Veyl wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Mittagssonne brannte heiß auf den kleinen Marktplatz und obwohl er in einer Wüstenstadt aufgewachsen war, musste er sich erst wieder an die Hitze gewöhnen. Die Straßen der Stadt waren voller Händler, Musiker und Gaukler, über den Straßen hingen rote und goldene Girlanden die im sanften Wind flatterten. Die Bewohner von Saonjem, der Stadt am Rande der Wüste, feierten die Ankunft einer der Karawanen aus dem fernen Süden, die erste seit Monaten, so hatte Veyl gehört, die es fast vollkommen unbeschadet durch die Wüste geschafft hatte. Langsam schlenderte der Hirschjunge über den Marktplatz, die verschiedenen Waren begutachtend. Eigentlich hatte er vorgehabt, mit dem Karawanenführer zu sprechen, vielleicht würde dieser ihn mitnehmen, wenn sie in ein paar Tagen wieder abreisten. Doch der Mann war schon kurz nach der Ankunft mit einigen Männer, vermutlich Söldnern, in einer einem der Steingebäuden, einer Kneipe, verschwunden. Veyl wollte sie nicht stören, deshalb blieb nichts anderes übrig, als draußen in der Hitze zu warten. Auf seinem Weg sprachen ihn immer wieder Händler an, manche in fremden, ihm unbekannten Sprachen, andere in den Dialekten der Umgebung in der er selbst aufgewachsen war. Die meisten ignorierte er. Nach einer Weile traten die Männer wieder aus der Schenke und trennten sich, der Karawanenführer lehnte sich an eine der mit Weinreben überwucherten Mauern im Schatten. Veyl schritt auf ihn zu. "Kann ma helfn?" nuschelte der Mann und musterte sein Gegenüber interessiert." Ähm ja, ich wollte fragen wann ihr demnächst wieder abreist". Der Mann verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf."Und lass mich ratn, als nächstes wills du wissn, ob du mitkomm darfst, stimms?" Sein Ausdruck war jetzt spöttisch und sein Atem stank nach Wein, aber Veyl hatte nicht vor sich einschüchtern zu lassen, zumindest vorerst nicht. "Jarlar, Tud mir leid, dafür bissu zu spät, sin keine Ausflüge mehr geplant." Jetzt war es Veyl, der die Arme verschränkte.Und warum nicht? Der Karawanenführer schüttelte erneut den Kopf, diesmal wirkte er wütend ."Es war immer schwer, durch di Wüste su kommn, aber dismal habn wir unsre erfahrensten Begleiter, drei Händler un Waren im Wert von hunderten Goldstücken verlorn. Mich krigt da keina mehr raus, ich steig auf die Schiffahrt um. Un du solltest das auch machn, du überlebst da drausn keine swei Tage." "Aber.. " setzte Veyl an "Jalar, Lass mich in Ruhe." nuschelte der Andere wütend und griff nach dem Säbel, der an seiner Seite hing. Das reichte für Veyl als Ablehnung.
Niedergeschlagen machte der Hirschjunge sich auf den Weg, die Straße hinunter, zu dem Gasthof in dem er untergekommen war. Unterwegs holte er sein Notizbuch hervor und durchblätterte es, bis er die Seite mit der Karte fand. Er erinnerte sich an die Nacht, in der ihm ein Reisender in einer Schenke die Geschichte von Quez erzählt hatte. Von dem riesigen, weitgehend unerforschten Dschungel, tief im Süden, am anderen Ende der Wüste. Er hatte ihm Orientierungspunkte in der Karte verzeichnet und ihm von Sternen erzählt, denen man angeblich folgen musste, wenn man diesen Ort erreichen wollte. Veyl hatte vorgehabt, die Karte dem Karawanenführer zeigen, denn wer kannte die Wüste besser, als jemand, der sie ständig durchquerte? Tja, diese Hoffnung war nun zerschlagen, aber vielleicht gab es noch andere Menschen in der Stadt, die sich damit auskannten. Ein Räuspern riss Veyl aus seinen Gedanken, er schaute von seinem Buch auf und erblickte einen der Musiker vom Marktplatz vor sich."Entschuldigt, aber ich habe euer..äh Gespräch vorhin mitbekommen und ich kann dir vielleicht helfen. Oder besser gesagt, ich kenne jemanden, der helfen kann." Veyl musterte ihn neugierig "Wen?" Der Musiker deutete auf eine schattige Gasse."Geh da lang, am Ende der Gasse gibt es eine kleine Spelunke. Der Name ist Takfar. Wenn du Glück hast, ist er noch in der Stadt." Veyl dankte dem Mann und ging los. Das erste Stück der Gasse war eng, doch zu seiner Erleichterung blieb er weder stecken, noch verfing er sich in einer der tief hängenden Wäscheleinen. Jetzt musste er nur noch diesen Nomaden finden.
Die Spelunke wirkte kalt und ungastlich, der Eingang war schmal und Veyl hätte sich beim Eintreten fast den Kopf gestoßen.Im inneren der kühlen Schenke fand Veyl heraus, das die Suche wohl seine geringste Sorge sein Würde. Der Schankraum war leer, bis auf den Wirt und einen anderen Gast, einen Nomaden der an der Theke saß. Vielmehr beunruhigte ihn die Flasche, die neben ihm stand. Veyl konnte die Aufschrift nicht lesen, doch er kannte die Form und wusste, dass solche Flaschen für gewöhnlich einen starken Schnaps enthielten. Er stöhnte innerlich auf. Der Versuch mit einem Betrunkenen ein vernünftiges Gespräch zu führen war heute schon einmal fehlgeschlagen, ein zweites Mal war mehr, als er vertragen konnte. Veyl atmete tief durch. Auch wenn das hier vermutlich ein weiterer Fehlschlag sein würde, er würde sich nicht davon abbringen lassen. Langsam ging er auf den Nomaden zu und versuchte möglichst entspannt auszusehen. Der Versuch schlug fehl, als er fast über einen der niederen Hocker stolperte, den er nicht gesehen hatte und sich eine Tischkante in die Seite rammte. Falls der Mann ihn bemerkt hatte, so machte er keine Anstalten es zu zeigen. Als er die Theke erreichte hatte der Hirschjunge bereits alle Schmerzenstränen erfolgreich bekämpft. "Verzeihung?" fragte er, während er sich die schmerzende Seite rieb. "Seid ihr Takfar?"