Sinistres Halloween 2018

Es gibt 23 Antworten in diesem Thema, welches 7.093 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (1. November 2018 um 14:47) ist von Tom Stark.

  • Ob man es glaubt oder nicht, an sich stehe ich nicht so sehr auf diese Volksfeste, wie Weihnachten oder Ostern.
    Selbst in meiner Zeit im Big Easy konnte ich dem Mardi Gras wirklich nichts abgewinnen. Festtagstraditionen sind zum Brechen da. Na schön, meine Ella bringt mich gerade dazu, sie unter günstigen Umständen zu tolerieren, die Zeiten ändern sich eben, auch für mich, das ist jedoch eine völlig andere Geschichte.
    Aber seit ich in New York wohne, gibt es eine Zeit im Jahr, da bin ich voll mit dabei:
    Ich werfe mich in meinen viktorianischen High-Low-Chiffonrock mit den passenden, fast kniehohen Schnürstiefeln und den zwar nervig dünnen, dafür noch nervigeren hohen Absätzen und dem Rüschenmieder mit dem eng geschnürten Korsett. Dazu kommt noch der passende Gehstock und der etwas zerknautschte Zylinder mit der obligatorischen Schweißerbrille.
    Heutzutage trage ich noch ordentlich Schminke auf, um meinem Gesicht die nicht nur leise Andeutung eines Totenkopfes zu geben, früher genügten die ohnehin blasse Haut und ausgefahrenen Reißzähne, aber wie schon gesagt, die Zeiten sind nicht mehr dieselben. Ella steuert zu meiner Verkleidung noch eine hausgemachte Dauerwelle bei. Mal ganz im Ernst, warum tun sich andere Frauen so was das ganze Jahr an?

    So ausstaffiert, dass mich selbst die Handvoll guter Bekannter, die ich mir so leiste, mich nicht wiedererkennt, fahre ich mit der U-Bahn zum Central Park, und wenn ich ganz sicher bin, dass mich niemand verfolgt, gehe zu der schwarzen Kutsche, die am vereinbarten Platz steht. Es ist genau Dämmerungszeit. Zwei schwarze Pferde warten vor der Totengräberkutsche, ebenfalls ganz in Schwarz gehalten, und zwei lackglänzende schwarze Särge warten dort auf mich. Der rechte Sarg ist mit einem silbernen Schildchen versehen, wo in geschwungenen Lettern steht: Lady Sinistre Mysteria, Gräfin der Nacht. Den Linken ziert ein neonfarbener, teuflisch grinsender Kürbis, der sogar im Dunkeln leuchtet.
    Igor, mein Kutscher - im wahren Leben heißt er Jose Ramirez und betreibt einen Kutschenverleih für extravagante Fahrten – grüßt mich wie immer mit seiner Version einer Grabesstimme:
    »Willkommen, Lady der Nacht. Dieselbe Prozedur wie im vorigen Jahr?«
    So huldvoll, wie es mir möglich ist - und ich habe es stundenlang vor dem Spiegel geübt - antworte ich selbstverständlich: »Dieselbe Prozedur wie jedes Jahr, Igor.«
    Dann lasse ich mir von ihm den Sarg öffnen, lege mich dort hinein und warte mit über der Brust gekreuzten Armen darauf, dass er den Deckel schließt und losfährt.
    In diesem Jahr sind schon etliche Zuschauer vor Ort, vor allem die jüngeren, bei denen es sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass jedes Jahr an diesem Tag die Gräfin der Nacht ihren Auftritt hat.
    Dieses Jahr, erst zum zweiten Mal, ist auch eine ganz bestimmte Erwachsene unter den Zaungästen. Eine bezaubernde Hexe in einem unverschämt eng geschnittenen blauen Glitzerkleid, mit einem riesigen spitzen Hut mit auffälliger goldener Schnalle am Hutband und einem Reisigbesen, der garantiert noch nie ein Flöckchen Dreck gekehrt hat. Dass die hübsche Hexe noch ein wenig nach dem scharfen Geruch von Dauerwellenwasser riecht, fällt außer mir keinem auf.

    Die Kleinen, alle im Alter von fünf bis dreizehn, stehen um den Wagen herum, bohren ratlos in der Nase, kauen betont unängstlich auf einem Kaugummi herum oder flüstern sich begeistert Dinge in der Lautstärke zu, dass ich sie sogar bei geschlossenem Sarg hören kann.
    Früher hatte ich immer einen befreundeten Polizisten in der Nähe, der ein Auge auf mein junges Publikum hatte, schließlich sind sie wegen mir um diese Zeit im Park, und ich mache keine Scherze, wenn ich darauf hinweise, dass mit der Dämmerung die Monster aus ihren Löchern kommen, nicht nur zu Halloween.
    Angesichts der wachsamen Hexe, hätte ich mir erst bei einer ausgewachsenen Zombie-Invasion Sorgen machen müssen, und da wahrscheinlich eher um die arme Untotenschar.
    Mit einem Ruck fährt die Kutsche an und mit sehr gemütlichem Tempo, immerhin will man sein Publikum ja nicht außer Atem bringen, geht es tiefer in den Park. Aus versteckten Lautsprechern ertönt Toccata und die Fuge in D-Moll von Bach in gerade noch erlaubter Lautstärke.

    Spätestens jetzt wissen alle Eingeweihten in der Nähe, was kommt. Der Mopedfahrerclub aus Werwölfen, sie selbst nennen sich Central Bikers from Hell, haben hoffentlich all ihren Leuten erklärt, dass dieser Teil des Parks für sie nun Off-Limits ist. Ich hasse es, eine Lektion zweimal erteilen zu müssen und seit ein paar Monaten sind meine Beziehungen zum größten New Yorker Werwolfsclan so gut wie nie. Sie verzichten bereitwillig darauf, mir in die Quere zu kommen, und ich verzichte im Gegenzug großmütig darauf, ihnen schon aus Prinzip das Fell zu gerben. An sich würde ich den Zustand gerne so beibehalten. Wie schon erwähnt, die Zeiten ändern sich.
    Nach genau abgemessenen neun Minuten, Toccata nähert sich seinem Finale und die tiefen Basspfeifen der Orgel dröhnen noch einmal wie die Posaunen von Jericho, kommt unser Ziel in Sicht. Die Prozession hinter meinem Leichenwagen ist inzwischen auf wenigstens ein Dutzend Kinder und einige zusätzliche neugierige Erwachsene, meistens verkleidete Liebespaare angewachsen.
    Wir erreichen The Pond, einen kleinen Weiher nördlich der 59sten Straße. Dort biegen wir in einen Kiesweg ein, der sonst durch ein eisernes Gatter versperrt ist, heute aber offensteht, wenigstens für diesen Abend. An einem Platz, sonst ein freundlicher Treffplatz für Familien, heute Abend aber zu einem schaurig heimeligen Friedhof umgestaltet, hält die Kutsche an.
    Hier warten bereits weitere Gäste meiner kleinen Show, auch wieder hauptsächlich Kinder und Jugendliche, aber auch einige weitere Erwachsene. Ich bin jedes Jahr auf Neue erstaunt, wie dieses, doch eigentlich so supergeheime Event, bei dem ich jedem einzelnen geladenen Gast das ernsthafte Versprechen abgenommen habe, kein Sterbenswörtchen zu verraten, sich so weit herumsprechen kann.

    Ich warte bis die Musik zu Ende ist und dann noch einmal, bis ich nur noch gespannte Stille vernehme.
    Knarrend und quietschend öffne ich den Sargdeckel und registriere zufrieden vereinzelte leise Schreckgeräusche. Es hat mich Stunden bei einem genervten Sargtischler gekostet, diese Geräusche bei den Scharnieren so hinzubekommen.
    Langsam erhebe ich meinen Oberkörper und schaue mich um, wie immer hochmütig erstaunt, völlig unerwartet so viele Zuschauer zu sehen.
    Geübt elegant steige ich aus dem Sarg, und es hat einige Christopher Lee Draculas gebraucht, bis ich das so hinbekommen habe. Egal was man glaubt, so etwas wird auch einem jungen Vampir nicht in die Wiege, Verzeihung, in den Sarg gelegt.
    Unter dem Ohh und Ahh meines Publikums steige ich herab, nehme dabei die galante helfende Hand meines Igors wie selbstverständlich in Anspruch. Zum Glück sind manche hier schon seit der ersten Show dabei und so kann ich auf Agenten im Publikum inzwischen verzichten.

    »So viele Gäste bei meiner kalten, mod'rigen Heimstatt?« Betont überrascht ziehe ich meine Augenbrauen hoch und trete mitten zwischen die falschen Grabsteine vor den Steinthron, der wie zufällig vor einem grimmig blickenden Engel mit fletschenden Zähnen platziert ist.
    »Igor. Sage er mir, erwarten Wir Gäste?«
    Igor grinst über das ganze Gesicht als er antwortet: »Nein, edle Frau Gräfin. Es müssen wohl Eindringlinge sein, die auf Euer Geschmeide aus sind.«
    Erbost strecke ich meinen Kopf vor, rufe Beast, den wilden Geist in meinem Innern hervor, der auch begeistert mitspielt, und meine Augen glühen gelb leuchtend auf. Ich gebe mein bestes Ich-bin-ja-dermaßen-angepisst-Gesicht, dass ich einige entsetzte Rufe der Neuen unterm Publikum ernte. Der Rest klatscht und johlt Beifall, wie jedes Jahr.
    »Nein, wir wollen nicht Euer Geschmeide!«, ertönt nun der Ruf. Es ist die Stimme von Mr. Herriworth, dem aktuellen Leiter des Martin Luther King Waisenhauses, mit dem die ganze Aktion abgesprochen ist.
    Ich beruhige mich scheinbar mühsam, meine Augen flackern noch ein paarmal, bis ich mich hoheitsvoll auf meinen Steinsessel setze und betont pikiert meine Beine übereinanderschlage und an meinen schwarzen Spitzenhandschuhen herum zupfe.
    »Und welchen Wunsch könnte so gemeines Volk an die hohe Lady der Nacht richten wollen?«

    »Eine Geschichte!«

    »Eine Horrorstory«

    »Erzähl uns eine Geschichte!«

    »Gruseln, uns soll‘s gruseln!«

    Meine Schminke verdeckt meine zuckenden Mundwinkel zum Glück sehr gut und ich lasse meine tiefschwarz umrandeten Augen starr durch die Reihen blicken, bis wieder Ruhe herrscht.
    »Na schön!« Ich seufze theatralisch. »Vermutlich werde ich Euch sonst nie wieder los?«
    Zustimmendes Geheule und lauter Beifall bestätigt mir, aka. Gräfin der Nacht, diese spontane Vermutung.

    »Nun denn«, fahre ich fort, als wieder einigermaßen Ruhe herrscht, »setzet Euch und schweiget stille und so will ich Euch erzählen die Mär des Flüchtlings, der eines Tages bei Hallow-Ville aufgegriffen wurde …«

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (31. Oktober 2018 um 23:50)

  • @Tom Stark

    "The same procedure as last year, Miss S ?"
    "The same procedure as every year, J !"

    Sogar die Anfangsbuchstaben der Namen passen! :rofl:

    Tolle Idee, wie immer super Beschreibungen und diesmal sogar eine perfekte Hintergrundmusik. Das Ganze gespickt mit kleinen Gags wie ein Ausflug zu "Basic Instinct" und "Dinner for One". Bin gespannt, wie es weitergeht, welche Geschichte sie erzählt, welche Rolle die Hexe noch spielen wird und für wen der zweite Sarg ist. Ich hoffe doch, dass du daran noch weiterschreibst??

    Spoiler anzeigen

    So ausstaffiert, dass mich selbst die Handvoll guter Bekannter, die ich mir so leiste, mich nicht wiedererkennt,

    Hier ist ein "mich" zu viel im Satz ^^

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Die Geschichte - Teil I

    Sheriff Jeff Corbin war nicht das, was man einen mutigen Mann nennt, ganz und gar nicht. Das lag nicht so sehr an seiner geringen Körpergröße von kaum 1.7 Meter, denn Mut ist eine Sache von innerer, nicht äußerer Größe. Vielmehr war er von Natur aus überaus vorsichtig, daher allerdings auch überaus gründlich, um, wenn es irgend ging, jedes Risiko zu vermeiden.
    Seine Wiederwahl, alle fünf Jahre aufs Neue, war dennoch nie gefährdet, sei es, weil man die Stärken und Schwächen des Sheriffs kennen und schätzen gelernt hatte, sei es, weil die Menschen einfach zu bequem sind und Änderungen fürchten, oder aber, weil es ohnehin keinen anderen Kandidaten gegeben hatte.
    Hallo-Ville war zu seinem Glück auch ein ruhiges Städtchen im südwestlichen Arizona am Rand der Sonora-Wüste gelegen. Auch wenn es hier und da etwas Probleme mit Schmugglern aus oder nach Mexico gab, waren doch selbst diese Halunken selten mutig genug, ausgerechnet hier die Wüste zu durchqueren. Daher hatte er wenig mehr zu tun, als ab und an einen Strafzettel wegen Falschparkens auszustellen, oder einen Betrunkenen wegen Urinierens in die Wüste zu ermahnen. Für die Schmugglerbanden rief er die Grenzbeamten der Bundespolizei und falls es doch einmal etwas Handgreifliches zu regeln galt, standen Sonora-Joe, der Halbindianer und Augustus Gus Pie, seine beiden Deputies bereit.
    Diese beiden hochgewachsenen Burschen waren es auch, die ihm eines Tages einen Landstreicher ins Office brachten, wobei schleppen oder schleifen das bessere Wort dafür wäre.
    Gus wandte sich an seinen Vorgesetzten: »Holla, Boss. Den haben wir bei Jabbas Point aufgegriffen. Hat weder Papiere noch Geld bei sich und bekommt keinen klaren Satz heraus. Du hast doch gesagt, wir sollen die Augen auf den Weg nach San Hernando offenhalten.«
    Vom Mexikanischen Nachbarort war schon seit Tagen kein einziges Auto mehr durchgekommen und auch der tägliche Anruf des örtlichen Polizei-Chefs war schon dreimal ausgeblieben. Genauso wenig konnte Sheriff Corbin die Polizeistation dort erreichen. Das war kein Grund für eine gesteigerte Besorgnis, Telefonverbindungen nach Mexiko fielen immer wieder für mehrere Tage aus und der Empfang mit Mobiltelefonen war hier am Rand der Sonora schon immer ein Glückspiel gewesen. Doch Corbin war eben gründlich.
    »Gut gemacht, ihr Zwei. Steckt den Herrn zunächst einmal in die Ausnüchterungszelle. Joe, geh bitte zu Linda ins Diner und besorg dem Kerl ein anständiges Mittagessen und jede Menge Kaffee. Wollen doch sehen, ob wir ihn nicht nüchtern bekommen.«
    Joe sah einen Moment so aus, als wolle er seinem Chef widersprechen. Der Landstreicher machte keinen betrunkenen, eher panischen Eindruck auf ihn, aber dann zuckte er nur die Schultern und ging wortlos. Der Halb-Indianer war kein Mann vieler Worte und schon gar nicht kümmerte er sich um Dinge, die ihn nichts angingen. Selbst in Arizona lernt man auch heute noch als Indianer-Blut in einer weißen Stadt, sich möglichst unter dem Radar zu bewegen.
    Als der Landstreicher sicher in der Zelle verwahrt und mit Essen versorgt war, ließ Sheriff Corbin ihm eine halbe Stunde Zeit, bevor er wieder nach ihm sah.
    Was er vorfand verwirrte ihn zunächst mehr, als dass es ihn besorgte.
    Der verdreckte Mann saß ganz in der Ecke der kleinen Zelle, zusammengekauert, die Augen und das Gesicht unter einem Arm versteckt. Er hatte weder Essen noch Kaffee angerührt, noch die Möglichkeit genutzt sich am Waschbecken zu erfrischen oder gar zu säubern. Ein weiterer Blick, sicher ist sicher, zeigte dem Sheriff, dass auch die Toilette nicht benutzt worden war. Der Deckel war immer noch unten und es war undenkbar, dass der völlig verdreckte Mann ihn ohne jede Spur hatte anheben können.
    »Mein Name ist Corbin, Sheriff Corbin.«, fing er an und versuchte seiner Stimme einen festen aber auch vertrauenserweckenden Klang zu verleihen.
    »Können Sie mir Ihren Namen sagen und woher Sie kommen?«
    Er wiederholte seine Worte auf Spanisch, doch die Reaktion war genau dieselbe: Gar keine.
    Der Mann antwortete nichts, schaute nicht auf, bewegte sich noch nicht einmal. Lediglich ein leises Flüstern, was eher nach einem Gebet oder Kinderreim klang, verriet, dass der Mann überhaupt wach war.
    Corbin betrachtete die dürre Gestalt eine Weile, bis er zum Schluss kam, dass der ausgezehrte, wahrscheinlich völlig dehydrierte Mann keine Gefahr für ihn darstellte. Entschlossen rückte er seinen Gürtel mit der Dienstwaffe zurecht, dann öffnete er die Zelle und trat festen Schrittes ein.
    Der Kopf des Landstreichers tauchte unter seinem Arm auf und zwei verquollene Augen warfen dem Sheriff einen panischen Blick zu. Jener hob beruhigend eine Hand, die andere zur Sicherheit nicht weit von der Waffe entfernt.
    »Ganz ruhig, mein Freund. Ich will Dir nichts tun. Du steckst auch nicht in Schwierigkeiten. Ich will nur wissen, wer Du bist und woher Du kommst …«
    Schon während er es gesagt hatte, war dem Sheriff klargeworden, dass dies nicht ganz die Wahrheit sein konnte. Der Mann war definitiv in Schwierigkeiten, Corbin musste nur noch herausfinden in welchen genau.
    »Ihr müsst mich gehen lassen. Sie kommen. Sie holen mich!«
    Die unerwartete Antwort war schnell gekommen, wie ein gepresster Atemstoß und fast so leise. Doch es waren nicht die Worte, sondern der panische Unterton, die Corbin zurückweichen ließen, bis er mit dem Rücken an die Gitterstäbe der Zelle stieß.
    »Wer will Dich holen, Mann? Schmuggler, Drogen oder Waffen? Das Kartell? Hast Du etwas gesehen, was Du nicht sehen solltest?«
    Corbins Stimme klang nun keineswegs mehr fest. Mit den Schmugglern des Kartells wollte er es auf gar keinen Fall zu tun bekommen. Notfalls würde er den Mann so schnell wie möglich aus der Stadt eskortieren und am Rande seines Zuständigkeitsgebiets auf die Straße setzen lassen.
    »Kartell? Kartell?!« Der zerlumpte Mann begann haltlos zu kichern. Immer irrer wurde das Kichern, bis es seinen ganzen erschöpften Körper erfasst hatte und dieser spastisch zu zucken schien.
    Corbin floh geradezu aus der Zelle und erst als er den Schlüssel von außen dreimal herumgedreht hatte, holte ihn sein Verstand ein. Er sah zu seinem Gefangenen hinein. Das Kichern hatte ihm mehr Angst gemacht, als alle Befürchtungen wegen des Kartells.
    »Hey, Mann. Rede mit mir. Du musst mir sagen, was los ist, sonst kann ich Dir nicht helfen.«
    Der Sheriff hoffte, dass der Verwirrte die Lüge in seiner Stimme nicht heraushören konnte. Alles was er wollte, war diesen Kerl so schnell wie möglich loszuwerden. Aber zuerst musste er wissen, was los war. Einer Gefahr, die man nicht kennt, kann man schließlich nicht ausweichen.
    »Helfen? Mir?« Das kichern hatte mit einem Mal aufgehört. Der Irre war aufgesprungen und mit einem Satz an den Gitterstäben. Corbin wich instinktiv drei Schritte zurück, als die dürren Finger des Mannes die Stäbe umklammerten.
    »Mir kann niemand helfen. Du musst mich freilassen, verstehst Du Sheriff. Du musst! Sie werden mich holen kommen und wenn ich hier bin, werden sie Euch auch gleich holen, so wie mein ganzes Dorf.«
    »Dein ganzes Dorf?« Sheriff Corbin war sich unschlüssig. Es klang völlig verrückt, allerdings glaubte der Landstreicher offensichtlich an das, was er sagte. Und seine Panik war ganz sicher nicht gespielt.
    »Ja, San Hernando!«, wieder ein kurzer Anfall dieses wahnsinnigen Kicherns, »Allesamt! Nur ich bin noch übrig.«

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    5 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (26. Oktober 2018 um 11:57)

  • Oh ... wow, bist du sicher, dass das FSK6 ist, Tom? Da stehen schließlich Kinder und hören Sinistre zu!!

    Spoiler anzeigen

    Heftig. Den Mann hast du wirklich perfekt beschrieben. Seine Panik, sein Verhalten, alles super. :thumbup:
    Nicht nur ihn, auch die drei Gesetzenhüter entstehen problemlos vor meinem geistigen Augen. Und nebenbei beschreibst du mit ein paar hingeworfenen Worten die Umgebung, so dass das Kopfkino auch was zu tun bekommt.

    Was mag in dem Dorf nur passiert sein? Vampire? Werwölfe? Untote? Steuerprüfung? Zoll, wegen Schwarzarbeit? Oder doch was ganz anderes?
    Jetzt muss ich bis morgen warten. Bitte poste 0:01 Uhr, ja?

    ..., standen Sonora-Joe, der Halbindianer

    Warum hab ich jetzt Mark Twains Indianer-Joe im Kopf? :hmm:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Die Geschichte Teil II

    Erschüttert von dem Gehörten taumelte der Sheriff in das Büro, welches er sich mit Glenda Persching seiner Schreibkraft und Mädchen für Alles teilte. Glenda war nicht da, zum Glück, denn den kreidebleichen Corbin hätte sie unter Garantie sofort ausgefragt. Vor Glenda war es schwer etwas geheim zu halten, aber diese Geschichte wollte Jeff Corbin erst einmal unbedingt für sich behalten. Warum er diesen Entschluss so fest und so rasch gefasst hatte, wusste er selbst nicht.
    Schwer ließ er sich auf seinen ergonomischen Schreibtischstuhl fallen und ohne, dass er es bewusst beabsichtigt hatte, fanden seine Hände die Flasche Tequila, die in der untersten Schublade zwischen Büroklammern, Tesafilmrollen und Klarsichtumschlägen ruhte.
    Erst nach dem dritten langen Schluck, bemerkte Corbin, was er da tat. Schuldbewusst schaute er sich schnell um, obwohl natürlich niemand außer ihm im Sheriff-Office war und nahm dann noch einen letzten, dafür besonders großen Zug aus der beinahe leeren Flasche. Langsam kehrte Farbe in sein Gesicht zurück und sein Verstand begann wieder halbwegs normal zu arbeiten.
    Er griff zum Hörer und hatte bereits die Kurzwahl zur Polizeistation San Hernando gedrückt, als er ihn schon nach dem ersten Rufzeichen schnell wieder auf die Gabel hämmerte. Was, wenn immer noch niemand abnahm? Dann war er, gerade nach dieser verstörenden Aussage des Landstreichers, einfach dazu verpflichtet die mexikanischen Behörden zu verständigen. Er hatte bereits zweimal mit den Federales zu tun gehabt und er hatte die Zusammenarbeit keineswegs genossen. Die Feds waren da ähnlich wie die hiesige Bundespolizei, bildeten sich sonstwas darauf ein, eine mehrjährige Ausbildung durchgestanden zu haben, oder dass sie es mit Waffenschiebern und Drogenkartellen aufnahmen. Wahrscheinlich würden sie Corbin nur auslachen. Aber der Sheriff war nahe der Sonora geboren und aufgewachsen und er kannte die Geschichten. Geschichten von den Dingen, die in der Wüste lauerten. Monstern, die in mondlosen Nächten aus ihren Verstecken hervorkrochen.
    Entschlossen schüttelte Corbin den Kopf. Nein, er würde sich nicht zum Narren machen und seine beiden Deputies losschicken, die Straße zur Grenze genau im Auge zu behalten. Wenn etwas aus San Hernando hierher unterwegs war, musste es von dort kommen.
    Er griff zu seinem Funkgerät, Funk war in dieser Gegend weitaus zuverlässiger als das Telefonnetz.
    »Sheriff Corbin an Deputy Joe.«
    Joe hieß eigentlich mit vollen Namen Joele Blue Eyed Walker, aber niemand nannte ihn so, jedenfalls keiner der Weißen aus Hallow-Ville. Die Yavapai, der Indianerstamm, der in vereinzelten Hütten und Wohnwagengruppen über die ganze Peripherie der Stadt zur Wüste hin verteilt lebten, nannten ihn ohnehin in ihrer Sprache völlig anders.
    Von Joe kam keine Antwort, was Corbin nicht sonderlich überraschte. Der seltsame Kerl verschwand oft tagelang ohne ein Wort und tauchte dann ebenso wortlos wieder auf. Corbin hätte ihn schon lange entlassen, aber er brauchte ihn, um in den ganz seltenen Fällen, in denen es nötig war, mit den störrischen Indianern ins Gespräch zu kommen. Sie hatten ihn noch nie gemocht und das beruhte eindeutig auf Gegenseitigkeit.
    »Na schön, du blöde Rothaut, dann eben nicht!« Corbin fluchte lautlos und rief dann seinen anderen Deputy.
    »Corbin an Deputy Pie. Gus, melde Dich umgehend im Büro.«
    Es knackte und Corbin zuckte zusammen, ohne den Grund zu kennen. Das Knacken war durchaus normal, wenn eine Antwort erfolgen sollte. Wieder lautlos schalt er sich einen schreckhaften Narren, als eine strenge Frauenstimme antwortete: »Hier ist Helen. Jeff, was willst Du schon wieder von Gus. Er ist gerade erst von dieser blödsinnigen Patrouille zurückgekommen, auf die Du ihn geschickt hast. Außerdem hast Du ihn wieder mit Joe zusammengesteckt. Du weißt doch ganz genau, dass ich nicht will, dass die beiden alleine losziehen. Wer weiß, welche Flausen Joe meinem Gus diesmal wieder in den Kopf gesetzt hat?«
    Corbin seufzte leise und ließ die Tirade über sich ergehen. Helen war die Tochter des Bürgermeisters, der zugleich auch die Rolle des Friedensrichters inne hatte. Sie war also quasi der verlängerte Arm des einzigen Menschen im Ort, der Corbin tatsächlich so etwas wie vorgesetzt war.
    »Was ist denn so Wichtiges, dass es nicht warten kann? Gus ist gerade dabei, die Wasserpumpe für die Viehtränke zu reparieren. Es wird doch solange Zeit haben?«
    Natürlich sagte Corbin weder etwas von seinem Gefangenen, noch von den Befürchtungen, die er für einige Momente beinahe vergessen hatte. »Natürlich hat es solange Zeit. Es reicht wenn er kurz vor Abend vorbeikommt. Ahja, er soll seine Schrotflinte nicht vergessen.«
    »Ich sage es ihm, aber er wird nicht wieder mit dem Halbblut zusammen gesteckt, Jeff, ist das klar?«
    »Kein Problem, Joe ist ohnehin gerade mal wieder nirgends aufzutreiben, also keine Sorge.«
    »Pah …«
    Corbin schüttelte sich, als endlich wieder Stille im Funkkanal herrschte. Ja, kurz vor der Dämmerung würde reichen.
    Er hatte in der Zeit ohnehin Einiges vorzubereiten.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (27. Oktober 2018 um 15:31)

  • Die Geschichte Teil III

    Das hochgewachsene Halbblut lehnte an der Außenseite des Office. Das vergitterte Fenster zur Zelle war unmittelbar neben ihm und so konnte er jedes Wort hören, was der Sheriff und der Fremde sagten. Er schnitzte auf einem ausgebleichten Stück Knochen herum, wie er es oft tat. Kein Weißer beachtete jemals Joele, wenn er irgendwo stand und schnitzte, es war der alltäglichste Anblick der Welt.
    Joele war der Sohn von Patsy Walker und Two Winds, eine Vereinigung, die weder die Weißen noch die Yavapai gut geheißen hatten. Doch als ein sichtlich gereifter Sgt. Walker als Veteran aus dem Irak-Krieg zurückgekommen war, akzeptierten die einen ihn als Krieger, die anderen als amerikanischen Helden – nunja, oder etwas, was dem so ähnlich war, wie ein Indianer in ihren Augen dem überhaupt kommen konnte. Außerdem hatte er etwas aus dem Krieg mitgebracht: Etwas, von dem das eingeborene Volk nur ehrfürchtig flüsterte, die Bewohner von Hallow-Ville hingegen gar nichts ahnten.
    »Hey, Mann«, sagte Joele halblaut, als spräche er mit sich selbst. »Ich glaube Dir.«
    Diese einfachen Worte ließ er so stehen. Eine ganze Weile schwieg er, schnitze geduldig und lauschte den gepressten Atemstößen und dem leisen Wimmern aus dem Innern des Hauses. Endlich ging der Atem ruhiger und eine unsichere Stimme fragte: »Bist Du noch da?«
    »Ich bin noch hier«, bestätigte das Halbblut einfach.
    Wieder vergingen endlose Minuten, jeder andere hätte wohl die Geduld verloren, aber wenn ein ehemaliger Scharfschütze der Army-Ranger eines hatte, dann Geduld.
    »Bist Du noch da?« Wieder kam die Frage, immer noch ängstlich, aber auch mit einer Spur Hoffnung.
    »Ich bin noch hier«, sagte Joele erneut schlicht.
    »Kannst Du mich hier raus lassen. Bitte! Ich flehe Dich an.«
    Der Halbindianer klappte sein Messer zusammen und steckte es weg, dann trat er an das Fenster. Bei seiner Größe machte es ihm keine Schwierigkeiten in die Zelle hineinzusehen und so sah er den Zerlumpten dicht am Fenster stehen.
    »Zuerst muss ich wissen, was Du gesehen hast.« Seine Stimme verriet nicht, ob er bereits entschieden hatte, ob er der Bitte nachkommen, oder sie zurückweisen würde.
    »Bitte. Bitte zwing mich nicht. Du hast ja gar keine Ahnung!« Die Stimme des Mannes brach beinahe zum Ende hin.
    »Klär mich auf! Wenn Du hier raus willst, dann sag mir, was ich wissen muss.« Joeles Stimme war kühl, beinahe emotionslos.
    »Ich kann … kann nicht!« Der Mann schlug seine Hände vors Gesicht, doch durch die Lücken der Finger hindurch waren seine weit aufgerissen Augen zu sehen, die fast weiß vor Panik waren.
    Der Halbindianer sah, dass er so nicht weiterkam.
    »Sie kamen aus der Wüste, stimmt‘s. Mit Anbruch der Nacht. Und die Wüste war völlig still, totenstill, nicht wahr?«
    Quiekende Laute, wie von einer verängstigten Maus, entsprangen der Kehle des Gefangenen. Seine dürren Finger ergriffen die Gitterstäbe und sein Gesicht presste sich in eine Lücke.
    Nahezu lautlos hauchte er: »Du weißt es! Du hast Sie gesehen?«
    Das Halbblut zuckte eine Schulter. »Erzähl es mir und ich lasse Dich frei. Oder lass es und warte in der Zelle, bis sie Dich holen kommen.«
    Verzweifelt schlug der Verängstigte seinen Kopf mehrfach gegen die Gitter, die Platzwunde, die er sich dabei zuzog, schien er nicht zu bemerken. »Ich … bitte … ich …«
    Joele steckte nun auch den Knochen ein und wandte sich zum Gehen.
    »Halt! Bitte, halt! Ich erzähle es Dir, bitte. Nur geh nicht fort!«
    Wortlos drehte der Hochgewachsene sich um und verschränkte die Arme. »Ich höre.«
    Schluchzend brach der Mann im Innern zusammen, rutschte an der Wand hinab und blieb wie ein zusammengefallener Haufen Lumpen am Boden sitzen.
    Zuerst stockend, dann zunehmend, mit fiebrigem Eifer, erzählte er, was in San Hernando geschehen war.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (27. Oktober 2018 um 13:44)

  • Hey,

    ich habe zunächst nur den ersten Post gelesen. Er hat mir gut gefallen... :thumbsup:
    Hier kommen meine Anmerkungen dazu:

    Spoiler anzeigen

    Die ganze Zet über habe ich mich gefragt, was wohl passieren mag und was genau sich hinter dieser Lady verbirgt...dass sie am Ende anfängt, eine Geschichte zu erzählen, finde ich cool. Ich warte gespannt, womit sie ihre ungebetenen Gäste unterhalten wird und wohin uns das führen wird...

    So ausstaffiert, dass mich selbst die Handvoll guter Bekannter, die ich mir so leiste, mich nicht wiedererkennt, fahre ich mit der U-Bahn zum Central Park, und wenn ich ganz sicher bin, dass mich niemand verfolgt, gehe ... zu der schwarzen Kutsche, die am vereinbarten Platz steht.

    das eine "mich" ist zu viel und hinter dem gehe fehlt meiner meinung nach ein "ich" (würde ich mal so sagen ^^ )


    Zwei schwarze Pferde warten vor der Totengräberkutsche,

    Da du im Satz zuvor schon Kutsche schreibst, würde ich das hier nicht noch einmal tun...vielleicht: Zwei schwarze Pferde warten vor dem Gefährt, das aussieht, als gehöre es einem Totengräber aus einer längst vergangenen Zeit....(?) oder so ähnlich...


    »Willkommen, Lady der Nacht. Dieselbe Prozedur wie im vorigen Jahr?«
    So huldvoll, wie es mir möglich ist - und ich habe es stundenlang vor dem Spiegel geübt - antworte ich selbstverständlich: »Dieselbe Prozedur wie jedes Jahr, Igor.«


    Na, durch was hast du dich da wohl inspirieren lassen? :D

    Dann lasse ich mir von ihm den Sarg öffnen, lege mich dort hinein und warte mit über der Brust gekreuzten Armen darauf, dass er den Deckel schließt und losfährt.
    In diesem Jahr sind schon etliche Zuschauer vor Ort, vor allem die jüngeren, bei denen es sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass jedes Jahr an diesem Tag die Gräfin der Nacht ihren Auftritt hat.
    Dieses Jahr, erst zum zweiten Mal, ist auch eine ganz bestimmte Erwachsene unter den Zaungästen. Eine bezaubernde Hexe in einem unverschämt eng geschnittenen blauen Glitzerkleid, mit einem riesigen spitzen Hut mit auffälliger goldener Schnalle am Hutband und einem Reisigbesen, der garantiert noch nie ein Flöckchen Dreck gekehrt hat. Dass die hübsche Hexe noch ein wenig nach dem scharfen Geruch von Dauerwellenwasser riecht, fällt außer mir keinem auf.

    Die Kleinen, alle im Alter von fünf bis dreizehn, stehen um den Wagen herum, bohren ratlos in der Nase, kauen betont unängstlich auf einem Kaugummi herum oder flüstern sich begeistert Dinge in der Lautstärke zu, dass ich sie sogar bei geschlossenem Sarg hören kann.
    Früher hatte ich immer einen befreundeten Polizisten in der Nähe, der ein Auge auf mein junges Publikum hatte, schließlich sind sie wegen mir um diese Zeit im Park, und ich mache keine Scherze, wenn ich darauf hinweise, dass mit der Dämmerung die Monster aus ihren Löchern kommen, nicht nur zu Halloween.


    Hier ist mir extrem aufgefallen, wie oft du das Wörtchen "dass" verwendest. Vielleicht könnte man das durch die Umstellung des Satzes hier und da ein bisschen variieren?

    Die Kleinen, alle im Alter von fünf bis dreizehn, stehen um den Wagen herum, bohren ratlos in der Nase, kauen betont unängstlich auf einem Kaugummi herum oder flüstern sich begeistert Dinge in der Lautstärke zu, dass ich sie sogar bei geschlossenem Sarg hören kann.

    bin mir hier nicht sicher, ob sie das sehen kann...sie liegt ja schon im Sarg :hmm:

    Betont überrascht... kauen betont unängstlich ...

    Nur eine kleine Wiederholung...die aber eigentlich auch nicht weiter ins Gewicht schlägt...


    LG,
    Rainbow

  • Weiter? Weiter??? Weiter!!!

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    Joe ist scheinbar ein echter Kerl, durch und durch. :smoker: Und die Art, mit der er fragt, und die Fragen, die er stellt, lassen darauf schließen, dass er weiß, was da passiert ist in dem Dorf. Will er den Mann da wirklich gehenlassen? Der kommt doch sicher nicht weit.
    Und der Sheriff täte gut daran, sich ein bisschen Verstärkung zu holen. Und damit meine ich nicht eine neue Tequila-Flasche! :doofy:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Die Geschichte - Teil IV

    »Mein Name ist Hector. Hector Vargas aus San Hernando. Es war vor vier Tagen. Oh Gott, erst vor vier Tagen!«
    Joele sagte nichts, schaute nur geduldig, bis das Häufchen Elend am Boden der Zelle fortfuhr.
    »Es war nach diesem Sturm. Es war, wie Du gesagt hast. Alles war ganz still, völlig still. Kein Wind ging, kein Sand rieselte, es war, als ob die ganze Welt plötzlich den Atem angehalten hätte.«
    Das Halbblut nickte. Menschen der Großstädte oder Leute, welche die Wüste nicht kennen, denken vermutlich, in einer so lebensfeindlichen Umgebung müsste es oft still sein, aber sie irren sich. Die Wüste ist so gut wie nie still. Wenn sie still ist, dann ist diese Stille fast immer die Vorbotin von etwas Schrecklichem, Furchtbarem, Katastrophalem.
    »Zuerst waren es die Ziegen draußen. Sie schrien auf, wie kleine Babies. Dann brachen diese Schreie plötzlich ab. Einige der Mutigsten, unter ihnen Vater Mateo, gingen hinaus in die Nacht, wollten sehen was los war.«
    Die Stimme des Erzählers war inzwischen tonlos geworden, fast monoton berichtete sie, als wäre ihr Besitzer nur ein ferner Beobachter gewesen.
    »Zuerst haben sie den Vater geholt. Er hat sich gewehrt. Madre de Dios, er war so tapfer!«
    »Wer? Wer hat ihn geholt. Sag es mir!« Joeles Stimme klang zum ersten Mal angespannt.
    »Die Grauen«, hauchte der Erzähler. »Die Grauen kamen. Zwei hielten ihn fest und ein dritter presste ihm … ihm …«
    »…presste ihm …?«
    »…presste ihm seinen Mund, seinen Schlund, wie eine Art Schlauch halb übers Gesicht. Vater Mateo wehrte sich, betete, verfluchte die Grauen und fast sah es so aus, als würden sie von ihm zurückweichen. Doch dann kam der große Graue. Noch einmal die Hälfte größer als die anderen. Er stieß den anderen zur Seite und stülpte sein Maul ganz über Vater Mateos Kopf. Ich hörte ihn zuerst schreien, als ob man ihm sein Herz herausreißen würde, dann wimmerte er wie ein Kind und zum Schluss … nichts mehr. Er stand nur da, mit hängenden Armen, Augen ohne Seele, wie eine Puppe, die man mitten auf der Straße vergessen hatte.«
    Das Halbblut ballte seine Fäuste. Selbst sein dunkler Teint konnte nicht verbergen, wie er blass um die Nase wurde.
    »Weiter«, drängte er mit zusammengepressten Lippen. »Weiter.«
    »Sie hatten das Dorf eingekreist. Wer versuchte zu entkommen, den fingen sie ein. Ein Nachbar wollte mit seinem PickUp fliehen, doch sobald einer der Grauen seine Hand an den Wagen legte, erstarb der Motor sofort.«

    Joele schwieg, ließ Hector die Zeit, die er brauchte sich zu sammeln.
    »Sie drangen in die Häuser ein. Manchmal ließen sie eines aus, und es schien fast so, als hätten sie es übersehen. Aber sie übersehen gar nichts. Sie nahmen sich diese Häuser nur als Letzte vor und ich weiß auch warum.«
    Das Halbblut nickte, es hatte einen Verdacht: »Warum?«
    »Die Kinder! In jenen Häusern hatte es kleine Kinder. Diese hoben sie sich bis zum Schluss auf.«
    »Und Du Hector, hattest Du Kinder?«
    »Si. Conchita und Emiliano.« Hectors Stimme brach erneut.
    »Was ist mit ihnen geschehen, Hector, sag es mir.«
    Der Mann weinte inzwischen, tränenlos, lautlos, sein ganzer Körper zuckte dabei.
    »Ich hatte erkannt, was sie suchen. Ich hatte erkannt, dass sie die Kinder viel mehr wollten, als uns alte Leute!«
    »Hector, was hast Du getan!« Joele war nahe ans Gitter getreten, starrte auf den gebrochenen Mann hinab.
    »Ich habe sie mitgenommen, als sie meine Frau holten. Immer wenn … wenn ein Grauer mir zu nahe kam, habe ich … habe ich … zuerst Conchita, meine süße Conchita und dann Emiliano, oh, mein Emiliano!«
    Der Blick des Halbindianers brannte sich förmlich in den Blick des Mexikaners, der flehentlich zu ihm aufsah, als hoffte er auf etwas, Mitgefühl vielleicht, Verständnis oder sogar Vergebung.
    »Du bist also entkommen, indem Du den Grauen Deine Kinder geopfert hast.« Es war keine Frage, nur eine Feststellung, kalt und endgültig, wie das Urteil eines Richters, der soeben die Todesstrafe ausgesprochen hatte.
    »Was habe ich nur getan, Madre de Dios, was habe ich nur getan?!«
    »Das weißt Du selbst am besten, Bastadro. Und jetzt frage mich noch einmal.«
    »Fragen, was Senior?«
    »Ob ich Dich freilasse. Wagst Du es wirklich, mich immer noch darum zu bitten?«
    Hector senkte den Blick, begann zu schluchzten und dann mit einem Mal zu lachen. Er ballte die Fäuste so fest er konnte. Wie ein Irrer schlug er um sich, lachte und schlug zugleich mit aller Macht auf sich selbst ein.
    Der Lärm lockte Sheriff Corbin an, der gerade seine letzten Vorbereitungen abgeschlossen hatte und noch im Büro auf seinen Deputy warten wollte.

    Die ersten großen Regentropfen fielen schwer wie Geschosse aus dem abendlichen Himmel.
    Plötzlich, wie es die Art der seltenen Stürme über der Sonora ist, brach das Unwetter über Hallow-Ville herein und verbarg das Geräusch des Motorrads, auf dem sich Joele Blue Eyed Walker auf den Weg machte, um jene Leute zu warnen, die ihm glauben würden. Die auf ihn hören würden, wenn er sie aufforderte, vor den grauen Seelenfressern zu den heiligen Orten in der Wüste zu fliehen und erst wiederzukehren, wenn die Sonne des neuen Tags hoch am Himmel stünde.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (27. Oktober 2018 um 15:29)

  • Jaaaaa.... *linst argwöhnisch zum Fenster, ob der Wind schon stärker geworden ist*
    Was soll ich sagen ... das ist ... echt gruselig. 8|

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    Graue Seelenfresser ... wieso habe ich bei diesem komischen Schlund, der sich auf die Gesichter presst, sofort dementoren vor meinem geistigen Auge?!

    Super bisher, Tom. Ich wage es kaum zu sagen, aber

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    Weiter!!!!!!!!!!

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Die Geschichte - Teil V

    Gerade als der Sheriff den kleinen Seitenflügel des Office mit den beiden Zellen betrat, krachte es und der Blitz, der draußen in nächster Nähe einschlug, ließ nicht nur das Gebäude erbeben, er tauchte auch das Innere der nicht beleuchteten Zellen in ein gleißendes Licht.
    Der Gefangene stand an den Gitterstäben, aufrecht, irgendwie gefährlich aussehend mit dem Licht im Rücken. Lag es am Blitz, oder hatte die dunkle Hautfarbe des Mexikaners inzwischen ein sehr ungesundes Aschgrau angenommen?
    Schnell schaltete Corbin das Licht ein und dankte dem Himmel, dass der Generator nicht vom Blitz gegrillt worden war.
    Der Landstreicher stand tatsächlich an den Gittern, doch diesmal umklammerte er sie nicht. Seine Hände hingen vielmehr entspannt an den Seiten, er war ruhig. Sein Blick war klar und fokussierte den Sheriff. Die Haut wirkte nun normal, der Mann hatte sich offenbar auch gewaschen, sehr angenehm.
    Misstrauisch, die Hand wieder an der Waffe trat Corbin näher. »Sie haben Sich aber schnell wieder erholt, hm? Der Kaffee und etwas zu Essen haben wohl Wunder bewirkt?«
    Die schweren Regentropfen trommelten inzwischen auf das Flache Dach des Office und vereinzelt sah man kleine Rinnsale, die sich bereits an der Decke sammelten. Die Zellen waren ein Anbau der letzten Jahre, auf Corbins Betreiben entstanden. Sie waren dazu gedacht Wind, Sonne, Hitze und auch die nächtliche Kälte draußen zu halten. Dem sintflutartigen Regen hatte das kaum abschüssige Dach kaum etwas entgegenzusetzen.
    »Es geht mir wieder gut, Sheriff. Sie haben recht. Ich habe mich sicher wie ein Irrer aufgeführt vor Durst und Hunger, wie? Danke für Ihre Hilfe. Wer weiß, ob ich ohne Sie überhaupt überlebt hätte.«
    Die Stimme des Mexikaners war leise aber es gelang ihr doch auf wundersame Weise den Lärm des Regens zu durchdringen.
    »Schön, das zu hören. Können Sie mir nun ihren Namen nennen, Mister?«
    »Natürlich, Sheriff. Ich bin Vargas. Meine Heimat ist der Ort San Hernando. Ich würde wirklich gerne so bald wie möglich dorthin zurückkehren. Ich bin mir gewiss, man erwartet mich dort und hier bereite ich Ihnen ja nur Mühe, was mir aufrichtig leid tut.«
    Corbin war von der Wortwahl beeindruckt. Der Mexikaner sprach sauberes Englisch, vielleicht war die Satzstellung ein wenig eintönig, aber zweifellos hatte er es auf einer höheren Schule erlernt. Gebildete Leute hatten jedoch das Wissen und die Möglichkeit einem eine Menge Ärger zu bereiten, ging es dem Sheriff durch den Kopf. Besser er ließ ihn gleich heraus und setzte ihn in den nächsten Bus über die Grenze.
    Schon hatte er den Zellenschlüssel vom Gürtel gelöst und die Hand ausgestreckt, um die Tür zu öffnen, als ein weiterer Schlag das Gebäude förmlich durchschüttelte.
    Das Licht flackerte und erlosch. Der Sheriff schimpfte: »So ein Mist, es hat den Generator erwischt. Moment ich sehe erst einmal nach dem …, nur eine Minute.«
    »Sheriff!« Vargas Stimme war nun lauter, eindringlicher, mit einer gewissen Autorität versehen.
    Corbin, der sich schon abgewendet hatte blieb stehen.
    »Sie haben doch sicher noch anders künstliches Licht in Ihrem Haus. Holen Sie zuerst mich hier heraus.« Mit einer deutlichen Verzögerung folgte noch ein deutlich unterwürfigeres: »Bitte, Sheriff.«
    Corbin runzelte die Stirn. Widerspruch formte sich ganz kurz in seinem Geist, aber der Mann hatte ja Recht. Immerhin hatte er eine kleine Taschenlampe am Gürtel, damit würde er das Zellenschloss gut genug sehen können. Brummend griff er nach der kleinen Stablampe und versuchte den erbsengroßen Druckknopf zu finden, indem er den kleinen Zylinder zwischen den Fingern drehte.
    Der nächste Blitzschlag war sogar noch näher als alle anderen. Übertaghell war der Zellentrakt für eine halbe Sekunde erleuchtet. Corbin sah erschrocken auf und da war wieder diese graue Gestalt in der Zelle. In der Größe und Statur war sie dem Mexikaner zwar ähnlich, aber das Gesicht, gütiger Himmel, das Gesicht! Wo sich der Mund befinden sollte, war eine Art Schlund, der sich wellenförmig bewegte in einer Art, die im Sheriff spontan einen Brechreiz hervorrief.
    Wie gegen eine Wand gelaufen, prallte Corbin zurück. Endlich hatte er den verdammten Knopf gefunden und schaltete die kleine, aber starke Stablampe ein und richtete sie auf den Mann, vielmehr das Ding in der Zelle.
    »Wer bist Du? Was bist Du!«
    »Ich bin Vargas oder ich war es einmal. Lass mich frei und ich sorge dafür, dass Du verschont wirst, fürs Erste. Wir lassen immer einen am Leben, damit er uns zur nächsten Siedlung der Menschen führt.«
    Mit einem panischen Aufschrei ging Corbin rückwärts auf die Tür zum Büro, der Strahl der kleinen Lampe zitternd auf das graue Wesen in der Zelle gerichtet.
    »Weglaufen ist doch sinnlos, Sheriff. Hilf mir und ich helfe Dir.«
    Nun erst begriff Corbin, warum er das Wesen so gut verstand, auch wenn es offensichtlich nicht den Mund eines Menschen hatte. Die Stimme war in seinem Kopf!
    Er warf sich herum, stürmte durch die Tür und rammte sie ins Schloss. Gleich dreimal drehte er den Schlüssel um, bis das Schloss eine weitere Drehung blockierte.
    »Sheriff …«, ertönte der Ruf des Grauen in seinem Kopf.

    »Sheriff«, hörte er auch eine bekannte Stimme aus dem Büro. »Scheiß, Wetter, was? Wozu brauchst Du mich denn noch, und warum zur Hölle musste ich meine Flinte mitbringen? Du weißt Doch, dass Du Helen mit solchen Aussagen Stress machst …«
    Gus Pie richtete die schwere Stablampe, Standardausrüstung beider Polizeifahrzeuge in Hallow-Villen neben Corbin auf den Bodenn um ihn nicht zu blenden.
    »Du … du …«, der Sheriff musste zweimal durchatmen, bevor er die richtigen Worte fand. »Du musst den Gefangenen bewachen. Lass ja nicht zu, dass er ausbricht und lass niemand zu ihm!«
    »Was? Wieso das denn?«
    Corbin war froh, dass sein Deputy sein Gesicht nicht sehen konnte. Die personifizierte Schuld, musste gerade in seiner Mine zu lesen sein. »Das ist ein gesuchter Waffenschmuggler. Kam gerade aus San Hernando. Er ist dort abgehauen.«
    »Echt? Wir haben ausgerechnet jetzt während des Sturms wieder Verbindung bekommen?« Gus war zu Recht verwundert.
    »Äh, ja, aber nur eine Minute, jetzt ist die Leitung wieder tot, schöner Mist.«
    Der Sheriff ging an seinem Deputy vorüber und klopfte ihm auf die Schulter. »Du bleibst hier drin und ich sehe nach dem Generator.«
    »Jetzt, mitten in dem Unwetter! Willst Du nicht warten, bis es etwas nachgelassen hat, Boss?«
    Corbin lachte, es klang in seinen Ohren fürchterlich unecht. »Das bisschen Regen bringt mich nicht um. Aber mit dem gefährlichen Kerl in der Zelle will ich hier wieder Strom haben.«
    Ohne Gus noch die Möglichkeit einer Antwort zu geben, war er auch schon draußen.

    Sein Deputy fragte ich noch, warum sein Chef nicht wenigstens eine Regenhaut mitgenommen hatte. Er fragte sich auch, warum er glaubte, den schweren SUV des Sheriffs zu hören, wie er gestartet wurde.
    Aber noch viel mehr fragte er sich, warum er den Gefangenen so deutlich hören konnte, der ihn gerade rief: »Deputy. Ich habe eine verletzte Stirn. Könnte ich bitte etwas haben, um sie zu verbinden?«
    Seufzend griff Gus nach dem Erste-Hilfe-Kasten und dem Gurt mit seiner Dienstwaffe und ging zum Zellenflügel.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (28. Oktober 2018 um 20:49)

  • Das Ende der Geschichte?

    Der Sturm ging so unvermittelt zu Ende, wie er begonnen hatte. Eine tiefe Stille legte sich über das Land, bevor der erste Schrei sie zerriss. Der Schrei kam aus dem Sheriff-Office und war nur der Beginn einer ganzen Nacht voller Schreie.
    Doch das hörte Sheriff Corbin nicht mehr. Er fuhr, so schnell die Dunkelheit und die schlechte Straße es zuließen, gen Nordosten.

    ----

    Ich schmunzle, als ich die atemlose Stille um mich herum bemerke.
    »So, das war die Geschichte. Und jetzt, wenn ich bitten darf, möchten Wir unsren Frieden haben und Uns in Unsrem Grab zur Ruhe betten.«
    Für einen Moment werde ich fast enttäuscht und mache bereits Anstalten mich zu erheben, doch dann setzt der erwartete Protest ein.
    »Das geht doch nicht. Da fehlt das Ende!«
    »Was ist mit dem Sheriff passiert, und was mit dem Halbblut?«
    »Wandern die grauen Typen etwa immer noch von Stadt zu Stadt?«
    Innerlich sehr zufrieden, äußerlich natürlich ungnädig starre ich in die Menge und erwartungsvolle Augen schauen zurück. Mit einem resignierenden Seufzen mache ich es mir noch einmal bequem.
    »Ihr seid eine sehr unverschämte Schar und ein recht schwieriges Publikum. Ich überlege, ob ich Euch nicht alle in eine Horde Zombies verwandeln soll, oder doch lieber die Geschichte zu Ende erzählen …?«
    »Erzählen, erzählen!«, wird mir begeistert geantwortet. Den stillen Jungen in der dritten Reihe, der mit seinen Lippen stumm den Satz »Oh, cool, mach mich zum Zombie.« formuliert hat, merke ich mir aber auf jeden Fall.
    Fragend schaue ich zu Igor, der pflichtbewusst die Hände hebt, als wolle er sagen: »Was will man da machen?« und ich seufze erneut.
    »Nun denn, so höret das Ende der Geschichte.«

    Schnell kehrt wieder Ruhe ein.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (31. Oktober 2018 um 23:51)

  • Wow! Gefällt mir bis hierhin wirklich sehr gut dein Geschichtchen...zwischendurch bin ich mal über kleinere Fehlerchen gestolpert, die ich jetzt aber nicht rauspicken wollte...das hätte irgendwie meinen Lesefluss gestört und es zwar zum Teil so spannend, dass ich den Atem anhalten musste....vor allem die Szene zum Schluss in der Zelle mit dem Stromausfall...uahhhh...das war wie in einem Gruselfilm :thumbsup:

    Freue mich schon auf die Fortsetzung...

    LG,
    Rainbow

  • Das Ende der Geschichte Teil II

    Der kleine Ort Purgatory liegt im Südosten Arizonas, nicht ganz an der Grenze. Auf der Route 19 ist sie jedoch die letzte nennenswerte Siedlung vor der Grenze zu Mexiko, oft der letzte Halt vor der heißen Fahrt nach Nogales im mexikanischen Bundesstaat Sonora, der natürlich nach der Wüste benannt ist.
    Noch hat die Sonora-Wüste ihre Finger nicht ganz nach Purgatory ausstrecken können, denn die Ausläufer des nördlichen Green Valley verleihen dem kleinen Ort genügend Wasser und fruchtbaren Boden, damit er nicht sofort als Wüstengrenzort zu erkennen ist.
    Seinen Namen „Fegefeuer“ hat der Ort von seiner Jahrhunderte alten Geschichte, zuerst als Grenzfestung, dann Schauplatz zahlloser Alkohol und Drogenkriege. In den letzten Jahren war verstärkt der Handel mit Waffen und das Schlepperunwesen hinzugekommen. Wer in Purgatory wohnte, gehörte zu einem ganz bestimmten Menschenschlag:
    Entweder man war zu stur, um die gefährliche Stadt zu verlassen, oder man war ein Verbrecher. Vom letzten Sheriff hatte man sogar erst nach dreiwöchiger Suche die Überreste in einem einsamen Grab gefunden.
    Doch in den letzten Monaten war es ruhig um den kleinen Ort geworden. Nach und nach hatten die Waffengeschäfte aufgehört, dann hatten die Menschenhändler beschlossen, dass an einem anderen Grenzort weit weniger Verlust zu erwarten waren. Der Drogenhandel ging auf ein überschaubares Maß zurück, wäre er ganz verschwunden, wäre vermutlich jeder zweite in Purgatory über kurz oder lang ohne Arbeit dagestanden.
    Die wenigen rechtschaffenen Bürger wussten, dass sie ihr Glück dem neuen Sheriff zu verdanken hatten. Eines Tages war diese Frau aufgetaucht, hatte angedeutet, in einer verwandtschaftlichen Beziehung zum früheren Sheriff zu stehen und begonnen nach seinem Mörder zu suchen. Im Laufe der Suche war sie unweigerlich mit den örtlichen Banden aneinandergeraten und hatte wider jedermanns Erwarten nicht den Kürzeren gezogen. Man munkelte, sie hätte früher im Dienst einer ominösen Regierungsbehörde gestanden und so hatte Purgatory schnell seinen neuen Sheriff gefunden. Man konnte wirklich nicht sagen,dass sie überaus beliebt war, im Gegenteil fürchteten nicht nur die weniger braven Bürger ihre konsequente Art, die Gesetze nach ihrer mitunter eigenwilligen Auslegung durchzusetzen. Aber die Tatsache, dass man nach Jahrzehnten es wieder wagen konnte, nachts allein durch die Straßen zu gehen ohne am nächsten Morgen entweder ausgeraubt, geschändet oder tot – oder alles zugleich - aufzuwachen, wurde dennoch allgemein geschätzt.

    »Deputy Carl an den Sheriff. Boss, ich habe hier bei Meile 74 einen SUV angehalten, der in Schlangenlinien gefahren ist. Du rätst nie im Leben, wer da am Steuer saß.«
    Die angesprochene schwarzhaarige Frau stand gerade unter einem Vordach und beobachtete schon eine Weile drei Halbstarke, die nicht genau wussten, ob sie den Mut fänden den kleinen Drogerie-Markt zu überfallen, oder ob sie es bei ihren sich gegenseitig anstachelnden Beleidigungen belassen sollten.
    Sie trat noch einen Schritt zurück und schob sich den breitkrempigen Trooper-Hut etwas zurück in den Nacken. Obwohl die Zeichen auf schlechtes Wetter standen und sich die Sonne kaum zeigte, genoss sie den Schutz vor dem Licht, welches ihr besonders am Tag viel zu grell erschien. Sie nahm das an der Schulter angebrachte Mikrophon für ihr Funkgerät und antworte leise.
    »Ja, Carl. Ich höre. Wenn ich wirklich raten muss, komme ich zu Dir raus und ziehe dir die Hammelbeine lang. Wirst Du es mir also sagen oder was?« Ihr Tonfall war bissig und so Manchem hätte nicht nur das kurze Aufleuchten ihrer Augen womöglich eine Heidenangst eingejagt. Doch Carl Montegue kannte seine Chefin zu gut. Er wusste zwar, sie bellte nicht nur, sie biss auch, aber nie die eigenen Leute.
    »Schon gut, Boss. Es ist Jeff Corbin aus Hallow-Ville.«
    »Moment, Sheriff Corbin, das kleine feige Wiesel Corbin?«
    »Genau der, Boss. Der ist völlig fertig. Total dehydriert, faselt wirres Zeug, kommt mir ziemlich paranoid vor. Er will unbedingt weiterfahren! Was soll ich machen?«
    »Sichere seinen Wagen und bring den … Kollegen her. Und sei vorsichtig!«
    »Vorsichtig? Denkst Du Corbin könnte gefährlich sein?« Der Deputy wurde schlagartig ernst und dachte zum ersten Mal daran, dass der Sheriff immerhin eine Waffe am Gürtel trug, auch wenn er bislang keinerlei Anzeichen machte, diese benutzen zu wollen. Vielmehr wirkte der Mann eher hilf und harmlos.
    »Der? Nein, das habe ich nicht gemeint, aber selbst Wiesel können übel zubeißen. Nein, aber ich denke nur, weil jemand paranoid ist, bedeutet das nicht, dass er nicht wirklich verfolgt wird. Etwas muss passiert sein, was den kleinen Schleimscheißer aus seinem gemütlichen Office mit Klimaanlage heraus getrieben hat.«
    »Verstanden, Boss. Soll ich ihm Handschellen anlegen?«
    »Jetzt übertreib' es nicht. Aber sieh zu, dass er Dir seine Waffe aushändigt und setze ihn lieber hinten in den Wagen, damit das Gitter zwischen Dir und ihm ist.«
    »Alles klar. Wir sollten in zwanzig Minuten im Büro sein. Over and out.«

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (31. Oktober 2018 um 13:21)

  • Also ich hatte beim Lesen von Post 15 wirklich befürchtet,

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    du lässt die Geschichte so enden, dass Hallow-Ville zu einer Geisterstadt wird. Hatte schon Luft geholt, um zu protestieren. ^^

    Aber neiiiiin - es geht weiter! :panik:

    Jetzt kommt also Sin ins Spiel, die Schwarzhaarige mit der eigenwilligen Art der Gesetzesauslegung. *holt Fanschal aus der Tasche* :thumbsup:
    Da können sich die Grauen schon mal warm anziehen, auch wenn sie mitten in der Wüste sind. Mit Sin aneinanderzugeraten, ist nicht lustig.
    Weiter, weiter!! :stick:

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    Man konnte wirklich nicht sagen, dass sie überaus beliebt war,

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • *schaut ungeduldig auf die Uhr* :tumbleweed:

    Okay, das ist jetzt ein fieser Spoiler, dass es nur noch einen Teil geben wird. Und ich werd ihn erst morgen lesen können, da ich heute zeitig zu Bett muss. ;(

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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