Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 1.990 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (31. Januar 2020 um 17:46) ist von Kiddel Fee.

  • Der Eindringling

    Eine einzige huschende Bewegung.

    Das war alles, was Nora sehen konnte, als sie vollbepackt mit Einkaufstüten, müde und verschwitzt, ihre Küche betrat.

    Eine einzige huschende Bewegung. Kaum von der Dauer eines Lidschlags, ja, sie konnte sich nicht einmal absolut sicher sein, dass diese Bewegung überhaupt da gewesen war. Es mochte auch ihre Fantasie sein, die ihr hier einen Streich spielte. Doch nein, sie war sich absolut sicher, es gesehen zu haben.

    Noch bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, stand sie bereits wieder im Flur, der Knall der Küchentür hallte durchs Haus und mischte sich mit ihrem keuchendem Atem und dem dröhnenden Schlag ihres Herzens.

    Nicht schon wieder.

    Ihre schweißnassen Hände strichen über das glatte Holz, welches den Zugang in jenen Raum verschloss, den sich der Eindringling wieder zu eigen gemacht hatte. Er kam immer wieder. Wie ein Geist klebte er an ihr, das spürte sie. Manchmal bekam sie ihn wochenlang nicht zu Gesicht, wog sich bereits in vermeintlicher Sicherheit und vergaß, dass es ihn gab. Doch dann zeigte er sich erneut, in den unpassendsten Momenten, meist, wenn sie allein und völlig wehrlos war.

    Nie hinterließ er Spuren, ihr Besucher, nie konnte sie ihn greifen. Diese Präsenz lebte in ihrem Haus, sorgfältig vor den Blicken der anderen Hausbewohner verborgen. Niemand störte sich an ihr, niemand schien ihr giftiges Zischen wahrzunehmen oder sich beobachtet zu fühlen. Chase, ihr Gatte, wachte in der Nacht nicht panisch um sich schlagend auf, weil dieses Wesen ihn berührt hatte. Und Schnurr, die Katze, sonst mit hervorragender Wahrnehmung gesegnet, schien es auch nicht zu stören, dass hier definitiv mehr als nur acht Beine herumliefen.

    Nora lauschte, ob verräterische Geräusche aus der Küche drangen. Es mochte gut sein, dass sich ihr verhasster Besuch gerade über die Einkäufe hermachte, die sie leichtsinnigerweise in einem Anflug von Panik kreischend fallen gelassen hatte. Doch selbst wenn die Lebensmittel für die gesamte nächste Woche von der Kreatur berührt worden waren, würde sie das nicht prüfen können. Keine Spuren. Keine Laute. Nichts, was auf ihre Existenz in diesen Mauern schließen ließ.

    Der Gedanke ließ ihr wieder einen Schauer über den Rücken jagen. Kurz fragte sie sich, was Chase wohl sagen würde, wenn er nach Hause käme und nur noch rauchende Trümmer vorfinden würde, weil sie das komplette Heim mit Kerosin getränkt und angezündet hatte. Das wäre zwar sehr rabiat, aber zweifelsohne effektiv. Diese – Bestie würde in Flammen aufgehen, mitsamt dem Haus, das ihr Unterschlupf gewährt hatte. Chase würde es sicher verstehen, in diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel, oder?

    Leider scheiterte es am Kerosin. In diesem Haushalt gab es genau genommen gar nichts, das brandfördernd wirken konnte, seit Chase keinen Alkohol mehr trinken wollte. Dabei hätte Nora jetzt viel für einen Schnaps gegeben. Oder zwei.

    Bei dem Gedanken an immer mehr werdende Schnapsgläschen traf sie eine Erkenntnis wie ein Blitz. Konnte diese Kreatur sich eigentlich vermehren? War sie in der Lage, Nachwuchs zu produzieren und diesen dann auf sie zu hetzen, sobald sie einen Fuß in ihr Haus setzte? War dieses Wesen immer dasselbe oder gab es mehrere von seiner Art, nur mit dem Ziel, sie in den Wahnsinn zu treiben?

    Wenn ja, dann musste sie es hier und jetzt beenden. Entschlossen ging sie hinüber zum Garderobenschrank und nahm das Pfefferspray heraus. Ob es helfen mochte, stand in den Sternen, aber sie fühlte sich zumindest bewaffnet. Die Dose im Anschlag schob sie die Küchentür Zentimeter für Zentimeter auf.

    Beinahe wäre sie wieder zurückgesprungen, weil eine Einkaufstasche, durch die aufgehende Tür ihrer Standfestigkeit beraubt, plötzlich kippte und den Inhalt Katzenfutterbüchse unter Scheppern auf den gefließten Boden rollen ließ. Geduckt und wieder vor Schreck keuchend verharrte sie im Türrahmen. Angestrengt musterte sie jeden Zentimeter des so vertrauten Raumes, zerrissen zwischen dem Wunsch, nichts zu sehen und dem wilden Verlangen, es hier und jetzt zu beenden. Verstecke gab es viele. Sie war nicht allein in der Küche, das spürte sie. Wo mochte sich der Feind aufhalten? Unter den Schränken, im muffigen Dunkel? Über ihr? Oder war er etwa klammheimlich hinter ihr entwischt und nun im Flur oder gar schon im Obergeschoss?

    Ihr brach der kalte Schweiß aus, als sie erkannte, auf welch verlorenem Posten sie kämpfte. Der Eindringling war im Vorteil, das Haus gehörte praktisch ihm. Es gab nur eine Möglichkeit.

    Als Chase nach Hause kam, stolperte er in der Küche über Orangen, Brot und Kater Schnurr, der verärgert an den verschlossenen Nassfutterbüchsen herumpfotelte. Von Nora war weit und breit nichts zu sehen. Nur eine hastig hingeschmierte Notiz auf dem Kassenzettel, der sich auf dem Küchentisch zusammenrollte.

    „Die Spinne ist wieder da. Schlafe bei Trish. Du verstehst das sicher. Love, N.“

  • Ha. Sehr eindrücklich geschrieben. Eine runde gut, getimte Geschichte!

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    Hab zuerst wirklich an eine gespenstisches Wesen gedacht. Dann an ein Insekt.

    Der "Abschiedsbrief" war eine super Idee.

    PS: Interesse an Kleinkram?

    Liebe Kiddel Fee Kleinkram

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    Wie ein Geist klebte er an ihr, das spürte sie.

    Geister kleben ja nicht generell.

    Vielleicht: Wie ein anhänglicher Geist klebte er…

    Ihre schweißnassen Hände strichen über das glatte Holz, welches den Zugang in jenen Raum verschloss,

    Bischen sperrig

    Vorschlag: glatte Holz, welches den Raum verschloss,

    Keine Laute.

    Vorschlag: Kein Laut.

    Bei dem Gedanken an immer mehr werdende Schnapsgläschen traf sie eine Erkenntnis wie ein Blitz. Konnte diese Kreatur sich eigentlich vermehren?

    Der Gedankengang wirkt ein wenig konstruiert. Mir fällt aber auch nicht besseres ein.

    Vielleicht. Bei dem Gedanken an die vielen Schnapsgläser traf sie der Gedanke wie ein Blitz.

    Die Dose im Anschlag schob sie die Küchentür Zentimeter für Zentimeter auf.

    Jetzt wird sie aber mutig!:thumbup:

    Beinahe wäre sie wieder zurückgesprungen, weil eine Einkaufstasche, durch die aufgehende Tür ihrer Standfestigkeit beraubt, plötzlich kippte

    Könnte man streichen, wird dann flüssiger zu lesen