Hey, ich bin auch mal wieder da. Nach 2 Wochen Griechenland musste ich erst mal ein paar andere Dinge aufholen ... dafür gibt es nun einen etwas längeren Teil. Ich hoffe, ihr kommt mit den Charakteren relativ gut klar (10 sind ja nicht gerade wenig). Ich werde noch etwas Zeit brauchen, auf alle eingehen zu können. Um die Charaktere besser zu verstehen, werden die Sichten immer geändert.
Wenn etwas zu unübersichtlich wird, bitte anmerken.
@Alopex Lagopus Wieder einmal bedanke ich mich.
Also, ich glaube auch kaum, dass Jungen so was wie Freundschaftsarmbänder tragen. Hat aber noch einen Sinn bei den beiden, die Aufklärung kann sich nur noch hinziehen.
Jap ... und es wird auch mehr kommen. Offensichtlich. Höhö.
@Dinteyra Danke Den Dialog werde ich nochmal überarbeiten, der Hinweis hat mir geholfen.
Hailey konnte die größtenteils verbreitete Ruhe der anderen nicht nachvollziehen. Da sprach jemand von ihrem Tod und was taten sie? Exakt das, was ein sadistisch veranlagter Mann von ihnen verlangte, dessen Gesicht sie nicht kannten.
Für Hailey stand fest: Sie würde nicht sterben. Auf gar keinen Fall. Sie war viel zu jung, um ihr Leben hinter sich zu lassen. Ihr stand noch so viel bevor, und sogar der Gedanke, dass sie in ihrem Alter wenigstens schön starb, half momentan nicht im Geringsten.
Der Hass auf Niara wuchs, als Hailey wieder an vorhin dachte. Wie wagte es nur jemand, so mit ihr zu reden? Und nicht einer der Jungen hatte sich für sie eingesetzt! Hailey sah sich in der Runde um. Wenn sie überleben und alles zu ihrem Vorteil drehen wollte, wäre es keine schlechte Idee, bei einem der Jungen zu landen. Wieder ließ sie ihren Blick schweifen. Wer käme am besten infrage? Von Taron existierte keine Spur. Wie auch immer er es geschafft hatte, sich unauffällig aus dem Staub zu machen - die Chance hatte er ergriffen. Das hieß, es blieben nur noch vier Jungen. Luke schloss Hailey sofort aus. Der Junge wirkte wie ein totaler Schwächling, so wie er zitterte, ständig mit einem schiefen Lächeln alles zu vertuschen versuchte und über seine geröteten Augen wischte. So einen konnte Hailey nicht gebrauchen. Als Nächstes wäre da Artemis. Er gefiel ihr zwar und behielt auch die Fassung, gab allerdings vor allem äußerlich keinen starken Anschein. Von den Jungen wäre er bestimmt einer der ersten, der nicht mehr weiterkonnte. Übrig blieben also nur Finn und Kirian. Damit war Hailey zufrieden genug. Finn machte einen mutigen und gefassten Eindruck, während ihr Kirian vor allem vom Aussehen her zusprach. Deshalb stand ihr Entschluss schnell fest, es zuerst bei Kirian zu versuchen.
Während sich andere wie Niara, Finn und Ramona bemühten, an der Spitze die Richtung zum Berg zu wahren, lief Hailey zu Kirian, der sich mit Artemis unterhielt. Da das Hailey reichlich wenig störte, sprach sie ihn einfach an.
»Hi, Kirian!« Sie stupste Kirian in die Seite und zeigte mit einem Lächeln ihre schneeweißen Zähne.
Ehe Kirian ihr Beachtung schenkte, antwortete er Artemis. Dann wandte er sich ihr zu.
»Na, ähm ...«, sein Blick glitt suchend über das knappe Oberteil seiner Gefährtin, »Hailey.« Das Lächeln, das er ihr schenkte, deutete Hailey sofort positiv, egal wie kurz es anhielt.
»Ich bewundere dich wirklich dafür, was für einen kühlen Kopf du behalten kannst«, begann Hailey intuitiv. »Ich hatte vorhin solch eine Angst ...«
»Uh, danke«, sagte Kirian wegen des plötzlichen Komplimentes überrascht und geschmeichelt. »Na ja, der Mann blufft garantiert nur, wirst schon sehen!«
Daran dachte Hailey nicht, dafür machte alles einen zu realistischen Eindruck. Das zeigte sie jedoch nicht. Sie hoffte stark, dass Kirian noch klar denken könnte, bekämen sie im Laufe der Zeit die Bestätigung für den Ernst ihrer Lage.
»Hoffentlich hast du recht ...« Absichtlich senkte Hailey ihre Stimme und sah zu Boden, um hilfsbedürftig zu erscheinen.
Und Kirian war sehr leicht zu durchschauen, denn er sprang darauf an und tröstete Hailey: »Lass den Kopf nicht hängen, wir kommen hier schon wieder heraus. Dafür werde ich sorgen.« Aufmunternd grinsend tätschelte er ihr den Kopf, woraufhin Hailey reagierte, indem sie seinen Arm mit beiden Händen griff und sich an ihn klammerte, während sie liefen.
»Danke«, kicherte sie, freudig bemerkend, dass Kirian nichts gegen die Berührung tat. Doch entgegen ihrer Erwartungen wandte sich Kirian wie selbstverständlich wieder Artemis zu und antwortete nichts mehr. Hailey war dennoch zufrieden. Kirian mochte sie garantiert und wenn sie sich noch ein bisschen bemühte, war ihr jemand auf ihrer Seite sicher.
Der Wald wurde lichter, je weiter sie gingen. Hailey hatte nicht viel für Natur übrig und ekelte sich vor Insekten, die durch die Luft flogen oder an Bäumen saßen. Wegen einer dicken Spinne, die an einem Ast krabbelte, unter den sie sich ducken musste, erklang ein spitzer Schrei und Hailey löste sich von Kirian.
»Was ist?«, fragte dieser besorgt.
»Spinne!«, quiekte Hailey und schüttelte sich. Kirians Miene wurde wieder entspannter.
»Ach so.«
»Die Spinne nimmt dir dein Gekreische bestimmt auch übel«, zischte Artemis genervt, der sich über den Schrei erschreckt und Schlimmeres erwartet hatte.
Hailey funkelte ihn beleidigt an, ehe sie erneut nach Kirians Arm griff und sich bei ihm einhakte.
Es dauerte nur ein paar Minuten, dann kamen sie beim Berg an. Der Timer zeigte 2:06 an, demnach nicht mehr allzu viel Zeit, um der Aufgabe gerecht zu werden.
Hailey sah gen Himmel. Sie war nicht gut im Schätzen, würde beim Berg dennoch auf über 20 Meter tippen. An der Seite, an welcher sie standen, war die Felswand besonders steil, grob und wenig mit Pflanzen bewachsen. An der wohl einzigen tieferen Einkerbung erkannte Hailey einen Falkenhorst. Ein Erklimmen kam ihr unmöglich vor.
»Ich glaube, wir haben hier eine sehr ungünstige Seite erwischt«, meinte Finn und wandte sich zu denen um, die hinter ihm standen. »Zu steil und kahl.«
»Also unmöglich wäre es nicht, da hochzukommen«, setzte Niara hinzu. »Im Zweifelsfall könnten wir zurückkommen, aber es wäre empfehlenswert, sich die anderen Seiten anzugucken.«
»Du denkst, das wäre nicht unmöglich?« Leise erklang Lukes unsichere Stimme. »Die Wand ist doch komplett steil!«
»Nee, das wäre schon zu schaffen.«
»Wie auch immer«, fiel Kirian dazwischen. »Worauf warten wir noch? Lasst uns die beste Stelle finden.«
Diesmal ging es ohne Diskussionen weiter. Die Sonne tauchte die Bäume in ein goldenes Licht und bewirkte an einigen Stellen des Gesteins Funkeln. Hailey staunte, wie gut sie sich bisher verstanden oder einig waren. Nach einer kleinen Überlegung schob sie es auf den Schock, der in jedem sitzen musste, egal ob es wer verdrängte oder offen zeigte.
Finn war derjenige, der sich nach einem viel zu langen Fußmarsch meldete. Der Timer gab ihnen nur noch knapp eineinhalb Stunden Zeit.
»Wie wär's, wenn wir es hier versuchen?«
Haileys Füße taten vom Laufen weh. Die Sohlen der Schuhe waren zu dünn und ließen sie viele Unebenheiten spüren. Eine Pause kam ihr gerade recht und außerdem war sie leicht genervt, da Kirian sie größtenteils ignorierte, obwohl sie sich solche Mühe gab, ein nettes Gespräch zu führen.
»Ich finde es hier auch perfekt«, meldete sich als Nächstes Niara. Sie befühlte den rauen Stein mit den Fingern und blickte zur Spitze des Berges hinauf. »Es ist nicht steil und es gibt genügend Furchen, die das Klettern erleichtern.«
Luke schluckte. »Wir haben nicht mal Seile oder so, um uns zu sichern.«
»Das fällt dir jetzt erst auf?« Niara band sich ihre Haare zu einem neuen Zopf. »Klettern wir halt ohne. Was auch sonst? Ich glaube kaum, dass da irgendwo 'ne Treppe ist.«
»Heißt im Klartext, wenn jemand blöd abrutscht, ist es dessen Pech«, grummelte Artemis.
»Wir können uns ja gegenseitig helfen!«, versuchte Finn den anderen Mut zu machen und Hailey fand, der Satz hätte von Kirian kommen können, der seit den letzten Minuten erstaunlicherweise schwieg. »Wenn wir es nicht versuchen, haben wir gleich verloren.«
»Tja, dann lasst es uns versuchen, sonst sterben wir auf eine andere Art und Weise.« Ramona, die zu den Schweigsameren unter ihnen zählte, schob sich zwischen Lynn und Finn durch, sodass sie neben Niara stand. Sie war die Erste, die ihre Finger in einen von vertrocknetem Gras bewachsenen Felsvorsprung grub und mit den Füßen Halt suchte. Sie zog sich ein erstaunlich großes Stück an der Wand hoch. Ramonas Arme waren kräftig und von hinten wirkte sie mit ihren kurzen, wilden Haaren und den weiten Klamotten jungenhaft. Hailey fand eingebildet, was für ein hübsches Mädchen sie eigentlich war. Kein Wunder, dass eine ihrer einzigen Erinnerungen lautete, wie gut sie bei den Jungen angekommen war, von denen sich die meisten sehr leicht um den Finger wickeln ließen. Hailey war sich sicher, auch noch bei Kirian zu landen, wenn sie sich weiterhin bemühte. Doch jetzt musste sie erst mal verarbeiten, gleich einen Berg hochzuklettern, um zu überleben – absurd bei dem Gedanken, womöglich ebenfalls zu sterben, wenn sie fiel. Plötzlich begann sie am ganzen Körper zu zittern. Diesmal war es keine Show. Keine Show, um zu erreichen, dass sich jemand um die sorgte, sondern der erneute Gedanke vom eigenen Tod, den sie letztendlich doch nicht verdrängen konnte. Sie musste sich zusammenreißen.
Hailey beobachtete, wie sich Ramona und Niara bereits zwei gute Meter über dem Erdboden bewegten. Niara schlug sich äußerst geschickt, aber anstatt sich für sie zu freuen, wünschte sich Hailey, dass ihr Hochmut zu einem Sturz führte. Wie konnten die es überhaupt schaffen, so schnell voranzukommen?!
Finn folgte etwas weiter links, dann traute sich Lynn und sogar Xii. Letztere zeigte sich trotz ihrer zarten Statur alles andere als schwach. Xii fand die richtigen Einkerbungen und zog sich mit zusammengebissenen Zähnen mit ihren dünnen Armen immer wieder hoch.
»I-Ihr spinnt doch«, stotterte Luke fassungslos. »Ihr werdet abstürzen! Das sind viel zu viele Meter bis nach oben!«
»Dann bleib doch unten!«, rief Niara ihm zu und Luke lachte gekünstelt.
»Haha, ihr seid so verrückt ...!« Damit griff Luke nach einem Felsvorsprung und machte Anstalten, es ebenfalls zu versuchen. Doch er zögerte.
Hailey stand unschlüssig neben Kirian, der Artemis etwas zuflüsterte. Obgleich Hailey die beiden noch nicht lange kannte, nervte es sie gewaltig, dass Kirian dem Anderen mehr Aufmerksamkeit als ihr schenkte.
»Kirian, ich ... ich weiß nicht, wie ich da oben heil ankommen soll.«
Zu Haileys Freude drehte sich Kirian zu ihr, eine Hand bereits an kalten Stein legend. Sie sah deutlich in seinen Augen, wie locker er es nahm. Hailey machte es zwar auch Mut, dass es hier tatsächlich eine weniger steile Wand gab, die erklimmbar wirkte, aber da sie nie sportlich gewesen war, wichen ihre Zweifel nicht.
»Du kannst ja über mir klettern«, lächelte Kirian freundlich. »Wenn was ist, fang ich dich auf.«
»Hast du sie noch alle? Dann wirst du auch fallen!«, mischte sich Artemis erschrocken ein, und Hailey keifte: »Du würdest vielleicht fallen, aber Kirian ist viel stärker! Vergleich doch nur mal eure Körper, du Bohnenstange.«
»Das hat damit gar nichts zu tun.« Artemis sah Hailey verstört an. »Jemanden bei so was aufzufangen, wenn man nicht mal die Hände freihat, wäre absolut unrealistisch.«
»Nee, sonst hätte Kirian das ja nicht gesagt!«
»Kirian ist halt auch ein unvernünftiger Trottel!«
Hailey schnaubte. »Jetzt tu du mal nicht so, als würdest du ihn besser kennen, Jagdgöttin.«
»Wow, du bist ja gebildeter als du aussiehst«, konterte Artemis, »wenn dir sogar mein Name was sagt.«
»Arschloch!«
»Ach, da fällt dir nichts mehr ein?«
»Nun; immerhin würde Kirian mich auffangen, während du mit deinen Mädchenärmchen abrutschen würdest!«
Kirian schritt kurzerhand zwischen die beiden - gerade rechtzeitig, denn Hailey holte zu einer Ohrfeige aus, als Artemis Anstalten machte, sie aufgrund der Provokationen am Kragen zu packen. »Halt, ist ja gut! Ihr müsst euch nun wirklich nicht um mich streiten.« Kirian grinste und kassierte dafür einen stechenden Blick von Artemis, während sich Hailey wieder entspannte.
»Redet nicht über so was wie abstürzen. Wir werden das schaffen. Ich habe ehrlich gesagt eine schwierigere Aufgabe als so 'n bisschen Klettern erwartet, also werden wir ...« Kirian brach ab, als sein Blick schweifte und Luke traf, der immer noch mit sich rang, ob er den ersten Schritt wagen sollte. »Luke, dein Gesicht ist kreidebleich. Geht's dir gut?«
»Natürlich geht's mir gut«, murmelte Luke, ohne sich umzudrehen. »Uns wurde nur gesagt, dass wir sterben, und jetzt könnte ich sogar in den nächsten Minuten sterben, wenn ich einen falschen Schritt tue. Danke der Nachfrage, mir könnte es echt nicht besser gehen.«
Sarkasmus hatte Kirian von jemandem wie Luke nicht erwartet, an seinem Lächeln rüttelte dieser jedoch nicht. »Ein bisschen Optimismus würde jedem von euch guttun.«
»Und dir ein bisschen Realismus«, murrte Artemis.
»Du könntest auch ein bisschen Freundlichkeit vertragen, Artemis«, meinte Kirian und zwinkerte ihm zu.
Angesprochener murmelte ein kaum hörbares »Ich hasse diesen Namen ...«, woraufhin ein fragendes und leicht verwirrtes »Wie bitte?« von Kirian kam.
»Ach nichts. Lass uns einfach mal mit Klettern anfangen.«