckwelle vorangetrieben wird.

    Hierzu würde ich gern frech, viel zu spät natürlich, eine Frage stellen: Wie funktioniert das? Im luftleeren Raum des Alls kann es keine Druckwellen geben, eine Atombombe würde nur Strahlung erzeugen. Die Druclwelle einer Atombombe entsteht ja auch durch das schlagartige Erhitzen der umgebenden Materie - es gibt im All aber keine Materie. Ich frage nur aus Interesse. Vielleicht irre ich mich ja...

  • Danke, @Jennagon, für das Korrigieren und Kommentieren. :alien:

    Hierzu würde ich gern frech, viel zu spät natürlich, eine Frage stellen: Wie funktioniert das? Im luftleeren Raum des Alls kann es keine Druckwellen geben, eine Atombombe würde nur Strahlung erzeugen. Die Druclwelle einer Atombombe entsteht ja auch durch das schlagartige Erhitzen der umgebenden Materie - es gibt im All aber keine Materie. Ich frage nur aus Interesse. Vielleicht irre ich mich ja...

    Warum sollte es im luftleeren Raum keine Druckwellen geben? Es gibt doch auch Strahlungsdruck. Natürlich erzeugt eine Atombombe auch eine Druckwelle. Es kommt halt drauf an, was für ein Medium du noch zusätzlich mit verwendest. Du kannst doch Gastanks anbringen. Die Detonation drückt dann das Gas vom Epizentrum weg und erzeugt eine Druckwelle. Das Prinzip des Strahlungsdrucks ist sogar eine eigene Theorie für einen stellaren Antrieb. Nämlich das Sonnensegel. Das wird nur durch den Druck des Teilchenstroms vorangetrieben.
    Und im All, in deinem Fall der luftleere Raum, gibt es Materie. Nur ist diese sehr dünn verteilt. Es gibt Wasserstoff und Helium zuhauf, da schließlich alle explodierenden Sterne diese und weitere Elemente weit ins All hinausschleudern.
    Da ich im Prolog vom Orion-Antrieb gesprochen habe, ist eigentlich jegliche Frage bezüglich der logischen Funktion dahinter überflüssig, da dieser Antrieb sogar wissenschaftlich erläutert ist. https://de.wikipedia.org/wiki/Orion-Projekt Es ist ein theoretischer Antrieb, der mit dieser in meiner Geschichte vorhandenen Fortschrittstufe am realistischsten ist. Ich habe mich zuvor eingehend mit vielen theoretischen und praktischen Antrieben befasst und der Orion-Antrieb war der logischste. Ob dieser Antrieb in der Praxis wirklich so wunderbar funktioniert, kann ich nicht wissen, da mir 1. kein geeigneter Nuklearsprengsatz zur Verfügung steht, 2. ich kein Raumschiff mit ausreichender Abschirmung besitze und 3. ich in absehbarer Zeit nicht ins Weltall komme.


    [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 4 ]


    „Das stimmt auch wieder, Lin“, bestätigte Zell und starrte mich erwartungsvoll an. „Ich finde nicht nett, dass du Hal so etwas verschweigst.“
    „Wieso bin ich jetzt hier der Böse? Chu will uns doch auseinanderbringen.“
    „Also ich“, warf Valery mit schwörender Hand ein, „bin und bleibe auf Sams Seite.“
    Hiar war gleicher Ansicht und tätschelte mir mit Zuspruch auf den Rücken. „Ich finde auch, wir sollten sie beide trotzdem weiterhin unterstützen. Sicherlich hätte Sam es ihr erzählen können, aber wer konnte denn ahnen, dass Chu es so sehr ausarten lassen würde?“

    Nach einem kurzen, aber intensiven Gespräch, waren sich alle einig, dass unser aller Verhalten in dieser Sache zu passiv und leichtgläubig war. Ich hätte es Hal sofort erzählen sollen, wie auch gleich mit Chu darüber sprechen. Lin und Zell hätten es vor der Gruppe nicht verschweigen sollen, damit wir uns alle darauf einstellen hätten können. Schon allein Chus Aktion mit der Telepathie an mir hätte der Anstoß sein müssen, um ihr Geheimnis, das schon bald von Natur aus keines mehr gewesen wäre, öffentlich zu machen.
    Jezt verblieben wir so, dass Zell und Lin noch einmal mit Chu reden würden, meine beiden Mädels sich alsbald mit Hal zusammensetzen würden und ich mich am besten aus der ganzen Sache komplett raushalten sollte. Damit war gemeint, dass ich, falls es wieder zu einem Vorfall kommen sollte, es sofort sagen sollte und beteiligte Personen direkt vor versammelter Mannschaft darauf ansprechen sollte. Also anders ausgedrückt, sollte ich mich erstrecht damit befassen und meine Gedanken offenlegen.
    Ob mir das wirklich so gefiel..?

    Nach diesem Gespräch verließen wir gemeinsam die Kantine und gingen unserem Alltag nach. Einige gingen zum Duschen, andere direkt ins Bett und ich zu den Treppen. Ich wollte drei Ebenen hinauf und meinen Kommunikator reparieren oder austauschen lassen. Ich hätte auch die Fahrstühle nehmen können, aber drei Ebenen gingen mit den Treppen genauso schnell, wenn nicht sogar noch schneller. Außerdem hatte ich nur selten die Treppen genommen, was vielleicht auch meiner Beruhigung dienlich kam, wenn ich es nun machte. Das lenkte mich etwas von Hal und Chu ab und ich konnte mal neue Gesichter sehen.
    Nur mit einer Sache war ich mir noch unschlüssig. Ob ich auch schnell ein Ersatzgerät bekommen würde. Aber ob man eine Anmeldung dafür brauchte, war mich nicht bekannt. Dies war mein erstes Mal, dass er irreparabel beschädigt wurde. Böse war ich Hal deswegen nicht, ich hätte vermutlich auch so reagiert. Aber ganz ohne Bestrafung würde sie mir nicht wegkommen. Auch wenn ich sie ungern dafür bestrafte, oder generell ihr was Böses gönnte. Ich fühlte mich gezwungen, eine kleine Entschädigung zu verlangen.

    ***

    Sie hatten ein Ersatzgerät für mich. Und nicht nur ein neues Gerät, sondern zugleich eine neuere Version. Ein Prototyp des vielleicht zukünftigen Kommuikators. Sie meinten, er würde aktuell jedem zum Test mitgegeben, der seinen Alten ersetzt haben wollte. Da fühlte ich mich doch gleich wieder wichtiger für die Allgemeinheit. Ich vergaß glatt den Zwist mit Hal. Eigentlich war ich sogar etwas stolz auf sie, dass sie mir damit unbewusst eine Freude gemacht hatte.
    Mit breitem Grinsen schritt ich wieder die Treppen hinab zu meiner Ebene und präsentierte all den in meinen Augen spontan unterprivilegiert gewordenen Personen meinen neuen Wunderkasten. Fröhlich rieb ich mir die Lippen wund, fasziniert von dem modernen Design, und stakste grinsend wie ein Breitmaulfrosch über die leicht klappernden Stahlgitter. Wie ein Regenwurm schlängelte ich mich durch die Massen, beachtete meine Umgebung immer weniger und lief fast ferngesteuert durch die unzähligen Schotts und Stationen. Das Eintönige, was mich normalerweise immer beruhigte, störte mich jetzt schon fast, da es mir gewollte Lebenszeit mit dem Kommunikator rauben wollte.

    Gerade noch vor Glück strahlend, wurde ich plötzlich von Unsicherheit und leichter Panik erfasst. Als ich gerade den Seitenkorridor passierte und meine Station betrat, linste ich kurz zu Valerys Quartier rüber und entdeckte dort einen Offizier. Nichts Ungewöhnliches an sich. Aber als er dann bei ihr anklopfte, wurde ich schon etwas stutzig. Wieso bekam Valery Besuch von einem Offizier? Nicht, dass es mich etwas anging, aber ging es mich etwa nichts an? Bisher war sie mir noch nie negativ aufgefallen. Zumindest bringe ich einen Offizier häufig mit schlechten Nachrichten in Verbindung.

    Mir noch uneins, ob ich hier weiter verharren sollte, bemerkte ich, dass noch ein Wissenschaftler dazukam. Wie es aussah, ein Ingenieur mit chimae Status, dem höchsten Rang, den man erreichen kann. Sehr verdächtig!
    Dann kam mir der Geistesblitz. Diao! Vielleicht waren sie nicht wegen ihr sondern wegen ihm hier. Wurden die Beschwerden etwa doch zu viel? Folgte nun eine Bestrafung, wenn nicht sogar eine Gerichtsverhandlung?
    Und dann sahen sie beide zu mir. Ganz erschrocken blickte ich hinweg und ergriff die Flucht zurück in den Korridor. Hatten sie mich gesehen? Ich hatte nichts mitbekommen, das schwöre ich! Alles sehr mysteriös hier. Da wollte ich so schnell nicht wieder hin. Andererseits fragte ich mich, ob ich mich nun erstrecht verdächtig gemacht hatte, weil ich ertappt gefühlt davonlief?
    Als ich fast vor eine Leiter lief und in Gedanken weiter zurück dachte, fragte ich mich, ob ich es jemals hätte ändern können. Die Sache mit Chu und Hal, wie auch Valerys Hass auf Diao.

    Was auch immer ich mir gerade vornehmen wollte, es war nicht richtig. Warum weglaufen vor etwas, was einem nicht betraf? Sie wollten zu Valery und nicht zu mir, sonst hätten sie bei uns gestanden. Vielleicht gab es auch eine simple Erklärung dafür. Verwandte oder etwas Formelles.
    Ich kehrte dem Korridor den Rücken zu und ging wieder zurück. Ein kurzer Blick auf die andere Seite, aber ich konnte niemanden mehr entdecken. Aus den Augen aus dem Sinn. Ich musste echt lernen, dem Kollektiv treu zu bleiben und auch mal die Emotionen auszustellen. Nicht immer alles hinterfragen zu wollen und es einfach zu akzeptieren. Viel mehr sollte ich meine Zeit Hal opfern und ihr ein rücksichtsvoller Partner sein.
    Ich trat ein, riskierte ein letztes Mal einen Blick und schloss die Tür hinter mir. Hal war nicht hier. Es betrübte mich, sie nicht anzutreffen. Zwar wollte ich ihre Gefühlsschwankungen auch nicht ertragen, aber sie dennoch in meiner Nähe haben.

    Guten Tag, Samuel. Wie geht es dir?
    „Frage lieber nicht, Miri.“
    Ich vernehme Anspannung in deiner Stimme. Beschäftigt dich irgendetwas?
    „Miri, war Hal in meiner Abwesenheit hier?“
    Nein, Samuel. Hal Mellins hat seit zwölf Stunden das Quartier nicht betreten.
    „Dann muss sie immer noch beim Therapeuten sein.“
    Diesbezüglich kann ich keine Auskunft geben.
    „Miri, bitte spiele Musik ab! Fii Gallan, Metronom.“
    Wie du es wünschst.

    Ich machte es mir auf meinem Bett bequem und nahm meinen neuen Kommunikator zur Hand. Nach einer intensiveren Inspektion, war ich mehr als begeistert. Ein neues, besseres Seitendesign, strukturiertere Gliederung, einfachere Suchfunktion, ein bruchsichereres Glas und vor mehr internen und externen Speicher. Dieser hier hatte vierzig Terrabyte, das Doppelte des Vorgängers.

    Genug herumgespielt. Ich legte ihn beiseite und ließ ihn in Ruhe die Protokolle und Daten transferierten. Schien ja doch noch einige Stunden zu dauern. Ich wollte ohnehin viel lieber die Musik genießen. Aber zuvor schrieb ich Hal noch eine kurze Nachricht.
    # Wo bist du, mein Schatz? Soll ich dich abholen? :) Bitte schreib zurück. Ich vermisse dich. #

    Auf eine Antwort warten, empfand ich als überflüssig, in Anbetracht dessen, dass sie mir nie erzählt hatte, wo die Theraphie stattfand. Also schüttelte ich mein Kissen auf, dass es schön flauschig wurde, klemmte mir die Decke etwas zwischen die Beine und entspannte mich. Mit geschlossenen Augen ließ ich mich von der Musik treiben und befreite meinen Kopf von allen Gedanken. Nach solch einem Tag musste ich mir einfach mal extra Ruhe gönnen. Ein herrliches Gefühl, einfach mal die Sorgen zu vergessen, vollkommen zu entspannen und sich von den warmen Melodien treiben zu lassen.
    Allmählich verschwammen die Sinne ineinander und ich wurde träge. Es war ein fließender Übergang in den Schlaf hinein. Als würde ich in einen Tunnel hineinfliegen, dem Trubel entfliehen und auf eine große Leere zusteuern.
    Irgendwann, Raum und Zeit hatten schon längst keine Bedeutung mehr, ertönte dann ein tiefes Brummen. Kaum wahrzunehmen, aber trotzdem mich einhüllend. Was war es? Spontan fiel mir nur die Musik ein.
    Kaum daran gedacht, erschien eine Silhouette vor mir. Ein femininer Körper, anfangs im Seitenprofil, sich anschließend aber zu mir hingewandt. Eine hell strahlende Aura umgab sie, einer Korona gleich. Je näher diese Gestallt kam, umso klarer wurden ihre Körperkonturen. Leicht staksig mit schwingenden Armen kam sie auf mich zu. Sie trug einen silberfarbenen Ganzkörperanzug mit schwarzem Reisverschluss vorn. Den öffnete sie dann, lief dabei aber an mir vorbei und beachtete mich nicht. Mein Blick folgte ihr, ich sah sie nun von hinten. Dann streifte sie sich den Anzug vom Körper, blickte aber nicht zurück. War es Hal? Ich wusste es nicht. Zumal sie dann nach meinem folgenden Blinzeln verschwunden war und ich stattdessen im Maschinenraum stand. Vor mir eine Magnetspule, die ich bediente. Ich glaube zumindest, dass es eine war. Es war alles so verschwommen und unrealistisch. Irgendwie spiegelverkehrt. Und ich war nicht ich selbst. Meine Haut war so blau wie die von Hal. Ich glaube, ich war sogar Hal.
    Dann geschah etwas. Keine Ahnung, was, aber es verleitete mich dazu, mich umzudrehen. Und was dann folgte, war absolut verstörend!
    Eine merkwürdige Gestallt stand plötzlich vor mir, ganz nah. Ihr Gesicht hatte weibliche Züge, doch die Stimme war eher männlich oder sächlich. Ganz verzerrt und kratzend. Die Augen waren tiefschwarz und von feinen, silberfarbenen Adern durchzogen. Die Haut wirkte tot, ergraut und ledrig. Aber hatte in ihrem Surrealismus eine gewisse Schönheit. Das ganze Gesicht war anders, ungewohnt und undefinierbar. Es hatte teils menschliche Aspekte, aber auch viel Mechanisches. Es machte mir einfach Angst.
    Und dann wollte mich dieses Wesen offenbar auch noch küssen. Ich konnte mich gar nicht so schnell wehren, da lagen ihre Lippen bereits auf meinen...

  • [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 5 ]


    Ich wachte auf und erschrak erneut, als mich tatsächlich jemand küsste. Es war Hal. Über mich gebeugt, ruhten ihre Hände sanft auf meinen Schultern und ihre Lippen waren fest auf meine gepresst. Ich starrte ihr direkt in die Augen, die daraufhin anfingen hektisch zu blinzeln. So schnell konnte ich es gar nicht realisieren, wie meine Hände reflexartig nach oben schnippten und mit voller Wucht in ihre Wangen preschten. Mit einem gewaltigen Satz hüpfte sie froschartig zurück, stieß sich den Hinterkopf am Bettgestell an und rammte mir im Rückwärtsdrall die Füße in den Unterleib.
    Dann kauerte sie sich zusammen und windete sich wurmgleich auf der Matratze. Mit über dem Kopf zusammengefalteten Händen, Kinn zur Brust gestreckt und schmerzverzerrtem Gesicht jaulte und hechelte sie. Ihr Winseln wurde immer lauter, Tränen flossen in Strömen aus ihren Augen und wie eine Kugel rollte sie dem Bettende entgegen.
    Ich selbst war auch nicht besser dran, zerquetschte sie mir schließlich das beste Stück. So schnell war mein Oberkörper noch nie vom Liegen in die Vertikale gewechselt. Ein heftig ziehender Schmerz durchströmte meinen Unterleib und ließ mich ebenso zu einer Kugel zusammenrollen.
    So taumelten wir im Bett herum. Erstaunlich, dass sie die Schmerzensschreie so gut unterdrücken konnte. Denn ihr traubenblauer Kopf sprach für sich. Sie verkrampfte, rubbelte sich hart den Schädel und strampelte mit den Beinen nach mir.
    Ich wollte das wirklich nicht. Es tat mir so leid, ihr das angetan zu haben. Obwohl es mir nach Minuten noch keinen Deut besser ging, versuchte ich mich zu ihr vorzukämpfen und legte meine Hände sanft um ihren Kopf. Vorsichtig drückte ich ihn an mich, woraufhin sie mir auch entgegenkam und ihre Arme um mich schlang.
    „Es tut mir leid, Hal.“
    Sie nickte nur leicht, rümpfte die Nase und grub ihr Gesicht immer fester in meinen Pullover.
    „Ich hätte es ahnen müssen, dass du es bist.“
    „Und ich... ich hätte... ich hätte dich nicht küssen sollen.“
    „Nein, das war gut. Das fand ich schön.“

    Weitere Minuten vergingen und Hals Kopf nahm langsam wieder normale Farbe an. Ebenso versiegten die Tränen und ein dezentes Lächeln bildete sich allmählich.
    Was sollte man sagen? Sie hatte einfach einen Dickschädel. Und dafür liebte ich sie. Sie war nicht unterzukriegen. Es freute mich, dass sie nicht nachtragend war, obwohl es auch schlimm enden hätte können. Ich konnte nur ansatzweise ihren Schmerz spüren, den sie nicht nur eben erlitten hatte. All die letzten Tage so viele schreckliche Ereignisse, emotionale Ereignisse. Und wir standen es trotzdem irgendwie durch. Meine Liebste, beinahe hätte ich sie noch schwer verletzt, wegen meiner Träumerei. Sie meinte es nur gut, wollte meine Nähe spüren und mir das Gefühl von Anerkennung geben. Aber ich vekraftete es nicht, erkannte es nicht...
    „Ich liebe dich doch, Hal. Bitte verzeihe mir nochmal.“
    „Es war meine Schuld. Ich wollte dir eine Überraschung machen, aber habe es wieder mal vermasselt.“
    Dann trafen sich unsere Blicke. Ihre verweinten, topasglitzernden Augen erfüllten mich mit Reue, ihr zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Mit diesen kleinen Fältchen in ihren Lippen, die an eine zuckersüße Rosine erinnerten und mich geradezu einluden, davon zu kosten. Sanfte Wangen hatte sie, von denen ich behutsam die verbliebenden Salztränen wegwischte und zugleich die wunderbar glatte Haut mit den Fingerkuppen ertastete. Aufdass mich dieses Erfühlte mit Sehnsucht erfüllte. Sehnsucht nach ihre Güte und unschuldig wirkenden Schüchternheit.
    Unbewusst wanderten meine Hände zu ihren Ohren und strichen vorsichten an den Kiemen entlang. Ihr wehmütiges Strahlen in den Augen nahm mich ein und verleitete mich dazu, meinen Kopf ihr entgegenzustrecken. Schüchtern trafen sich unsere Lippen und legten mit einem Kuss den Zwist bei. Der Streit von vorhin war vergessen und wir vertrugen uns wieder.
    Anschließend machten wir es uns auf meinem Bett gemütlich. Aber diesmal in der Hocke und nicht horizontal übereinander.
    Dann präsentierte ich ihr mit Stolz meinen neuen Kommunikator. Zuerst schien sie etwas verwirrt und fragte mich, wieso ich meinen Alten weggab. Aber ich schwieg dazu, was sie auf den richtigen Riecher brachte. Es bedurfte keiner weiteren Worte, was in unserem gemeinsamen Interesse lag.

    Mich fest umklammernd wie ein Polyp seinen Wirt, und zusätzlich in meiner Decke eingemummelt, lauschte sie träge der Musik und starrte verträumt auf mein Display, während ich ein wenig in der Datenbank herumschaute. Was es für neue Forschungen gab, wie es auf Novus überhaupt aussieht und ob es Neues von Velit gab.
    Allmählich wurde Hal müder und ruhiger, die Atmung flacher und der Körper schlaff, bis sie nach einer guten Stunde gänzlich eingeschlafen war. Ich bekam es zuerst gar nicht mit, so vertieft war ich in meiner Sache. Doch als ihr Kopf langsam von meiner Schulter rutschte und er beinahe zwischen meinen Beinen landete, wusste ich, dass es soweit war.
    Ich legte ihn beiseite und Hal anschließend sanft in mein Bett. Sie schlief tief und fest, regte sich kein bisschen, als ich ihr unbeabsichtigt über den Körper fuhr, um sie in eine angenehme Liegeposition zu bringen.
    Wie sehr hätte ich sie nun geküsst und ihr über die Wangen gestrichen, ihr verschmitztes Lächeln dabei bewundert und meine Fingerkuppen über ihren sinnlichen Bauchnabel gleiten lassen. Genau so, wie sie es immer mochte. Gleichzeitig hätte sie auch mir damit etwas Gutes tun können.
    Aber es sollte mal wieder nicht sein. Erneut verpassten wir beide die Gelegenheit, nahmen uns selbst die Chance, die Sehnsucht nach körperlicher Liebe zu befriedigen.
    Aber vielleicht war ihr gar nicht danach. Vielleicht bedrückten sie die vergangenen Ereignisse zu sehr, um sich um meine Wünsche zu kümmern. Oder sie liebte mich gar nicht mehr und spielte mir nur etwas vor, um nicht auch noch mich in Trauer zu stoßen.
    Ach, Samuel! Was soll das? Natürlich liebt sie dich noch! Es ist nur eine schwere Zeit, die wir beide nun bewältigen mussten.
    Und wie ich so über diesen sinnlosen Gedanken sinnierte, erhielt ich eine Nachricht von Emilie Blaze.

    # Eilmeldung! In 157 Stunden wird ein Meteoritenschauer unsere Position erreichen! Höchstwahrscheinlich werden für anschließende 100 Stunden sämtliche Kommunikationseinrichtungen unbrauchbar sein! Ich bitte um frühzeitiges Einreichen der Tages- und Wochenberichte! #

    Ich musste zweimal lesen, um es wirklich verstanden zu haben. Bedeutete das etwa noch mehr Stress? Zumal wir unseren Bericht noch gar nicht geschrieben hatten, fiel mir spontan wieder ein. Und duschen war ich auch noch nicht.
    Hörten die schlechten Erlebnisse heute gar nicht mehr auf? Die Sache mit Chu, Valerys Merkwürdiger Besuch, der verstörende Traum und nun dies hier. Noch mehr Arbeit und Stress für uns beide. Zusätzlich noch mediale Isolierung.
    Wenigstens hatten wir uns untereinander, da war es noch halbwegs erträglich. Vielleicht würde sich Hal dann auch mehr Zeit für mich nehmen.
    Ich fragte mich, ob Emilie jemanden hatte, mit dem sie die bevorstehende Zeit überdauern könnte. Sie hatte nie von einem Partner gesprochen und pflegte auch sonst die Geheimhaltung ihrer Person. 157 Stunden waren zwar sechs Tage, dennoch sehr knapp.
    Leider durfte ich noch niemanden, auf dieser Erkenntnis beruhend, eine letzte Nachricht schicken, da diese Information noch nicht offiziell war. Segen und Fluch zugleich, Berichterstatter zu sein.

    Plötzlich patschte Hals Hand gegen meinen Rücken und begann mich zu kraulen. Ich schwenkte um und blickte ihr entgegen, wie sie sich mit den Handballen die Augen rieb und dabei leise gähnte. Der Mund öffnete sich, sie ließ die Lippen kräuseln und sagte: „Wie lange habe ich geschlafen?“
    Verdutzt zuckte ich mit den Schultern, die Antwort zwar wissend, doch die Frage nicht verstanden.
    „Egal, Sam. Jetzt bin ich wieder wach, jetzt will ich was erleben.“ Dann streckte sie wieder die Hände nach mir aus und strich mir sanft über den Rücken. „Was machst du gerade?“
    „Ich... äh... Ich bekam eine Nachricht von Emilie.“
    Da schnaufte sie. „Ist es wichtig?“
    „Ist nicht jede Nachricht von ihr wichtig?“, fragte ich zurück und blickte sie schief an.
    „Was hat sie geschrieben?“
    „Dass die Archen in sechs Tagen ein Meteorschauer erreicht.“
    Gewohnt verwirrt schaute sie drein, verdrehte hart die Augen und spitzte die Lippen. „Hä? Ich denke, nur ein großer Steinbrocken wird kommen. Jetzt blubberst du etwas von einem Haufen kleiner Brocken.“
    „Na ja, klein sind die nun auch nicht, vermute ich...“
    „Du weißt genau, was ich meine, Sam! Wieso jetzt auf einmal das? Kommt der Asteroid nun doch nicht?“ Sie richtete sich auf und verlangte nach ihrem Kommunikator. Anscheinend glaubte sie meinem Gerät nicht. Doch sie hatte dieselbe Nachricht erhalten, nun konnte sie es nicht leugnen. Stur schmollend starrte sie darauf, wischte mit den Fingern umher und fixierte sich dann auf mich. „Erkläre mir das mal. Woher kommt der Schauer?“ Ganz zerknautscht war ihr Gesicht, die Stirn von tiefen Denkfalten durchzogen.
    Das sah so herrlich aus, dass ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Dennoch, ich bewahrte Contenance und versuchte, ihr eine angemessene Antwort zu geben. „Woher dieser Schauer kommt, weiß ich leider auch nicht. Aber wenn ich kurz überlege, dann... fallen mir zwei Möglichkeiten ein, wie es zu diesem Ereignis kommen könnte. Zum einen die Oortsche Wolke...“
    „Wolke?“, züngelte sie skeptischen Blickes mit hochgeschobener Braue. „Sam! Auch wenn ich sonst nicht viel über Atsronomie weiß, bin ich mir ziemlich sicher, zu wissen, dass dieses Sonnensystem hier keine Oortsche Wolke besitzt!“
    Da staunte ich nicht schlecht. „Woher willst du das so genau wissen?“
    „Nikolai hat es mir mal erzählt. Eine Oortsche Wolke ist eine gewaltige Hülle...“, mit den Händen formte sie eine solche dargestellt, „die sich an der Schwelle eines Sonnensystems zum weiten All befindet.“
    „Du weißt das doch schon alles. Also warum fragst du dann?“
    „Ich will nur wissen, ob wir dann zwei Schauer kriegen.“

    „Gute Frage“, kam ich zu der Erkenntnis. „In der Theorie würde der Asteroid ja trotzdem einen gewissen Anteil Gesteinsbrocken aus dieser Wolke mit sich reißen. Ich nehme eher die zweite Theorie an, dass der Asteroid von sich aus schon Meteore mit sich zieht.“

    „Also ich“, fing sie an, hoch unschuldig die Hände, „will das ungern erleben, wenn diese Dinger hier einschlagen.“
    „Aber das ist doch vollkommen ungefährlich für die Archen, Hal. Für die Archen sind die wie Reiskörner. Und der Asteroid selbst ist groß genug, dass wir ihm frühstmöglich ausweichen können.“
    „Dann wollen wir mal hoffen, dass du recht hast“, erwiderte sie nachdenklich und fuhr sich kurz durch die Haare. „Wenn ich nur an den Stress denke, der auf uns zukommt. Die Reparaturen und vermutlich noch weniger Freizeit. Ich weiß nicht, ob ich das überstehen werde.“
    „Ach, Hal. Mache dir darüber keine Gedanken. Ich bin doch bei dir und passe auf dich auf.“ Ich nahm sie in den Arm und spendete ihr Stärke. „Sieh es von der positiven Seite. Nicht jeder hat das Glück, so ein Schauspiel zu erleben. Vielleicht werden wir für mehrere Jahrzehnte vorerst die Letzten sein, die das hautnahm miterleben dürfen. Vielleicht wird es auch ganz schön und wir machen uns nur zu viele Gedanken darüber, was passieren könnte, wenn das Leben nur noch aus Pech bestehen würde?
    Nickend stimmte sie mir zu. „Ich denke auch, wir sollten es einfach auf uns zukommen lassen. Verhindern können wir beide es sowieso nicht.“

    Mit diesen Worten und Gedanken beendeten wir das Thema und genossen noch weiter die Musik. Später ging ich dann noch schnell duschen und anschließend legten wir uns gemeinsam schlafen. Auch, wenn wir dieses Mal wieder nicht eingehender unsere körplerlichen Bedürfnisse befriedigten, war es dennoch rundum gelungen. Wir beide waren zufrieden und wiegten uns mit sanftem Streicheln in den Schlaf.

  • Ich habe mich dazu entschlossen, noch einen kurzen Auszug eines erneuten freien Tages zu schreiben. Mal sehen, wieviele Teile es werden. Ich hoffe, mir wird das verziehen. :/


    [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 6 ]


    [ 6020 n. Chr. Tag 110 Helios III ]

    Heute wurde es öffentlich gemacht. Der Meteoritenschauer trifft in vier Tagen ein. Hal und ich versendeten zeitgleich unsere Nachrichten, das verschaffte uns die Gewissheit, dass sie schnell ankamen. Nur wenige Stunden später waren bereits erste Wartelisten eröffnet worden, um einen erneuten Systemabsturz zu verhindern. Der Datentransfer war ohnehin schon immens. Natürlich gab es auch Personen, die so dreist waren und jeden Bekannten anschrieben. Valery zum Beispiel.
    Sie brauchte nur vor ihr Quartier treten, schrieb uns aber lieber einen kurzen Roman. Hal fand es rührend, zu ihren Liebsten zu gehören. Ich dagegen...
    Man konnte es sich denken...
    Chu schrieb mir natürlich auch und wie immer übertrieben fröhlich und höflich. Ich machte mir echt Sorgen um sie. Ob sie verstand, dass wir niemals zusammenkommen würden? Und was fand sie überhaupt an mir so interessant, was ihr Greys nicht geben konnten?

    Aber auch so bemerkte ich einige Veränderungen an mir, in den paar Tagen. Drei Nächte hindurch nur schlechte Träume und unruhigen Schlaf. Und immer ein ähnliches Traummuster. Immer erschien dieses Wesen. Und von Mal zu Mal klarer und unheimlicher. Denn es war definitiv kein Mensch, sondern vielmehr eine Maschine. Ein fleischliches Wesen, mit elektronischen Bauteilen adaptiert. Eine Art Hybrid. Und eindeutig feindlich gesonnen.
    Mich selbst konnte ich auch mehr entschlüsseln. Ich war Hal, da ich mich in einer kurzen Sequenz in einem Gegenstand spiegelte und ihr Gesicht erblickte.
    Und genau diese Erkenntnis machte es so verstörend. Denn, was am ersten Tag nur ein harmloser Kuss war, das entwickelte sich nun zu intimeren Berührungen. Nicht etwa, dass die Sache an sich mir nicht gefallen hätte, aber es fühlte sich im Kern falsch an. Immerhin berührte dieses hybride Wesen meine Freundin.
    Das Kuriose dabei war, dass es mir immer schwerer fiel, aufzuwachen. Umgekehrt fiel es mir während der Wachphase immer schwerer, einzuschlafen.
    Das ging soweit, dass ich ab und an leichte Kopfschmerzen erlitt. Ein leises Dröhnen im Kopf, welches mich zwar nur für wenige Sekunden unkonzentriert machte, dafür aber regelmäßig in anscheinend immer kürzer werdenden Abständen.
    Vorgestern waren es fünf Anfälle und gestern bereits zehn. Wenn sich das weiterhin in diesem Tempo steigerte, dann würde mein Kopf schon bald explodieren vor lauter Schmerzen!

    Nichtsdestotrotz sah ich mein Leben immer noch positiv. Solange ich Hal in der Realität noch gedanklich greifen konnte, fühlte ich mich auch noch als fähige Person.
    Dass heute unser freier Tag war, brachte dem Ganzen noch eine gewisse Herausforderung nach. Nicht vieles hatte ich geplant, aber dafür umso Entspannteres.

    Gestern von der Spätschicht kommend, gingen wir sofort schlafen, um den freien Tag frühstmöglich zu beginnen. Am Anfang stand ein Frühstück an. Mit Obstmüsli, gezuckerten Reistaschen und einem Apfelsaft starteten wir in den Tag.

    Ich hatte für uns beide einen Schwimmgang reserviert. Sehr begehrt und sehr schwer zu beschaffen. Zumindest als Freizeitbeschäftigung, da die Schwimmhallen vorrangig für schulische Zwecke genutzt wurden und somit vermutlich ganztägig Kinder anzutreffen waren.
    Natürlich mussten wir uns zuvor noch in der Kleiderausgabe Badeanzüge besorgen. Ich nahm mir eine schlichte Badehose und Schlappen. Hal nahm sich einen Dreiteiler, bestehend aus einem Top, einem Höschen und vier elastischen Gummibändern, mit denen man die beiden Stoffteile verbinden konnte.
    Ansonsten trugen wir heute etwas lässigere Klamotten. Wir wollten uns einfach nur einen schönen Tag machen, ohne viel Aufwand und Stress. Bis auf das Baden gehen halt. Das machte ich natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken. Sie war Halbchima und ich dachte mir, es könnte ihr besonders gut gefallen. Außerdem wollte ich sie auch mal komplett nass sehen und nicht immer nur die nackten Männerkörper unter der Dusche.

    Gegen frühen Nachmittag gingen wir zur Schwimmhalle. Von außen konnten wir schon erahnen, was es dort für Attraktionen geben könnte. Dennoch ließen wir uns überraschen und machten uns keine großen Gedanken im Voraus.
    Mit speziellen Chipkarten meldeten wir uns an, wurden auch einer kurzen Leibesvisitation unterzogen und mussten unsere Badeanzüge vorzeigen. Etwas nervte mich das schon, solch tiefe Einblicke in unsere Intimsphäre preiszugeben. Aber was dem System dienlich war, musste man akzeptieren. Sicherlich störten mich die Blicke einiger Männer etwas, als Hal ihren Anzug vorzeigen musste. Aber andererseits mussten auch diese Männer ihre Eifersucht zügeln, als deren Frauen an der Reihe waren.
    An Hals Blick konnte ich erkennen, dass es ihr bis jetzt noch nicht so gefiel. Anschließend betraten wir einen langen Gang, von dem aus mehrere Korridore abgingen. Abwechselnd getrennt nach Männer und Frauen. Die Schüler hatten ihre eigenen Umkleideräume, ebenfalls nach Geschlechter getrennt. Mir wurde der Umkleideraum 6 zugeteilt und Hal musste zur 1. Ein kurzer Weg für uns beide zusammen, bis wir uns erstmal voneinander trennen mussten.
    In meiner Umkleide angekommen, suchte ich mir schnell eine freie Kabine aus. Zwar hatte ich nichts dagegen mich auch vor den anderen umzuziehen, aber wenn man schon die Wahl hatte, dann nutzte ich sie auch. Kinder waren hier nur selten anzutreffen, meistens nur mit ihren Eltern. Man wollte ihnen somit genügend Freiraum verschaffen.
    Ich war gerade halb nackt, da gingen plötzlich Lampen über mir aus und ich stand fast komplett im Dunkeln da. Schlecht nur, dass ich aus der schwarzen Ebene kam. Mit meinem Kommunikator machte ich mir Licht und schaute mich hoffnungsvoll um. Leider war niemand weiter zu entdecken, der sich damit auskennen musste.
    „Nichtmal an meinem freien Tag habe ich vor der Arbeit Ruhe“, grummelte ich und zog mich weiter um.
    Und als dann plötzlich alle Lampen ausgingen, fing das Gejammer an. Umzingelt von entnervt stöhnenden Erwachsenen, suchte ich einen freien Spind, verstaute seelenruhig meine Klamotten und rief: „Beruhigt euch wieder, ich kümmere mich gleich darum!“
    Kaum gesagt, wurde ich auch schon von einem Chima angerempelt. Seine gelben Augen verrieten ihn sofort. „Beeile dich etwas mehr, hast du verstanden?!“
    „Immer mit der Ruhe.“ Ich schnappte mir Kommunikator und Schraubenzieher, den man immer dabei haben musste, erhellte mir leicht den Weg und marschierte Richtung Flur. Dort brannte das Licht, wie auch sonst alles andere erhellt war.
    „Was er sich da so aufregt? Er sollte froh sein, dass ich überhaupt Zeit dafür investiere.“
    Ich schaute mich um, versuchte die Raumaufteilung kurz zu analysieren und suchte dann einen in der Wand integrierten Anschluss auf. Zwei Türen weiter hinten befand sich einer. Ich schloss mein Gerät an, öffnete den Schaltplan und bemerkte sofort den Fehler. Oder zumindest die Stelle, an der er zu finden war. Kurz stockte mir der Atem und ich versank in Gedanken. Schließlich befand sich mein Ziel direkt gegenüber der 4 der Frauen.

    Den Weg eingeprägt, stöpselte ich den Kommunikator wieder aus und lief los. An unserer Umkleide vorbei, schloss sich mir der Chima an, was mich anfangs nicht störte, dennoch leicht irritierte. Immerhin war er aus der roten Ebene und somit mehr als unqualifiziert für diese Aufgabe. Zuerst dachte ich auch, er wollte nicht mir folgen, sondern vielleicht nur zu einer Frau, aber er beachtete den Damenumkleideraum nicht. Ich dafür umso mehr. Ob Hal schon fertig war und bereits auf mich wartete? Damit sie sich keine Sorgen machen musste, schrieb ich ihr schnell eine Nachricht.
    # Es dauert etwas länger. Warte nicht auf mich. #

    Ich erreichte den Schaltkasten, zückte den Schraubendreher und begann mit der Arbeit. Doch kaum hatte ich den Schutzdeckel abgenommen, quollen mir schon die Kabel entgegen. Nicht nur, dass mir die Drähte entgegenkamen, sondern auch noch eine Schraube herauspurzelte.
    Tiefes Schnaufen entglitt mir. Bei so etwas konnte ich nur den Kopf schütteln. Vorsichtig arbeitete ich mich zu den Sicherungen vor und kappte die Stromzufuhr. Recht mühselig, bei solch einem Wirrwarr.
    „Wer auch immer vorher hier dran war, er hatte null Ahnung von dem, was er getan hat!“
    „Wieso?“, fragte der Chima mich und starrte grimmig auf den Kabelsalat. „Sieht halt bunt aus. Ist doch normal.“
    „Normal ist das“, kräftiger Fingerzeig darauf, „garantiert nicht!“ Dann schaute ich ihn an und musste mir immer mehr einen Kommentar zu seiner Aufmachung verkneifen. Ich hatte sofort Vorurteile ihm gegenüber. Also nicht gegenihn als Chima, sondern als Mediziner. Er trug rote Kleidung, was michvon Natur aus aggressiv machte. Alle Mediziner waren durchwegeingebildet und arrogant! Ausgenommen die Greys natürlich. Abersonst wirklich jeder.
    Ich ließ mich nicht beirren und führte die Arbeit fort.
    „Na, dann wollen wir mal!“ Vorsichtig löste ich die Halterungen, steckte die Kabel neu um und überprüfte die Sicherungen. Bereits zehn Minuten hatte ich dafür gebraucht unter ständiger Beobachtung des Chima. Unter den zahlreichen schaulustigen Damen, die sich offensichtlich mit Freuden für einen Flirt nicht zu schade waren, befand sich leider nicht Hal. Sie hätte ich sofort erkannt, zumal sie mich erkannt hätte.
    Peinlich war es mir schon sehr, mich nur mit Badehose und Handtuch bekleidet hier abzurackern. Neben dem Blauen wirkte ich eher wie der Lehrling, vor allem bei seinen dummen Kommentaren. Ich würde mit Absicht so langsam machen, um ihn seinen freien Tag nicht zu gönnen, aber umgekehrt war ich auch nicht erpicht darauf, hier ewig auszuharren. Besonders warm war es hier nun auch nicht.
    Spätestens, als Hal mir zurückschrieb, wusste ich, dass es mir gefühlt zu lange dauerte.
    # Sam, wo bist du? #
    # Ich muss hier_ #
    Ich wollte zurückschreiben, doch der Chima hatte ein wachsames Auge auf mich. „Mache das jetzt fertig, Mensch! Du kannst deiner Freundin später schreiben!“
    „Später brauche ich ihr nicht mehr schreiben, weil sie dann bereits verärgert sein wird.“
    # Ich muss hier noch was reparieren. #

    • Offizieller Beitrag

    Ich machte es mir auf meinem Bett bequem und nahm meinen neuen Kommunikator zur Hand. Mal sehen, ob auch wirklich alle Daten überspielt wurden, oder ich noch einige Änderungen in den Optionen vornehmen musste.
    Schon lange hatte ich mich nicht mehr so intensiv mit diesem Gerät befasst. Bisher hatte ich auch keinen Grund, mich darum zu kümmern. Wenn der Kasten lief, lief er auch reibungslos. Doch hier erkannte ich schnell, dass vieles anders war. Ein neues, besseres Seitendesign, strukturiertere Gliederung, einfachere Suchfunktion, ein bruchsichereres Glas und vor mehr internen und externen Speicher. Jeweils zwanzig Terabyte, wie bei dem Vorgänger, waren für ein ganzes Leben deutlich zu wenig. Dieser hier hatte glatt das Doppelte.
    Also spontan war ich zufrieden mit diesem Prototypen. Alleinig die Akkulaufzeit störte mich etwas. Gerade mal zwei Stunden in Betrieb und schon waren 0,2% des Akkus leer. Dabei hatte ich nur den Datentransfer laufen, das Miri-Wifi an und etwas Musik gehört. Fünfhundert Stunden Akkulaufzeit, bei nur zwanzigprozentiger Auslastung ist schon recht wenig.

    Ich hab jetzt erstmal den ersten Teil aufgeholt und das mit dem Offizier vor dem anderen Quatier ist absolut okay, auch der "Traum" am Ende, dennoch muss ich hier bemängeln, aus meiner persönlichen Sicht, dass ich mich hier echt durchgequält habe. Nicht, weil es schlecht geschrieben ist, sondern, weil die Abschnitte mit dem neuen Kommunikator etwas langweilig sind. Ich sag es mal gerade heraus. Das hätte man mit einem Satz beschreiben können. "Ich machte mich mit den neuen Funktionen vertraut und übernahm die Einstellungen meines alten Gerätes." Aber die Absätze zwischen drin, wie das funktioniert, wie lange die Akkuleistung ist und Design - unnötig. Mich persönlich interessiert das nicht. Es streckt den Text und hat für die Handlung keinerlei erkennbare Relevanz. Das ist, als würde man das Papier der Schriftrollen in meinen Geschichten beschreiben oder wenn einer meiner Chars eine neue Schreibfeder bekommt. ;) Auch machte mich stutzig, dass Hal seit 12 Stunden ihr Quatier nicht mehr aufgesucht hat und Sam glaubt, dass sie in der Therapie ist. Seit 12 Stunden? Oo Fand ich seltsam und auch, dass er sich hinlegt, nachdem er ja alles so bereut, anstatt sich auf die Suche zu machen. Mir ist klar, dass sie vermutlich seit der Kantine erst weg ist, aber Sam holt sich tatsächlich erstmal eine neue Miri, anstatt Hal zu suchen. :pillepalle: Ich weiß, dass das vermutlich dafür gedacht war, um den Traum einzuarbeiten, aber da hinkt ein ganz wenig die Nachvollziehbarkeit. :hmm: Vielleicht einfach mal im Hinterkopf behalten, falls das überarbeitet wird.

    Beim zweiten Teil ist soweit alles in Ordnung, vor allem, dass das zu erwartende Drama ausbleibt, aber ich würde mir manchmal wünschen, dass Hal auch etwas Eigenwissen besitzen würde. Sie ist auf einer Arche, die durchs Weltall fliegt, hat aber keine Ahnung, was so im All herumschwebt und was das für Folgen oder Ursachen haben könnte. Mich hätte es mehr gefreut, wenn sie auf gleicher Basis diskutiert hätten, anstatt, dass Sam wieder mal den Erklärbär spielt. Obwohl Hal ja ihre Ränge oder so aufstufen musste, von Slay aus und es auch etwas schaffte, kommt sie oft etwas dümmlich rüber, wo ich mich frage, was man dain den Jahren der Ausbildung lernt :whistling:

    Den dritten Teil verstehe ich nicht ganz. Sie gehen am freien Tag schwimmen, dann fällt Licht aus und Sam geht reparieren. Und wird von nem Chimakerl belästigt dabei. Der Kerl kann ja froh sein, dass jemand da ist, der das nicht gleich in Angriff nimmt.

    „Beeile dich etwas mehr, hast du verstanden?!“

    Danach hätte ich das einfach gelassen, er hat ja frei und könnte auch auf den dazu eingeteilten Bereitschaftsdienst warten können, den wird es bei den Schichten ja sicherlich geben.
    Ich hab auch nicht ganz verstanden, wo überall der Strom ausgefallen ist, wenn Hal schon mal vorgehen soll. Oo
    Dort ist geregelt, dass Männer und Frauen getrennt umziehen gehen, aber nicht, dass Kinder bei ihren Erziehungsberechtigten bleiben. Und warum gibt es keine Einzelumkleiden? Warum werden da immer alle gezwungen sich nackt zu sehen. Also ich finde, da sollte man das machen wie in einem normalen Schwimmbad. Einzelne Umkleiden, aber von mir aus gemeinschaftliche Duschen. Vor allem Kinder in den erwachsenen Umkleiden zu haben ist irgendwie - meh ... Oo Ich lass doch meine Kinder nicht mit Fremden alleine. Niemals - vor allem nicht beim Umziehen!!!
    Da würde ich nochmal drüber gehen.
    Ansonsten mal schauen, ob es Sam schafft das Stromproblem zu regeln und wie schnell der Schauer da ist ^^

    Liebe Grüße

    Jenna(r)

  • Danke, @Jennagon, für diese ausführliche und berechtigte Kritik. Ich wusste schon beim Schreiben, dass es dir nicht durchgängig gefallen würde. Aber ich wollte es trotzdem erstmal so lassen, um dann zu sehen, was genau dir daran wie nicht gefällt. All deine angesprochenen Punkte werde ich überarbeiten und ausbessern. Schließlich will ich ja, dass die Geschichte immer besser und interessanter wird. Hier ist die neue, kürzere, Version mit dem Kommunikator zitiert. Ich denke mal, so würde das auch reichen. Zwar immer noch mehr als ein Satz, aber trotzdem schon um einiges kürzer.

    Ich machte es mir auf meinem Bett bequem und nahm meinen neuen Kommunikator zur Hand. Nach einer intensiveren Inspektion, war ich mehr als begeistert. Ein neues, besseres Seitendesign, strukturiertere Gliederung, einfachere Suchfunktion, ein bruchsichereres Glas und vor mehr internen und externen Speicher. Dieser hier hatte vierzig Terrabyte, das Doppelte des Vorgängers.


    Genug herumgespielt. Ich legte ihn beiseite und ließ ihn in Ruhe die Protokolle und Daten transferierten. Schien ja doch noch einige Stunden zu dauern. Ich wollte ohnehin viel lieber die Musik genießen. Aber zuvor schrieb ich Hal noch eine kurze Nachricht.


    # Wo bist du, mein Schatz? Soll ich dich abholen? Bitte schreib zurück. Ich vermisse dich. #

    Auch machte mich stutzig, dass Hal seit 12 Stunden ihr Quatier nicht mehr aufgesucht hat und Sam glaubt, dass sie in der Therapie ist. Seit 12 Stunden? Oo Fand ich seltsam und auch, dass er sich hinlegt, nachdem er ja alles so bereut, anstatt sich auf die Suche zu machen. Mir ist klar, dass sie vermutlich seit der Kantine erst weg ist, aber Sam holt sich tatsächlich erstmal eine neue Miri, anstatt Hal zu suchen.

    Hal war seit 12 Stunden nicht mehr in ihrem Quartier, weil sie direkt von den 9 Stunden Arbeit in die Kantine gegangen ist, um zu essen, und dann sofort abgehauen ist. Arbeit + Kantine machen etwa 10,5 bis 11 Stunden. Sam hat dann noch mit den Kollegen gequatscht und hat sich anschließend ein Ersatzgerät geholt. Weil Sam dann von Miri erfahren hat, dass Hal zwischendurch nicht nochmal im Quartier war, ging er davon aus, dass Hal wieder beim Therapeuten ist. Und dass Sam sich lieber eine neue Miri holt anstatt Hal zu suchen, hat den Hintergrund, dass er gar nicht weiß, wo Hal zur Therapie geht und er ihr ja auch nicht schreiben kann. Ich habe es noch mit ein paar Sätzen nach der Inspektion des Kommunikators erwähnt, dass er lieber auf Hal wartet, anstatt sie in den unzähligen Gängen zu suchen. Eine kurze Nachricht an sie soll das nun verdeutlichen, dass er sich sehr wohl um sie Sorgen macht. Ansonsten kann ich es auch nochmal erweitern, wenn es immer noch unlogisch rüberkommt.

    Beim zweiten Teil ist soweit alles in Ordnung, vor allem, dass das zu erwartende Drama ausbleibt, aber ich würde mir manchmal wünschen, dass Hal auch etwas Eigenwissen besitzen würde. Sie ist auf einer Arche, die durchs Weltall fliegt, hat aber keine Ahnung, was so im All herumschwebt und was das für Folgen oder Ursachen haben könnte. Mich hätte es mehr gefreut, wenn sie auf gleicher Basis diskutiert hätten, anstatt, dass Sam wieder mal den Erklärbär spielt. Obwohl Hal ja ihre Ränge oder so aufstufen musste, von Slay aus und es auch etwas schaffte, kommt sie oft etwas dümmlich rüber, wo ich mich frage, was man dain den Jahren der Ausbildung lernt

    Ich habe dieses Gespräch nun auch überarbeitet und Hal schon gewisse Vorkenntnisse gegeben. Sie hinterfragt jetzt nicht die Sache mit dem Meteorschauer an sich, sondern nur die Sache des Schauers in Verbindung mit dem Asteroiden. Sie weiß nun von der Oortschen Wolke und dass es von dieser nicht zwangsläufig kommen kann. Sam klärt sie nurnoch über den Asteroiden auf. Ich hoffe, das ist so viel besser und lässt Hal nicht allzu dümmlich wirken.

    Den dritten Teil verstehe ich nicht ganz. Sie gehen am freien Tag schwimmen, dann fällt Licht aus und Sam geht reparieren. Und wird von nem Chimakerl belästigt dabei. Der Kerl kann ja froh sein, dass jemand da ist, der das nicht gleich in Angriff nimmt.

    Bei dieser Sache geht es darum, dass Sam ein Ingenieur ist und sich verpflichtet fühlt, es vorläufig in Angriff zu nehmen, bis geeignetes Personal gekommen ist. Sam hätte es auch einfach lassen können, aber er wurde von dem Chima dazu gedrängt. Darum blieb der Chima auch bei ihm, weil Sam den Anschein erweckte, es gar nicht machen zu wollen. Und natürlich war nur in dieser einen Umkleide das Licht ausgefallen, weshalb Sam sozusagen zur falschen Zeit am falschen Ort war.

    Dort ist geregelt, dass Männer und Frauen getrennt umziehen gehen, aber nicht, dass Kinder bei ihren Erziehungsberechtigten bleiben. Und warum gibt es keine Einzelumkleiden? Warum werden da immer alle gezwungen sich nackt zu sehen. Also ich finde, da sollte man das machen wie in einem normalen Schwimmbad. Einzelne Umkleiden, aber von mir aus gemeinschaftliche Duschen. Vor allem Kinder in den erwachsenen Umkleiden zu haben ist irgendwie - meh ... Oo Ich lass doch meine Kinder nicht mit Fremden alleine. Niemals - vor allem nicht beim Umziehen!!!

    Da würde ich nochmal drüber gehen.

    Schulkinder haben nur die Lehrer als "Erziehugsberechtigte". Das Schulsystem ist eine Art Akkademie. Ich hätte es vielleicht nochmal deutlich hinschreiben sollen, dass sein Großteil der Kinder dort ohne ihre Eltern ist. Und die Sache, dass die Kinder sich nicht bei Fremden mit umziehen sollen, ist auch ein Problem, dass ich eigentlich (leider geht das aktuell nur mit dir) nochmal besprechen wollte. Ich war mir echt unschlüssig, wie es dort ablaufen könnte. An Kabinen habe ich auch zuerst gedacht. Ebenso an mehrere Aufsichtspersonen. Sogar extra Umkleideräume nur für Kinder. Aber ich habe mich vorrangig auf diese Lampensache fixiert. Ich werde mir ein schöneres Konzept speziell für diesen Fall ausdenken und vermutlich auch noch den Weltenbauthread mit schulischen Regeln und Aktivitäten erweitern.

  • [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 7 ]

    Mit Murren gab er nach und wischte sich den gerade entstandenen Schaum von den Lippen. „Wozu du überhaupt Ingenieur geworden bist..?“
    „Und wozu du Mediziner..?“, konterte ich.
    Da wurde er still und grimmte mich böswillig an. Sollte er doch denken, was er wollte. Er brauchte mich, solange kein weiterer Ingenieur dazukam.
    „Gehe mal zurück und schaue nach, ob das Licht nun wieder geht.“
    Ohne Widerworte stapfte er los, vermutlich auch deswegen so gleichgültig, weil er keine Lust mehr auf mich hatte. Mir war es egal. Ich ging ihm aus dem Weg und er mir.

    Nach einer Minute kam er mit zwei Daumen nach oben zurück. Meine Arbeit war anscheinend getan, also steckte ich den Schutz wieder drauf und schrieb nochmal Hal.
    # Ich bin jetzt f_ #
    Plötzlich rief jemand laut meinen Namen. Ich blickte auf und sah sie mir aus der anderen Richtung entgegenkommen. Meine Partnerin. Sie sah atemberaubend aus in ihrem Badeanzug!

    Und da kam Hal. Ich war verblüfft!
    Ihr dreiteiliger Badeanzug sah einfach nur fantastisch aus! Sie sah fantastisch aus!
    Grazil schwang sie ihre Hüfte, balancierte den Kommunikator in der Rechten und führte ihr Handtuch lässig über der Schulter. Ein verlegenes Schmunzeln folgte sofort, als sich unsere Blicke trafen.
    Ich war hin und weg. Der kurze Schaulauf vorhin im Park war eine Sache. Aber den Anzug nun an ihrem wundervollen Körper zu sehen, war ein Hochgenuss für meine Augen. Ihre aalglatte, immer noch leicht feuchte Haut, der Wasserfilm im Neonlicht schimmernd, zusammen mit dem tiefschwarzen Metastoff, der ihre schönen Kurven so klasse betonte. Hauteng lag der Stoff an, warf keine Falten und war nur von der Farbe her von ihrer hellblauen Hülle zu unterscheiden.
    Der Bauch war frei, ihr lieblicher Nabel lächelte mich geradezu an. Und wie schön der Höschenbund ihre Taile zur Geltung brachte. Aber am interessantesten fand ich die Gummibänder, welche die beiden Teile mit Magneten verbanden und somit ein unkontrolliertes Rutschen verhindern sollten und es zusätzlich noch gewagter aussehen ließen.
    Der Chima glotzte ebenso verblüfft drein, seine Blicke wanderen zwischen uns beiden hin und her.
    „Ist das...“, mit ausgestrecktem Daumen deutete er auf sie, „deine Freundin?“
    Stolz nickte ich ihm entgegen. „Natürlich ist das meine Freundin.“
    „Aber sie...sie ist eine...die ist eine Halbchima!“
    „Und?“, fragte ich verwundert nach. „Was ist daran so besonders?“
    Da schluckte er kräftig und rieb sich verlegen das Kinn. „Ich hätte jetzt nur nich gedacht, dass du mit einer chimae Frau zusammen bist...“
    „Das hätte ich auch nie gedacht, glaube mir. Trotzdem, ich bin überaus glücklich mit ihr...“
    Schon hatte sie uns erreicht und stellte sich wippend vor mich. „Sam, was machst du hier? Ich denke, wir wollten schwimmen gehen.“
    „Ich kann nichts dafür“, versuchte ich mich zu entschuldigen. „Wenn ich nunmal der einzige Ingenieur hier bin, muss halt ich es reparieren.“
    Skeptisch war ihr Blick, mit leicht gespitzten Lippen. „Dass du auch niemal nein sagen kannst. In der Zwischenzeit habe ich schon mal die Heißquellen inspiziert. Und ich muss zugeben, sie sind eindeutig besser zu zweit.“
    „Oh“, entglitt es mir erstaunt. „Das ist schade.“
    „Warum schade?“, hinterfragte sie es. „Das sollte eigentlich eine Anspielung sein.“
    Da grinste der Chima und klopfte mir absichtlich fest auf die Schulter. „Mein Guter, ich gehe jetzt wieder. Vielleicht sieht man sich später nochmal in den Heißquellen.“
    Mit großen Schritten stapfte er davon, wir beide schauten ihm verblüfft hinterher und ich fragte mich, was das gerade sollte. Aber Hal nahm mir bereits die Worte aus dem Mund: „Was will der denn von dir?“
    „Frag' nicht weiter nach“, erwiderte ich und winkte ihm ab. „Ich bringe noch schnell meinen Kommunikator zurück und dann gehen wir los.“
    „Aber diesmal keine weiteren Reparaturen.“
    Ein kurzes Küsschen auf die Lippen und wir liefen schnell los, um uns anschließend vor unserer Tür zu treffen. Als wir endlich in der Schwimmhalle waren, wurde ich regelrecht erschlagen von der Größe dieser Anlage. Drei Becken gab es hier, vier Heißquellen, zwei Rutschen und eine große Gemeinschaftssauna. Allerhand zu erleben und zu erkunden. Hals strahlende Augen gaben mir die Gewissheit, dass mein Einfall, hier herzukommen, grandios war. Sogar schon, ohne irgendetwas hier gemeinsam genutzt zu haben.
    Fest umklammerte sie meine Hand und schaute mich verschmitzt an. „Was wollen wir zuerst machen?“
    Ich zeigte rüber zum ersten Becken und den Plexiglasröhren. „Das sieht gemütlich aus.“
    Zustimmend stampfte sie los und zerrte mich hinterher. Richtig energisch war sie und beschleunigte ihre Schritte etwas. Rennen war hier verboten, darauf wies ich sie auch hin. Andererseits riefen die hart aufstampfenden Schritte einen erotischen Hüftschwung bei ihr hervor. Ein schöner Anblick, den ich nur zu gerne länger erlebt hätte.
    „Schnell, Sam! Die Röhre ist gerade frei!“ Mit einer grazilen Drehung, löste sie sich von mir, schwang sich um das Geländer und huschte ins spritzige Nass. Kaum war sie drin, tauchte sie unter und hangelte sich weiter an der Geländerstange hinab. Nur noch eine verschwommene Silhouette war sie, so tief unten, fast den Boden berührend.
    Ich ließ mir dagegen Zeit mit dem Einstieg. War ich generell kein guter Schwimmer und noch schlechterer Taucher. Außerdem ohne Kiemen sehr kontraproduktiv.
    Angenehm warm war es, als ich den ersten Fuß hineinwagte. Nicht so heiß wie die Duschen und nicht so eisig wie die Algenbecken.
    Als ich bis zur Brust im Wasser war, wagte ich einen Rundblick. Viele Besucher waren hier, vorrangig Chima und Halbchima. Ich kam wir vor wie ein Leckerbissen im Haibecken. Von allen Seiten umzingelt von Fischköpfen.
    Nun, wie sah es hier eigentlich aus? Ganz simpel, vom Prinzip her. Dennoch sehr künstlerisch und verspielt gestaltet. Es war ein großes gekacheltes Becken, an die zwanzig Meter tief und gute zweihundert Meter im Quadrat. An den Rändern befanden sich Einstiegsleitern ohne Stufen, die bis zum Grund reichten. Also man hielt sich fest, sprang rein, tauchte idealerweise unter und stieß sich weg.
    Knappe drei Meter vom Beckenrand weg begann eine Art Plexiglasdeckel, der sich über das restliche Becken spannte. Außen noch zwei Meter über dem Wasser und zur Mitte hin immer niedriger werdend, bis es direkt auf der Oberfläche war. Dort war man gezwungen, zu tauchen. Kurz, bevor dieser Übergang kam, waren stellenweise Plexiglasröhren eingearbeitet, mehrere untereinander. Diese ermöglichten ein Durchschwimmen in die anderen beiden großen Becken. Je nach körperlicher Verfassung und Partnerschaft konnte man sich für eine Röhre entscheiden. An sich waren alle frei zugänglich. Nur müsste ich für die unterste meinen Atem sehr lange anhalten, bestenfalls sogar ausatmen.

    Ich wagte es und tauchte unter, ließ mich vom Wasser komplett bedecken und hangelte mich etwas hinab, bis ich plötzlich auf einen Widerstand stieß. Dieser ließ mich zusammenzucken und krampfhaft vom Geländer. Etwas trieb ich so umher, ließ die ganze Zeit über die Augen geschlossen und blendete die dumpfe Geräuschkulisse um mich aus.
    Ehe ich mich versah, ich hätte es ahnen müssen, kam der Kopfschmerz wieder. Ruckartig presste ich die Luft aus den Lungen und begann wild zu strampeln. Der Atemreflex setzte kurzzeitig ein und mein Mund füllte sich mit Wasser.
    Dann ergriff mich eine Hand am Bein, welche mich etwas hinabzog. Dabei tastete sich die Person an mir hoch und umklammerte mich sanft. Instinktiv griffen meine Hände um den Körper und unsere Lippen berührten sich. Es war Hal, die versuchte, mir Luft zu spenden. Ein kontinuierlicher, leichter Luftstrom durchflutete meine Lungen und presste zeitgleich das Wasser aus meinen dicken Backen.
    Das Berühren ihrer sanften Haut beruhigte mich. Und als sie mir noch leicht in den Hintern kniff, wusste ich einfach, dass es mir nur gut ergehen konnte. Sie nutzte die Gelegenheit offenbar aus, um mich gleichzeitig vor dem Ertrinken zu bewahren und zu küssen. Gleichsam genoss ich das heftige Saugen ihrer Lippen an meinen und das sinnliche Streichen ihrer Fingerkuppen über meine Wirbelsäule.
    Langsam stiegen wir wieder auf, umarmten uns immer fester und küssten uns noch intensiver. Bis unsere Köpfe wieder aus dem Wasser ragten. Dann distanzierte ich mich etwas von ihr und blickte beschämt auf die Wasseroberfläche. Die Aussicht war schön, ihr prall gefülltes Oberteil lud mich zum Bewundern ein. Und die Gummibänder wollten regelrecht von meinen Fingern aufgewickelt werden.
    Es war mir peinlich.
    Die ganze Situation an sich bekümmerte mich. Ich, hier mit Hal. Ihr atemberaubender Körper, der mir fast eine erneute Atemnot bescherte, und das Gefühl, ihr zu nahe zu kommen. Uns trennte nur der dünne Stoff von wenigen Millimetern vor der absoluten Nacktheit. Das machte mich fertig, weil ich mich so sehr danach sehnte. Aber hier wirkte es so falsch.
    Resignierend blickte sie auf mich. „Sam, es tut mir leid.“
    „Nein, das muss es dir nicht.“
    „Ich wollte dich nicht erschrecken, als du abgetau...“
    „Es war nicht deine Schuld. Um ehrlich zu sein, kamst du gerade recht. Lass es uns vergessen und etwas schwimmen.“
    Sie nickte und suchte Halt am Beckenrand. Dann kehrte sie ihm den Rücken zu, hielt sich mit den Händen fest und stemmte sich etwas aus dem Wasser. „Los, komm her. Wir schwimmen um die Wette!“
    Skeptisch beäugte ich ihre Akrobatik. „Du bist doch eh im Vorteil als Halbchima.“
    Augenrollend erwiderte sie: „Sei nicht so verkrampft, Sam!“
    „Ich bin nicht verkrampft... Gut, ja...“ Ich positionierte mich neben ihr in gleicher Pose und riskierte einen flüchtigen Blick zu ihr rüber. „Und bis wohin sollen wir schwimmen?“
    „Äh..?“ Nachdenklich kräuselte sie die Lippen und wippte mit dem Körper von links nach rechts, bis sie plötzlich zu mir rumfuhr und mit breitem Grinsen sagte: „Bis zur Röhre und durch sie hindurch, und der Verlierer muss den Gewinner küssen!“

  • [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 8 ]

    Erstaunt plauzte ich heraus: „Und wo ist das ein Nachteil für den Verlierer?“
    „Tja, Sam! Der Gewinner, was natürlich ich sein werde, bestimmt, wo er geküsst werden will.“
    „Ach, du denkst also wirklich, du gewinnst?“ Kaum gesagt, stieß ich mich kräftig ab, schwamm los und rief: „Dann mal los!“
    Es mochte vielleicht unfair gewirkt haben, doch schon nach wenigen Metern hatte sie mich eingeholt und folglich überholt. Flink wie ein Delfin und ebenso schön schwamm sie an mir vorbei, die Arme wie Propeller kreisend und mit den Füßen wedelnd.
    „Wenn wir schon einander bescheißen, dann aber richtig!“, rief sie mir frech nach und tauchte ab. Ich versuchte sie visuell zu verfolgen, sie war unfassbar schnell! Gleich einem Torpedo schnitt sie durchs Wasser, legte die Arme fest an und ging in Wellenbewegungen über.
    Ich gab auf, mir war das zu anstrengend. Zu offensichtlich war der Ausgang dieses Rennens. Da genoss ich doch lieber die Ruhe und machte nun extra langsam. Ich musste nichts beweisen, was ich biologisch schon nicht konnte.
    Nichtmal die Hälfte hatte ich geschafft, da tauchte sie schon wieder auf und erreichte bereits die Röhre. Sie blieb stehen, schmiegte sich an die runde Plexiglaswand und stemmte die Hände in die Hüfte.
    So verharrte sie, bis ich ihr nahe genug war, um ihre liebliche Stimme zu vernehmen. Mit starkem Widerhall vibrierten die Geräusche hier, wo das Glas nur noch einen Meter über dem Wasser ragte. Das Getuschel und Planschen der vielen anderen Leute hier machte eine Konversation auf normalem Pegel schier unmöglich.
    So hörte ich auch nur abgehackt ihre Worte heraus: „D... m...chst e...tra langs... um ... Kuss a...uweichen!“
    „Das stimmt gar nicht“, murmelte ich und schwamm schneller. „Du hast eh gewonnen, also brauchen wir nicht weitermachen.“
    Sie beachtete es nicht und schwamm weiter. Einfach nur herrlich...

    Die Röhre. Ich hätte nicht gedacht, dass es so faszinierend sein würde. Das dezente Neongelb der nahezu spiegelglatten Oberfläche bildete eine vage Grenze zwischen der surrealen Welt hier drinnen und Wirklichkeit außerhalb. Plastisch wirkten die Personen, betrachtet durch das vibrierende Wasser und verzerrendem Kunststoffglas. Ich fühlte mich wie ein Astronaut, die vorbei schwimmenden Chima wie unendliche Weiten des Alls betrachtend. Und der blecherne Klang des Echos, der sich wellenförmig durch den Tunnel bewegte. Hörte sich so Meeresrauschen an?
    Ich fühlte mich frei von Angst. Als wäre ich im Delirium. Das Kribbeln des Wassers, in kleinen Perlen meinen Handrücken benetzend, kitzelte mich durch und ließ mich kurz in leichte Erregung verfallen.
    Und hätte ich es nicht bereits geahnt, kam Hal dazu und quetschte sich zwischen mich und das Glas. Sich verlegen auf die Lippe beißend, legte sie ihre Hände um meinen Hals und starrte mir in die Augen. Ich war hingerissen von ihrem Anblick. Fast verlor ich den Halt und wäre auf sie gerutscht, doch ich konnte mich nochmal abfangen.
    „Ich hab gewonnen“, flüsterte sie mit laszivem Unterton. „Du weißt, was das bedeutet?“
    „Ich muss dich küssen?“
    Sie nickte. „Und ich sage, du sollst mich auf den Bauchnabel küssen.“
    Da stockte mir der Atem. „Wohin? Ich meine... Bist du dir sicher?“
    „Wette ist Wette, Sam. Sei froh, dass ich nicht noch tiefer verlangt habe...“
    „Was?“ Und nun rutschte ich wirklich ab und riss sie gleich mit ins Wasser. Laut platschte es, Blasen stiegen auf und meine Finger krallten sich instinktiv an den nächstbesten Gegenstand. In diesem Fall ihr Höschen. Zum Glück hielten die Gummibänder es straff genug, um ein Malheur zu verhindern.
    Der Bund schnippte zurück und ließ sie aufschrecken.
    Es folgte beherztes Lachen ihrerseits, und ihre Hände schnellten ins Wasser, um mich zu erhaschen und wieder aufzurichten. Während ich noch die Nase schniefte und das Wasser aus den Ohren pulte, lachte sie immer frecher und lauter.
    „Sam, du bist genauso tollpatschig wie ich, wenn du verlegen wirst...“
    „Nein, bin ich nicht!“, protestierte ich gespielt mürrisch und legte Hand an. Dann beugte ich mich hinunter und küsste sie auf den Bauchnabel. „So, wie du es verlangt hast. Zufrieden?“
    „Ich bin nicht ganz unzufrieden, würde ich mal sagen.“ Und wieder grinste sie mich an. „Ich mache nur Spaß. Es genügt so.“

    Nach weiterem Necken und Küssen, beschlossen wir, uns zu den Heißquellen zu begeben. Etwas Entspannung würde uns beiden bestimmt gut tun. Ich spürte einfach, wie sich in meiner Hose nach dieser neckischen Aktion etwas regte und wollte dieses Gefühl schnellstens loswerden. Schließlich waren hier Kinder mit an Bord und ich fühlte mich schon etwas beobachtet. Davon angesehen, wurde uns trotzdem etwas kalt.
    Ich ließ sie wieder meine Hand führen, um durchweg ihren schönen Körper bewundern zu können. Wenn ich schon solch eine fantastische Halbchima als Freundin hatte, dann musste ich auch diese Vorzüge auskosten.
    Und hätte ich es nicht bereits geahnt, trafen wir in den Heißquellen den Chima von vorhin an. Er sah mich auch und nach einem kurzen Augenkontakt winkte er uns beide heran. Eigentlich wollten wir eine der anderen Quellen nehmen, aber einem Fischkopf sollte man lieber keine Einladung abschlagen. Nach kurzem Zögern, wobei das Ergebnis schon von Beginn an feststand, kamen wir seiner Aufforderung nach und machten es uns neben ihm gemütlich. Nun ja, sofern man in einem gnadenlos überfüllten Wasserbecken von Gemütlichkeit sprechen konnte.
    Er selbst war auch nicht allein, er hatte eine Blauchima an seiner Seite, die ebenfalls Medizinerin war. Mir war dabei sehr unwohl. Ich wusste einfach nicht, was ich hier sollte. Bei Hal war das eine andere Sache, da sie Halbchima ist.
    Keine Ahnung, wieso und warum, aber irgendwie war der Knoten sofort gelöst und wir reichten uns prompt die Hände zur Begrüßung. Einen sehr kräftigen Händedruck hatten sie beide, als Medizinier recht untypsich, als Chima dagegen Standard.
    „Ich bin Xul Torros und das ist meine Frau Phi Torros.“
    „Freut mich, euch kennenzulernen“, ertönte ihre erstauntlich hohe Stimme, in einer Freundlichkeit, die ich von Chima nur selten gewohnt war. Das ließ mich für einen kurzen Moment an deren Klischee zweifeln. Ein schneller Blick zu Hal und mir war klar, dass sie ebenso überrascht war.
    Ich versuchte es zu verdrängen und stellte uns beide ebenso freundlich vor: „Ich bin Samuel Ennirate und das ist meine Partnerin Hal Mellins Koleskikow.“
    Kaum hatte ich ihren vollen Namen ausgesprochen, veränderten sich die Gesichter der Chima ins Erstaunte. Mit großen Augen starrten sie uns und dann sich gegenseitig an. Ihre Münder standen leicht offen, darausfolgend bildete sich leichter Blubberschaum in deren Mundwinkeln, der ihnen zähflüssig hinausquoll.
    Ich konnte es mal wieder nur schwer deuten. Doch sie klärten die Situation auf. „Bist du die Hal Mellins Kolesnikow von dem Video? Die von Slevin?“
    Da musste ich kräftig schlucken. Trotz so vieler Wochen, war sie immer noch in dieser Sache bekannt? Also ich freute mich natürlich für sie, dass sie immer noch als kleine Berühmtheit zählte. Aber andererseits machte es mich traurig, dass man sie nur in dieser Verbindung kannte. Denn sie war weitaus mehr als nur die Tochter einer Revolutionärin und Hochrangigen, welche in gewissen Beziehungen das Herz am rechten Fleck trug.
    „Ja...“, stammte Hal heraus und rieb sich verlegen über den Nacken, „ich bin diese Hal Mellins, von der ihr sprecht...“
    „Echt jetzt?“, erwiderten sie immer erstaunter und wurden langsam hibbelig. „Du willst uns doch jetzt veralbern, oder?“ „Nein, das kannst du nicht sein!“
    Hal linste zu mir, aber ich schmollte auch nur leicht. Mich verblüffte das einfach, auf Anhieb ein Gesprächthema gefunden zu haben, welches dazu auch noch so kontrovers war. „Ja, ich bin wirklich diese Person. Ihr könnt das ruhig glauben.“
    „Ich fage mich gerade“, warf ich ein, „woher ihr überhaupt davon wisst.“
    „Wie ist das gemeint?“, hinterfragte Xul. „Natürlich von dem Video. Haben wir doch gerade gesagt. Die Frage ist eher, wie Hal an dich kommt.“
    „Ja, mein Mann hat recht. Du bist ein Mensch und trotzdem liebt ihr euch? Also ich dachte die ganze Zeit über, Hal wäre mit einem Chima zusammen. Slay scheint ja laut dem Veröffentlichten sehr streng zu sein... Bitte nicht falsch verstehen. Ich finde es gut, dass mal eine Chima die Ansagen macht...“
    „Alles in Ordnung“, bestätigte Hal kopfnickend und brachte ihnen ein freundliches Lächeln entgegen. „Sam ist wirklich mein Partner. Und er ist absolut nicht wie die meisten Menschen.“ Ein sanftes Streicheln meines Rücken folgte, welches ich mit einem sofortigen Einhaken erwiderte.
    Nach einem verliebten Blick in unsere Augen, fuhr sie fort: „Sam hat sich schon oft für mich eingesetzt und liebt mich wirklich für meine Gene.“
    „Tut mir leid“, entgegnete Phi abwinkend, „aber das kann ich nicht so recht glauben.“
    „Oh doch, das kannst du ruhig glauben. Sam und ich lieben uns. Gut, es war keine Liebe auf dem ersten Blick...“
    „Aber mit der Zeit“, führte ich ihren Gedanken fort, „lernten wir uns zu arrangieren und näherten uns nicht nur gedanklich sondern auch körperlich an.“
    „Also um das jetzt klarzustellen“, meinte Xul und holte tief Luft. „Ihr beide seid ein richtiges Paar und liebt euch auch wirklich. Ihr arbeitet auch zusammen und teilt euch ein Quartier.“
    Durchgängiges Nicken unserer Seite.
    „Und ihr habt auch chimae Freunde. Und Samuel kommt damit vollkommen klar?“
    Wieder nickten wir.
    Dann streckte er mir erneut die Hand aus und setzte ein breites, überfreundlich wirkendes Grinsen auf. Ich war leicht irritiert, zögerte einen Moment und wartete weitere Reaktionen von ihm ab. Aber er war nur am Grinsen und schien ebenso auf weitere Reaktionen meinerseits zu warten.
    Hal und Phi starrten uns gleichermaßen mit großen Augen an, wirkten ebenso verwundert, wie ich es war.
    Doch dann ergriff ich Xuls Hand zum erneuten Mal und er drückte und schüttelte sie kräftig. „Dann sind wir jetzt weitere chimae Freunde von euch!“

  • [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 9 ]

    Okay...
    Wer auch immer dies verstehen sollte, er sollte es mir auch mal erklären.
    Wie nett, dass dies dann wieder durch ihn selbst geschah. „Um ehrlich zu sein, haben wir extra wegen des Videos nach dieser Sache recherchiert. Leider kamen wir nicht weit, weil irgendwie alles Wichtige gesperrt war. Gesetzliche Sicherheit und Personenschutz.“
    „Ja, das kann möglich sein“, bestätigte Hal, schien es selbst noch nicht geglaubt zu haben, was hier gerade passierte. „Meine Mutter ist Majorin und auch privat sehr autoritär. Sie hat vieles von sich sperren lassen, weil sie unter den Menschen immer noch viele Feinde hat.“
    Dann hielt sie ihren Mund verdeckt und nuschelte: „Aber das habt ihr nicht von mir.“
    Da mussten wir alle so herzlich lachen. Sogar mir war das Lachen erlaubt über eine hochrangige Chima, was ich vor einigen Minuten nicht mal zu träumen wagte.

    Was folgte, waren ausschweifende Diskussionen über uns und diesen Vorfall mit Slevin. Wie wir uns kennengelernt haben, was wir an unserem ersten gemeinsamen Tag gemacht haben und wie ich einen Reaktor unfall nur knapp überlebt habe.
    Mit meiner Therapie fanden wir dann Anschluss an deren Arbeit als Mediziner. Phi war sogar direkt darauf spezialisiert und Xul war Chirurg. Aber trotz seiner schweren Arbeit, hatte er weitestgehend auch nur neun Stunden Arbeit am Tag. Über deren Beziehung und Arbeit unterhielten uns auch. Zwar gab ich meinen Unmut den Medizinern gegenüber nicht kund, aber sie merkten, dass ich lieber unter schwarz Tragenden blieb.
    Mit der Hunderttägigen waren wir uns aber alle einig, dass die nervig ist und in vielerlei Hinsicht überflüssig erscheint.

    So verging die Zeit rasend schnell, wir gingen zusammen schwimmen, rutschen und uns entspannen. Nur in die Sauna wollten wir nicht, da es für uns beide unangenehm war, uns den anderen komplett nackt zu zeigen. Das wollten wir uns doch lieber für unser Quartier aufheben.
    Anschließend verabschiedeten wir uns von ihnen, tauschten aber die Kontaktdaten aus und machten uns auf den Weg zu unseren nächsten Termin. Ein leckeres Abendessen, mit viel Salat, Obst und Gemüse. Ich bestellte ein Drei-Gänge-Menü. Als Vorspeise eine Kürbissuppe mit Süßkartoffelkroketten und einen kleinen Gromissalat.
    Während wir gerade beim Essen waren, ich Hal mit Freuden zuschaute, wie sie sich wieder den Salat in ihren zuckersüßen Mund stopfte, klingelte mein Kommunikator. Was das wohl sein konnte? Oh wie unerwartet.
    Nicht.
    „Eine Nachricht von Emilie.“
    „Schon wieder?“, stöhnte Hal auf und ließ den Kopf in Richtung Teller sinken.
    „Ja, schon wieder“, entgegnete ich augenrollend und ebenso leicht genervt von Emilie. Aber was sollte ich dagegen machen? Wir hatten uns dafür entschieden, also mussten wir nun da durch.
    „Ich finde es auch immer erstaunlich, dass sie es immer schafft, uns anzuschreiben, wenn wir gerade keine Lust darauf haben.“
    „Das stimmt“, bestätigte sie nickend. „Wenigstens schreibt sie uns jetzt und nicht nachher, wenn wir im Bett sind.“
    „Oh ja. Beim Schlafen will ich noch weniger gestört werden.“
    „Sam!“, meinte sie nun augenrollend und grinste mich frech an. „Ich meine die andere Sache im Bett.“
    Kurz überlegte ich, dann schnaufte ich tief und winkte ihr ab. „Wir werden sehen, wie es uns beiden nachher geht. Vielleicht habe ich wieder heftige Kopfschmerzen.“
    „Das sagst du in letzter Zeit ziemlich oft, Sam.“
    „Weil es so ist. Ich finde es auch nicht angenehm, fast jede Stunde einen Brechreiz zu verspüren.“
    „Mir kommt das aber fast so vor, als würdest du nur simulieren, um nicht Zeit mit mir verbringen zu müssen...“
    „Müssen wir das wieder jetzt“, meine Hände deuteten auf das leckere Essen und das Lokal, „ausdiskutieren?“
    Sie senkte beschämt den Kopf und stocherte mit der Gabel im Salat herum, um sie anschließend mit dem Satz „Es ist nur verwunderlich, dass es seit Slays Unfall so ist.“ in den Mund zu stopfen.
    Mitfühlend stöhnte ich, legte den Kommunikator auf den Tisch zwischen uns beide und öffnete die Datei. Mal sehen, was Emilie uns so Wichtiges mitzuteilen hatte. Es waren wieder Bilder und ein kurzer Text dazu. Asteroidenbilder, diesmal etwas schärfer und kontrastreicher.

    # Das erste Bild der Asteroidenoberfläche. #

    Spoiler anzeigen


    Viel konnte ich nicht erkennen, was mich jetzt sonderlich überrascht hätte. Halt ein großer Steinklumpen, mit relativ unebener Oberfläche und vielen Kanten. Doch schrieb Emilie zu dem einen Bild noch einen weiteren Text. Es war mehr eine persönlich Meinung von ihr als eine wissenschaftliche Anmerkung.

    # Ihr könnt sagen, was ihr wollt. Ich sehe dort eindeutig Metallstangen und Antennen! #

    Schon allein der Satz entlockte uns beiden ein Schmunzeln, ohne auch nur das Bild dazu gesehen zu haben. Und bei dem Bild mussten wir dann richtig grinsen. Für mich sah das ganz normal aus, nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Gut, da waren schon so merkwürdige Spitzen und vulkanartige Gebilde zu sehen. Aber für mich sah das natürlich aus.
    „Emilie hat echt Fantasie“, meinte Hal trocken und begoss dies zugleich mit einem Schluck Wasser. „Die sollte sich weniger Gedanken um diesen Felsbrocken machen und sich endlich einen Freund suchen, der sie mal von der Arbeit ablenkt.“
    Da musste ich so heftig lachen, dass mir glatt der zerkaute Salat aus dem Mund fiel. Geradeso konnte ich ihn noch mit den Fingerspitzen abfangen. „Da sprichst du wahre Worte, Hal.“
    „Aber echt! Wir sehen den doch eh in ein paar Tagen mit den eigenen Augen. Soll er doch einfach kommen und fertig.“
    Mit diesen Worten beendeten wir die Diskussion darüber und widmeten uns ausschließlich dem Essen. Meinen Kommunikator stellte ich aus und ich schlug ein neues, anregenders Thema an. So genossen wir dann die restliche Zeit im Restaurant und danach.

  • [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 10 ]

    [ 6020 n. Chr. Tag 113 Helios III ]

    Ein schrecklicher Tag war heute mal wieder! Schweißgebadet wachte ich auf, mit den Gedanken immer noch fest im Traum gefangen. Wieder träumte ich von Chu. Und wieder verführte sie mich. Und abermals konnte ich mich nicht wehren.
    Von Hal und diesem mechanischen Wesen träumte ich auch, aber diesmal nicht so intensiv. Dafür bescherte mir das rasche Aufwachen enorme Kopfschmerzen. Beruhend auf der Tatsache, dass ich ihn mir wie Hal einst am Bettgestell angestoßen hatte. Nur ich schrie nicht so laut, weil ich noch voll im Delirium steckte.

    Nun saßen wir wieder in der Kantine beisammen und diskutierten über Dieses und Jenes. Ernüchtert stocherte ich in meinem Salat herum und lauschte dem Gespräch zwischen Hiar und Valery. Sie redeten wieder über Diao und sein Benehmen. Ich wollte mich nicht einmischen, sondern nur ihre Denkweisen erfahren. Zwar interessierte mich dieses Thema an sich nicht, aber über den Krieg wollte ich noch weniger reden. Hal war immer noch etwas angespannt, was ihre Mutter betraf.
    Die letzten Tage waren generell mies. Zwischen Hal und mir lief es wieder mal schleppend, wenn wir uns überhaupt noch annähern wollten. Es lag nicht an ihr. Es waren die Träume und Ereignisse, die mir langsam die Kraft raubten. Ich setzte mich zu sehr unter Druck und wollte es jedem recht machen, da kam mein Privatleben zu kurz. Solche Gefühlsschwankungen, wie Hal sie hatte, kannte ich bisher nur von Berichten werdender Mütter.
    Aber am meisten nervte mich Chu. Dass sie mich nun auch in meinen Träumen zu verfolgten drohte, beunruhigte mich sehr. Ich glaubte langsam, ich würde verrückt. Noch keiner wusste davon, ich wollte es auch vorerst noch für mich behalten. Es war bestimmt nur eine Phase und Chu hatte gar nichts damit zu tun.
    Und wenn ich nun noch an den bevorstehenden Meteoritenschauer dachte, explodierte mir nahezu der Kopf.
    Kaum verschwendete ich einen Gedanken daran, hörte ich jemanden meinen Namen rufen. „Samuel Ennirate? Kennt ihr einen Samuel Ennirate?“
    Dann wurde ich angerempelt. „Sam, du wirst verlangt!“, sprach Valery und stieß ihren Ellenbogen erneut in meine Rippen.
    Ich schreckte auf, blickte nach rechts zu Hal und dann folgte ich ihren starren Augen geradeaus. Zu Kror hinüber, hinter dem eine junge Frau stand.
    „Samuel Ennirate?“, fragte sie mit strenger Miene. Ihren Kommunikator fest an sich gepresst, neigte sie leicht den Kopf zur Seite und rümpfte die Nase.
    Ich musterte ihr Antlitz. Pinke Haare, neonleuchtendes, hautenges Oberteil und heidelbeerblaue Lippen. Die Augen wiesen dezent schwarze Umrandungen auf, wie auch gelblichen Lidstrich. Sie war gerade so groß, dass ihr Kopf knapp über Krors ragte. Sofern ich das beurteilen konnte, hatte sie sehr angenehm, weibliche Rundungen.
    „Samuel Ennirate?“, rief sie erneut nach mir und ließ es in einem entnervten Stöhnen ausklingen.
    Ich war geschockt! Die Stimme kannte ich zu gut. Das leicht Raue darin, mit dieser Prise... Sex! Sehr einnehmend und sündig.
    Ich traute mich kaum, ihren Namen auf die Lippen zu nehmen, aber ich musste es wissen. „Emilie Blaze?“
    Ihre Reaktion war eindeutig. Provokant verdrehte sie die Augen und maulte: „Natürlich bin ich es, wer sonst?!“
    „Aber wie ist das möglich?“
    Die Blicke der anderen waren Gold wert. Erstaunt, teils geschockt glotzten sie mich an und Hiar begann spontan zu grinsen. Mit leisem Summen zischte sie: „Du kennst auch nur Frauen, oder wie?“
    Dann kam Emilie auf mich zu und begutachtete meine Kolleginnen ganz genau. Sah sie vielleicht Konkurrenz, wo keine war? Schnippisch gab sie sich zumindest mit ihrer gleichgültigen Hochnäsigkeit und dem arroganten Blick in meine Richtung. Hal blieb stumm und lächelte sie nur freundlich an. Doch die Protokollantin erwiderte es nicht. Sie behielt den neutralen Blick und stapfte weiter um den Tisch herum. Dass ich mich von ihr eingeschüchtert fühlte, war zu offensichtlich. Es herrschte eine gewisse Kühle und Anspannung in der Luft.
    Und dann reckte sie mir ihren Kommunikator entgegen. Die zarten Hände mit den noch sanfteren Fingern, die ihr Gerät umklammerten, verziert mit violetten Fingernägeln und spektral schimmernden Ringen am Daumen, ließen mich glatt wieder in Gedanken versinken. Und sie duftete so betörend nach Minze. Ich fragte mich, wieso sie sich so darstellte. Sie wirkte optisch ganz anders als der Rest. Aber wäre es unhöflich, sie direkt darauf anzusprechen.

    „Ich brauche euren Tagesbericht“, meinte sie und tippte auf meinen Kommunikator. „Wenn morgen der Schauer kommt, ist das Radar gestört. Darum will ich all meine Klienten persönlich aufsuchen.“
    Da stutzte ich und musste erstmal kräftig schlucken. „Was willst du?“
    „Schicke mir den Bericht und ich bin wieder weg.“
    „Moment!“ Ich sendete ihn ihr nicht. Noch nicht. „Habe ich das jetzt richtig verstanden? Du willst die ganze Helios abklappern, nur wegen der Berichte?“
    „Spreche ich velitisch, oder wie?!“, maulte sie gespielt aufbrausend.
    „Nein, alles in Ordnung.“ Mensch, war die vielleicht anstrengend...
    Hal lenkte spontan ein: „Zuerst müssen wir dich mal ordentlich begrüßen!“
    Ein erwartungsvoller Blick folgte in die Runde. „Oder findet ihr nicht auch?“
    Sie glotzten nur dumm oder zuckten mit den Schultern.
    „Immerhin machst du dir solche Mühe, auf der gesamten Helios herumzureisen, um deine Arbeit gewissenhaft auszuführen...“
    „Ich komme von der ersten Arche!“, stöhnte Emilie dann meine Freundin an und packte hart mein Handgelenk, um es auf meinen Kommunikator zu pressen. „Und wenn Sam mir nicht sofort den Bericht überreichst, werde ich außerordentliche Maßnahmen einleiten müssen!“
    „Echt jetzt?“, erwiderte ich mit Kopfschütteln und übersendete ihn. „Willst du nicht noch einen Moment hier bleiben? Vielleicht mit uns essen oder so?“
    „Ich habe bereits vor zwölf Stunden gegessen. Außerdem bin ich in Zeitnot.“ Kaum hatte sie ihn, machte sie kehrt und wollte wieder gehen. Instinktiv griff ich ihr ans Oberteil und hielt sie fest. Keine Ahnung, was mich dazu bewegt hatte, aber irgendwie fühlte es sich richtig an. Auch wenn Hals Blick dabei echt unschön war.
    Mit Murren blickte Emilie zurück und versuchte vorsichtig meine Hand von sich zu entfernen.
    Ich ließ sie nicht und zog provokativ immer mehr am Stoff. „Ich will nicht, dass du schon wieder gehst, nachdem wir uns so unspektakulär getroffen haben.“
    „Du bist echt ein Freak, weißt du das?“
    Und das energische Nicken Hiars bestätigte Emilies Aussage genug.
    Tief schnaufend erbarmte sie sich und stützte sich hart auf meinen Schultern ab.
    „Dann erzählt mal etwas über euch. Wer ist denn zum Beispiel Diao?“
    Großes Schweigen.
    Während sie auf eine Antwort wartete, knetete sie immer härter meine Schultern mit ihren Ellenbogen. Auch nach einer knappen Minute kam noch keine Antwort.
    „Entschuldigt, dass ich so direkt gefragt habe. Ich nehme an, Diao ist ein Nó, dem Namen nach zu urteilen. Wobei euer Schweigen diesbezüglich es mehr verraten hatte.“
    Und wieder schwiegen sie. Bis Hal an der sich aufgetürmten Bergspitze der peinlichen Momente den Mund aufmachte und willkürlich wirkende Worte heraus polterten: „Reisbällchen mit Rhabarberkompott vielleicht?“
    Dann reckte die Gabel mit benannten Objekt an den Zinken steckend vor meinem Gesicht in die Höhe und wurde zugleich mit raffinierter Grazie von Emilies Fingern abgezupft.
    „In diesem Sinne verabschiede ich mich von euch Langweilern. Wenigstens sind Samuel und Hal verrückt genug, um diese Runde mit genügend Leben zu erfüllen.“

  • [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 11 ]

    [ 6020 n. Chr. Tag 115 Helios III ]

    ...Schock ergriff mich. Wie ein Kraken seine Beute umschlingend, ergriffen ihre Arme und Beine mich. Es ging so schnell! Ich lag unter ihr und sie schmiegste sich eng an mich. Keine Ahnung, wie das geschehen konnte. Plötzlich war es passiert. Trotz der Tatsache, dass sie es war, in die ich gerade eindrang, war es ein sehr bewegendes Gefühl. Die Gedanken schwebten dahin, befreiten mich von meinem Körper und schickten mich auf eine Reise ohne ersehnte Wiederkehr. Doch zu welchem Preis?
    Sie wurde immer aggressiver und energischer! Sie ließ mir keine Chance zur Erholung. Meine Stimmer versagte, irgendwie fühlte sich mein Mund steif an. Er war verkrampft. Ihr Anblick raubte mir den Atem. Erst jetzt, am Höhepunkt des Geschehens, bemerkte ich meinen Fehler. Doch es schien bereits zu spät zu sein. Je länger sie auf mir lag und nach Befriedigung suchte, umso mehr ekelte ich mich vor ihr. Ich schämte mich, dies zugelassen zu haben.
    Sie lehnte ihre Wange an meine und strich mir sanft über den Hals. Ich wollte mich wehren, aber irgendwie waren meine Hände gelähmt. Schwer wie Blei ruhten sie neben meinen Schenkeln, kaum dass ich die Finger bewegen konnte.
    Dann hörte ich ihre verstörende Stimme in meinem Kopf sagen: „Ich hasse dich!“
    Was dann folgte, war absolut surreal. Ein Hämmern und Dröhnen umhüllte mich. Sie schien mich zu umschlingen und meine Gedanken aufzulösen. Es fühlte sich falsch an. Als würde jemand meine Sinne vertauschen. Was zuvor oben war, befand sich nun unter mir. Und Chu war nun ich, wie auch ich nun in ihrem Körper steckte und ihre Empfindungen vernahm.
    Immer wieder hörte und sagte ich: „Ich hasse dich! Ich will dich nie wieder sehen!“
    Es bereitete mir unfassbare Kopfschmerzen. Ich fürchtete mich vor mir selbst. Das Hämmern wurde immer lauter und intensiver.
    Angewidert von mir selbst, Chu in meine Gedanken reingelassen zu haben, schloss ich die Augen und sah plötzlich dieses mechanische Wesen vor mir. Diese abscheuliche Gestalt, mit vernarbter Haut und entstellten Gesichtszügen. Die fixen Augen, welche eine so erdrückende Kälte ausstrahlten, dass sie mein innerstes Gemüt erfrieren ließen.
    Einen Wimpernschlag später verwandelte sich dieses Ding in Hal. Sie hockte vor meinem Bett und rüttelte an mir...

    Unfassbar, dass es wieder nur ein Traum war....
    An sich war es offensichtlich, da es für die Realität zu absurd war. Andererseits fragte ich mich in dem Moment, während ich noch im Halbschlaf döste, ob ich Hal auch nur träumte.

    „Sam, ich habe Angst“, flüsterte sie mit panischem Gesicht. Immer wieder zuckte sie zusammen und blickte furchtsam durch den Raum. Das Scheppern kam näher, bis es mich gänzlich wach machte.
    „Beschütze mich“, presste sie leise aus ihren zittrigen Lippen heraus. Die Wangen waren verdunkelt, ihr restliches Gesicht dagegen unnatürlich blass.
    Dann spürte ich es deutlich, das Vibrieren des Bettes, beim erneuten Aufschlag des klopfenden Gegenstandes. Es waren Meteoriten, die gegen die Außenhülle prallten. Der Schauer hatte uns erreicht.

    Sofort reagierte ich auf sie und richtete mich etwas auf. Sie krallte ihre Finger weiterhin in meinen Pyjama und starrte mich panisch an.
    „Beruhige dich wieder.“ Mit geöffneten Armen empfing ich sie und ließ sie neben mir Platz nehmen. Helios sei dank, war dies nun die Realität. Instinktiv warf ich meine Arme um ihren Brustkorb und ergötzte mich an der wohligen Wärme ihres zittrigen Körpers.
    „Uns kann nichts passieren, das habe ich dir doch versprochen.“ Tröstend strich ich ihr über den Rücken und rieb mein Ohr an ihres, während ihr hektisches Atmen langsam herunterfuhr.
    „Aber das ist so laut. Und dieses ständige Säuseln macht mir Angst!“
    „Säuseln?“, fragte ich verwundert. „Welches Säuseln meinst du? Habe ich im Schlaf geredet?“
    „Höre doch mal richtig hin. Dieses Rauschen im Hintergrund.“
    Ich hörte absolut nichts, was nach einem Flüstern, Säuseln oder Rauschen klang. Nur ihre Geräusche kamen diesem gleich.
    „Bestimmt hören das nur Chima. Für mich ist es nur ein lautes Prasseln.“
    Mit Schmollen vernahm sie es und grub ihre Hände unter meine Bettdecke. Ich wusste sofort, was sie mir damit sagen wollte. Leider lag es nur teilweise in meinem Interesse. Ich verschwendete Gedanken an Chu und die Frage, ob ich Hal überhaupt noch liebte. Sehr töricht... Dafür verpasste ich mir selbst eine imaginäre Ohrfeige.
    Aber ich verspürte wirklich keine Erregung, als Hal sich an mich kuschelte. Ich legte meinen Arm um sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange, aber es half nichts. Ich fühlte mich nicht zu ihr hingezogen. Andererseits hegte ich auch keinerlei Gefühle für jemand anders. Die folgenden Streicheleien und Neckereien waren nur Alibi für mich selbst.
    Was war nur los mit mir? Kam die Erkenntnis, dass die Liebe zwischen uns immer noch nicht gediehen ist? Oder war sie bereits wieder verwelkt?
    Ich steigerte mich so sehr hinein, dass mir fast die Tränen kamen. Nun hatte ich Angst. Irgendwas ging hier vor sich, was man nicht mit Logik erklären konnte.

    Es half nichts. Ich musste hier raus. Ich musste mich ablenken von all diesem Geschehen hier. Ich hatte das Bedürfnis, spazieren zu gehen. Ein schneller Blick auf die Uhrzeit und mir war klar, dass es noch recht früh war. Gerade mal vier Stunden war es her, als ich mich schlafen legte. Dennoch war ich putzmunter, fühlte mich fast ausgeschlafen.
    Ich zog mich an, vertröstete Hal mit einem Kuss und verließ unser Quartier. Draußen angekommen, atmete ich erstmal kräftig durch. Dieser Trubel hier zu so früher Stunde machte mich ganz wirr im Kopf. Noch wirrer als die Träume.
    Und ständig dieses Hämmern und Klopfen. Die Meteoriten, welche gegen die massive Hülle prallten. Ein knarzendes, dehnendes Geräusch durchdrang die Korridore und ließ wirklich jeden hier kurz erstarren.
    Ob die Helios das wirklich überstehen würde? Am schlimmsten war es eh für uns, da uns nur knappe zehn Meter vom Vakuum trennten. Wenn ich nur an den Asteroiden dachte, der vielleicht doch eine Arche träfe. So gigantisch wie er war, würde er problemlos die Hülle durchschlagen, als wäre sie nur eine Membran.
    Schnell verdrängte ich diesen Gedanken und widmete mich weniger gefährlichen Überlegungen. Zum Beispiel, was ich nun mit der zusätzlichen Zeit anfangen könnte. Spontan kam mir nur eines in den Sinn. Zell aufsuchen!
    Gut, dies kam mir nicht wirklich als erstes in den Sinn. Aber es war das Resultat.
    Ich spürte irgendwie das Bedürfnis, ihn aufzusuchen und mit ihm zu reden. Meine Beine trugen mich fast schon eigenständig in Richtung seines Quartiers. Ich wehrte mich auch nicht dagegen. Eher ließ ich mich voll drauf ein und ließ ebenso alles Folgende auf mich zukommen.
    „Guten Morgen, Diao!“, rief ich ferngesteuert irgendjemanden zu, bevor ich fünfzig Meter weiter erst realisierte, dass es wirklich benannte Person war. Verwundert blickte ich zurück, suchte ihn kurz, fand ihn nicht und ging unbeirrt weiter.
    „Weil er Valerys Partner ist, muss er nicht zwangsläufig auch ihren Tagesrhythmus haben.“

    Wenige Minuten später stand ich vor Zells Tür und klopfte prompt an. Ein Poltern war zu hören, diesmal aus seinem Quartier und nicht hier draußen.
    Unerwartet wurde die Tür aufgerissen und Zell starrte mich an, als wäre ich ein wildes, unbekanntes Wesen. Mit zugekniffenen Augen grummelte er halbschlafend: „Was willst du?“
    „Ich...“ Berechtigte Frage von ihm. „Ich... Ähm. Um ehrlich zu sein, bin ich durch diesen Lärm wach geworden, konnte nicht mehr einschlafen und wandle nun durch die Gänge.“
    „Und was machst du dann hier?“, gähnte er mit weit aufgerissenem Mund und stützte sich unbeholfen im Türrahmen ab. „Weißt du eigentlich, wie spät es ist?!“
    „Ja, ich weiß, wie spät es ist!“
    „Hast du wenigstens einen triftigen Grund, deshalb mein Quartier aufzusuchen und mich um den Schlaf zu bringen?“
    Kurz linste ich hinein, um mich zu vergewissern, dass Zia nicht wach war.
    „Ich habe ständig Albträume und glaube, Chu hat etwas damit zu tun.“
    „Schon wieder Chu?“, stutzte er stirnrunzelnd und stieß ein erneutes Gähnen aus. „Na gut, ich will mal nicht so sein. Was ist genau passiert?“
    Verlegen rieb ich mir über die Arme und blickte reuend zu Boden. Schon allein, dass ich hier war, war unverschämt genug.
    „Sie verfolgt mich in meinen Träumen. Es geht immer um... die eine Sache.“
    „Du meinst Sex!“
    „Was? Nein! Ja, schon...“
    „Komm zum Punkt, Sam.“
    „Nicht falsch verstehen. Ich liebe Hal immer noch und will rein gar nichts mit Chu in dieser Richtung zu tun haben.“
    „Hast du auch mal mit ihr darüber geredet?“, fragte er. „Also mit Chu. Was meint sie darüber? Vielleicht war sie es wirklich.“
    Ich winkte ab. „Das ist nicht so einfach, das weißt du doch. Ich will es Hal nicht erzählen, das würde sie komplett erschüttern.“
    Er grübelte. „Eine verzwickte Sache. Eigentlich sollte es Hal schon erfahren. Andererseits beunruhigt sie das vermutlich umsonst.“
    „Kannst du nicht nochmal mit Chu darüber reden?“
    „Nein!“, brauste er auf. „Ich will schlafen! Außerdem würde es nichts bringen, sie erneut zu belehren. Wenn Greys einmal etwas geschworen haben, halten sie auch ihr Wort. Ich denke nicht, dass Chu es vorsätz...“
    Plötzlich schreckte er auf und ließ seinen Blick über den Korridor schweifen. Seine Augen zuckten hektisch umher, er schien äußerst verwirrt. Aber ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass ich sein spontanes Verhalten sehr bedenklich fand. Ironischerweise klärte er mich sofort auf und ersparte mir somit den für mich peinlichen Moment: „Ich habe in letzter Zeit auch einige Sinnestäuschungen erlebt.“
    Oder immer noch genauso peinlich...
    „Säuseln und flüsternde Stimmen?“, fragte ich, als hätte ich bereits eine Ahnung gehabt.
    Skeptisch beäugte er mich und fing an zu drucksen. Dieses typische Froschbrummen, wenn Chima sich bei irgendwas ertappt oder beleidigt fühlten.
    Da war mir klar, dass ich auf dem richtigen Riecher war.
    Zell nickte nur kurz. „Vielleicht solltest du mal mit Valery reden. Sie kam auch vor einigen Tagen zu mir und meinte, sie hätte in letzter Zeit sehr intensive Träume. Träume, die sehr verworren seien und äußerst real wirkten.“
    Kaum, dass ich genauer nachfragen konnte, schmiss er die Tür zu und ließ mich hier einfach so stehen.

    • Offizieller Beitrag

    Da scheinen also mehrere so komische Träume zu haben :hmm:
    Und der Felsbrocken hat Antennen? Na, da bin ich ja mal gespannt, ob Emelie sich täuscht, zu viel Fantantie hat oder nur etwas sieht, was andere nicht sehen ;)
    Ich hab alles aufgeholt - war ja nicht so viel. :hmm:
    An sich kommen wir langsam der Spannung näher und ich hab in allen Teilen nichts zu bemängeln.
    Das Einzige, was mir auffiel war, der Widerspruch in Sam.
    Er beschreibt ständig in seinen Gedanken, wie toll Hal aussieht und was sie gerade an hat und ect, aber jedes Mal, wenn sie sich ihm nähert, blockt er sie ab. Abgesichts seiner Träume absolut nachvollziehbar, dennoch musst du dich hier etwas entscheiden. ^^"
    Er kann sie nicht super heiß finden, gerade im Badeanzug/Bikini ... und dann jedes Mal wie eine Hausfrau mit Migräne reagieren, wenn sie sich ihm nähert. Da müsstest du wenn schon in seinen Gedanken widerspiegeln, dass sie gut aussieht, aber er derzeit dem nichts abgewinnen kann - dann regt sich aber auch nichts. Ansonsten rutscht Hal etwas zu sehr in die notgeile Hupfdohlen Nummer ab, da sie sich ständig an ihn heranwirft und allein SAM der Bestimmer körperlicher Zuneigung ist, sprich; Wenn der Herr Lust hat, dann ja, wenn nicht, dann schaut Madame in die Röhre.

    Abgesehen davon, sollte Sam wirklich mal mit Chu reden, kann ja net so weitergehen.

    Ansonsten bin ich mal gespannt, was es mit dem Metallvieh auf sich hat und ob der Schauer ohne Probleme an ihnen vorbeizieht ;)

  • Danke, @Jennagon, für die Rückmeldung. Wegen des Widerspruchs in Sam muss ich dir ein Wenig Recht geben. Ich hätte es klarer definieren müssen, wie Sams aktuelle Gefühle schwanken. Und dass Hal etwas zu aufdringlich wirkt, war nicht von mir beabsichtigt. Aber im Nachhinein soll das mit den Migräneanfällen eine bestimmte Ursache haben. Ich weiß noch nicht, wie detailiert ich diese Sacher erwähnen werde, aber ich werde es garantiert noch aufklären. Wobei ich glaube, du wirst es nach dem folgenden Part schon denken können. :alien:


    [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 11 ]


    Das war wohl als Ansage zu interpretieren, Vals Quartier nun aufzusuchen. Oder mich zumindest von seiner Parzelle zu entfernen. Nur fragte ich mich, ob das wirklich eine gute Idee wäre, die junge Rothaarige zu belästigen. Andererseits fiel mir nichts ein, was ich sonst machen könnte. Weiter diesem Lärm lauschen? Eher nicht...
    Also machte ich mich auf dem Weg. Das hieß, wieder zurücklaufen und wieder Diao begegnen. Aber diesmal begrüßte ich ihn persönlich. Nach zehn Minuten intensiver Konversation meinerseits, bemerkte ich dann, dass es doch nicht mein Nó war. Er sagte aber auch kein Wort und glotzte mich nur verdutzt an. Die sahen einfach alle gleich aus. Mensch, war mir das peinlich.

    Als ich schlussendlich bei ihr angekommen war, hinterfragte ich erstmal mein Vorhaben. Was machte ich hier eigentlich? Es war kaum zehn Uhr, ich stand vor Vals Quartier und war kurz davor, anzuklopfen. Wohlwissend, dass sie garantiert noch drei Stunden Schlaf bräuchte.
    Kurzes Schulterzucken und ich klopfte an. Wieder und abermals pochte ich gegen die Tür und lauschte mit angepresstem Ohr. Als plötzlich, eigentlich nicht unerwartet, die Tür aufgerissen wurde und sie träge wie Fließfett vor mir stand.
    „Sam?“ Verpeilt blickte sie drein, stand im Pyjama vor mir, rieb sich die errötete Wange und musterte meine Anwesenheit halbäugig. „Was willst du? Weißt du eigentlich, wie spät es ist?“
    „Schlafenszeit nehme ich an?“
    Und hätte ich es nicht geahnt, schubste sie mich weg und knallte die Tür zu.
    Das war ja mal ein guter erster Versuch. Wie kam ich denn nur auf die Idee, dass sie jetzt schon empfänglich für ihre Freunde sei? Aber was sollte ich nun sonst tun? Müde war ich schon lange nicht mehr und Hal wollte ich auch nicht unnötig aufwecken. Welch Ironie, dass ich dies bei anderen tat.
    Ich ließ meine Blicke und Gedanken schweifen, lauschte der Geräuschkulisse und versuchte mir vorzustellen, wie es dort draußen gerade aussah. Noch nie hatte ich einen Meteoritenschauer gesehen. Noch nie hatte ich irgendeinen Schauer gesehen.
    Da fiel mir ein, dass sie ja die Kameras eingeschalten haben. Also nahm ich meinen Kommunikator und fragte Miri nach einer Kameraeinstellung der Außenhülle. Während ich auf ihre Reaktion wartete, entfernte ich mich wieder von Vals Quartier und suchte mir einen neuen Platz zum Zeit totschlagen.
    Da fiel mir wieder der Nó ins Auge, der immer noch in der Gegend herumstand.
    Wobei...
    Wenn mich meine Sinne diesmal nicht täuschten, konnte dies wirklich Diao Thami Teila sein. Im Grunde war es mir egal, ob er es war. Mich interessierte einfach, was er dort tat. Denn er stand nicht einfach da, sondern starrte auf seine Füße. Je näher ich ihm kam, umso deutlicher erkannte ich, was er noch Weiteres tat. Unbeholfen wirkte er, den Blick nach unten gerichtet, und wippte leicht die Arme umher. Ab und an hob er ein Bein oder ließ die Hüfte kreisen.
    Es faszinierte mich, dass er trotz der abwertenden Blicke vieler Leute hier so gelassen wirkte und unbeirrt weiter diese Verrenkungen machte. Es trieb mir ein breites Grinsen auf's Gesicht. Ich wollte mehr darüber erfahren. Die Nó interessierten mich eh schon die ganze Zeit. Aber würde man leider zu oft schief angeguckt, wenn man es offen zugab.
    Irgendwie reizte es mich gerade, mit genau dieser Person zu interagieren. Ich sah eine Chance...
    Ich sah die Chance, einen wirklich informativen Beitrag verfassen zu können. Über das Leben auf der Arche aus der Sicht eines Nó. Vor meinem Auge tat sich ein Bild auf, wie ich in den Archiven als Revolutionär erwähnt sein würde. Ein absurder Gedanke, ich weiß...
    Aber es spornte mich an, über meinen Schatten zu springen. Vielleicht würde ich deren Rasse dann auch gut genug verstehen, um Diao für meine Kameraden interessanter zu machen. Es wäre doch schade, wenn Valerys Partner für immer nur ein ungewolltes, rudimentäres Subjekt blieb. Vielleicht passten sie beide ja wirklich gut zusammen.
    Da Miri eh noch eine Kamera suchte, stand dem nichts im Wege. Ein kurzer Blick durch die Gegend und ich stakste zu ihm rüber. Beschwingt ließ ich die Arme baumeln und setzte ein fröhliches Lächeln auf. Er entdeckte mich nicht, war er doch zu vertieft in seine Sache.
    Vorsichtig stellte ich mich neben ihn und grüßte die Schaulustigen mit einem kurzen Fingerdeut. Offensichtlich missfiel das einigen, weshalb sie mir mit Drohgebärden entgegenkamen. Kraftausdrücke konnte ich auch einige vernehmen. Aber ich ließ mich nicht beirren.
    „Hallo, Hal“, sprach er und begann freundlich zu lächeln, während seine Arme in langsamen Bewegungen Sicheln zogen. „Ich habe dich gar nicht kommen hören.“
    Perplex starrte ich ihn an. Das kam so überraschend und doch innerlich erhofft. Also nicht, dass er mich nun Hal nannte, sondern, dass es Valerys Partner war. Ohne es wirklich analysiert zu haben, antwortete ich: „Ich bin nicht Hal.“
    Und ich sah sie auch nicht, nach kurzem Überprüfen meiner Umgebung.
    „Oh, Verzeihung, Samuel. Ich habe nur ihre Duftspur gesehen und dachte halt... Piep!“ Sein mittleres Auge wanderte zu mir, während die anderen beiden weiterhin nach unten schauten.
    Fassungslos schluckte ich kräftig und fuhr mir über den Hals. Ich fühlte mich... missbraucht, um es nüchtern auszudrücken. Es verletzte irgendwie meine Gefühle, wenn er derart intime Details wahrnahm. Und als er dann auch noch anfing, eine merkwürdige Melodie zu brummen, wurde mir richtig unheimlich. Es war so verstörend, dass ich beinahe anfing, mich vor ihn zu ekeln.
    Er kräuselte nur die Unterlippen und sagte weiter: „Ihre Spur ist sehr intensiv und speziell, sie muss eine besondere Figur besitzen.“
    Und ich, emotionslos: „Darauf werde ich dir keine Antwort geben.“
    „Erneut Verzeihung. Ich muss noch lernen, anhand der frequenten Abweichungen in... rarararara... in Stimme und Aura die Emotionen anderer richtig einzuordnen.“
    Was auch immer das bedeuten sollte.
    „Jedenfalls“, führte ich fort, verdrängte gleichsam alle Skepsis mit Kopfschütteln und nahm meinen Kommunikator zur Hand. Miri hatte mich endlich verbunden. Ich hatte mich fast erschrocken, als ein großes Objekt darauf zuraste und sie nur knapp verfehlte. Ich sah Velit zum Teil und die Helios II. Zwischen den beiden Objekten schimmerten kleine Steine hervor. Gut, klein waren sie vermutlich nicht. Aber sie wirkten winzig und recht unbedeutend. Als würde man Kies durch die Luft streuen. Recht unspektakulär...
    „Jedenfalls was?“
    Ich schwenkte um. „Achso! Ja, ähm... Ich würde gern mehr über deine Rasse erfahren, speziell über dich persönlich.“
    Nach kurzem Überlegen nickte er.
    „Darf ich dies auch bildlich festhalten? In Form eines Videos?“
    Spontan musste er mich vertrösten, weil er wieder auf einem Bein tänzelte und die Arme zum Balancieren nahm. Zwischendrin fragte er: „Soll das eine Art Dokumentation werden?“
    „Keine Ahnung. Soll es? Also wenn du das willst...“
    „Es geht mir darum, dass...“, und wieder wippte er auf einem Bein, „dass ich ein Vorbild für meine Rasse sein will.“
    „Ich habe nichts anderes im Sinn.“
    „Dann mach.“
    Ich minimierte das Kamerafenster und begann mit der Aufnahme. Etwas unbeholfen, noch nicht so recht wissend, wie ich den Kommunikator halten sollte, versuchte ich Diao in den Fokus zu setzen aber gleichzeitig auch die Umgebung mit einzubeziehen. Es sollte schließlich authentisch wirken, direkt aus dem Alltag.
    Meine erste Frage folgte: „Wie definierst du deine eigene Rasse?“
    „Gute Frage, Sam.“ Vertieft in seine Sache, antwortete er nicht drauf. Erst nach einer Minute geduldigen Wartens äußerte er sich dazu. „Introvertiert und langweilig.“
    „Was?“, entglitt es mir prompt, worauf er die Worte wiederholte. „Das kannst du nicht bringen, Diao! Ich denke, du willst deine Rasse positiv dastehen lassen. Langweilig klingt so... langweilig.“
    „Wie würdest du denn uns definieren?“, fragte er zurück.
    „Introvertiert und einzigartig! Das langweilig schneide ich raus.“
    Ich fragte weiter, obgleich mir wirklich keine guten Themen einfielen. „Wie sieht dein Alltag aus?“
    Verwirrt schien er etwas. Wobei bei ihm fast jeder Gesichtsausdruck nach Konfusion aussah. „Ich vermute mal, du meinst nicht optisch. In diesem Fall recht dröge. Andererseits finde ich die Vielfalt... piep... die Vielfalt der Umgebung so faszinierend.“
    Ich nickte. „Ja, mir gefällt das Leben hier auch recht gut...“
    „Ich kann mich nur noch dunkel an Adasa Setaio Ekuro erinnern“, sagte er und fing zu summen an.
    „Adasa Setaio Ekuro?“, wollte ich genauer wissen. „Wer ist das?“
    „Ihr bezeichnet...“, unterbrach er sich selbst und sprang in die Höhe, um anschließend auf einem Bein zu landen. „Ihr bezeichnet das als XV Novus.“
    „Ach, so heißt der Planet? Ist das Nó, die Sprache?“
    Nickend stimmte er zu und drückte sich angedeutet mit den Armen zur Seite. „Wir haben viele Namen für ihn. Jedes Volk hat seine eigene Sprache... Rararararara!“
    Beunruhigt über seine Ticks, fragte ich, wenn auch vielleicht überflüssig: „Dir ist schon bewusst, dass die Leute dich anstarren?“
    Er nickte energisch und untermalte es mit abgehackten Armbewegungen. „Ja, Samuel, es ist mir bewusst... Piep! Piep! Dafür mache ich die Geräusche eher unbewusst.“
    „Unbewusst?“, hinterfragte ich es mit hochgeschobener Braue. „Und was soll das für eine Melodie sein? Ist das aus einem Lied, das du magst?“
    „Nö. Ich gebe nur wieder, was ich gerade sehe.“
    „Sehen? Ich verstehe ni...“
    „Achso, stimmt ja! Ich vergesse immer, dass nur meine Spezies im Radar und Röntgen sehen kann... Das, was du als Melodie bezeichnest, sind zwei Radarfrequenzen, die in den letzten Tagen auftraten. Zuerst eine sehr Tiefe und vor einigen Tagen noch eine extrem Hohe. Aber irgendwie ganz verzerrt und verdrillt. Kreuzamplitude, nehme ich an. Mir aber völlig unbekannt... Rararararara piep! Wüsste ich es nicht besser, würde ich glatt behaupten, die Meteore senden das Signal ab.“
    Mich räuspernd, nahm ich es mal so hin und verdrängte die spöttischen Gedanken, an eine mögliche Geisteskrankheit bei ihm. Doch konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es sah auch zu komisch aus, wie er antennengleich mit verrenkten Gliedmaßen dastand, die Ohren wie Radarschüsseln, und ständig seine Geräusche von sich gab.
    Kurz durchatmen und sich wieder einkriegen. „Wo waren wir nochmal stehengeblieben?“
    „Die Meteoriten oder die Sprache?“
    „Die Sprache, genau...“
    „Wir Nó haben keine Einheitliche.“
    „Echt nicht? Ich dachte das immer...“
    „Nur... Piep! Piep! Nur weil an euren Schulen Nó gelehrt wird, heißt das nicht, dass wir nur dieses eine Nó sprechen...“ Plötzlich stieß er mich etwas zur Seite und schrie: „Aufprall!“
    Kurz darauf rumste es gewaltig. Der Boden bebte...
    „Rohrbruch!“, brummte er lauthals und zeigte zur Leiter rüber. Just in dem Moment geschah es auch schon. Der dort befindliche Chima konnte sich noch rechtzeitig mit einem beherzten Sprung von der Leiter retten, bevor die Wasserfontäne ihn erwischt hätte.
    Voller Schock schwenkte ich zu Diao um. „Woher wusstest du das?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe es gesehen...“
    „Was?! Wie?!“ Ich kam nicht drauf klar. „Weißt du, was du getan hast?“
    „Keine Ahnung, worauf du hinauswillst.“
    „Du hast ihm vermutlich gerade das Leben gerettet!“
    Dann nahm er wieder Haltung an und richtete seinen Blick komplett auf mich. „Eher hat er sich von mir das Leben retten lassen.“
    „Hä? Wo ist da der Unterschied?“ Dann fixierten sich seine Augen auf den Chima, der vollkommen paralysiert an der Wand entlang stiefelte.
    „Es war purer Zufall, dass er auf meine Ansage reagierte. Er ist ein Chima, seine Rasse mag uns einfach nicht. Das merkst du doch an Kror.“
    Schnaufend senkte ich den Kopf, rieb mir die Augen munter und erwiderte mit Lachen: „Kror mag generell niemanden, weil er Schwarzer ist.“

  • Das Ende dieses Parts ist zwar nicht gewollt so abrupt gewählt, aber ich hatte keine Lust, eine ewige Diskussion daraus zu machen. Ich hoffe, das wird mir verziehen und es ist trotzdem gut so. :/


    [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 12 ]


    ***

    Den ganzen Tag lang versuchte ich mich mit den Protokollen, dem Schneiden des Videos und teilweise auch mit Hal zu beschäftigen. Es war viel Stress, Arbeit und Freude. Ich verweilte im Quartier, frühstückte nicht, ging nicht duschen und hörte auch keine Musik zur Entspannung. Ich wollte meine Ruhe haben und mich von nichts ablenken lassen. Die Kopfschmerzen machten mir echt zu schaffen, was Hal auch extrem nervte. Sie wollte mir helfen, mich bei den Berichten unterstützen und mir etwas zu Essen aus der Kantine mitbringen. Aber ich lehnte ab.
    Mir erschien es irgendwie falsch, heute nichts zu tun und Hal dabei noch auszunutzen. Irgendwas sagte mir, dass ich kurz vor der Lösung stand. Die Frage war nur, was eben die Frage war. Und zwangsläufig auch die Lösung...
    Wenigstens zum Abendessen konnte ich mich überreden lassen. Was aber auch daran lag, dass ich sowieso danach zur Arbeit musste und mein Magen anfing zu streiken. Erst auf dem Weg in die Kantine merkte ich, wie dumm ich war, nicht mal Wasser zu mir genommen zu haben. Kurz vorm Verdursten, kippte ich mir gleichmal eine ganze Flasche in den Hals, um anschließend noch eine anzusetzen.
    Wenigstens stellten meine Kollegen keine blöden Fragen, die mich wieder minutenlang beschäftigt hätten. Mich beschäftigte eh schon jede Kleinigkeit. Allem voran Valery und ihre Träume. Es kam wieder auf, ich hatte ja ein bestimmtes Ziel am Morgen verfolgt.
    Wie passend, dass sie nun ausgeschlafen war und relativ gut drauf. Dennoch stöhnte und maulte sie, als ich sie kurz unter Vier Augen sprechen wollte. Ob die anderen auch schon davon wussten? Hatte sie es ihnen mitgeteilt, als Tageserlebnis? Peinlich genug war es ja für uns beide, was sie aber nicht daran gehindert hätte, es weiterzuerzählen.

    „Also, was willst du? Was ist dir so wichtig?“
    „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Es ist mir schon etwas peinlich.“
    „So ist das also!“, maulte sie. „Es ist dir peinlich. Aber mir den Schlaf nicht zu gönnen geht in Ordnung!“
    „Kannst du auch mal aufhören damit? Ich weiß es doch jetzt, dass du deine Ruhe haben wolltest. An sich ist es auch keine große Sache, wenn nicht Zell mich drauf hingewiesen hätte.“
    Da verstummte sie einen Moment, bevor sie umso heftiger ausbrach und mir drohend den Finger an den Hals presste. Mit starrem Blick, tiefen Zornesfalten und bebenden Lippen grimmte sie: „Was zwischen Diao, Kror und mir aktuell läuft, geht niemanden etwas an!“
    Unschuldig hob ich die Hände und presste mich eingeschüchtert an die Wand. Hoffend, dass sie nachgab und mir eine Flucht ermöglichte.
    Valery funkelte mich weiter böse an. „Ich werde mich weder vor Zell noch vor dem System rechtfertigen! Mich interessieren diese Gesetze nicht! Niemand wird mir Kror wegnehmen und wir werden auch Kinder haben, sobald wir uns dafür bereit finden! Der Genetikrat kann noch so viele Offiziere und Wissenschaftler bei mir vorbeischicken, ich werde meine Entscheidung nicht niederlegen! Und Kror ist gleicher Meinung wie ich!“
    Vorsichtig streckte ich den Zeigefinger nach oben und flüsterte ängstlich: „Ich wollte eigentlich nur über deine Träume sprechen.“
    Mit einmal fielen ihre Gesichtszüge in sich zusammen und sie wurde urplötzlich Krebsrot auf den Wangen. Sich räuspernd rückte sie ihren Kragen wieder zurecht und säuselte heiser: „Ach, diese Sache meinst du.“
    „Nichts anderes hatte ich im Sinn.“
    Sehr steif und abgehackt wanderten ihre Augen über mein Antlitz und endeten auf unseren Füßen. „Bitte denke nichts Falsches von mir, Sam. Ich weiß sehr wohl, dass ich damit auf sehr dünnem Glas tanze. Aber ich liebe Kror einfach so sehr. Mit Diao kann ich mich nicht anfreunden. Wir finden keine Gemeinsamkeiten.“
    „Ich will mich dazu nicht äußern. Du kennst eigentlich meine Meinung zu dieser Sache und deshalb war es auch niemals meine Absicht, dieses Thema zu intensivieren. Schade, dass du es wieder vergessen hast.“
    „Ich habe es nicht vergessen“, bestätigte sie kopfschüttelnd und unterstützte mit energischen Handgesten ihre fortlaufenden Worte. „Die Sache mit den Träumen ist weitaus weniger kompliziert, dennoch sehr intim. Um ehrlich zu sein, fiel mir die Ansprache eben leichter als das folgende Thema. Obwohl es eigentlich ganz banal ist...“
    „Also ich habe auch sehr merkwürdige Träume in letzter Zeit“, warf ich ein. Vielleicht half es ihr, mir zu vertrauen. „In meinen Träumen geht es um Chu. Ja, die leidige Sache. Ich weiß auch nicht, ob es wirklich nur Einbildung war oder direkt von ihr ausging.“
    Sehr skeptisch schaute sie drein und begann allmählich zu schmunzeln. „Naja, das ist wirklich merkwürdig. Meine Träume handeln von großen Insekten. Also wirklich großen Insekten.“
    „Und machen die irgendwas Besonderes..?“
    Da verdrehte sie provokant die Augen und murmelte züngelnd: „Sie knabbern mich an.“
    „Äh? So richtig? Hast du Angst vor Insekten?“
    Verlegen strich sie sich über den Hals. „Bei den Insekten handelt es sich eher um... Diao.“
    Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich sie erstaunt an und analysierte ihr schüchternes Gesicht. Dann runzelte ich die Stirn. „Alles... klar! Du träumst von...“
    Das musste ich erstmal verdauen. Nicht, dass es mich störte. Aber es überraschte mich, dass sie es mir, trotz ihrer Abneigung ihm gegenüber, so offen sagte.
    „Aber warum willst du eigentlich wissen, wovon ich träume?“, fragte sie nach.
    „Keine Ahnung. Weiß ich selbst noch nicht so genau.“
    „Wie, du weißt es nicht? Soll das heißen, du hast einfach nur aus Langeweile gefragt? Nicht, dass es mich sonderlich stört, aber wieso?“
    Ich grübelte. Wusste ich doch genau, dass mich eine Frage beschäftigte, die damit zu tun hatte. Nur welche war es?
    „Wie lange hast du schon diese Träume?“, fragte ich weiter, unterbrach sie aber noch, bevor sie antworten konnte. „Ein paar Tage vor dem Meteoritenschauer? Und aktuell etwas stärker?“
    Sie nickte und setzte ein fragendes Gesicht auf. Aber kein Wort kam über ihre Lippen.
    Sofort fiel mir wieder Diao ein, wie er die Meteoriten beobachtend im Hauptkorridor stand und leise seine Melodie summte. Ich summte sie nach. Und Valerys zerknautschter Blick dabei. Bestimmt dachte sie jetzt, ich sei verrückt geworden. Vielleicht war ich das auch. In letzter Zeit verschwammen für mich die Realität und Einbildung eh zu stark.
    „Sam, du machst mir Angst“, murmelte sie hinter knirschenden Zähnen und schüttelte sich kurz aber heftig. „Was ist das? Was soll das darstellen?“
    „Keine Ahnung. Dein Partner hat das gesummt, als er vorhin...“ Sofort zückte ich meinen Kommunikator. „Ich habe es doch aufgenommen, als er...“
    Neugierig linste Valery auf das Video.

    „Dir ist schon bewusst, dass die Leute dich anstarren?“
    „Ja, Samuel, es ist mir bewusst... Piep! Piep! Dafür mache ich die Geräusche eher unbewusst.“
    „Unbewusst? Und was soll das für eine Melodie sein? Ist das aus einem Lied, das du magst?“
    „Nö. Ich gebe nur wieder, was ich gerade sehe.“
    „Sehen? Ich verstehe ni...“
    „Achso, stimmt ja! Ich vergesse immer, dass nur meine Spezies im Radar und Röntgen sehen kann... Das, was du als Melodie bezeichnest, sind zwei Radarfrequenzen, die in den letzten Tagen auftraten. Zuerst eine sehr Tiefe und vor einigen Tagen noch eine extrem Hohe. Aber irgendwie ganz verzerrt und verdrillt. Kreuzamplitude, nehme ich an. Mir aber völlig unbekannt... Rararararara piep! Wüsste ich es nicht besser, würde ich glatt behaupten, die Meteore senden das Signal ab.“

    Ich wurde kreidebleich im Gesicht. Mit offen stehendem Mund und leicht sabbernd, wanderte ihr Köpfchen langsam zu mir rum und ihre Augen verfingen sich in meinen. Starr waren ihre Gesichtszüge, als wäre sie scheintot. Ich konnte nur schwer deuten, was sie beschäftigte. Irgendwas musste in dem Video passiert sein, was diese Gesichtsentgleisung bei ihr hervorrief. Hatte Diao etwas gesagt, was sie..?
    Oh nein!
    „Sam?!“, begann Valery zu knurren und knetete sich augenblicklich die Hände. „Er hat einen Röntgenblick?! Und du hast davon gewusst?!“

  • [ KAPITEL 9-DIE ANKUNFT-TEIL 13 ]

    [ 6020 n. Chr. Tag 116 Helios III ]

    Heute nach der Arbeit kam mir ein Geistesblitz, der alles verändern sollte! Schon während der Nachtschicht versuchte ich in den kurzen Lücken über den Asteroiden und Meteorschauer nachzudenken. Ich dachte an die vielen Meinungen, welche sich dennoch alle ähnelten. Emilies Aussage, der Asteroid hätte Antennen, Diaos Meinung, die Felsbrocken würden Signale aussenden und Hals wundersame Geräusche im Kopf. Auch über meine Migräneanfälle dachte ich eingehender nach. Gab es dazwischen eine Verbindung? Hatte ich irgendwas übersehen? Sollte ich das Unvorstellbare annehmen?
    Erst jetzt erkannte ich, was hier vor sich ging. Aber ich hoffte zugleich, dass ich mich irrte. Darum holte ich Hals Meinung noch ein, bevor ich mich festlegen wollte. Sie stimmte mir zu. Aber vielmehr deshalb, weil sie ihre Ruhe haben wollte. Immerhin erweckte ich sie aus ihrem Schlaf. Ich selbst konnte nicht schlafen. Einerseits war ich extrem müde und erschöpft. Andererseits hielten mich die Kopfschmerzen und Wahnvorstellungen wach.
    Wiedermal nutzte ich die Gelegenheit und machte einen ausgiebigen Spaziergang durch die Stationen und Korridore. Jetzt wusste ich es zu schätzen, auf die Helios III gewechselt zu haben. Endlich sah ich die Möglichkeit, all die Ecken zu erforschen, welche ich schon immer erkunden wollte, jedoch nie die Zeit oder Spontanität gehabt habe. Ich machte auch einen Zwischenstopp in der Kantine, um mich ausreichend mit Wasserflaschen zu versorgen. Zwei dieser leerte ich nebenbei am Tisch, während ich mir gleich noch einen bunten Salat genehmigte. Nebenbei schickte ich Emilie meinen Bericht.

    # Hallo, Emilie! Hal und ich haben eine neue Theorie über den Asteroiden aufgestellt. Ich und eine menschliche Kollegin von mir haben in letzter Zeit schwere Alpträume und starke Kopfschmerzanfälle. Hal meint auch, ständig Stimmen zu hören. Wir glauben, dass die Meteoriten ein ultrahochfrequentes Signal aussenden, welches bei uns Halluzinationen und Stress auslösen kann. Ein Nó hat das bestätigt. Weiterhin hast du letztens gemeint, der Asteroid hätte Sendemasten oder Ähnliches. Kannst du das nochmals überprüfen lassen?
    Die merkwürdigen Schwankungen in der Asteroiden-Flugbahn können ein weiteres Indiz sein, dass er direkt gelenkt wird. Übrigens solltet ihr nochmal nachschauen, ob ihr auch Bilder von seiner anderen Seite habt. Falls nicht, kann das auch darauf hindeuten, dass genau dieser Teil des Asteroiden absichtlich für uns verborgen bleiben soll!
    Genau aus diesen ganzen Details sind Hal und ich uns einig, dass der Asteroid ein Raumschiff ist. Wir hoffen, dass wir uns irren. Da wir vermuten, dass es keine freundlichen Absichten hat. #

    Kaum abgesendet, fielen mir die Augen zu und ich schlummerte tief und fest in der Kantine. Überraschenderweise weckte mich auch niemand. Ich wachte erst wieder auf, als Emilie mir knapp eine Stunde später zurückschrieb. Mein Kopf hob sich und...
    Nun ja...
    Die Gabel prangerte immer noch zwischen meinen Fingern, wobei die Zinken sich offensichtlich in meine Kopfhaut gebohrt hatten. Zumindest wies der stechende Schmerz an der Stirn drauf hin.
    Außerdem glotzten mich einige Leute hier an, als wäre ich ein Nó. Ich wollte nicht wissen, bei wie vielen ich als Hintergrundbild auf deren Kommunikatoren fungierte.

    # Danke, Samuel! Ich habe eure Vermutung zur Kenntnis genommen. Schon einige andere haben mir eine ähnliche Vermutung vorgelegt. Wenn auch nicht so ausführlich wie ihr es getan habt... Ich werde mich in Kürze wieder bei euch melden. #

    In Kürze...
    Dieser Satz hatte sich sofort in mein Gedächtnis eingebrannt. Wie kurz würde diese Kürze sein? Ich konnte die Antwort nicht abwarten. Jede verstrichene Minute brachte mich näher zum Wahnsinn. Diese Ungewissheit, ob die eigenen Vermutungen der Realität entsprachen, zerrte an meinen Nerven. Mich hielt es nicht mehr hier am Tisch, ich ging zurück in mein Quartier. Hal schlief immer noch tief und fest, was vermutlich auch die nächsten drei Stunden so sein würde.
    Ängstlich hockte ich mich auf mein Bett, die Decke um mich geschlungen und den Kommunikator im Griff. Ich starrte auf das Display. Das verdunkelte, nichts verkündende Display. Mit finstersten Gedanken an die nahe Zukunft, in welcher ich vielleicht nicht mehr der sein würde, der ich war. Vielleicht würde ich auch gar nicht mehr existieren. Dem Wahnsinn verfallen, in Ohnmacht gefallen. Was wäre, wenn?
    Was würde aus Hal? Morgen wieder bei ihrem Therapeuten, der mir auch nicht ganz geheuer war. Ich bildete mir ein, dass zwischen ihnen beiden etwas lief. Ein törichter Gedanke, der mir dennoch realistisch vorkam. Vielleicht wollte sie deshalb auch nicht darüber reden.

    Plötzlich kam eine Nachricht! Es kam die Nachricht!

    # Ich habe es an meine Vorgesetzten weitergeleitet. Sie haben es bestätigt! Wir werden in Kürze Maßnahmen einleiten. Vorab schon mal der fertige Bericht von mir. [ //hel-msg_privat: -bericht/asteroid/emilie/blaze ] #

    Dann war es also wahr. Ich fühlte nichts mehr...
    Eine spontane Leere entsandt in mir. Vor meinem geistigen Auge blitzten Erinnerungen, Zukunftsvisionen und viele weitere Bilder auf. Das mechanische Wesen, der Krieg auf Velit und mittendrin immer wieder Hal. Ich stand im Zwiespalt. Auf einem schmalen Grad zwischen Panik und Euphorie. Der Gedanke daran, dass wir bald nicht mehr die einzige Nation im weiten Universum wären, die hochentwickelt genug ist, Archen zu bauen, brachte mich vollkommen aus dem Konzept. Es war so unvorstellbar für mich. Ironie der Naivität, nehme ich an.
    Aber das Schrecklichste ereignete sich erst später am Tag, als Hal wieder wach war und duschen ging. Ein nahezu fließender Wechsel. Sie wurde munter und verschwand, während ich zeitgleich erneut Ruhe fand und mich schlafen legen wollte.
    Es wurde mir nicht gegönnt...
    Draußen vorm Quartier stand zu meiner Überraschung eine chimae Offizierin, in Begleitung eines Soldaten. Völlig verpeilt und fertig mit der Welt, extrem gestresst und ungewaschen präsentierte ich mich ihnen. Beinahe hätte ich sie mit Majorin Slay angesprochen. Aber sie war ja auf Velit.

    Mit strenger Miene und sehr anfällig beäugte sie mich. „Samuel Ennirate? Hal Mellins Kolesnikows Partner?“
    Ich nickte gähnend, verbarg es nicht und kassierte prompt einen weiteren Blick von ihr.
    „Ich bin hier“, sprach sie weiter, konnte aber irgendwie nicht ihre Augen von mir lassen, „wegen eines Vertrages, den Majorin Slay Mellins Kolesnikow aufgesetzt hat.“
    „Echt jetzt?“, entglitt mir und mein Kopf sank tief zu Boden. Ich konnte mich kaum noch im Türrahmen halten, so kaputt war ich. „Die schon wieder? Was will sie denn nun schon wieder?!“
    „Etwas mehr Haltung und Respekt, wenn ich bitten darf!“, knurrte sie mich an und wies dem Soldaten kurzerhand an, mir aufzuhelfen. Gerade wollte er die Waffe schultern, da winkte ich ihm ab und richtete mich wieder auf.
    „Wenn ihr Fischköpfe wüsstet, wie schlecht es mir geht...“
    „Ich habe diese Bemerkung jetzt mal überhört“, unterbrach sie und zupfte angewidert an meinem Hemd herum.
    Hemd..?
    Ein resignierender Blick an mir herab und meine Augen bestätigten es tatsächlich. Ich stand im Unterhemd ihr gegenüber. Welch ein Glück, dass ich zumindest von Hüfte abwärts komplett angezogen war.
    Peinlichst berührt versuchte ich mir meinen fast nackten Oberkörper mit den Armen zu bedecken, um mich ohne Entschuldigung von ihnen zu entfernen und meinen Pullover zu greifen.
    Kaum war ich zurück, zückte sie auch schon ihren Kommunikator und machte sich eine Notiz. Ohne Scheu verkündete sie diese laut: „Unangebrachtes Verhalten gegenüber einer Offizierin! Ungepflegtes Äußeres und schlechte Manieren! Samuel Ennirate.“
    „Och bitte!“, erwiderte ich empört. „Sagen Sie einfach, warum Sie hier sind...“
    „Zitat von Slay Mellins Kolesnikow, aus dem Vertrag zur Regelung der partnerschaftlichen Verteidigung im militärischen und zivilen Ernstfall: Im Falle eines zivilen Aufstandes, einer zivilen Gefahrenlage, einer militärischen Operation, mangelnder militärischer Mittel oder der direkten Beteiligung der Arche an militärischen Einsätzen oder Zielen, erteile ich hiermit den Befehl, den zum Zeitpunkt der Inkraftsetzung des Vertrages oder eines Unterpunktes des Vertrages aktuellen Partner meiner Tochter, Hal Mellins -geborene Kolesnikow- zu einem weiteren militärischen Grundkurs der Selbstverteidigung und Bedienung einer Waffe zu schicken. Dieser Kurs muss unter Aufsicht eines Offiziers absolviert werden!“

    Absolute Gesichtsentgleisung! Was fiel ihr ein..? Gedanken neu zu ordnen dauerte mir schier zu lange!
    „Was bei Helios soll dieser Scheiss?!“
    Verdutzt glotzten mich beide an. Damit hatten sie wohl nicht gerechnet.
    Aber ich war noch lange nicht fertig! „Hat die keine anderen Probleme im Leben? Wieso... wieso soll ich diesen Grundkurs nochmal absolvieren? Den habe ich doch bereits damals zum Schulabschluss absolviert!“
    „Dich zwingt auch keiner, daran teilzunehmen. Nur müssen wir das dann Majorin Slay mitteilen...“
    „Genau das ist der Punkt, der mich so hart stört!“
    „Ich verstehe nicht ganz“, gluckste sie mit schiefem Gesicht. „Es ist doch nur ein harmloser Kursus...“
    „Och Leute!“, stöhnte ich entnervt auf, kassierte daraufhin wieder merkwürdige Blicke. „Slay regt mich extrem auf mit ihren Doktrin.“
    Und urplötzlich wurde ihre Miene wieder bitterernst. „Ich kann das anrechnen, als Beleidigung einer Hochrangigen.“
    Ich deutete auf meine Handfläche, um die Zeit zu signalisieren. „Wann ist der Kursus geplant und weiß Zell schon bescheid?“
    Sie schaute nach und bestätigte es mit Nicken: „Am besten sofort und dein Vorgesetzter weiß exakt in diesem Moment bescheid.“

  • [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 1 ]

    [ 6020 n. Chr. Tag 118 Helios III ]

    Ein merkwürdiger Tag. Ich spürte es bereits zu Beginn der gestrigen Nachtschicht, dass heute so Einiges passieren würde, was ich mir nicht erträumt hatte.
    Ich ging zum Kursus, Hal zuliebe. Slay blendete ich dabei vollkommen aus. Sie war eh nie gut auf mich zu sprechen. Den Kurs absolvierte ich zu meinem eigenen Erstaunen recht gut. Nun konnte ich im Ernstfall auch das Hal-38 bedienen, ohne mich selbst zu verletzen. Merkwürdig fand ich, dass mir zuvor nie aufgefallen war, dass das Gewähr wie meine Partnerin hieß.
    Was ich aber besonders überraschend fand, war die Sache mit Kror. Er berichtete mir ganz überraschend, dass seine Suspendierung aufgehoben wurde und er nun wieder offiziell eine Waffe tragen durfte. Wie passend, dass ich mich nun auch als halber Soldat fühlte. Wenn auch ohne jegliche Eignung, Ausbildung oder Uniform.
    Sofort war mir danach bewusst, dass es kein Spiel mehr war. Der Krieg ereilte uns in unseren zivilen Räumlichkeiten. Nur noch die Zeit trennte uns von der Gegenüberstellung.
    Wie sahen sie aus? Was waren ihre Absichten? Was würde auf uns zukommen?
    05:56:37
    Die letzten Meteore zogen an uns vorbei und absolute Stille kehrte ein. Bedrohliche Stille, welche das kommende Unheil bereits erahnen ließ. Der Asteroid näherte sich ständig, war schon längst nicht mehr aufzuhalten. Das Geheimnis war keines mehr und die Theorien ebenfalls nichtig.

    Die Uhr tickte...
    03:03:03
    Meine Kopfschmerzen waren verschwunden. Der Schweiß kam mir nun mehr zur Geltung, da mir das Konzentrieren wieder leichter fiel. Immer noch waren die Hände eiskalt und zittrig, was sich vermutlich auch nicht bessern würde.
    Gedanken an Mom und Dad.
    Was taten sie wohl gerade? Schliefen sie? Verpassten sie womöglich den Beginn? Dachten sie auch an mich?

    00:03:53
    Die Nachtschicht war zu ende. Ich wusste nicht, wie es den anderen ging. Aber ich war sehr angespannt. Kaum, dass ich meinen Kommunikator halten oder mir die letzten vier Ziffern merken konnte. Ein intensiver Blick zu Hal, aber sie konnte mich nicht trösten. Die Träume und Gedanken. Sollte meine Freundin ums Leben kommen?
    Ich versuchte es zu verdrängen, ließ mich ablösen und gesellte mich zu meiner blauhäutigen Partnerin. Ihr zögerliches Lächeln und vorsichtiges Berühren meiner freien Hand machten es nicht besser.
    „Alles wird gut“, flüsterte sie mit leichtem Nicken.
    Ich wusste es leider besser. Wie sehr ich nun die Anfangszeit vermisste. So blauäugig, schüchtern und unerfahren. Was wäre gewesen, hätten wir uns erst jetzt kennengelernt? Wenige Stunden vorm Krieg?

    Die Uhr stand auf 00:00:00.
    Miri benachrichtigte mich. Hal neben mir und unsere Kollegen einige Meter vor uns. Ich schnappte mir meinen Kommunikator und sah den Asteroiden an Velit vorbeikommen. Es wirkte so, als stünde er still. Ich traute meinen Augen nicht, als ich dieses Objekt sah. Es wirkte so falsch, so surreal. Doch zeigten die Bilder nur die Wahrheit.

    Und dann geschah es...
    Ich konnte eine große silbrig glänzende Wolke aus seiner Front herausbrechen sehen. Im Schein der Sonne funkelte und glimmte es wie schmutziges Eis und bahnte sich einen Weg in unsere Richtung. Lautlos, unaufhaltsam und unbekannt.

    Plötzlich zitterte das Bild.
    Störung!
    Einfach nur Rauschen und Flimmern.
    Verwundert glotzte Hal mich an. „Ist er kaputt?“
    Nur Augenblicke später blitzte etwas auf. Es zeigte ein Gesicht. Nicht irgendeines, sondern das aus meinen Träumen. Es starrte mich an. Ich war gelähmt.
    Regungslos stand ich da, krallte meine Hände fest um den Kommunikator und verlor mich in diesem Surrealismus. Wie ich so auf das Display schaute, versuchte meine bessere Hälfte mich eingehakt weiterzuziehen. Aber rührte mich nicht vom Fleck. Die einnehmende Stimme des Wesens zog mich in ihren Bann. Ganz so, als wollte ich es verstehen, was ich nicht hören wollte.

    „Jao glu Ych! Jao glu Olohu asco! Jao glu Xikta! Jao glu mino Qerasio! Jao glu minooo Ych, jatsssuio Olotaaa ex Olooohu!“
    Mit jedem weiteren Satz unverständlicher Worte, wurde seine Stimme verzerrter und undeutlicher. Ebenso auch die Laute meiner Mädels. Hiar gesellte sich neben mich, was ich nur anhand ihrer Statur und roten Haut erkannte.
    „Wer ist das?“, fragte sie und patschte die Finger aufs Display. Kopfschütteln meinerseits...
    „Jao glu minooo ashi xixi cccylavaaa ex Qeraaas jitiiirheeeo! Jao gluuu miiino z'tio cylaaava, ashi cyyylava, Qerasss cccylaaavaaa! Jaaao gluuu rrrheeeo puuuilooos...“
    Bis nur noch überlagerte Klänge und hallendes Echo vorhanden waren.

    „Was geschieht hier?“, fragten sie einstimmig und plötzlich klarte das Kamerabild wieder auf. Doch es war zu spät. Die silbrige Wolke hatte uns bereits erreicht. Wie es aussah, bestand sie aus vielen kleinen Metallkugeln.

    Instinktiv warf ich meine Arme um beide und riss sie zu Boden. Was folgte, war eine heftige Erschütterung, die alles je zuvor Passierte in den Schatten stellte. Alles bebte, wir wurden regelrecht hochkatapultiert. Wie auch alle anderen an Bord. Ein Knall, so laut, so heftig, dass die Luft vibrierte und vereinzelte Lampen explodierten. Die Schallwelle raste wie ein Orkan durch die Stationen, Korridore und Schächte. Als würde jemand direkt neben uns eine Bombe hochgehen lassen. Ich konnte nichts mehr hören, meine Ohren versagten. Nur noch Rauschen und Surren im Kopf. Schmerzen...
    Kopfdröhnen.
    Die Landung folgte. Wir taumelten umher, sanken in ständiger Drehung langsam zu Boden, konnten uns jedoch nicht vor den weiteren Erschütterungen retten. Kaum berührte meine Hand den Stahl, wurde sie schon wieder von den tänzelnden Schockwellen hinauskatapultiert. Dies geschah mit jedem Teil meines Körpers.
    Der Luftzug drückte uns alle durch den Raum. Wir schlitterten davon. Zeitgleich hob sich der komplette Boden an und Gitterroste flogen mit einer Leichtigkeit umher als wären sie aus Pappe.
    Mit verdrehtem Kopf blickte ich zu Hal rüber. Ihre Lippen formten meinen Namen. Doch ich konnte sie nicht hören. Niemanden konnte ich hören. Panisch starrte sie mich mit weit aufgerissenen Augen an. Angst suchte mich heim. Nicht wissend, was hier geschah, versuchte ich zumindest wieder festen Halt zu finden. Auch wenn dieser unbewusst an Hiars Hintern war.

    Momente vergingen, weitere Einschläge folgten und immer wieder prallten wir gleich einem Gummiball von der Umgebung ab. Allmählich beruhigte sich die Lage, aber gleichsam offenbarte sich die Zerstörung im Schiff. Flackerndes Licht, komplett verfinsterte Korridore, Offene Rohre, undichte Wasserleitungen und viel verbogener Metallschrott. Alle Insassen waren wie paralysiert. Einige regten sich gar nicht mehr, andere schrieen mit schmerzverzerrten Gesichtern. Blutspritzer, Glassplitter unter mir, ein verletzter Mensch neben mir. Sein rechter Arm war abgerissen und prangerte mit dem blutigen Ende vor Hals Nase.
    Ein Trauerspiel...

  • [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 2 ]

    „Was war das?“, schrie Hiar entsetzt, von mir nur als dumpfes Flüstern wahrgenommen, und klammerte sich am Bodenrost fest. Überall brach Panik aus. Die Meute rannte und schrie wild umher, stolperte über uns und trat mir heftig in die Rippen.
    Bis irgendwann eine Hand nach mir griff und mich hochriss. Ich kannte ihn nicht, er war mir völlig fremd. Es war ein Soldat.
    Hal rappelte sich kurz danach auf, doch sofort schlug die nächste Salve ein. Wieder erschütterte der Boden, brachte weitere Rohre zum Bersten.
    Das Dröhnen zerschmetterte mir fast das Trommelfell, so laut war es. Ohnehin konnte ich kaum etwas hören, war ich noch vom ersten Einschlag paralysiert.
    „Wir müssen hier weg!“, hörte ich des Soldaten Stimme. Reflexartig nickte ich, fand Halt an ihm und bewegte mich schlingernd langsam voran. Meine Hände suchten nach Hal, erhaschten nebenbei meinen Kommunikator, während mein Blick zu Hiar wanderte.
    Sie lag immer noch da, voller Panik erstarrt. Bleich war sie, von Furcht erfüllt. Überall um uns herum herrschte Chaos. Das einst so gut organisierte Kollektiv war nun aufgescheucht wie wildes Getier. Alles drehte sich in mir, ich verlor kurz die Orientierung. Welche Richtung führte wohin?
    „Ich kann nicht...“, winselte meine Kollegin mit verkrampftem Gesicht. „Ich kann es nicht...“
    Hal wirkte auch vollkommen neben sich und klammerte sich an meinen Körper wie Efeu. Ihre Augen blieben gesenkt, zum abgetrennten Arm des Chima. Dieser lag weiterin neben Hiar, bewegte sich aber nicht mehr. War er tot? Das viele Blut sprach für sich.
    Wie in einem Traum schaute ich auf das Display, sah alles nur verschwommen durch die getrübten Augen. Draußen flogen Trümmer, Steine und Menschen umher. Wie Puppen schwebten sie dahin, regungslos und tot. Mir stockte der Atem. Ich wollte es nicht glauben, aber es war wahr.

    Gemeinsam griffen wir Hiar unter die Arme, stemmten sie hoch und folgten dem Soldaten, wo immer er uns auch hinführte. Beschwerlich war der Gang durch den Korridor, unter dem ständigen Beben und Vibrieren. Jeder Schritt war eine Tortur, welche meine Füße zum Zittern brachte. Wie in einem Traum stolperten wir umher, krallten uns aneinander und sprachen uns leise Mut zu. Nicht, dass wir auch nur ein Wort vernahmen, aber wir mussten etwas gesagt haben, so viel wie sich unsere Münder bewegten.
    All die Geräusche und Eindrücke verschwammen um mich herum zu einer großen Kulisse. Unwirklich und tot wirkte alles. Als träumte ich... Und konnte nicht aufwachen. Aber es war so real, wie die Realität nur sein konnte.
    Meine Hand ergriff das Geländer, führte meinen Körper immer weiter den Steg entlang, während Hals Hände mich von hinten um die Hüfte packten und sie sich an mich zog. Über uns zersprang eine Lampe, die Glassplitter rieselten auf uns herab. Knirschen unter den Sohlen.
    Ein Wasserrohr platzte und Hiar stand direkt daneben. Ihr Gesicht geriet in die Fontäne kochenden Wassers. Ich wusste nicht mehr, was sie eher zu Boden zwang, ob der harte Strahl oder der Reflex. Jedenfalls geschah es noch rechtzeitig, so dachte ich...
    Laut kreischend hielt sie sich die Hände vor die Augen und windete sich wurmgleich auf dem Boden.
    „Hiar, was ist?“ Meine Freundin ging auf die Knie und sah nach ihr. „Geht es dir gut?“
    Entsetzt schreckte ich zurück, als ich einen kurzen Blick auf ihren Kopf werfen konnte. Übersät mit dunkelgrünen Flecken und kleinen Blasen. Hals Finger strichen über ihren Kopf. Sie wollte ihr helfen, doch war es bereits zu spät...
    Der Soldat griff sofort ein, legte sein Gewehr nieder und holte sein Verbandszeug hervor.
    „Ich kümmere mich um sie!“, rief er und drängte energisch meine Freundin zur Seite. Nun fing Hal auch an zu weinen und kauerte sich neben der Chima zusammen. Ich kniete mich dazu und versuchte, Hal zu beruhigen. Aber mich verstörte dieser Anblick ebenso.
    Vorsichtig nahm er Hiars Hände vom Gesicht und bedeckte es mit Gewebepflaster und Verband. Hiars Schmerzen waren regelrecht zu spüren, so heftig kreischte und winselte sie. Schnappatmung und willkürliche Zuckungen...
    „Sam!“, schrie Hal mir ins Ohr und krallte ihre zarten Finger in meinen Pullover. Ich konnte nichts weiter tun, als zusehen und beten. Nur Nähe spendete ich meiner Liebsten. In der Hoffnung, dass es sie aus ihrem Schock holen würde.
    Sanft streichelte ich ihren Rücken und flüsterte: „Sie wird es überleben, sie ist stark...“
    Ein weiterer Soldat kam dazu und gemeinsam halfen sie ihr auf die Beine und brachten sie weg. Nur noch die Worte „Bringt euch in Sicherheit“ rieten sie uns an, bevor sie mit ihr in der Menge verschwunden waren.
    So hockten wir nun da. Eng umschlungen, beide weinend und schluchzend. Ich musste einen klaren Kopf behalten. Aber der Schock saß zu tief. Ich wusste nicht, wohin wir fliehen sollten. Wir waren gefangen auf dem Schiff. Ich musste erstmal verschnaufen. Mich von den vernichtenden Eindrücken erholen, die vermutlich, kaum abgeklungen, erneut auftreten würden. Hals Mimik entgleiste. Die Mundwinkel nach unten gezogen, kreidebleich und von Leere erfüllt. Ein Schatten ihrer selbst...
    Meine Augen rasten umher, suchten einen Ruhepunkt im Chaos. Keiner meiner Kollegen war mehr zu sehen. Ich fühlte mich allein...
    Immerzu hämmerten irgendwelche Objekte auf das Schiff ein, erzitterten den Korridor voller Brutalität.
    Es war der Krieg...

    Hal und ich, wir umarmten uns. Kurz schloss ich die Augen und versuchte so dem Treiben zu entkommen. Aber die Schreie waren zu viele. Heftiges Aufstampfen von schweren Stiefeln, der brüllenden Soldaten. „Bewahrt Ruhe!“, schrien sie. „Bewahrt Ruhe!“
    Feuergefecht...
    Ich hörte Schüsse in der Ferne. Irgendetwas riss mich aus der Benommenheit. Ich starrte in gelbe Augen, umrandet von schwarzer Haut. Ein Koloss aus Muskeln türmte sich vor mir auf.
    „Sam!“, rief er und patschte seine große Pranke auf meinen Kopf. „Hal, folgt mir!“
    Es war Kror, der uns rettete. Uns beide links und rechts eingehakt, zerrte er uns durch den Gang. Äußerst mittig des Korridors, dort waren wir am sichersten vor den Erschütterungen.
    „Wir wollen zum Dekontaminationsraum!“, meinte er und nickte uns zu. Ich erwiderte gleichsam mit Nicken und konzentrierte mich nun darauf. Kror gab mir spontan neuen Mut, dies hier durchzustehen.

    Plötzlich fiel das komplette Licht aus! Wir tappten im Dunkeln. Nur noch die Displays und Gewehrlampen erhellten punktuell die Umgebung. Wie Glühwürmchen in der Unendlichkeit.
    Instinktiv riss ich meinen Kommunikator hoch und erhellte mir den Weg. Krors Silhouette zeichnete sich ab im Zwielicht. Aber was meine Augen im grellen Lichtbild erblickten, machte die Situation nicht besser. Zwischen all den Trümmern und Leichen dort draußen bahnte sich ein größeres Objekt den Weg und flog direkt auf uns zu. Wie eine überdimensionale Patrone sah es aus. Sich schraubend und windend. Das grelle Licht davon ausgehend, blendete die Kamera so sehr, dass sie an Bildqualität einbüßen musste, bis sie schlussendlich vollkommen versagte.
    Dann folgte der Aufprall. Oder auch nicht...
    Das Einzige, was ich noch sehen konnte, war, dass das Objekt sich offensichtlich in die Hülle bohrte. Nur wenige Sekunden später drang ein grässliches Quietschen zu uns hindurch. Es fräste sich hindurch, knallte und schmetterte!
    Immer lauter und abscheulicher wurde das Quietschen und Raspeln, bis eine gewaltige Explosion gute zwanzig Meter den Korridor voraus entstand. Der Boden platzte auf, die ganze Ebene zerbarst und das grelle Licht drang hindurch. Wie eine Signalleuchte drehte es sich rasend schnell. Ich sah nur noch Metallfetzen herumwirbeln, von denen mich einer knapp verfehlte. Der Bohrkopf rotierte schrill, Schreddern von Fleisch und Stahl! Mir spritzte Blut ins Gesicht. Und die Kapsel hob sich immer weiter empor.
    Dann, mit einmal entstand ein heftiger Sog, der uns in dessen Richtung zwang.
    „Dekompression!“, erklang meine Stimme, als hätte mein Unterbewusstsein bereits gewusst, dass ein Hüllenbruch bevorstand.
    Nur wenige Augenblicke und Hilfeschreie später, stoppte der Sog abrupt und wurde von einem Erdbeben begleitet. Die Kapsel verharrte regungslos, der Bohrkopf rotierte langsam aus und zischende Geräusche erklangen. Beißender schwallartiger Rauch vernebelte das grelle Leuchten und setzte sich wie Schlamm zu unseren Füßen ab. Dann zerplatzte das Objekt irgendwie, große Trümmerteile wirbelten wie Klingen umher und säbelten die nahestehenden Leute um.

    Kror, Hal und ich standen zum Glück weit genug weg, um verschont zu bleiben. Andererseits bekamen wir auch vom Folgenden kaum etwas mit. Denn wie es schien, offenbarte sich eine Art Maschine aus der Hülse. Ohne Vorwarnung wurde das Feuer eröffnet. Aus allen Richtungen und Ecken wurde auf den Mech geschossen. Ganze Salven flogen umher, Kugeln sirrten an unseren Köpfen vorbei und vereinzelte Leuchtspurgeschosse markierten das Ziel.
    Ich hielt mir die Ohren zu und presste meinen Kopf fest an Krors Brust.
    „Pam pam pam..!“, schepperte das Rasseln der Patronen aus den Läufen, stießen die leeren Hülsen aus bespuckten mich damit. Klirren und Klimpern auf die Gitter, wie Stecknadeln...
    Ich weiß nicht mehr, wie genau, aber prompt eröffnete die Maschine die Offensive. Viel langsamer aber härter! Vergleichbar mit einer Haubitze knallten die Schüsse heraus und zerfetzten die stickige Luft. Blitzartig sirrten die Projektile umher und durchschlugen ganze Personenmassen! Ein Massentreiber-Geschütz, von so ungeheurer Kraft, dass es sogar die Wände perforierte!
    Beide Fronten lieferten sich einen erbarmungslosen Schusswechsel, von den Verlusten her bei uns deutlich höher. Keine Ahnung, wieviele es waren. Es waren zu wenige Soldaten von uns.
    Instinktiv gingen wir drei in die Hocke und leiteten den Rückzug ein. Wenn Kror schon Panik schob, musste es tatsächlich gefährlich sein!
    Immer weiter knallte der Massentreiber, zertrümmerte alles Getroffene. Kugelblitze, elektrische Entladungen und stetiges Vibrieren der Korridore begleiteten unsere Schritte.
    Plötzlich stürzte Kror zu Boden!

  • [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 3 ]

    Ein Schmerzensschrei folgte. „Mein Bein!“, schrie er, „Mein Bein!“
    In dieser Finsternis konnten wir kaum etwas erkennen. Ich wollte nur noch weg hier und patschte meine Hände Richtung Boden. Sie ergriffen seinen Arm, an dem ich mit aller Kraft herumzog.
    „Lasst uns von hier verschwinden...“
    „Mein Bein!“, schrie er weiter, nun packte auch Hal mit an. Doch er wehrte sich heftig und riss beinahe mich mit zu Boden.
    Irgendwann verlagerten sich die Massen in unsere Richtung und überrannten uns wieder.
    „Lasst mich nicht allein!“, brüllte er und krallte sich mit aller Kraft an mir fest. „Rettet mich! Mein Bein!“
    Der Lichtschein drang zu uns hindurch und gab einen kurzen Blick auf Krors Körper frei. Ich war entsetzt, als ich hüftabwärts die Blutlache sah. Sein rechtes Bein war vom Knie abwärts nicht mehr vorhanden. Überall lagen Fleischfetzen, Blut und Schleim.
    Ich konnte ihm nicht helfen. Er war zu schwer und ich zu schwach. Alle waren aufgescheucht und niemand wollte uns helfen. Das Knallen des schweren Geschützes drang tiefer zu uns durch. Die Maschine kam langsam in unsere Richtung.
    „Lasst mich nicht zurück!“, schrie Kror immerzu und versuchte über den Boden zu robben.
    Plötzlich gab es eine erneute Erschütterung und wieder dieses fräsende Geräusch. Diesmal von der anderen Seite. Ehe ich mich danach umsehen konnte, zerfledderte ein weiterer Bohrkopf die Wand und durchschlug glatt die Decke in zehn Meter Höhe.
    Alles Umstehende wurde durch das Loch hinausgesogen, ins weite All geschleudert. Sofort klammerten sich alle aneinander und gleichsam ans Bodengitter fest. Acht Personen hingen an mir. Langsam aber stetig rutschten wir Richtung Hüllenbruch. Andere hatten weniger Kraft und Glück, wurden schneller erfasst und durch den schmalen Schacht gequetscht.
    Langsam bewegte sich die Kapsel wieder zurück zum Loch, fuhr Klingen aus und landete wie ein Pfropfen darauf. Der Sog wurde unterbunden. Jedoch ahnten wir bereits, was folgen sollte.
    Der Kugelhagel verlagerte sich nun darauf. Nur wenige Augenblicke später strömte auch dort dieser stickige Rauch heraus, blies mir ins Gesicht und raubte mir die Atemluft. Hustend und keuchend senkten wir unsere Köpfe so tief es ging und pressten uns die Ärmel gegen die Münder.
    Wie ein schweres Schloss knackte es, entriegelte große Bolzen und sprengte auch ihre Hüllenfragmente hinfort. Wie durch ein Wunder überlebten wir die gefährlichen Geschosse und sahen uns nun der im Innern verborgenen Kreatur gegenübergestellt.
    Wir konnten es nun besser erkennen, jedoch blieb es für uns fremd. Ein zwei Meter großer Koloss auf zwei Beinen, in tiefschwarzer, glänzender Rüstung. Übersät mit Schläuchen, Kabeln und Metallplatten. Kein Körper war zu sehen, nur die stählerne Hülle. Am linken Arm prangerte das Massentreiber-Geschütz, schwer und plump. Der rechte Arm war eine rotierende Lanze, einem Giftstachel gleich. Zischend, blinkend und surrend setzte das Ungetüm einen Fuß vor den anderen und verließ leicht unbeholfen die Kapsel.
    Es blickte mich an, ich spiegelte mich in dessen Visier. Dann stach es zu!
    Dem nächstgelegen Opfer zu Füßen rammte es die Lanze mitten durch den Brustkorb. Solch Leichtigkeit hätte ich mir nie zu träumen gewagt. Überall spritzten Blut und Gedärme herum, besudelten die hilflosen Zivilisten. Mein Herz raste, Tunnelblick ereilte mich!
    Kreischen, Schreien, Brüllen...
    Angst und Schauder!
    Erneut stach er zu. Und wieder und abermals. Dann richtete er die Waffe auf mich...
    Herzstillstand! Ich fühlte nichts mehr. Keinen Kummer, kein Leid. Liebe und Hoffnung waren erloschen. Die große Leere kam zum Vorschein. Sie blendete mich.
    Doch dann...
    Ein Blitz. Ein greller, gleißender Lichtblitz schoss an mir vorbei, traf die Maschine hart an der Schulter und zwang sie zum Ausfallschritt. Wenige Momente später kam die Druckwelle von hinten und reflexartig zuckte ich zusammen. Ein erneuter Treffer an die Schulter. Dann schwenkte er um und erwiderte das Feuer.
    „Scharfschützen!“, schrillte Krors Stimme mir entgegen. „Macht ihnen Platz!“
    Wieder bebten die Wände, wieder wurden wir durchgerüttelt. Aber der Mech bewahrte Stand. Nur leicht ging er in die Hocke und rappelte sich anschließend wieder auf.
    Endlose Minuten vergingen, ein stetiger Kugelhagel und viele Tote. Dann war es endlich geschehen. Der Feind fiel um, gab sich geschlagen, und die Lichter erloschen.
    Ich traute mich dennoch nicht, aufzuatmen. Ein flüchtiger Blick zu Hal rüber. Aber sie schien zu vertieft ins Geschehen, als dass sie es erwidern konnte. Starre gelbglühende Augen. Kein Blinzeln, kein Geräusch. Wie zu Stein erstarrt verharrte sie in kniender Pose, die Hände tief in Krors muskulösen Rücken gekrallt. Und mein Kollege schien kaum noch bei Bewusstsein, hechelte mit dumpfen Tönen und grub seine Finger in die Totenmassen.
    Langsam rutschte ich zu Hal rüber und nahm sie in die Arme. Sie erschrak kurz, als unsere Körper sich berührten. Doch sie erkannte, dass ich es war und ich sie beschützen wollte. Gleichsam war uns aber bewusst, dass nichts genug Schutz bieten konnte, gegen solche Grausamkeit.
    Uns umarmend, streichelnd und sanft küssend, versuchten wir mit der Situation klarzukommen und die Ereignisse um uns herum für einen kurzen Augenblick zu vergessen. Trotz des in uns manifestierten Schauders, des Ekels voreinander und dem Unbekannten gegenüber, fühlten wir uns in dieser Sekunde absolut sicher. Ich versank in Gedanken, in Erinnerungen ein paar Tage zurück. An Emilie dachte ich. An Chu und Valery...
    Lebten sie noch? Dachten sie auch an uns? Wie ging es meinen Eltern? Wie würde es Slay ergehen, von Velit aus dies zu verfolgen?
    Kalt waren Hals Hände. Kalt war ihr Atem. Kalt war ihre Nähe zu mir...

    Weitere Minuten vergingen. Wir konnten nicht voneinander lassen, wir brauchten die Nähe. Etwas regte sich bei dem Ungetüm. Es zischte und fiepte. Doch unsere Soldaten hatten es bereits umzingelt und hantierten an dessen Torso herum. Die Scheinwerfer glimmten auf und plötzlich begann sich die Armlanze wieder zu drehen.
    Ohne Vorwarnung platzierten die Militärkräfte gezielte Schüsse an dessen Helm, um sich zeitgleich schnell zurückzuziehen. Nur ein Offizier blieb zurück und steckte irgendwelche Kabel um. Als der Mech sich gerade hochstemmen wollte, schossen elektrische Entladungen durch ihn und den Offizier. Es knisterte und surrte, der beißende Geruch verbrannten Fleisches stieg mir in die Nase. Eine Explosion gleißenden Lichtes und elektrischer Schockwellen folgte, breitete sich rasend schnell aus und versetzte mir einen heftigen, aber nur kurzen Schock. Hal verkrampfte stark und stieß ein schrilles Kreischen aus.
    Ich spürte, wie sich meine Haare aufstellten und ein unangenehmes Kribbeln durch meinen Unterleib schoss.
    Dann geschah es...
    Meine Hose wurde nass.
    Instinktiv rümpfte ich die juckende Nase und stellte fest, dass auch dort Flüssigkeit floss. Leichtes Nasenbluten, wie auch ungeheurer Druck auf den Ohren.
    Kurz schniefte ich, um das unangenehme Gefühl wegzubekommen.
    „Was war das?“, flüsterte Hal heiser.
    Und Kror erwiderte leise: „Ein EM-Impuls.“
    „Ich dachte, das sei verboten auf den Archen“, meinte ich verwundert und rieb mir leicht die Nase. „Wir hätten alle sterben können, wäre er...“
    „Zu intensiv gewesen“, beendete er meinen Satz. „Anscheinend sind diese Maschinen sehr anfällig für Elektrizität.“
    „Hoffentlich auch für Wasser“, fügte Hal an.
    „Das ist mir gerade recht egal!“, erwiderte ich gleichgültig und rappelte mich kurzerhand auf. „Ich will hier nicht länger bleiben. Wir müssen in den Dekontaminationsraum, wie Kror es vorhin meinte.“

    Dies war offensichtlich auch im Interesse der Sturmtruppen und Sanitäter. Paarweise suchten sie die Gänge und Korridore nach Überlebenden ab. Da die Stromzufuhr anscheinend immer noch gekappt war, tappten wir regelrecht im Dunkeln. Kaum, dass ich Krors Silhouette wahrnehmen konnte, machten sich andere Leute hier mit weniger Problemen lautstark auf sich aufmerksam. Rufend und winkend versuchten Hal und ich einen der Soldaten zu uns zu locken, was sich als äußerst schwer herausstellte. Lagen wir mitten im Schlachtfeld, halb überdeckt von Leichen und trugen zudem auch noch dunkle Kleidung.
    Kror ging es vermeintlich gut, seiner Reaktion nach zu urteilen. Hoffentlich hatte er nicht schon zu viel Blut verloren. Hoffentlich würde er es überleben. Ich gönnte es jedem hier, diesen Krieg halbwegs unbeschadet zu überstehen. Aber meiner Familie, Freunden und Bekannten am meisten. Kurz war ich mir selbst der Nächste, bevor meine Freundin mich in die Realität zurückholte.

    Eine gefühlte Ewigkeit verging, weitere Erschütterungen und Explosionen kamen und gingen, bis auch wir schließlich gerettet wurden. Unsere Kommunikatoren gingen bis auf meinen zu Bruch und Miri schien vorerst auch außer Betrieb. Eine sehr merkwürdige Situation, gerade. So brutal und skrupellos hatte ich mir den Krieg nichts vorgestellt. Wir hätten sterben können. Und das schon mehrmals. Aber wie durch ein Wunder, überlebten wir es. Auch, wenn mir klar war, dass dies erst der Anfang war, war ich dennoch froh, mich vorerst in Sicherheit fühlen zu können.