Der Tanz um den Kopf – eine vorweihnachtliche Liebesgeschichte

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 558 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (11. Dezember 2024 um 23:19) ist von Der Wanderer.

  • Hallo, Ihr!

    Dies ist die Fortsetzung meines Gedichts „Salomé“. Es erzählt die Geschichte des Johannes des Täufers, der ähnlich wie Jesus Christus taufend und predigend durch das Land zog, allerdings etliche Jahrzehnte zuvor, und der deshalb als dessen Vorläufer gilt. Passt also gut zur Vorweihnachtszeit. Außerdem ist es eine tragische Liebesgeschichte, bei der er nicht nur buchstäblich den Kopf verliert.

    Wünsche (hoffentlich) viel Vergnügen.

    Der Tanz um den Kopf – eine vorweihnachtliche Liebesgeschichte


    Herodias


    Schroffe Felsen, spitze Zinnen,

    oft umtobt von Sturmgebrause,

    dicken Wände, draußen, drinnen:

    Des Herodes feste Klause.


    Vierfürst er, von Galiäa,

    ein Tetrarch von Kaisers Gnaden,

    Weit versippt mit Neff und Schwäher,

    handelt nie zum eignen Schaden. –


    Liegen jetzt beim Mittagsmahle –

    lecker duftet krosse Speise,

    Ölfrucht und gebratne Aale,

    Musikanten flöten leise –


    Salomé, Herodes´ Nichte,

    liebestoll, doch nicht Vestalin,

    dann der Vierfürst der Geschichte;

    und Herodias, die Gemahlin.


    Da! ein lautes Hörnerschallen

    bis hinein zur letzten Kammer.

    Rege wird’s in weiten Hallen.

    „Feinde nahn! O welch ein Jammer!“


    Kriegslärm an der Feste Mauern,

    Wutgeheul und Waffenklirren!

    Weg die Speisen, mit Bedauern,

    schon hört man die Pfeile schwirren.


    Atemlos erscheint ein Hüne,

    bärtig bis an beide Ohren.

    „Herr!“, stöhnt er, der wenig kühne,

    „Flieht! Bald ist die Burg verloren!


    Unten wälzt sich eine Menge,

    Tausend sind es, und nicht minder,

    brüllen wüste Hassgesänge,

    Männer, Weiber und auch Kinder.


    Werfen Steine, schwingen Knüppel,

    weiter wächst der Zorn der Menge,

    kampfbereit der letzte Krüppel,

    allerorten schwer Gedränge.


    Nennen dich, Herr, Ehebrecher!

    (gäbe viel, wenn´s nicht so wäre)

    Höhnen auch dich, Frau, noch frecher.

    Hört ich doch das Wort Hetäre!


    „Hauptmann!“, ruft die „o ihr Memmen!

    Lasst euch von dem Pöbel zwacken?

    Soll ich selbst das Schwert noch stemmen?

    Ließ dir gern den Kopf abhacken.“


    „Edle Fürstin, walte Gnade!“,

    sagt der Hühne mit Erbleichen,

    „hörst du nicht ihr Schreien gerade?

    Gilt dem Täufer, ihresgleichen,


    der sie taucht in Jordanwässern,

    will den Frieden ohne Waffen,

    will ihr trübes Los verbessern

    als ein Meister unter Affen.


    Spricht vom Himmel schon auf Erden,

    wenn das Volk im Jordan badet,

    Seligkeit soll allen werden.

    Hält sich wohl für gottbegnadet.


    Gäb ein übles Blutvergießen,

    sorgte nur für mehr Entsetzen,

    wenn wir sie mit Lanzen stießen

    und die Hunde auf sie hetzen.“


    Sagt darauf des Vierfürst Gattin:

    „Dumm Gefasel, falsch Versprechen,

    Volksverhetzer, Wahnsinn hat ihn!

    Nicht dein Kopf, sein Kopf soll rächen!


    Werft ihn in den tiefsten Kerker,

    diesen Held der Visionen.

    Will doch wissen, wer ist stärker?

    Der da? Romas Legionen?“


    Doch die Knechte knien nieder,

    manche Rüstung fällt zu Boden,

    höh´re Macht bezwingt die Glieder,

    fangen an, den Held zu loben,


    diesen Menschenfreund Johannes,

    ganz von Heiligkeit umwittert,

    Künder eines höh´ren Mannes,

    vor dem selbst der Kaiser zittert.


    Doch die Fürstin schreit jetzt heiser

    „Soll ich Rebellion belohnen?

    Scharlatan ist er, kein Weiser!

    Ab mit ihm, wo Teufel wohnen!“


    Und schon rasseln schwere Ketten,

    legen sich um Fuß und Hände

    Keiner will mehr Gnade wetten.

    Eisern naht des Täufers Ende.


    Forts. folgt

  • Heyho McFee

    Wie immer grandios, gespickt mit Andeutungen und Verweisen, die allerdings nicht jeder entschlüsseln kann. Besonder schön für mich bisher:

    Atemlos erscheint ein Hüne,

    bärtig bis an beide Ohren.

    „Herr!“, stöhnt er, der wenig kühne,

    „Flieht! Bald ist die Burg verloren!

    Ein "ein wenig kühner Hüne" ist schon mal großartig.:D:D:D Aber bei "bärtig bis an beide Ohren" war's dann vorbei mit meiner Ernsthaftigkeit!

    :nummer1:

  • Hallo Der Wanderer,

    vielen Dank für Dein Feedback. Ich freue mich immer, wenn meine Texte Menschen zu Schmunzeln bringen. Nenne mir ruhig Andeutungen und Verweise, die ich entschlüsseln soll. Allerdings finde ich auch, dass manch Geheimnisvolles und Unerklärtes den Reiz einer Erzählung erhöht.

    LG, McFee

  • Heyho McFee

    Nono Senhôr. Du sollst gar nichts aufschlüsseln, ganz im Gegenteil. Immer nur so weiter:

    "...liebestoll, doch nicht Vestalin..."

    Da braucht's zum Verständnis der Pointe etwas Hintergrund ... und den hat nun mal nicht jeder.

    :thumbup:

  • Johannes


    Fackeln, fast wie Höllenfeuer,

    rußverkrustet feuchte Wände,

    kaltes, dumpfes Gruftgemäuer,

    Ketten über Bein und Hände.


    Grause Nächte, gramverhangen,

    Grause Träume, schwarz wie Kohlen,

    angefüllt mit Todesbangen,

    denn die Fürstin hat´s befohlen. –


    Auf den Stufen hallen Schritte:

    Kerkerwächter. Schwerter blitzen.

    Salomé in ihrer Mitte.

    In die Ecken Ratten flitzen.


    „Lasst mich jetzt mit ihm alleine“,

    sagt des Vierfürsts junge Nichte.

    Findet ihn auf kaltem Steine,

    tief gebeugt in trübem Lichte.


    Salomé spürt heißes Grauen,

    lässt die Sklavin Kühlung fächeln.

    Kaum kann sie das Elend schauen.

    Doch der Täufer spricht mit Lächeln:


    „Salomé, sei mir willkommen,

    trägst du auch das Kleid der Sünde“,

    sagt er wie in Trance benommen,

    „höre, was ich dir verkünde!


    Du bist nicht Herodes´ Same,

    sondern Tochter einer Hure,

    ist Herodias doch ihr Name,

    einer mistgefüllten Fuhre.


    Trug ein Kind schon unterm Bande,

    nahm Herodes dann zum Gatten,

    der vermählt im Berberlande.

    Ehebruch wirft seinen Schatten


    auch auf dich. Für unsre Väter

    welche oftmals Sorge hatten,

    dass die Frau wird zum Verräter

    eines anvertrauten Gatten –


    Ehebruch war schwerste Bürde,

    allergrößte Sündennöte,

    Jahwes Gnade eine Hürde,

    sollt er wenden Höllenröte.“


    „Jeder Mensch fehlt mal im Leben.

    Warum urteilst du mit Härte?“,

    Salomé mit leichten Beben,

    „wie Herodes mit dem Schwerte?


    Schienst mir eben noch so milde,

    voll von göttlichem Verzeihen,

    Menschlichkeit auf deinem Schilde,

    Kraft, vom Hasse zu befreien.“


    „Haben auch noch andre Makel,

    deine Eltern, o Prinzessin!

    Oben dröhnt das Festspektakel

    Draußen – höre endlich hin –


    schreit das Volk und knirscht mit Zähnen!

    Hungersnot und Leid der Armen,

    Straßenstaub, der nass von Tränen.

    Doch den Fürsten fehlt´s Erbarmen!“


    Die Prinzessin, starr vor Staunen,

    von der Kühnheit hingerissen.

    Das ist nicht der Priester Raunen!

    Der hier spricht, ist Weltgewissen!


    Nicht wie Königs geile Schranzen,

    die ihm seinen Speichel Lecken

    und sich frech an Pfründe wanzen

    und den Hals nach mehr noch recken.


    Sieht des Täufers bleiche Wangen,

    seinen Augen voll von Güte,

    seine Glieder, glatt wie Schlangen.

    Wirrnis schießt in ihr Gemüte.


    „Sieh den Ring an meinem Finger,

    ließ ich machen dir zu Ehren,

    meiner Liebe Notbezwinger

    der den Drachen Zweifel wehre.“


    Nimmt das Haupt des edlen Mannes –

    einen Kuss auf seine Lippen –

    „Ach, ich liebe dich, Johannes!

    Lass an deiner Kraft mich nippen!“ –


    Ruft er unter Kettenklirren:

    „Was soll mir jetzt Frauenliebe?

    Mehrt doch nur die Kerkerwirren,

    weckt des Leibes finstre Triebe!“


    Stößt sie weg mit starken Armen –

    „Weib!“, ruft er, „berauscht vom Weine!“

    Findet diesmal kein Erbarmen,

    stößt sie auf die harten Steine –


    „Wollust ist dein wahres Wesen,

    und Versuchung deine Mutter!

    Fand mich schon vom Hass genesen,

    doch du gibst ihm neues Futter!“


    Forts. folgt


  • Salomé

    Nackt und unter leichten Betten,
    Salomé, in dumpfen Träumen,
    sieht den Täufer schwer in Ketten,
    und den Burgweg Wächter säumen.

    Wieder spürt sie Peitschenhiebe,
    und ihr Herz gewaltig pochen,
    diesen Schmerz verschmähter Liebe.
    Und das geht so schon seit Wochen.

    Auf springt sie, in Morgenkühle,
    an die Luft, gefüllt mit Düften.
    Widerlich ist Bettenschwüle –
    und Johannes liegt in Grüften.

    Doch jetzt sieht sie andre Bilder:
    Wie der Täufer sie gestoßen,
    und ihr Herz schlägt schneller, wilder,
    sie, die Nichte eines Großen!

    Wie sie liegt auf Kerkersteinen,
    wüst beschimpft wie eine Dirne!
    Und der Zorn, er lässt sie weinen.
    Hass umnebelt ihre Stirne. –

    Wieder, zum Geburtstagsfeste
    hat Herodes eingeladen.
    Galiläas edle Gäste
    solln in Wein und Wollust baden.

    Der Tetrarch, schon schwer betrunken,
    in der Mitte seiner Schranzen,
    tief in seinen Thron gesunken,
    ruft jetzt: „Salomé, sollst tanzen!

    Geb dir Gold und Edelsteine,
    wenn du fallen lässt die Hüllen
    und wirfst hoch die schlanken Beine!
    Werd dir jeden Wunsch erfüllen!“

    Paukenschlag und Harfenklänge,
    hoher Flötentöne schrillen,
    monotone Sklavensänge,
    ganz nach des Tetrarchen Willen.

    Salomé im Kos´schem Kleide,
    mehr ein Schleier als Bedeckung,
    hauchdünn und aus feinster Seide,
    geiler Lüsternheit Erweckung.

    Leidenschaft erfasst die Glieder,
    schlangengleich rührt sie die Hüften,
    Beine fliegen auf und nieder,
    Paukenwirbel in den Lüften –

    und schon fällt die letzte Hülle,
    dieser schmale, goldne Flitter.
    Nackt ist jetzt des Körpers Fülle,
    ohne dieses Keuschheitsgitter.

    Schamlos zeigt sie ihrer Reize,
    macht von Tisch zu Tisch die Runde,
    so, als wär es Falkenbeize.
    Tanzt jetzt schon die volle Stunde.

    Stärker wird der Pauken Dröhnen,
    lauter auch die Sklavenlieder –
    Salomé, mit leisem Stöhnen,
    sinkt erschöpft zu Boden nieder,

    gleich vor des Tetrarchen Sessel.
    Der, jetzt schon in schwerem Rausche
    fern von aller Sitte Fessel,
    sieht so aus, als ob er lausche.

    Taumelt hoch jetzt die Prinzessin,
    in den Augen noch Extase,
    Sklaven reichen ihr das Kleid hin,
    manche Edle rümpft die Nase –

    „Vierfürst!“, ruft sie, „deine Stunde!
    Ein Versprechen edlen Mannes
    hörte ich aus deinem Munde!
    Gib den Kopf mir des Johannes!

    Will sein Haupt in goldner Schüssel“
    Alle schaudern vor Entsetzen.
    „Gib dem Henker deine Schlüssel!
    Soll er schnell das Richtschwert wetzen!“

    Still ist jetzt die Hofkapelle,
    auch die meisten Gäste schweigen.
    Salomé, an ruh´ger Stelle,
    ist jetzt nicht nach Liebesreigen.

    Tritt ein Mann jetzt durch die Pforte,
    plump und kräftig wie ein Bauer.
    Ist kein Mann der vielen Worte,
    ist der Festung Knochenhauer.

    Sein Gesicht ist grob und bieder,
    um den Hals den Henkersschlüssel.
    Kniet jetzt vor Herodes nieder,
    bietet ihm die goldne Schüssel

    mit dem Haupte des Johannes,
    Augen nur noch blinde Stücke,
    einst die Zier des stolzen Mannes.
    Der Tetrarch weicht jäh zurücke,

    „Ich!“, ruft er mit klammen Mute,
    wagt nicht auf den Kopf zu schauen,
    „bin nicht schuld an seinem Blute!
    Schwör bei Zeus, es sind die Frauen!“

    Salomé blickt in die Augen,
    scheint sich darin festzusaugen,
    Dann – ein Schrei, dass Gott erbarme –
    sinkt sie in Herodias Arme.

    ENDE
    (vorerst)

  • Heyho McFee

    Das war ... großartig. :nummer1:

    Bin mir ziemlich sicher, Du könntest auch den Pentateuch in Reimform bringen.

    Schamlos zeigt sie ihrer Reize,
    macht von Tisch zu Tisch die Runde,
    so, als wär es Falkenbeize.

    Ernthaft jetzt??? "Falkenbeize" ?

    Muuuhahahaha!!!!

  • Heyho McFee

    Möglicherweise soger das örtliche Telefonbuch . . .

    Würde mich auch nicht überraschen...würd's denn noch welche geben. ^^^^^^