STERNENZAUBER
Alex klappte die Sonnenbrille zusammen und verstaute sie in seiner Hemdtasche, bevor er die Türe zum Starlog - Center aufstieß und eintrat.
Einige Augenblicke verharrte er im Eingangsbereich, damit sich sein Augen an den jähen Wechsel vom gleißenden Tageslicht an das dagegen eher matte Glänzen der Neonröhren im Innern des Gebäudes gewöhnen konnten.
Ihn gegenüber saß Harry hinter dem Tresen seiner Portiersloge und hob kurz den Blick von seiner Zeitung. Ein knappes Nicken seinerseits war die einzige Begrüßung in seine Richtung, dann wandte sich der grauhaarige Mann wieder dem Sportteil zu.
Alex konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Noch vor nicht mal einem Jahr wäre Harry wie elektrisiert aus seinem Stuhl aufgefahren, wäre er hier aufgetaucht. Und eine barsche Frage nach seiner Legitimation sowie eine sehr unsanfte Beförderung wieder hinaus wären gefolgt.
Jetzt brauchte er hier nicht einmal mehr in die Tasche zu greifen um seinen Ausweis herauszuholen. so schnell konnte es gehen...
Er ging an Harry vorbei und schritt nach rechts den Gang hinunter. Dicker Teppichboden unter seinen Füßen schluckte jedes Geräusch seiner Schritte. Wie in allen Starlogs üblich achtete man auch hier darauf, für die Piloten und Techniker eine ruhige, entspannte Arbeitsatmosphäre zu schaffen.
Im Vergleich hierzu kam Alex die Zeit vor dem Starlog wie ein böser Traum vor. Die simplen Simulationsmodelle, die draußen an jeder Straßenecke zu finden waren mochten zwar geeignet sein, einfachste Gefechtstaktiken einzuüben, aber verglichen mit den technischen Möglichkeiten und dem Komfort eines Starlog konnte man die dort verbrachte Zeit bestenfalls als ein primitives Basistraining bezeichnen.
Trotzdem hatte es früher hitzige Debatten und heftige öffentliche Streitigkeiten über die Starlogs gegeben. Viele hatten ihren Sinn und ihre Notwendigkeit schlichtweg in Frage gestellt, von Fakten belegte Warnungen als puren Unsinn abgetan und alles noch so abwegige als Argument herangezogen, um die Realisierung der Centren zu verhindern.
Erst die Erkenntnis, daß die sogenannten „Golden Voyager Records“ an Bord der Raumsonden Voyager 1 und 2, die man im Jahre 1977 in den Weltraum geschossen hatte sehr wohl von jemandem gefunden worden waren, ließ die Zweifler verstummen.
Recht schnell sogar, denn auf den Radaren und Monitoren überall auf der Erde tauchten, erst vereinzelt, dann immer häufiger unbekannte Lichter auf.
Nur die eingefleischtesten Kritiker leugneten noch die Realität, die ihnen jeden Tag vor Augen geführt wurde: Es gab da draußen im Weltraum anderes Leben. Und es mochte die Menschen nicht. Und wenn dieses andere Leben dort draußen auch noch nicht die Erde erreicht hatte oder erreichen konnte; lange würde es nicht mehr dauern.
Aber auch die Menschheit hatte sich weiterentwickelt. Wenn sie auch immer noch nicht in der Lage war, lebende Menschen in die Weiten des Weltalls zu schicken...die Phantasie der Bewohner des Planeten Erde in Bezug auf Waffen war grenzenlos.
So hatten die großen Konzerne im Laufe der Jahre verschiedene Programme entworfen, getestet und wieder verworfen.
Am Anfang stand der „Invader“, aber dieses System stellte sich rasch als zu langsam und schwerfällig heraus. Dann folgte „Cresta“. Effektiv, aber mit zu geriner Reichweite. Quasi als Abfallprodukt schuf man „Asteroid“. Kein eigentliches Kampfsystem, als Abwehr gegen Meteoritenschwärme jedoch durchaus von Nutzen.
Es dauerte einige Zeit, bis man die Vorteile der jeweiligen Systeme miteinander verbunden und noch einige Extras hinzugefügt hatte.
Als Ergebnis schließlich wurde der Powerblaster vorgestellt. Mit wortwörtlich durchschlagendem Erfolg.
Powerblaster.
Das war damals eine magisches Wort für all die Jungen dort draußen, die verbissen an den Simulatoren übten. In der vergeblichen Hoffnung, irgend wann einmal zu den auserwählten zehn zu gehören.
Denn gut waren viele, aber zum Kreis der Zehn zu gehören, die ein Blasterteam bildeten...dazu gehörte mehr.
Die weitgeschwungene Treppe ersteigend, die in die Zentrale des Starlog führte, dankte Alex einmal mehr seiner Glücksgöttin, die ihm damals die Möglichkeit gewährt hatte, für einen erkrankten Piloten einspringen zu dürfen. Blasterflüge waren, wenn auch heißbegehrt, sehr teuer. Und nur die Fürsprache seines ein Jahr älteren Freundes Nick hatte dafür gesorgt, daß er im Cockpit des Blasters Platz nehmen durfte.
Das anfangs überhebliche Lächeln der ihn umstehenden Piloten war dann sehr schnell einem überraschten Staunen gewichen. Denn obwohl Alex mit den üblichen Angfängerschwierigkeiten zu kämpfen hatte, war ihm eine beachtliche Anzahl von Abschüssen feindlicher Schiffe gelungen, ehe er zum Starlog zurückkehren mußte.
Danach war das Team um einen Piloten reicher gewesen.
Das Piepen der Instrumente erreichte seinen Höhepunkt, als er um die Ecke zum Haupthangar bog. Das durch die Fenster einfallende Sonnenlicht erhellte den großen Raum, unterstützt von einer Vielzahl Neonleuchten an der Decke. In zwei Reihen rechs und links von ihm zogen sich die Monitormdule an den Wänden hin. Die bequemen Drehstühle davor ware nur sporadisch besetzt. Ein ruhiger Tag, wie es aussah.
Einige Meter vor Alex erhob sich die Glaskanzel der Kommandozentrale. Boogy, der heute Koordinationsdienst hatte, versorgte gerade einige Techniker mit den für die Bedienung der Geräte nötigen ID-Scheiben. Mit verschiedenen Buchstaben- und Zahlenkombinationen versehen dienten diese Scheiben dazu, den jeweiligen Nutzer eines Gerätes zu legitimieren.
Boogy gestattete sich ein kurzes Lächeln, als Alex an die Panzerglasscheibe herantrat, die den Koordinator vom Kontrollzentrum trennte - die Sicherheitsstandards der Starlogs waren streng.
„Na?“ Boogy stellte damit keine Frage. „Wieder auf dem Kriegspfad heute?“
Alex nickte grinsend.
„Und wie! Zwei Tage Pause sind einfach zuviel für mich!“
Der Koordinator nickte.
„Kann ich gut verstehen. Der Blaster ist wirklich ein tolles Ding.“
Er kramte in einer Schublade herum.
„Aber es ist gar nicht so verkehrt, öfter mal auszusetzen. Ich habe hier schon eine Menge Jungs gesehen, denen die Sache irgendwann über die Hutschnur ging. Konnten nicht aufhören und waren dann irgendwann ausgezählt.“
Alex gabe seinem Gegenüber im Stillen recht. Zuviel am Blaster war wie eine Sucht. Er reichte Boogy seinen Berechtigungsschein durch den schmalen Spalt im Panzerglas und nahm dafür mehrere ID-Scheiben in Empfang.
„War Nick schon hier?“ fragte er und sah sich dabei im Raum um. Boogy schüttelte verneinend den Kopf.
„Noch nicht gesehen heute, sorry. Ich nehme an, er kommt erst später.“
Alex verstaute die ID-Scheiben in der Hosentasche.
„Dann wünsch mir mal Glück,“ sagte er.
Boogy gluckste.
„Glück??? Ihr Burschen kommt doch heutzutage sowieso immer zurück! Wenn ich da an meine Zeit denke...“
„Deine Zeit, Boogy? Bist Du sicher, daß Deine Zeit besser war als es meine ist?“
Das Gesicht des Kordinators verzog sich zu einem schiefen, bitteren Grinsen. Das fiel ihm nicht schwer. Quer über sein Gesicht zog sich eine breite, flammend rote Narbe aus einer Zeit, als es den Powerblaster noch nicht gegeben hatte.
„Irgendwann bleibt auch mal einer von euch auf der Strecke,“ murmelte er. „Und ich bin jetzt schon gespannt, welchen intelligenten Spruch ich dann zu hören kriege!“
Damit drehte er Alex den Rücken zu.
Wird fortgesetzt...