Hey Leute, mal wieder was von mir
Diese Geschichte war eigentlich für die Teilnahme am Schreibwettbewerb bestimmt, ist aber leider aufgrund der Feiertage ect. nicht rechtzeitig fertig geworden. Also hab ich sie hier und da noch ein wenig ausgebaut, wo ich aufgrund der Seitenbeschränkung hatte kürzen müssen und stell sie nun einfach ganz normal hier ein. Hübsch portioniert, soweit das geht Denke das werden so zwei bis drei Teile werden, mal gucken.
Wünsche viel Spaß beim lesen und hoffe, wie jedes Mal, auf Anregungen und Kritik
New Year's Eve
Was war das? Woher kam dieses Gefühl? Konnte es etwa sein, dass...war es wirklich möglich?
Wer er etwa...glücklich?
Sanft wiegte er sich im Takt der Musik und wagte kaum die Augen zu öffnen.
Wie lange war das wohl her? Wann war er das letzte mal tatsächlich glücklich gewesen?
Es schien ihm ganze Jahrhunderte her zu sein. Zufrieden sog er die Luft ein. Versuchte diesen Moment mit all seinen Facetten in sich aufzunehmen, um ihn für immer und alle Zeiten im Gedächtnis zu behalten. Er hatte überlebt...er war zuhause!
Er roch den süßen, schweren Duft der wunderschönen Frau an seiner Seite. Genoss das leichte Gewicht ihres Kopfes, der an seiner Schulter ruhte. Das sanfte kitzeln ihres weichen, goldenen Haares an seiner Wange. Die wohlige Wärme ihrer zierlichen kleinen Hand in seiner eigenen.
Ganz langsam öffnete er die Augen. Warmes, goldenes Licht strömte durch seine halbgeöffneten Lider. Erneut drohte in die Imposanz des Festsaals zu überwältigen. Nach so langer Zeit in der Fremde, nach all dem Schmutz und dem Dreck, den furchtbaren Dingen die er gesehen und erlebt hatte, nach all den Entbehrungen und ausgestandenen Ängsten, erschien ihm der Prunk und die Festlichkeit, die fröhliche Ausgelassenheit der übrigen Gäste als etwas traumhaftes, unwirkliches.
Etwas, dass er als verschwommene, unscharfe Silhouette aus seinen Erinnerungen kannte, an dem tatsächlich teilzuhaben er jedoch einfach nicht mehr gewohnt war.
Vielmehr fühlte er sich wie ein Reisender aus einem fremden Land, der voller Staunen die Wunder einer fremden Kultur betrachtete.
Der Festsaal war achteckig und von unglaublichen Ausmaßen. Die Decke, die in unerreichbarer Höhe schwebte, wurde von einer gewaltigen Glaskuppel gebildet, durch die man direkt den sternenklaren Nachthimmel sehen konnte. Die Wände wurden von großzügigen Fensterfronten durchbrochen und waren außerdem mit filigranen Kunstsäulen geschmückt. Alles war mit Gold getäfelt und eine ganze Reihe mit funkelnden Glaskristallen behangene Kronleuchter – in denen sich das Licht tausendfach spiegelte und in allen Farben des Spektrums auf die Tanzenden darunter reflektiert wurde – schwebten majestätisch über dem Parkett. Zahllose Sitznischen, gepolstert mit rotem Samt, zogen sich an den Wänden entlang und der weiche violette Schein der Hexenlaternen tauchte alles in ein angenehm schummriges Licht.
Über allem, quer durch den ganzen Raum gespannt, flattere ein riesiges Band, auf denen in schweren, verschnörkelten schwarzen Lettern geschrieben stand: „Willkommen zu Hause und ein fröhliches neues Jahr, für alle unsere ruhmreich zurückgekehrten Soldaten!“.
Das Lied verklang allmählich und der blonde Engel an seiner Seite hob verträumt ihren Kopf von seiner Schulter und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. In ihren unermesslich tiefen, blauen Augen hätte er sich jederzeit verlieren können.
Er lächelte zurück, drückte sie noch ein wenig fester an sich und gab ihr einen Kuss auf die sommersprossige Nase, was sie zum Kichern brachte und sie verbarg rasch erneut ihren Kopf an seinem Hals. Er schloss kurz die Augen und strich ihr sanft durchs Haar, dann lösten sie sich widerwillig voneinander, um der Band Beifall zu klatschen, die nun einen flotten Marsch anstimmte. Gequält verzog er das Gesicht. Die fröhlichen, motivierenden Trommeln und Trompeten beschworen Bilder vor seinem geistigen Auge herauf, die er lieber hinter den schweren Vorhängen des Vergessens verborgen gewusst hätte und so schüttelte er energisch den Kopf, um sie zu vertreiben. Sanft, aber bestimmt, ergriff er seine Begleitung am Arm und zog sie zielstrebig durch die Menge der übrigen Tanzenden hindurch zu einer etwas abseits liegenden und noch unbesetzten Sitzgruppe. Dort entschuldigte er sich kurz und machte sich auf, ein bisschen Bowle für sie beide zu besorgen. Dabei versuchte er so gut es ging die Marschmusik auszublenden, die Reihen fröhlicher und marschierender jungen Männer nicht mehr zu sehen, die sich bald zu makaberen Türmen grotesk verstümmelter Leichen auftürmen würden. Stattdessen dachte er nervös an sein eigenes Vorhaben. Konnte er es denn wirklich wagen sie zu fragen? Was wenn sie nein sagte? Er war so lange fort gewesen. So vieles konnte in seiner Abwesenheit passiert sein. So vieles sich grundlegend verändert haben. War er mental soweit stabil, dass er eine Ablehnung verkraften konnte? Nervös trommelte er mit den Fingern auf den Bartresen, während er auf seine Bowle wartete. So tief war er in seine eigenen Überlegungen verstrickt, dass er die leichten Vibrationen des Bodens gar nicht bemerkte, die die Ankunft von etwas großem und kräftigen ankündigten.
Tatsächlich bemerkte er seinen alten Freund erst, als dieser direkt das Wort an ihn richtete.
„Du siehst nicht gut aus.“ war alles was Gunnar sagte. Seine mechanische Stimme klang dumpf und hohl und wurde von einem donnernden Nachhall begleitet, der sie fast schon ein wenig unheimlich klingen ließ. Auch ihn fröstelte es wieder einmal, als der blecherne Klang seine Gedanken durchbrach und er sich zu seinem Freund umdrehte. Und wieder einmal wurde er von Mitleid und bedauern überwältigt, als er die unförmige Gestalt seines Gegenüber betrachtete. Sie waren Kameraden im Krieg gewesen, Gunnar und er. Hatten gemeinsam gekämpft und gelacht, hatten sich schätzen und wie Brüder lieben gelernt, einander mehr als einmal das Leben gerettet und waren sogar bereit gewesen füreinander zu sterben. Aber sie hatten alle beide überlebt. Waren durch die Hölle gegangen und hatten in tiefe, menschliche Abgründe geblickt, aber sie hatten überlebt. Nur hatte Gunnar einen unfassbar viel höheren Preis dafür zahlen müssen als er selbst.
Er war von einer Hexenfeuergranate getroffen worden, nur etwa zwei Monate vor Kriegsende. Vier Jahre lang hatte er Schlacht um Schlacht überstanden ohne einen einzigen Kratzer davon zutragen und dann, kurz vor der entscheidenden Schlacht in dem dieser ganze Albtraum endlich ein Ende finden sollte, war er von einem dieser Dinger erwischt worden.
Hexenfeuer war kein gewöhnliches Feuer. Es brannte auf einem dickflüssigem, klebrigen Öl in dem herrlichsten violett, dass man sich vorstellen konnte, doch es war auch kaum zu löschen und das Öl, einmal auf der Haut, nur schwer wieder abzubekommen. Noch dazu verbrannte dieses verfluchte Zeug nicht den Körper allein, nein, es verzehrte auch noch die Seele. Gunnar hatte nur einige wenige Sekunden gebrannt, vermutlich nicht einmal eine halbe Minute, bevor ihn ein zufällig nahe stehender Sanitäter hatte löschen können, denn es gab durchaus Methoden das zu bewerkstelligen.
Doch trotzdem hatten die Ärzte im Lazarett später kaum etwas von seinem Körper retten können. Nur sein Geist hatte den Brand relativ unbeschadet überstanden und der Wahnsinn hatte seine geifernden Fänge nicht um ihn schließen können. Also hatte man entschieden ihn in einen der gewaltigen Cybots zu packen, Kriegsmaschienen und Bauwerkzeuge in einem.
Riesige Stahlungetüme von mindestens sieben Fuß höhe und vier Fuß breite. Klobig und massiv, gepanzert und bewaffnet, angetrieben durch modernste Dampf – und Hydrauliktechnik, die unter enormen Kraftanstrengungen von den Techpriestern mit den zerstörten Synapsen des verstümmelten Körpers verbunden wurde, sodass der Träger seine gewaltigen neuen Gliedmaßen nach einiger Mühe ebenso gezielt benutzen konnte, wie seine verlorenen. Die Überreste des Körpers wurden begraben, indem man sie in eine mit konservierenden Flüssigkeiten gefüllten Sarkophag legte, welcher dann, mit zentimeterdicken Stahlplatten geschützt, in den mechanischen Körper eingebettet wurde, um fortan als Soldat oder Baumaschienen gleichermaßen für die Gesellschaft von nutzen zu sein.
„Du dafür umso besser.“ gab er zurück und fügte nach einem kurzen Augenblick der Musterung hinzu. „Was tust du hier? Anlässe dieser Art sind doch sonst nicht nach deinem Geschmack?“
Er wusste nicht ob Gunnar lächelte oder eine Grimasse schnitt, denn weder die eiserne Maske, noch die mechanische Stimme verrieten irgendeine Emotion.
„Ich bin hier um nach dir zu sehen. Auf dich aufzupassen.“ Ein kurzes Schweigen folgte.
„Kommst du klar?“ Er wusste nicht was er darauf antworten sollte.
Kam er klar? War alles in Ordnung? Die Bilder marschierender Soldaten...die Flammen, die Schreie, die Gesichter...diese furchtbaren Gesichter die verzerrt von Angst, Hass und Schmerzen immer wieder blitzartig auf seiner Netzhaut aufflackerten, nur um ebenso schnell wieder in seinem Unterbewusstsein zu verschwinden wie sie gekommen waren. Die Nervosität, das Zittern, das Herzklopfen, die schweißnassen Hände. Das Gefühl erdrückt zu werden, zwischen all diesen Menschen. Nichts war in Ordnung...sollte er Gunnar von all dem erzählen? Oder sollte er schweigen? Schweigen und vertrauen? Vivien vertrauen? Der Frau vertrauen, die ihn gerade bei einem einfachen Tanz hatte alles böse und schlechte vergessen lassen. Die seine zerstörte Seele geheilt hatte, von all den furchtbar aufklaffenden Wunden, die sie bedeckten. Die ihn sich hatte fühlen lassen wie einen normalen Menschen. Einen Menschen, der es verdiente geliebt zu werden. Wie jemand, der er früher einmal gewesen war. Vor langer Zeit.