Mundburt hat keine Idee und findet, wonach er nicht sucht.
Unter bedrücktem Schweigen gingen wir in den Rittersaal zurück. Auf dem Weg dorthin wurde mir bewusst, wie absonderlich die Situation war. Ein großer Arzt bat mich – mich!, einen jungen Menschen, der lärmenden Jugend kaum entwachsen, um Rat. Doch welchen Rat konnte ich ihm geben? Von Pest und Cholera verstand ich nichts; ich war überdies heilfroh (und bin es heute noch, gelobt sei der HERR!), mit diesen üblen Gesellen noch nicht in denselben Graben gepisst zu haben. Offensichtlich setzten die Unglücklichen große Hoffnungen in mich, Hoffnungen, die ich unmöglich erfüllen konnte.
Doch zunächst ging es darum, die guten Leute hinzuhalten, bis mir eingefallen war, wie ich mich aus dieser misslichen Situation halbwegs ehrenhaft retten konnte. Eine Idee hatte ich nicht, doch Kühnheit siegt, wenn Frechheit vorangeht.
„Meine Herren Ritter“, sagte ich, „die Apfelbesessenheit ist zweifellos eine schwere Krankheit, gegen die anscheinend alle herkömmlichen Mittel versagen. Mir scheint allerdings, dass die Ursache nicht in den Kranken sitzt, sondern in diesen Äpfeln.“ Ich wandte mich dem Doktor zu. „Herr de Harsigny“, sagte ich, „ist ein solcher Apfel schon einmal gründlich untersucht worden? Die Erfahrung zeigt, dass sich Teufel und Dämonen häufig an Orten aufhält, wo man sie am wenigsten vermutet.“
„Natürlich habe ich einen solchen Apfel untersucht“, erwiderte der Doktor mit einem Lächeln, in dem sich ein kleiner Unmut spiegelte, „und ich habe nichts gefunden, was ihn von einem normalen Apfel unterscheidet – ausgenommen der Biss. Meine ehrenwerten Kollegen und ich haben sogar einen anerkannten Exorzisten für schweres Geld mit einer Teufelsaustreibung beauftragt. Doch von allen neunhundertneunundneunzig Teufeln, die der Exorzist in mühevoller Kleinarbeit aufgerufen hat, bekannte sich keiner für zuständig.“
„Dann“, entfuhr es mir, „stecken in den Äpfeln keine Teufel, sondern Dämonen, die durch ihre Verlockungen den Apfelbesitzer dermaßen an sich fesseln, dass er ihnen wie ein Tier dient und gehorcht.“
Ich weiß nicht, wer von uns beiden mehr verdutzt war – der Doktor, weil er auf diese naheliegende Idee noch nicht gekommen war, oder ich, der ich von dieser naheliegenden Idee, bevor ich sie aussprach, noch keinen blassen Schimmer geahnt hatte.
„Aber es ist doch kein Dämon herausgefahren“, ließ sich einer der Anwesenden vernehmen, „wieso, zum Teufel, soll denn einer drinstecken!“
„Das ist leicht zu erklären“, behauptete ich kühn, „auch kleine Apfeldämonen sind nicht dumm und können vielerlei Gestalt annehmen. Ich weiß das von meiner Großmutter, die mir häufig Äpfel ans Ohr hielt, in denen es knackte und knisterte. Wenn sie den Apfel dann aufschnitt, flog ein winziger Schmetterling hinaus. Was ich sagen will ist dies: Wenn der Dämon merkt, dass der Apfel untersucht oder exorziert wird, schlüpft er schnell hinaus, und dann, wenn die Gefahr vorüber ist, schwupp, ist er wieder drin.“
„Beim Satan!“, rief jemand, „dann haben wir ja das ganze schöne Geld zum Fenster hinausgeworfen!“
Ich schwieg beredt, und dumpfes Schweigen machte sich breit. Unterdessen dachte ich fieberhaft nach. Die guten Leute hingen an meinen Lippen, und ich konnte sie bei meiner Ehre unmöglich enttäuschen. Um erneut Zeit zu gewinnen, sagte ich: „Ihr Herren, ich bitte um eine halbe Stunde Urlaub! Ihr seht selbst, der Jungfer geht es nicht gut, und auch mein Herz sehnt sich nach frischer Luft und Sonnenschein. Gibt es hier ein Plätzchen, eventuell auf einer Bank an einem Bachgeriesel oder in der Nähe eines heiteren Sees, wo ich meinen Gedanken nachhängen und über eine Lösung des Problems nachsinnen kann?“
Diese salbungsvolle Rede verfehlte nicht ihre Wirkung.
„Herr de Valmy“, sagte der Meister, „führt die beiden Herrschaften nach den Fischteichen! Dort wird der Herr finden, was er sucht!“
Ich blickte mich um. Kopf war wieder einmal verschwunden.
„Was soll das denn?“, fragte Gerlind, als wir an einem mit allen möglichen Wasserpflanzen bedeckten Teich saßen, in dem die Frösche quakten und die Libellen ihr Liebesspiel trieben.
„Sei bitte mal einen Moment still“, sagte ich, „ich muss nachdenken.“
Ich stand wieder auf und sah aufs Wasser, oder besser: Auf das verwirrende Grün, das sich meinen Augen bot. Allmählich erkannte ich Einzelheiten: Große, kleine, runde, ovale, eckige, breite, schmale, stumpfe, spitze Blätter... Manche sahen aus wie ein halber Mond, andere wie eine Speerspitze. Dann Blüten in allen Formen und Farben. Ein großer grauer Vogel mit einer Klistierspritze als Schnabel beäugte mich scharf, auf einem Blatt mit aufgewölbtem Rand saß ein giftgrünes Etwas und glotzte mich mit goldenen Augen an. Und daneben im Wasser... ein seltsames, grünbraunes Gebilde in Form eines aufgerollten Füllhorns, etwa anderthalb Zoll hoch. Das Haus einer Schnecke. Ich bückte mich und hob das Gehäuse, als wär´s ein zerbrechliches Kleinod, vorsichtig aus dem Wasser. Es war leer, die Bewohnerin ausgezogen. Ich blickte in die Öffnung und sah in einen gewundenen Gang, der nach oben immer schmaler wurde. Mein Herz hüpfte vor Freude... Behutsam wickelte ich das Gebilde in mein Tuch, dann ging ich zu Gerlind zurück.
„Heiho, wir können wieder zurückgehen“, sagte ich, „hab gefunden, wonach ich nicht suchte!“
Der Magister kam angerannt, mit reichlich derangierter Kleidung. „Man sagte mir, ich könne Euch hier finden“, keuchte er.
„Wo kommt Ihr denn jetzt her“, fragte ich, „und in welchem Zustand?“
Kopf druckste mit roten Wangen herum. „Versteht doch“, sagte er schließlich, „meine...ähem... Annäherungsversuche waren Jahre hindurch ziemlich kopflos und wohl deshalb selten von Erfolg gekrönt. Jetzt, unter diesen Bedingungen, sehe ich mich in die Lage versetzt –“
„Erspart uns Einzelheiten und schaut mal nach Eurem Hosenlatz“, unterbrach ihn Gerlind.
Mundburt treibt einen Quälgeist aus und redet wie ein Doktor der Medizin.
Den Zufallsfund nahm ich als Zeichen, dass mir der Himmel nach wie vor gewogen war und machte mich sofort an die Ausarbeitung eines Plans. Sollte er scheitern – wer sollte mir daraus einen Strick drehen, denn niemand hatte mir den Äskulapstab in die Wiege gelegt. Hingegen im Falle eines Gelingens – –
Konsequent versagte ich mir jegliche Ruhmesfantasien und schritt stattdessen unverzüglich zur Tat.
Natürlich besaß ich nicht die geringste Erfahrung im Umgang mit Dämonen. Das Wenige, was ich wusste, stammte aus Erzählungen der Mägde auf Burg Wolkenstein, etwa, dass Teufel und Geister im Dunkeln genauso blind herumtappen wie ihre Opfer, dass sie immer um Mitternacht besonders aktiv sind und sich vor dem Zeichen des Kreuzes fürchten.
Zunächst bat ich Kopf und Gerlind, zum Schiff zurückzukehren und es für einen eiligen Aufbruch klar zu machen, primo, weil es stark auf den Abend zuging, secundo, weil der Ausgang des Abenteuers ungewiss war, tertio, weil ich bei der Ausführung meines Plans nicht durch dumme Fragen abgelenkt werden wollte; ich selbst hatte vor, die Nacht im Spital zu verbringen. Gerlind verschloss ich den Mund mit einem Kuss; Kopf, der anscheinend noch ein Tète-á-Tète in petto hatte und ein Gesicht machte, als müsste er auf das Leben verzichten, stellte ich vor die Wahl, entweder zu folgen, oder für immer auf dieser Vogelinsel zu bleiben. Meine harsche Ansprache blieb nicht ohne Wirkung, leise murrend zog er ab.
Danach begab ich mich in den Rittersaal und verkündete mit kühner Unverfrorenheit, ich hätte mein Orakel befragt und Antwort erhalten, dahingehend, ich solle gegen Mitternacht zu Seiner Erhabenheit gehen und an seinem Bett Wache sitzen; dort würde ich weitere Weisungen erhalten. Dann befahl ich dem Bader, alle Einreibungen mit Merkurium zu unterlassen, das Mittel brächte den Patienten nur in Feuer und versetze ihn in tödliche Aufregung – woher ich diese Weisheit nahm, weiß ich bis heute nicht..
Die Ritter sprangen von ihren Sitzen auf und umringten mich. Nicht wenige zeigten sich außerordentlich erfreut, einige allerdings machten keinen Hehl daraus, dass sich mich für den gewissenlosesten Scharlatan hielten, der auf der Welt herumlief. Im Nu und ohne jemanden zu Wort kommen zu lassen ordnete ich an, ein kleines Küchenmesser, ein Wachssiegel, einen Ohrensessel sowie einen eisernen Topf in die Kammer Seiner Erhabenheit zu bringen; für mich erbat ich einen Raum, in dem ich ungestört mit meinem Orakel kommunizieren könne. Man nahm alle Forderungen ohne Gegenrede an.
Kurz vor Mitternacht begab ich mich in die Kammer der Großmeisters. Der Kranke lag ruhig schlafend im Bett, seine Gesichtszüge waren entspannt, der Atem ging regelmäßig, alles Zeichen, dass der Dämon noch nicht vor Ort war. Mit dem Messer höhlte ich den Apfel an der Stelle des Bisses aus, steckte das Gehäuse hinein, legte den Apfel zurück auf den Tisch und stülpte den Topf darüber. An der Kerze machte ich das Siegel weich und formte daraus ein Kreuz. Dann setzte ich mich in den Ohrensessel, lehnte mich zurück und wartete ab.
Schlag zwölf wurde der Kranke unruhig. Er wand sich, stöhnte, schlug mit den Armen, zeigte Anzeichen höchster Erregung: Der Dämon näherte sich. Ich wartete, um sicher zu gehen, dass er in den Apfel eingefahren war, dann hob ich blitzschnell den Grapen an, verstopfte den Eingang des Gehäuses mit dem Siegel, Kreuz nach innen, und setzte den Topf wieder ab.
Ich war mir über das Risiko des Unterfangens durchaus im Klaren. Das Kreuz bestand aus ungeweihtem Wachs, würde es überhaupt wirken? Was auch immer geschehen würde: Gerlind und Kopf waren in Sicherheit, und ich würde mich schon zu retten wissen, denn Kühnheit siegt, wenn Frechheit vorangeht. Indem ich darüber nachdachte, begann ein Knistern und Knirschen, ein Klopfen und Schaben, ein Trampeln, Fluchen und Schreien, in das sich, wie aus weiter Ferne, unverständliche Wortfetzen mischten. Die Geräusche kamen eindeutig aus dem Topf. Der Dämon hatte in der Dunkelheit den falschen Eingang nicht erkannt uns saß jetzt, abgestoßen durch das Kreuz, das offensichtlich wirkte und ihn stark bedrängte, in der Spitze des Schneckenhauses fest. Die Geräusche verstärkten sich und schwollen zu einem üblen Lärm an, der die gesamte Kammer ausfüllte.
Der Großmeister indes vermittelte den Eindruck, als litte er entsetzliche Qualen. Mit verzerrtem Gesicht und Schaum vor dem Mund bäumte er sich auf, griff sich an den Hals, keuchte, stöhnte, furzte, schrie, sodass ich schon befürchtete, er könnten aus der Welt fahren. Ich hatte schon damit gerechnet, das der Dämon seine Macht nicht kampflos würde fahren lassen, aber die Wucht der Angriffe erstaunte mich doch.
Plötzlich gab es einen Knall, es roch nach Schwefel und siedendem Pech – dann war Ruhe. Der Dämon hatte, vom Kreuz besiegt, für immer aufgehört, zu existieren.
Der Patient beruhigte sich zusehends.
Glücklich über die gelungene Austreibung zog ich die Glocke – das verabredete Zeichen – sofort sprang die Tür auf, die Herren von Elster und de Harsigny traten ein (offensichtlich hatten sie, gegen die Absprache, an der Tür gelauscht). Entzückt sahen sie erst den Patienten, dann mich an, und die Anerkennung, die in ihren Blicken lag, verlieh mir Mut. Ich sprach wie ein Arzt, verordnete Diät und Ruhe, dogmatisierte, hypothetisierte, zitierte Autoren, die ich nie gelesen hatte. Die hohen Herren hörten mich wie ein Orakel an, und Seine Erhabenheit schenkte mit die gleiche Aufmerksamkeit.
Es stellte sich heraus, dass alle drei von dem Lärm nichts mitbekommen hatten.
Zufrieden suchte ich mein Nachtlager auf.
Mundburt fabuliert das Blaue vom Himmel und wird zum Doktor der Medizin ehrenhalber ernannt.
Am anderen Morgen, bei einem üppigen Frühstück mit zahlreichen Gunstbeweisen, an dem auch Seine Erhabenheit gnädig teilnahm, sagte Herr de Harsigny, mehr sauer als süß lächelnd, er finde mich für einen jungem Menschen zu gelehrt, folglich müsste ich etwas Übernatürliches besitzen.
Da ich seinen Stolz nicht verletzen wollte, indem ich ihm die Wahrheit sagte, fabulierte ich in törichter Selbstüberschätzung, ich besäße eine Zahlenpyramide, durch die ich vermittels einer Frage, die ich aufschriebe und in Zahlen verwandele, eine Antwort, ebenfalls in Zahlen, erhalte, die mich in allem, was ich zu wissen begehre, unterrichte. Auf diese Weise habe ich auch erfahren, wie der Dämon Seiner Erhabenheit zu besiegen sei.
Diese Antwort löste größtes Erstaunen aus.
Damit besäße ich ja, sagte Herr von Elster, eine Art Schlüssel Salomonis, nach dem sich die gelehrte Welt sehne.
Er nenne es eher Rabulistik, meinte ein anderer, von wem ich diese Wissenschaft gelernt habe.
Ich erwiderte: „Von einem alten Eremiten, der auf dem Berge Sinai wohnt und den ich kennenlernte, als ich in ägyptischer Gefangenschaft war.“
Zu spät merkte ich, dass ich mich immer tiefer in mein Lügengespinst hinein ritt.
„Dieser Eremit“, sagte der Doktor, „hat ohne Euer Wissen mit den Zahlen einen unbekannten Geist verknüpf, denn einfache Zahlen besitzen nicht die Fähigkeit, ein Urteil zu fällen oder Antwort auf Fragen bezüglich der Geisterwelt zu geben.“
Jetzt merkte ich, dass mir gerade ein Feind erwuchs.
„Herr de Harsigny“, sagte der Großmeister, dessen Gesundheit fast völlig wieder hergestellt war, „warum wollt Ihr die Verdienste des Herrn von Wolkenstein kleinreden? Er hat mich vom Merkur befreit, an dem ich beinahe erstickt wäre, und er hat den Dämon vertrieben. Also ist er der bessere Arzt!“ Er sah mich wohlwollend an. „Lieber Herr, Ihr besitzt einen wahren Schatz, und es hängt ganz von Euch ab, daraus den grüßten Vorteil zu ziehen.“
„Ich weiß nicht, wie ich diesen Vorteil ziehen könnte“, sagte ich, „denn die Antworten sind manchmal so dunkel, dass ich sie nicht verstehe. Gleichwohl macht es mich glücklich, dass es mir gelungen ist, Eure Erhabenheit von dem furchtbaren Ungeist zu befreien.“
Der Großmeister versicherte mir noch einmal seine Wertschätzung.
Daraufhin sagte der Doktor kalt, wenn Seine Erhabenheit so denke, halte er es für das Beste, mir seinen Platz als Arzt abzutreten. Da niemand widersprach, stand er auf und verließ den Saal. In der selben Sekunde ernannte mich der Großmeister zum Doktor der Medizin ehrenhalber beim Orden des Goldenen Phallus und überreicht mir einen Doktorhut aus schwarzen Vogelfedern.
„Ich würde gern“, sagte ein Ritter, „Euch eine Frage stellen, die mir am Herzen liegt, über die mich jedoch bisher niemand belehren konnte.“
Ich erwiderte, er solle die Frage nur aufschreiben, (wobei ich spürte, wie mir der Hals eng wurde), ich würde sie unverzüglich meinem Orakel vorlegen.
Er schrieb die Frage auf, gab sie mir, ich las – las wieder – und verstand nichts, das auf einem Mückenschiss hätte Platz gefunden. Unter dem Vorwand, ich müsse mit meinem Orakel alleine sein, begab ich mich in einen Nebenraum.
Jetzt musste ich für meine Unverschämtheiten bezahlen.
Indem ich diese Frage wieder las und immer noch nicht verstand, stieg in mir der Verdacht auf, dass es darauf gar keine vernünftige Antwort gab, dass mich der Ritter hereinlegen wollte, aber das tat nichts, ich musste antworten. Ich sammelte alle meine Geisteskräfte, um zu einer Antwort zu gelangen, die ebenso dunkel war wie die Frage. Schließlich entschied ich mich für folgenden Spruch:
Auch ein weiser Mann macht manchmal den Narren,
den er auslegen konnte, wie er wollte, und spiele den Gleichgültigen.
Der Herr liest ihn, zeigt sich überrascht und versteht alles. „Himmel! Das ist göttlich, das ist einzig, diese Antwort konnte nur ein überragender Geist finden!“ Seine Begeisterung ist zu offensichtlich, um echt zu sein. Die anderen bestürmen ihn, mit der Antwort herauszurücken, doch er ziert sich und steckt den Zettel weg. Nun stellen sie mir Fragen über alle möglichen Gegenstände, von denen ich nichts begreife, und ich erteile Antworten, von denen ich ebenfalls nichts begreife, die ihnen aber sämtlich erhaben vorkommen.
Doch einer, offensichtlich darüber erbost, dass sie mich nicht fassen können, lässt nicht locker in dem Versuch, mich aufs Glatteis zu führen. Er fragt mich, ob es möglich sei, ihn meine erhabene Zahlenkunst zu lehren, denn er besitze eine Schwäche für diese abstrakte Wissenschaft.
„Gern, Euer Wohlgeboren“, entgegne ich, denn das Spiel beginnt mir Spaß zu machen, „allerdings gibt es da eine Sache, auf die ich bisher kein Gewicht gelegt habe, weil die Notwendigkeit dazu fehlte. Gleichwohl hindert sie mich daran, Eurer Bitte Folge zu leisten.“
Er fordert mich auf, mich näher zu erklären.
„Der Eremit vom Berge Sinai“, schwadroniere ich unbeschwert, „versicherte mir, ich würde sieben Tage, nachdem ich die Wissenschaft irgendjemandem mitgeteilt hätte, eines plötzlichen Todes sterben; indes, ich glaube nicht an diese Drohung und würde Euch zuliebe –“
„Mein lieber junger Freund“, unterbrach mich der Obermeister, „ich an Eurer Stelle würde eine derartige Drohung durchaus ernst nehmen! Es gibt genug Beispiele, das solch eine Drohung auf die Minute genau eintrat. Man soll weder die himmlischen noch mit die höllischen Mächte herausfordern.“
Dabei blieb es, niemand sprach mehr von der Sache.
Wieder hatte ich dazugelernt, primo, dass Frechheit siegt, secundo, dass Eitelkeit und Gutgläubigkeit es dem Menschen leicht machen, seinen Nachbarn zu betrügen.
Der Rest ist schnell berichtet. Seine Erhabenheit entließ mich mit ausgesuchter Höflichkeit, dabei brachte er sein Bedauern zum Ausdruck, dass er einen Mann wie mich, der offensichtlich im Besitz des Steins der Weisen sei und mit Elementargeistern umgehen könne, ziehen lassen muss. Als Anerkennung für geleistete Dienste überreichte er mir einen goldenen Käfig mit einem Zeisig, der ebenfalls über geheime Kräfte verfüge, welche, das würde ich schon merken.
Ich kehrte zum Hafen zurück, den Doktorhut auf dem Kopf, den Käfig in der Hand, ein lustig Lied auf den Lippen.
Forts. folgt.