Hallo, Ihr!
Dies ist die Fortsetzung meines Gedichts „Salomé“. Es erzählt die Geschichte des Johannes des Täufers, der ähnlich wie Jesus Christus taufend und predigend durch das Land zog, allerdings etliche Jahrzehnte zuvor, und der deshalb als dessen Vorläufer gilt. Passt also gut zur Vorweihnachtszeit. Außerdem ist es eine tragische Liebesgeschichte, bei der er nicht nur buchstäblich den Kopf verliert.
Wünsche (hoffentlich) viel Vergnügen.
Der Tanz um den Kopf – eine vorweihnachtliche Liebesgeschichte
Herodias
Schroffe Felsen, spitze Zinnen,
oft umtobt von Sturmgebrause,
dicken Wände, draußen, drinnen:
Des Herodes feste Klause.
Vierfürst er, von Galiäa,
ein Tetrarch von Kaisers Gnaden,
Weit versippt mit Neff und Schwäher,
handelt nie zum eignen Schaden. –
Liegen jetzt beim Mittagsmahle –
lecker duftet krosse Speise,
Ölfrucht und gebratne Aale,
Musikanten flöten leise –
Salomé, Herodes´ Nichte,
liebestoll, doch nicht Vestalin,
dann der Vierfürst der Geschichte;
und Herodias, die Gemahlin.
Da! ein lautes Hörnerschallen
bis hinein zur letzten Kammer.
Rege wird’s in weiten Hallen.
„Feinde nahn! O welch ein Jammer!“
Kriegslärm an der Feste Mauern,
Wutgeheul und Waffenklirren!
Weg die Speisen, mit Bedauern,
schon hört man die Pfeile schwirren.
Atemlos erscheint ein Hüne,
bärtig bis an beide Ohren.
„Herr!“, stöhnt er, der wenig kühne,
„Flieht! Bald ist die Burg verloren!
Unten wälzt sich eine Menge,
Tausend sind es, und nicht minder,
brüllen wüste Hassgesänge,
Männer, Weiber und auch Kinder.
Werfen Steine, schwingen Knüppel,
weiter wächst der Zorn der Menge,
kampfbereit der letzte Krüppel,
allerorten schwer Gedränge.
Nennen dich, Herr, Ehebrecher!
(gäbe viel, wenn´s nicht so wäre)
Höhnen auch dich, Frau, noch frecher.
Hört ich doch das Wort Hetäre!
„Hauptmann!“, ruft die „o ihr Memmen!
Lasst euch von dem Pöbel zwacken?
Soll ich selbst das Schwert noch stemmen?
Ließ dir gern den Kopf abhacken.“
„Edle Fürstin, walte Gnade!“,
sagt der Hühne mit Erbleichen,
„hörst du nicht ihr Schreien gerade?
Gilt dem Täufer, ihresgleichen,
der sie taucht in Jordanwässern,
will den Frieden ohne Waffen,
will ihr trübes Los verbessern
als ein Meister unter Affen.
Spricht vom Himmel schon auf Erden,
wenn das Volk im Jordan badet,
Seligkeit soll allen werden.
Hält sich wohl für gottbegnadet.
Gäb ein übles Blutvergießen,
sorgte nur für mehr Entsetzen,
wenn wir sie mit Lanzen stießen
und die Hunde auf sie hetzen.“
Sagt darauf des Vierfürst Gattin:
„Dumm Gefasel, falsch Versprechen,
Volksverhetzer, Wahnsinn hat ihn!
Nicht dein Kopf, sein Kopf soll rächen!
Werft ihn in den tiefsten Kerker,
diesen Held der Visionen.
Will doch wissen, wer ist stärker?
Der da? Romas Legionen?“
Doch die Knechte knien nieder,
manche Rüstung fällt zu Boden,
höh´re Macht bezwingt die Glieder,
fangen an, den Held zu loben,
diesen Menschenfreund Johannes,
ganz von Heiligkeit umwittert,
Künder eines höh´ren Mannes,
vor dem selbst der Kaiser zittert.
Doch die Fürstin schreit jetzt heiser
„Soll ich Rebellion belohnen?
Scharlatan ist er, kein Weiser!
Ab mit ihm, wo Teufel wohnen!“
Und schon rasseln schwere Ketten,
legen sich um Fuß und Hände
Keiner will mehr Gnade wetten.
Eisern naht des Täufers Ende.
Forts. folgt