So Eine Idee hatte mich gepackt und nicht mehr losgelassen.
Ich könnte mir vorstellen, dass da noch ein paar mehr kleine Episoden aus Cayennes Leben kommen
Also wen es interessiert ...
Wie alles begann: Cayenne
(Man kann die Episoden auch ohne die kleine Vorgeschichte lesen, hier lernt man aber die Chars ein wenig besser kennen )
kleiner Index
Ein Moment der Schwäche
Ich schlug flatternd meine Augen auf, nur um sie mit einem leisen Stöhnen sofort wieder zusammenzukneifen.
Die Sonne, die ihre morgentlichen Strahlen zum Fenster hineinwarf schien unerträglich hell zu sein.
Mein Kopf dröhnte. Gequält legte ich eine Hand auf meine Stirn. Sie war angenehm kühl.
Nur langsam kehrten die Erinnerungen an den gestrigen Abend zurück. Wehrlos ließ ich zu, wie ein Film vor meinem inneren Auge abzulaufen begann.
Ich war auf dem Weg durchs Hafenviertel gewesen, auf der Suche nach ein wenig Vergnügen und Abwechslung. Seit der Krieg beendet war, war das Leben unglaublich langweilig geworden. Meine zwielichtigen Aufträge wurden immer knapper, dabei sollte man meinen, dass die Schurken und Unholde dieser Welt nun endlich wieder Zeit hatten sich auf ihre Geschäfte zu konzentrieren. Aber die Hochzeit von Jasper, der rechten Hand des Königs, und Viola, der Tochter des Stammesführers unserer ursprünglichen Feinde, hatte wohl auch die schlimmsten Verbrecher in eine rosarote Liebeswolke getaucht.
Nicht, dass ich ein Problem mit Stehlen hatte, um über die Runden zu kommen, aber wo war das Abenteuer? Wo das Risiko?
Ich hatte nie etwas zu verlieren gehabt, doch schien durch den Frieden alles verloren zu haben. Ironischer Weise war mein Anteil an der jetzigen Situation des Landes nicht gerade gering.
Nun zog es mich immer öfter in die Vergnügungsviertel der Städte. Huren für alle! Nur für mich nicht. Ich stand eher auf Männer. Immerhin blieb der Alkohol für mich. Seufzend war ich im goldenen Fass versackt. Der Name klang anspruchsvoller, als die Taverne war. Eigentlich war sie sogar die schäbigste Spelunke mit dem billigsten Bier in der ganzen Stadt.
Also genau das, was ich mir gerade so leisten konnte.
Als ich mit meinem bodenlangen, staubigen Mantel, der ledernen Hose, in deren Laschen allerlei Messer steckten, den schäbigen Stiefeln und meinem feuerroten Pferdeschwanz eingetreten war, spürte ich sofort, wie die Männer meine Erscheinung mit den Augen abtasteten und sofort das Interesse verloren. Ich war nicht hässlich. Sportlich, ausgewogen proportioniert, seltene Haarfarbe … Aber es waren meine Kleidung und meine fast farblosen Augen, die andere Menschen, insbesondere Männer, verunsicherten.
Zielstrebig ging ich zum Tresen, ließ mich auf einen der klebrigen Hocker sinken und bestellte ein Bier.
Es war schal und geschmacklos, aber stark. Ab hier wurde meine Erinnerung schwammig und bruchstückhaft. Ich hatte definitiv mehr als ein Bier getrunken, meinem Kater nach zu urteilen. Aber wie hatte ich das bezahlt? Moment mal …!
Auf dem Hocker neben mir saß plötzlich eine wohlbekannte Gestalt. Sie schien schon länger dort zu sitzen, denn sie lallte etwas in meiner Erinnerung. Aber sein blondes Haar, seine blauen Augen und seine große, aber nicht übermuskulöse Gestalt waren mir im Gedächtnis geblieben. Sein Bier spülte er mir Keksen runter.
Mir war noch nie aufgefallen, wie attraktiv Keks aussah. Oder war das der Alkohol? Wo kam er überhaupt her und … Keks und attraktiv?! Ich hatte doch nicht etwa?! Als ich angestrengt meine Erinnerungen durchforstete durchzuckte stechender Schmerz meine Schläfen. Ich zog die Stirn kraus und stöhnte abermals. Ich zwang mich die Augen zu öffnen und auf die zweite Betthälfte zu starren. Oh mein Gott! Ich hatte! Mit einem Schlag war ich stocknüchtern. Keks lag neben mir und schlief den Schlaf der Gerechten, ein Lächeln auf den Lippen, die Wangen leicht gerötet.
Die Decke musste ich nicht heben. Ich war mir meiner Nacktheit plötzlich nur allzu bewusst.
Wie zum Henker hatte das passieren können???
Scheiße, scheiße, scheiße!, fluchte ich innerlich. Das war … nicht möglich. Nicht mit Keks! Wir konnten uns gegenseitig nichtmal leiden! Verdammter Dreck. Wo war er überhaupt hergekommen? Ich zwang mich ruhig zu atmen und schlug vorsichtig das dünne Laken zurück. Übelkeit wallte meine Speiseröhre hinauf, als ich mich erhob. Ich schluckte schwer und zwang meinen Mageninhalt zurück.
Zum Glück wusste ich, dass Keks einen gesunden Schlaf hatte, denn wir hatten schon öfter zusammen gearbeitet. Das war eine der wenigen Eigenschaften, die ich an ihm mochte. So hielt er wenigstens den Mund und konnte mich nicht über meine Schlafstörungen ausfragen.
Hastig streifte ich meine Kleidung über und ging zur Tür. Gerade als ich sie öffnete, regte sich Keks. Er blinzelte gegen die Sonne und nuschelte: „Cayenne?“
Ohne zu antworten trat ich aus dem Zimmer, schloss die Tür und rannte den Flur beinahe hinunter und aus der Taverne hinaus. Ich rannte so lange, bis ich die Stadt hinter mir gelassen hatte.
Die frische Luft klärte meinen Geist ein wenig. Wie zum Henker hatte ich so viel trinken können, dass DAS hatte passieren können?
Vage erreichten mich meine Empfindungen vom gestrigen Abend: Ziellosigkeit, Frustration, Wut, Zweifel, Sehnsucht nach Armen, die mich hielten alle Gefühle vergessen machen würden.
Jetzt gewann die Übelkeit doch die Oberhand und ich erbrach mich an den Wegesrand.