Ja, ihr hattet recht, Gnark geht es gut. Ich war etwas verwundert, dass ihr mir seinen Tod so gar nicht abkaufen wolltet. Aber es war interessant, eure Kommentare dazu zu lesen.
Aber Achtung, wenn ihr glaubt, ich bringe in meinen Geschichten keine netten Leute um, dann werdet ihr euch irgendwann wundern.
Alopex Lagopus: Du meinst also, dass das ein alter Bekannter ist. Damit hast du recht und ich kann dir sogar sagen, dass du ihn mit Namen kennst. Ich weiß jetzt nicht, wie gut du dich in der Geschichte auskennst, denn ich brauche ja einige Zeit um sie hier hochzuladen. Aber theoretisch kann man darauf kommen, wer das war.
Volles Risiko
Maja lugte aus dem Wald heraus. Gnark hatte Recht, diese Wiese war wahrscheinlich schwerer zu überqueren, als der Fluss dahinter.
„Könntest du dich nicht noch einmal verwandeln?“, fragte sie.
„Unmöglich. Ich bin schon jetzt völlig fertig.“
Sie kratzte sich am Kinn. Das war ein ziemlich großes Problem. Gnark konnte natürlich hier bleiben. Wie Leas gesagt hatte, er hatte mit der Sache eigentlich nichts zu tun. Aber der Baum würde damit wahrscheinlich nicht einverstanden sein. Außerdem wollte Maja ihn gerne dabei haben, denn in seiner Nähe fühlte sie sich sicherer. Warum musste die Wiese nur so groß sein? Und warum mussten so wenige Bäume darauf stehen? Sie zählte. Genau zehn. Eine Zahl, die zu hoch war, um ständig nachzuzählen, aber auch zu niedrig, um die Bäume als Einheit wahrzunehmen. Sie schaute zu Gnark und beobachtete, wie ihm im Zeitraffer neue Blätter wuchsen, dunkelgrün, wie sie die Bäume um sie herum trugen. Das war es.
„Gnark, glaubst du, denen fällt auf, wenn auf dieser riesigen Wiese ein Baum mehr steht? Einen Versuch wäre es doch wert. Vielleicht dauert es ein bisschen länger, aber so weit ist es schließlich auch nicht.“
Gnark schüttelte sich bei dem Gedanken. „Du meinst, wir sollen so tun, als sei ich einer dieser Bäume?“
„Warum nicht? Wenn du dich ganz unmerklich bewegst ... Es ist stockduster, das merkt keiner. Ich glaube nicht, dass die sich die Mühe machen und die Bäume zählen.“
„Das klappt nie im Leben.“
„Wir können es wenigstens versuchen. Aber wenn du nicht willst, dann gehe ich eben alleine. Das Gras ist hoch genug, um mich zu verstecken.“
„Nein, das geht nicht. In dieser Wiese treiben sich seltsame Geschöpfe herum, irgendwelche Raubtiere. Dich allein gehen zu lassen wäre zu gefährlich. Wir versuchen es mit deiner Methode. Komm, steig auf!“
Maja kletterte in die mittlerweile dicht belaubte Krone von Gnark. Hier oben hatte sie eine hervorragende Aussicht, aber sie war sich auch sicher, gut versteckt zu sein.
„Würdest du im Notfall noch einmal eine Verwandlung schaffen?“, fragte sie.
„Hmm. Auf jeden Fall könnte ich danach wahrscheinlich keinen Schritt mehr tun.“ Er begann, sich aus dem Wald zu schieben, ganz langsam und unmerklich.
„Wenn wir entdeckt werden“, sagte Maja, „rettest du dich selbst. Mir wird schon irgendetwas einfallen, aber du musst dann verschwinden.“
Gnark grunzte. „Aus deinem Mund klingt das irgendwie seltsam, wenn man bedenkt, dass du mir, wenn ich eines hätte, nicht einmal bis zum Kinn reichen würdest.“
„Ich meine es ernst Gnark.“
Sie kamen sehr langsam voran, aber immerhin kamen sie voran. Maja überlegte, wo Karim und Jinna jetzt wohl waren. Wenn sie Recht hatte, waren sie heute Abend angekommen oder würden es noch tun. Aber da Maja sie nicht eingeholt hatte waren sie mit Sicherheit vor ihr. Hoffentlich war ihnen nichts passiert. Das Problem war, dass Andraya immerhin groß genug war, um darin ewig aneinander vorbei zu laufen.
„Gnark, wo sind deine Augen?“, fragte sie irgendwann, nachdem ihr aufgefallen war, dass diese sich nicht am Stamm befanden.
„Vorne und oben.“
Maja sah nach oben. Es war immer noch bewölkt und man konnte keinen einzigen Stern sehen.
„Weißt du wie spät es ist?“
„Kurz nach Mitternacht. Gib mir noch zwanzig Minuten.“
Zeitangaben in dieser Welt waren für Maja ein Rätsel. Fast niemand hatte eine Uhr, trotzdem wusste jeder etwas damit anzufangen. Maja sah wieder nach vorne. Hinter dem Fluss war, etwas westlich von ihnen, ein Lager mit vielen schwarzen Zelten. Es passte sich der Nacht perfekt an und wäre kaum sichtbar gewesen, wenn darin nicht in regelmäßigen Abständen Fackeln geleuchtet hätten. Um das Lager herum patrouillierten Wachen. Links und hinter dem Zeltlager war ein kleines Gebüsch, das dicht am Fluss endete.
„Kannst du eigentlich schwimmen?“, fragte Maja Gnark.
„Natürlich kann ich schwimmen. Die Frage ist nur, ob die das nicht merkwürdig finden, wenn sich ein sechs Meter hoher Baum ins Wasser schmeißt.“
Maja blickte nach links und sah, dass dort, nicht weit entfernt, ein weiteres Zeltlager aufgebaut war. In die Richtung konnten sie also nicht ausweichen und es war besser, hierzubleiben, weil auf der anderen Seite des Flusses das Gebüsch war.
„Wir müssen es riskieren. Ich kann die Gesichter von den Wachen da sehen, also kann ich dir sagen, wann sie weggucken.“
Ob es zwanzig Minuten waren oder nicht, irgendwann standen sie jedenfalls am Fluss.
„Die kennen keine Kampfbäume, oder?“, sagte Maja, während sie die Wachen beobachtete. Mehrere von ihnen waren mittlerweile auf sie aufmerksam geworden. Sie blieben öfter stehen und beobachteten den Baum. Wahrscheinlich fragten sie sich, ob der schon immer da gestanden hatte. Aber niemand schlug Alarm.
„Nur wenige Menschen kennen uns“, antwortete Gnark, „aber es muss nur einer von denen dabei sein und wir sind aufgeschmissen.“
„Jetzt!“, zischte Maja. Alle Wachen hatten die Gesichter abgewandt und Gnark rutschte in den rauschenden Fluss. Er war nicht besonders tief. Maja bekam nicht einmal nasse Füße, aber jetzt sahen sie so auffällig aus, dass man sie einfach nicht mehr ignorieren konnte. Gnark wurde schneller, doch er hatte ganz schön gegen die Strömung anzukämpfen.
Sie hatten Glück. Keine der Wachen drehte sich um und sah in ihre Richtung. Dann hatten sie das andere Ufer erreicht und Gnark stand tropfnass zwischen den Sträuchern. Einer der Wachleute rief etwas und zwei andere kamen zu ihm. Sie diskutierten heftig miteinander und zeigten dabei ständig auf Gnark. Maja wagte nicht sich zu rühren.
„Versteck dich irgendwo“, flüsterte Gnark und es klang wie ein Wispern des Windes. „Die kommen gleich her.“
Seine Wurzeln gruben sich tief in die Erde und sein Gesicht verschwand. Maja saß auf einem, wie es schien, ganz normalen Laubbaum.
Sie kletterte auf die Rückseite des Baumes und sprang hinunter, dann duckte sie sich in die Büsche und versuchte, so schnell wie möglich einen größtmöglichen Abstand zwischen sich und Gnark zu bringen. Sie machte einen großen Bogen und schlich sich dann von hinten an das Lager an. Sie hatte das Gefühl, ein wenig mehr Wissen könne ihr nicht schaden, deshalb hatte sie vor, die Soldaten und Grünen Ritter ein wenig zu beobachten.