Auf der Suche nach der Schatulle von Daris

Es gibt 509 Antworten in diesem Thema, welches 124.962 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (16. April 2018 um 04:25) ist von TiKa444.

  • Thyra musste lächeln bei seiner Frage.
    "Dummer Zufall und mein Bauchgefühl", antwortete sie und sah am Blick des Kriegers, dass ihm diese Antwort nicht reichte. Wieder lächelte sie. Jetzt war sie wohl an der Reihe. Im Leben gab es wohl nichts umsonst.
    "Naja", begann sie nun. "Ich komme eigentlich aus dem hohen Norden. Lange Geschichte wie es mich na Gerisa verschlagen hat, aber dort war ich auf einer Suche nach einer Taverne. Ich hab mich von einem schmierigen Händler über den Tisch ziehen lassen und hatte so nur das Geld mir eine billige Absteige leisten zu können. Dort traf ich Theic. Ich hab ihm den Arsch vor einigen Schlägern gerettet. Er bot mir an bei ihm zu übernachten und dann standest du dort mitten in der Nacht."
    "Das tut mir leid. Ich wollte dich eigentlich von nichts abbringen. Mein eigentlicher Befehl war euch alle umzubringen", entschuldigte sich Jaris. Thyra musterte ihn aus den Augenwinkeln. "Ach, mach dir keinen Kopf. Ich habe ohnehin kein spezielles Ziel."
    "Und hast du eine Familie?", versuchte Jaris den faden des Gespräches wieder aufzunehmen. Thyra nickte und suchte nach Worten. Sie wollte ungern ihre ganze Familiengeschichte ausbreiten und Jaris hatte schließlich auch nicht alles erzählt. "Nun ... sie sind zu Hause geblieben. In den Bergen. Ich wollte die Welt sehen. Mein Bruder wird meinen Platz einnehmen."
    Als sie ihren Blick wieder dem Mann neben ihr zuwandte erkannte sie Verstehen darin. Er wusste, was sie durch die Blume hatte sagen wollen und akzeptierte, dass sie es nicht weiter ausführen wollte. Er schien eigentlich ein ganz netter Kerl zu sein, auch wenn er ein Söldner war. Söldner hatte sie sich immer als grobschlächtige und brutale Vollidioten vorgestellt, aber Jaris war nichts von alle dem. Er war gewandt, clever und schien sein Herz trotz allem an rechten Fleck zu tragen, sonst hätte er Theic und seine Familie einfach abgemurkst. Abgesehen von der letzten Tatsache war es kein Wunder, dass Aras ihn in seine Dienste gezwungen hatte - und sie war sich nicht sicher ob Aras klar war, dass er sich einen Leibwächter zugelegt hatte, der durchaus Sinn für Gerechtigkeit hatte.
    Wahrscheinlich nicht. Schließlich hatte er sich auch in Regar geirrt.
    "Hey!", unterbrach Theical ihre Gedanken.
    "Hey", antworteten Thyra und Jaris aus einem Munde.
    Theic hatte sein Pferd etwas schneller traben lassen und zu dem Kutschbock aufgeschlossen. Er blinzelte gegen die Sonne und Thyra war froh, dass sein Pferd den Kurs von alleine zu halten schien.
    "Was gibt's?", fragte Thyra und drehte ihr Gesicht wieder in die Sonne. Langsam wurde sie heiß, aber sie wollte es noch so lange genießen, wie möglich. Die Hitze machte ihr zwar zu schaffen, war sie doch viel kälteres und raueres Wetter gewöhnt, doch die Sonne war ihr schon immer eine willkommene Abwechslung gewesen.
    "Er weiß es", sagte Theic nur kurz angebunden. Nun beugte sich Jaris vor, um einen Blick an Thyra vorbei zu werfen.
    "Du hast ihm das Schreiben gegeben?"
    "Ja und er hat die Schrift erkannt. Er will zwar nicht glauben, dass er einen Fehler gemacht hat und Regar noch eine Weile behalten, bis wir uns sicher sind, aber er weiß es", erklärte der kleine Mann kurz die Sachlage. "Und wo ich schon hier bin ... Thyra, meinst du wir könnten tauschen?"
    Jaris lachte leise und Thyra nickte grinsend. "Klar doch."
    Thyra sprang behende vom Kutschbock, denn sie fuhren nicht sonderlich schnell und kam neben dem Pferd zum stehen. Das Pferd schien ohne Theics Zutun und zu verstehen und blieb ebenfalls stehen.
    Sie tauschten die Plätze. Thyra hievte sich in den Sattel und Theic versuchte auf den fahrenden Karren aufzuspringen, was ihm erstaunlich gut gelang.
    Die Jägerin warf einen Blick hinter sich und sah Aras und Regar. Regar lächelte ihr freundlich zu und sie winkte kurz und wollte sich zurückfallen lassen, um neben ihm zu reiten. Vielleicht ließ sich ja was rausfinden, aber als sie Aras und seinen gewohnt arroganten Blick wahrnahm zuckte sie entschuldigend die Schultern, berließ Regar höchst unsolidarisch seinem Los und brachte das Pferd dazu wieder zum Kutschbock aufzuschließen.
    Theic lachte. "Kann ich verstehen", sagte er bloß und Jaris stilles Grinsen verriet er, dass er vermutlich das Selbe getan hätte, wäre er nicht Aras Leibwächter.
    Aber Aras miese Stimmung war im Moment allerdings nur allzu verständlich. Immerhin musste er sich nun fragen, ob er nicht öfter einen Fehler gemacht hatte. Seine Gedanken kreisten bestimmt um seine Diener, die er zu Hause gelassen hatte und um ihre Verhaltensweisen. Thyra hoffte inständig, dass sein Verdacht nicht auf Jaris fiel. Er hatte dem Herzog immerhin schon öfter seine Loyalität bewiesen.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Sehr erbost war Aras, nachdem er von diesem Brief Wind bekommen hatte. Er war sauer auf Theical, auf alle drei. Und auf Regar sowieso! Solche Dreistigkeit grenzte schon fast an Gesetzesbruch, es dem Lord so lange verheimlicht zu haben. Das zeigte ihm eindeutig, dass es immer noch Leute gab, die keinen Respekt vor ihm hatten. Die es wagten, ihm zu trotzen und sich über ihn zu stellen.
    Sein Blick wanderte zu Regar rüber, wie er gute Miene zum bösen Spiel machte. Solch ein freches Grinsen, welches Aras von ihm erntete. Auch wenn es vielleicht nur Höflichkeit war und nur ein leichtes Lächeln, war es für Aras finsterster Hohn.
    Was sollte er nun machen? Wie sollte er auf darauf reagieren? Immerhin war es Aras bewusst, dass er Regar persönlich auserwählte und als einen seiner treuesten Soldaten ansah. Zumindest bis vor Kurzem, als er noch nicht von diesem Brief erfuhr. Er musste ruhig bleiben und sich nichts anmerken lassen. Zumindest so lange nicht, bis sie in Eisenfurt eintreffen würden.

    "Und genießt Ihr diese Reise bis jetzt, Regar?", fragte er mit ernster Stimme, die nur leicht von der gewohnten Stimmlage abwich. Ein musternder Blick folgte zugleich.
    "Ja, Aras!"
    "Ganz sicher, Regar? Immerhin wolltet Ihr vor Kurzem noch Theical und Thyra tot sehen..."
    "Das war nur ein großes Missverständnis..."
    "Inwiefern?"
    "Ich dachte, sie wollten Euch bedrohen und betrügen. Aber das hat sich ja dann von selbst aufgeklärt."
    "Und Ihr seid auch nicht böse auf mich, weil ich Euch zurückgehalten habe?", fragte Aras weiter und führte heimlich seine Hand zur Seitentasche. "Ihr habt doch Verständnis dafür, warum ich dies getan habe?"
    Regar wurde sichtlich unsicherer und passiver. Aber Aras verlangte eine Antwort, weil er schließlich der Herzog war. Und Regar wusste das auch zu gut. Nicht selten musste er mit ansehen, wie Zacharas seine Gefolgsleute und Untertanen wegen Meinungsverschiedenheiten und anderen Kleinigkeiten hatte einsperren und foltern lassen. Und bei den besonders harten Fällen kümmerte der Lord sich persönlich um die Querulanten.
    "Nun sagt schon, Regar! Wie steht Ihr dazu? Seid Ihr mir deswegen böse?"
    Er schüttelte leicht den Kopf und sagte ganz leise: "Nein, Ihr macht alles richtig."
    "Gut zu wissen..." Einverständliches Nicken beiderseits besiegelte dies und Aras konnte sich nun einem anderen Gespräch widmen, welches er unbedingt führen wollte. "Ich muss ein Gespräch mit Jaris führen", meinte er und trieb er sein Pferd an.

    Am Kutschbock angekommen, trafen sich ihre Augen sofort und wie zu erwarten, schauten die drei Begleiter erstmal ziemlich überrascht. Aras beugte sich etwas nach vorne, um auch Thyra zu sehen, die auf der anderen Seite her ritt.
    "Thyra", fing er an zu erzählen, "könntet Ihr vielleicht kurz Regar Gesellschaft leisten?"
    "Aber..."

    "Das war keine Bitte, sondern eine Aufforderung!"

    "Aber was soll ich mit ihm reden? Der nervt und stinkt und..."

    "Macht es einfach. Und stinken tut er überhaupt nicht..."

    Jaris deutete kopfnickend nach Hinten und Thyra machte sich auf dem Weg. Aras bestürzte das schon etwas, dass niemand auf ihn hören wollte, aber bei einem Landstreicher sofort spurten. Und Theicals Blick dann noch, als sie außer Sichtweite war und Aras ihn zugleich eingehend musterte. Sehr angewidert und gleichgültig.

    "Theical, könntet Ihr vielleicht auch kurz verschwinden?"
    "Wie, was?" Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Lord an. "Wo soll ich denn hingehen? Soll ich etwa über den Wagen klettern, oder wie stellt Ihr Euch das nun vor?"
    "Das wäre auch eine Option. Aber reicht es nicht, wenn Ihr einfach auf den Wagen hinten draufspringt?"

    "Wie soll ich das denn machen?"

    "Na, Ihr steigt vom Wagen ab, wartet, bis der Wagen vorbeigerollt ist und setzt Euch dann hinten drauf. Oder soll ich es Euch noch aufzeichnen?"
    "Warum soll ich das tun? Ich verstehe den Sinn dabei nicht..."

    "Ich habe Regar gesagt, dass ich mit Jaris ein Gespräch führen will. Und das sollt Ihr eben nicht belauschen."

    "Und warum durfte ich dann nicht mit Thyra zusammen aufs Pferd?"
    "Weil ich weiß, wie gerne Ihr reitet..."
    Da schmunzelte Jaris leicht, den Kopf dabei von Theic weggedreht.
    Und mit einem abfälligen Pfeifen sprang der kleine Mann vom Kutschbock, war kaum noch zu sehen und stapfte langsam nebenher.
    Jaris ruckte etwas näher in Aras´ Richtung, damit dieser sein Pferd nicht zu nah heran steuern musste.
    "Und was wollt Ihr nun mit mir besprechen, Aras?"
    "Ich habe den Brief angeschaut."
    "Und, was meint Ihr dazu?"
    "Ich habe sofort erkannt, dass es nicht Eure Handschrift ist."
    Stirnrunzelnd schaute Jaris ihn fragend an. "Wie, meine Handschrift? Ich verstehe nicht ganz..."

    "Theical wollte wissen, ob Ihr den Brief geschrieben habt. Aber Ihr schreibt deutlich krakeliger als Regar."
    "Was redet Ihr? Wieso meinte Theical, dass ich den Brief verfasst hätte?"
    "Wieso sollte er es denn nicht gedacht haben? Immerhin seid Ihr ein Landstreicher und nicht unbedingt freiwillig zu mir gekommen."

    "Aber wir drei wussten doch schon bereits, dass es keiner von uns sein konnte. Ich verstehe jetzt nicht, warum Theical meinen Namen damit in Verbindung brachte..."

    "Das ist doch jetzt nicht relevant", unterbrach Aras ihn sofort. "Fakt ist, dass ich echt nicht erfreut darüber bin! Ihr hättet es mir sofort sagen müssen. Wie lange wusstet Ihr von dem Brief? Genauso lange, wie die anderen beiden?"
    "Nein. Ich habe es erst später von Thyra erfahren, weil sie mir den Brief zugesteckt hatte."
    "Und warum habt Ihr dann immer noch gezögert? Habt Ihr wirklich so wenig Vertrauen zu mir?"
    "Na, wenn ich die Sache jetzt mal mit einbeziehe, erklärt es sich doch wohl schon von selbst! Wenn Ihr schon von Euren eigenen Leuten so eiskalt hintergangen werdet..."

    "Lasst dies meine Sorge sein, Jaris. Ich bin jetzt nur hier, weil ich von Euch wissen will, ob Ihr mir nun wirklich in jeder Lage treu zur Seite steht und meine zukünftigen Entscheidungen akzeptiert."

    Nachdenklich schwenkte Jaris seinen Kopf in der Gegend rum. Es war eine Frage, die einer wirklich wohlüberlegten Antwort bedarf. Und Aras war wohl in dieser Situation der wahre Gepeinigte.

    "Kommt drauf an, was genau Ihr vorhabt."
    "Es geht hierbei nur um Regar und seine Zukunft. Ihr und die anderen bleibt von mir verschont."
    "Dann will ich Euch treu sein."

  • Zacharas ließ Jaris stirnrunzelnd zurück. Er wusste immer noch nicht was der Herzog genau vorhatte, aber es bereitete ihm Kopfschmerzen. Regar würde sich aller Voraussicht nach in Kürze nie wieder damit herumschlagen müssen. Immerhin. Es war nicht so, dass er Regar bemitleidete. Der Soldat war sehr wohl für seine eigenen Taten verantwortlich und 3 Menschen die er beschützen musste waren ja verdammt noch mal genug für einen Mann, der es gewohnt war, nur für sich verantwortlich zu sein. Das redete er sich zumindest ein. Eigentlich war es so, dass Jaris Regar und die anderen Widerständler durchaus verstehen konnte. Er war an vielen Orten gewesen und überall hatte Ungerechtigkeit und Leid die Leben derer beherrscht, die sich kein besseres leisten konnten, doch Ymilburg war einer der schlimmsten Orte gewesen. Kein Wunder, dass nicht alle das einfach hinnahmen. Und dazu noch ein arroganter Herzog, der nicht glauben konnte, dass ihn jemand verraten könnte. Eine gefährliche Mischung. Theic kam auf den Kutschbock zurückgeklettert. Er wirkte missmutig und Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn. Die Sonne stand bereits hoch am Horizont und der kleine Mann trug immer noch die Tunika, die ihm viel zu groß schien. Jaris sah ihn nachdenklich an. "Wie kamst du darauf dem Herzog meinen Namen zu nennen als du ihm den Brieg gegeben hast", fragte er ihn stirnrunzelnd, "Er hätte sich genauso gut täuschen und mir die Schuld in die Schuhe schieben können." Theical schluckte. "Es war am vernünftigsten. Hätte ich den Soldat von Anfang an bezichtigt, wäre er vielleicht nicht bereit gewesen sich den Brief überhaupt anzusehen, da dies ja Bedeuten könnte sich einen eigenen Fehler einzugestehen", erklärte er hastig, "Thyra konnte ich ja schlecht verdächtigen, das hätte Zacharas mir nie geglaubt." Jaris beließ es dabei, auch wenn er gern erwidert hätte, dass Theical wohl kaum schlaflose Nächte gehabt hätte, wäre die ganze Sache für Jaris schlecht ausgegangen. Vielleicht wäre das aber dem Mann gegenüber unfair gewesen.Der Wagen holperte weiter über die staubigen und alles andere als ebenen Landstraßen. Jaris und Theical saßen schweigend auf dem Kutschbock und ließen sich von der mittlerweile erbarmungslos glühenden Sonne grillen. Ein Gespräch hätte beide vielleicht von der Hitze abgelenkt, aber Theical war in seinen Gedanken versunken und Jaris wusste nicht was er hätte sagen sollen. Das was er Thyra erzählt hatte, würde sicherlich auch Theical bald wissen. Er glaubte nicht, dass die beiden Geheimnisse voreinander hatten, das hätte er bedenken sollen, als er es ihr erzählt hatte. Andererseits schien Thyra genauso erstaunt gewesen zu sein wie der Rest, als Theical seine Schattenmagie offenbart hatte. "Wie habt ihr das eigentlich gelernt", fragte Jaris froh endlich ein Gesprächsthema gefunden zu haben, "Ich meine das mit der Schattenmagie." Er versuchte ehrlich interessiert zu wirken, wusste er doch, dass Theic von Zacharas eher Hohn für seine Begabung geerntet hatte, aber sein Gegenüber blieb in seine eigene Welt versunken. "Ich habe die paar Fähigkeiten, die ich habe, von einem Söldnermagier gelehrt bekommen", versuchte er seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Immerhin blickte Theical jetzt in seine Richtung auch, wenn seine schreckgeweiteten Augen nicht ihn ansahen. Jaris schoss herum und konnte gerade noch ein kleines Luftschild aufziehen um den Stein abzuwehren, der auf den Kutschbock zufolg. Ein Stein wurde von den meisten Kämpfern stets unterschätzt. Zumindest solange bis sie ihnen die Birne zermatschten. Hinter den Hügeln erklang jetzt lautes Brüllen und weitere Steine flogen auf den Wagenkonvoi zu. Einige prallten gegen die Wagen und hinterließen vereinzelte Dellen in dem Holz, andere trafen die Schauspieler. Von überall tönten jetzt Schreie. Aus Angst oder aus Schmerz. Schnell blickte Jaris sich um. Thyra ritt neben dem Herzog, der sich einen Dreck um die Campbewohner scherte, aber zumindest Thyra und sich schützte, indem er die sie gefährdenden Geschosse mitten in der Luft in tausende Splitter sprengte, und feuerte ihrerseits Pfeile in Richtung der Angreifer. Der Soldat trieb sein scheuendes Pferd bereits in Richtung der Hügel, wo sich jetzt die ersten Gegner zeigten. Einen Moment lang glaubte Jaris, dass ihre Verfolger sie gefunden hatten, aber die Männer und Frauen die jetzt auf sie zukamen waren allesamt ausgemergelt und in Fetzen gekleidet, die früher einmal Kleider gewesen sein mochten. In den Händen schwangen sie Keulen, Mistgabeln und dergleichen. Kein Vergleich zu den gut gerüsteten Männern, die ihnen im Wald aufgelauert hatten. Vielleicht Banditen. Er wollte bereits vom Kutschbock springen, als er sich eines besseren besann und sich noch einmal zu Theical umwandte. "Geh zu Zacharas, da bist du sicher", wies er ihn an, "Der Herzog beschützt dich bestimmt nicht absichtlich, aber wenn du dich hinter ihm hälst wird dir schon nichts passieren." Die letzten Worte entlocktem seinem Gegenüber ein Lächeln und Jaris wandte sich der Bedrohung zu. Noch bevor seine Füße den trockenen Boden berührten, lag der Griff seines Schwertes bereits in seiner Hand. Einen Stein sah er zu spät kommen, doch er prallte wirkungslos von seinem Oberkörper ab. Zum Glück hatte Jaris aus den vergangenen Tagen gelernt und seine Rüstung unter seinem Hemd angelegt. Weitere Geschosse segelten auf ihn zu, doch Jaris wich ihnen aus oder traf sie mit dem Schwert mitten in der Luft. Die klinge war so scharf, dass sie sie wie warme Butter durchschnitt. Vor ihm baute sich der erste Gegner auf, ein großer Glatzköpfiger Mann, mit aufgeblähtem Bizeps und einer dicken Keule, deren Oberfläche mit Dornen gespickt war. Jaris rolte sich zur Seite und entging so der Keule, die stattdessen, die Erde, auf der er eben noch gestanden hatte, wie eine Kruste aufbrach. Es musste tatsächlich monatelang hier nicht mehr geregnet hatte. Jaris verschwendete keinen weiteren Gedanken an das Wetter, sondern bohrte sein Schwert, bevor der Koloss vor ihm seine Keule wieder vom Boden erheben konnte, in dessen Seite. Schwankend und mit verdutztem Gesichtsausdruck, stand dieser da. Nicht begreifend, was hier vor sich ging. Ein tritt ließ ihn endlich zu Boden gehen und gab Jaris Schwert wieder frei. Sofort griff der Halbelf den nächsten Gegner an. Er war zusammen mit Regar und ein zwei der starken Männer des Zirkusses der einzige der kämpfte, doch die Banditen hatten offensichtlich nicht mit so viel Gegenwehr gerechnet. Die anfängliche der zahlenmäßige Überlegenheit geschuldete Zuversicht schlug langsam in Verunsicherung um. Die Banditen vergaßen ihr Ziel, den Wagenkonvoi, sondern bedrängten die Feinde in ihrer Mitte. Jaris bekam es gleich mit dreien zutun. Um das ganze wenigstens etwas auszugleichen zog er mit der linken Hand ein Messer. Eine Bauernsense schwang nach ihm, doch er konnte sich bücken, dem Schlag entgehen und dem Träger der Sense mit einem Fuß die Beine wegziehen. Doch bevor er den liegenden erreichen konnte, musste er zur Seite springen, da eine Luftgabel links von ihm die Luft durchschnitt. Ein dritter rannte Kopflos auf ihn zu, doch Jaris sprang in die Luft trat mit beiden Beinen nach seinem Gegner, traf diesen mitten auf die Brust und wollte sich eigentlich nach dem Fall auf den Boden rückwärts abrollen, doch der harte Boden machte ihm einen Schnitt durch die Rechnung. Schmerzen zuckten durch seine linke Schulter und den Arm. Sofort tauchte über ihm ein weiterer Bandit auf, eine Mistgabel erhoben. Jaris wollte sich zur Seite rollen, doch er war wie betäubt. "Zu Fall gebracht von hartem Boden und aufgespießt auf eine Mistgabel", dachte er, "Nicht gerade ein heroisches Ende." Doch in dem Moment, in dem sich die Mistgabel eigentlich über ihm senken sollte, ertönte ein Quieken und eine kleine Ratte sprang seinen Angreifer an. Ihre spitzen Zähne verbissen sich in der Haut auf seiner Brust und er taumelte zurück. Das reichte Jaris. Er sprang auf und warf sein Messer, was ihm Tränen vor Schmerz in die Augen trieb. Doch das Messer bohrte sich in die Brust des Mannes mit der Mistgabel und ließ ihn zu Boden sinken. Jaris biss die Zähne zusammen und hob die rechte Hand. Ein Blitz aus purer Energie löste sich von seinen Fingerspitzen und traf einen Banditen der gerade in seine Richtung rannte. Dann sprang er, über den Mann hinweg, den er vorher mit dem Manöver, das ihm fast das Leben gekostet hatte, ausgeknockt hatte - auch er schien die Begegnung mit dem hartem Boden nicht wirklich gut vertragen zu haben -, und rannte auf seine Gegner zu. Den linken Arm ließ er seitlich hinab baumeln, doch mit dem rechten schleuderte er ein zwei weitere Blitze. Die Banditen schienen nun vollends verwirrt. Einige wenige bewegungslos stehen und starrten ihn an, die meisten ergriffen die Flucht. Nur wenige Minuten später blieben nur noch die Toten und die Verwundeten, denn die die geblieben waren, waren leichtes Spiel für Regar und die wenigen kämpfenden Zirkusmitglieder. Jaris drehte sich schwer atmend um. Die Blicke der Schauleute lagen auf ihm. Seine Fähigkeiten waren bei weitem nicht so beeindruckend wie die Zacharas, doch sie hatten sie anscheinend nicht bei ihm vermutet. Die meisten des Konvois hatten sich hinter Zacharas zusammengedrängt, als sie gesehen hatten, dass sie dort von etwaigen Geschossen verschont bleiben würden. So hatte der Herzog unwillentlich oder nicht die ganze Truppe beschützt. Jaris versuchte seinen linken Arm zu bewegen, während er auf die anderen zuging. Sofort kehrte der Schmerz zurück. Der Arm war vermutlich gebrochen, die Schulter geprellt. Er hatte schon schlimmere Verletzungen erlitten, doch diese kam gänzlich unerwartet. Doch vorerst scherte er sich nicht darum, was hätte er auch tun sollen. Seine Heilmagie war bei weitem nicht ausreichend. Stattdessen fing er den Blick von Theical auf und nickte ihm zu. Er war sich nicht sicher, aber es war ihm vorgekommen, als hätte der Schatten der Ratte sich etwas schneller als ihr Besitzer bewegt.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Erleichtert atmete Theic aus. Um ein Haar hätte Jaris das Zeitliche gesegnet. Das war wirklich knapp gewesen und es war reines Glück, dass im ganzen Gefecht der Käfig mit den Ratten von einem der Wagen gefallen und dabei kaputt gegangen war. Nur wegen dem Tierchen war es ihm überhaupt möglich gewesen dem Schwertkämpfer zu helfen. Zu mehr war seine Magie eben nicht fähig, dennoch fühlte er sich dadurch das erste Mal nicht komplett nutzlos. Sari war schließlich nie da, wenn man ihn und seine Blitze einmal brauchte.
    Erschöpft sank er neben dem Wagen auf den Boden. Im Getümmel war er von ihm gesprungen, hatte es aber nicht bis zu Zacharas geschafft, um sich in seinen Schutz zu begeben. Was nicht schlimm war, denn nach Jaris‘ Verschwinden vom Kutschbock hatte keiner mehr Notiz von ihm genommen. Manchmal war es eben doch gut, die Größe eines Zwerges zu haben. Er blickte sich um.
    Die Schauleute tänzelten um die Verletzten und die Toten herum und diskutierten wild über den Grund des Angriffes. Sie beugten sich über die Verletzten und fragten sie regelrecht aus. Wilkins beteuerte, dass es bei ihnen nichts zu holen gab und verkündete, wie dumm er es von ihnen fand, überhaupt einen Angriff auf sie gewagt zu haben. Bei der Verfassung der Banditen nur nachvollziehbar. Sie wirkten in ihrer ganzen Vorgehensweise amateurhaft und planlos. Erst hatte er gedacht, dass es sich bei den Angreifern um ihre Verfolger handelte, doch die Waffen und die Art zu kämpfen wirkten ganz anders, als noch Tage zuvor. Unmöglich, dass es die gleichen Leute waren. Nur, was hatte sie dann veranlasst eine so waghalsige Aktion durchzuführen?
    Schwerfällig kam er wieder auf die Beine und schlengelte sich durch die anderen Schausteller auf der Suche nach den anderen. Jaris fand er recht schnell. Er lehnte an einem Anhänger und hielt sich den linken Arm. Das Schwert hielt er noch immer in der Hand.
    „Wie geht’s dir?“, fragte er, kaum, dass er neben ihn stand. Kritisch beäugte er dabei den Arm des Mannes. Er hatte gesehen, wie ihn Jaris seit seinem Sturz nicht mehr bewegt hatte. Hoffentlich hatte er sich nicht schwer verletzt.
    „Geht schon.“ Jaris ließ von seinem Arm ab und machte einige Schritte nach vorn. Skeptisch beobachtete ihn Theic dabei. Er glaubte ihm kein Wort. So schlapp, wie der Arm am Körper hing, konnte das nichts Gutes bedeuten.
    „Da seid ihr ja!“, hörte er Thyras Stimme rufen. Als er sich zu ihr umdrehte, kam die Jägerin auf sie beide zugelaufen. Ihren Bogen hielt sie noch immer in der Hand, aber in ihrem Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab. Als hätte es den Kampf zuvor nicht gegeben. „Bin ich froh euch zu sehen. Aras‘ Gerede ging mit schon langsam auf die Nerven“, flüsterte sie, als sie neben ihnen zum Stehen kam. Mit dem Bogen deutete sie etwas auf Zacharas, der hinter ihr auf sie zugelaufen kam, gefolgt von Regar.
    „Ihr solltet aufpassen, was Ihr sagt!“, beschwerte sich Aras mit lauter Stimme. „Ich kann Großmäuler nicht ausstehen!“
    Thyra wollte gerade zu einer Gegenrede ansetzen, doch Theic unterbrach sie. „Wie haben wirklich andere Probleme!“, meinte er und zog damit die Aufmerksam der beiden auf sich. „Jaris ist verletzt.“ Erschrocken gingen die Blicke von Thyra und Aras zu dem Schwertkämpfer. Beide fixierten sie ihre Augen auf dessen Arm, der noch immer erschlafft an seiner Seite baumelte, als gehörte er nicht zu seinem Körper.
    „Mir geht’s gut! Ich bin nicht verletzt!“, versuchte sich Jaris zu verteidigen. Ohne Rücksicht auf Verluste packte Thyra ihn am Arm und erntete dabei ein Zucken und ein schmerzhaftes Keuchen von Jaris. Siegreich lächelte sie ihn an, dann verschwand jedoch das Lächeln.
    „Keine Frage“, sie ließ wieder von ihm ab. „Du bist verletzt. Kannst du dich nicht heilen?“, fragte sie stattdessen. Jaris grummelte etwas Unverständliches und verneinte dann mit einem Kopfschütteln.
    „Dann muss es etwas Ernstes sein. Hoffentlich ist er nicht gebrochen. Kannst du deine Finger bewegen?“ Grübelnd legte Thyra den Kopf schief und strich sich mit der Hand über das Kinn, während Jaris auch diese Frage verneinte.
    „Auch das noch!“, maule Aras hinter ihr. „Ihr seid doch alle zu nichts zu gebrauchen!“
    Er hob seine Hände kurz in den Himmel, als würde er sich für einen Moment an eine höhere Macht wenden. Wütend war der Herzog, aber etwas in seiner Stimme verriet dennoch, dass er es nicht ganz so meinte, wie er es sagte. Es sprach immer noch der Zorn aus ihm. Der Zorn über sie und Regar.
    „Ich kann zwar keine Heilmagie wirken, aber ich kenne mich ein wenig mit der Heilkunst aus“, meinte Thyra und nahm ihre Hände von Jaris‘ Arm. Suchend sah sie sich um, blieb dann bei Theic hängen. „Kannst du mir zwei Stöcke bringen? Etwa so lang“, sie zeigte mit ihren Händen die Länge von einem Arm an, „und meine Tasche aus dem Wagen.“
    Ein wenig überfordert sah Theical die Jägerin an, dann nickte er und setzte sich in Bewegung. Er hielt jedoch inne, als er den Ruf einer Frau hörte. „Ihr seid schuld!“, brüllte diese plötzlich und als er sich umsah, bemerkte er eine Schwarzhaarige, die mit dem Finger zwischen ihrer Gruppe hin und her zeigte.
    „Stimmt, wir wurden nie von Banditen überfallen, erst jetzt, wo ihr hier seid!“, meinte ein zweiter Mann. Bedrohlich braute er sich vor Theical auf, weshalb er wieder die wenigen Schritte zurück zu seinen Gefährten lief. Wenn sich nun auch noch die Schausteller gegen sie verschworen, dann hatten sie verloren. Sie mussten sich etwas ausdenken, um aus der Sache wieder herauszukommen.

  • "Aber, aber", versuchte Aras zu schlichten. "Es hätte euch auch erwischt, wenn wir nicht dabei gewesen wären."
    Thyra sah, wie Aras und die Schwarzhaarige, Liandra, bedeutsame Blicke austauschten und spürte, dass es eine Angelegenheit zwischen diesen beiden war und es besser war zu schweigen. Während Aras weiter redete und überzeugende Argumente lieferte, dass es nur verständlich sei für das Elend einen Schuldigen finden zu wollen und dass es einfach Banditen gewesen waren, die völlig ausgehungert waren - bei diesem Argument schaute er Liandra beschwörend in die Augen - gab Thyra Theic einen Wink. Er verstand sofort und schlich auf leisen Sohlen davon, um Stöcke und Tasche zu holen.
    Sie bewunderte Aras diplomatisches Geschick, als dann auch Wilkin schlichtend eingriff und seine Gaukler beruhigte, doch spätestens jetzt wusste er, dass sie alle etwas zu verbergen hatten und musterte sie finster.
    Dennoch ließ man sie nun in Ruhe, während man die unfreiwillige Rast erweiterte, Feuer machte, die Verletzten versorgte und Gräber für die Toten schaffte.
    "Das tut jetzt etwas weh", sagte Thyra und griff nach Jaris' Arm. Dieser nickte und noch während dieser Geste ruckte Thyra den gebrochenen Arm in eine gerade Position. Der Krieger schrie nicht auf und biss die Zähne zusammem, doch Thyra meinte seine Augen würden ihm bald aus den Höhlen quellen.
    "Verdammte Scheiße!", fluchte er dann.
    Gerade als Theic mit ihrer Tasche zurück kam, gesellte sich auch Wilkin mit finsterem Gesicht zu ihnen. Thyra beachtete ihn nicht und überließ das Reden Aras. Jaris Arm war erstmal wichtiger und sie begann ihn vorsichtig zu schienen. Theic war ihr dabei eine helfende Hand.
    "Bis Eisenfurt und keinen Schritt weiter", hörte sie Wilkin sagen.
    Aras nickte nur wortlos und schien zu ihrer Überraschung erleichtert zu sein. Mit einem Ruck wandte der Zirkusmeister sich ab und verließ sie schweigend. Als die Fahrt weiter ging fuhr ihr Wagen ganz am Ende der Karawane mit gebührendem Abstand zu den Schaustellern. Sie gehörten nicht mehr dazu. Egal wie begabt sie waren. Doch Thyra war für ihren Teil dankbar, dass man ihnen wenigstens den Wagen gelassen hatte.
    Sie konnte die schwarze Mähne von Liandra ausfindig machen, wie sie Aras immer wieder hasserfüllte Blicke zuwarf.
    Sie weiß es!, durchzuckte es Thyra wie ein Blitz. Und vorhin hätte sie uns fast verraten. Wütend biss sie die Zähne zusammen. Was hatte sie auch anderes erwartet, wenn sie mit einem bunten Hund wie Aras ritt?
    Schweigend ritten sie weiter bis zur Abenddämmerung und nur auf Regars Gesicht zeichnete sich in Momenten in denen er sich unbeobachtet fühlte ein Grinsen ab, das Thyra zur Weißglut brachte.
    Dieser Bastard hatte bei dem Angriff nicht einen Finger gerührt! Wütend umfasste sie das Leder der Zügel so fest, dass ihre Knöchel weiß hervor traten.
    Verfluchter, dreckiger Sohn eines Hundes! Ihm war der Angriff nur Recht gewesen und noch besser wäre es gewesen, wenn sie alle dabei hops gegangen wären. Die Schausteller die dabei ihr Leben lassen mussten interessierten ihn anscheinend nicht die Bohne. Hinter dem netten Mann verbarg sich also ein eiskalter Soldat. Thyra würde nicht noch einmal den Fehler machen und ihn unterschätzen. Gerade jetzt wo Jaris Arm in einer Schlinge hing musste sie besonders wachsam sein.
    Sie warf einen Blick in ihren Köcher und stellte frustriert fest, dass sie bei dem Angriff fast alle Pfeile verschossen hatte. Wütend drosch sie der Faust auf den Kutschbock. Schmerz durchzuckte sie und sie ihre Knöchel betrachtete bluteten sie leicht.
    "Lass das", hörte sie Jaris Stimme. Sie klang erstaunlich sanft. "Schmerz kann nicht das Einzige sein, dass deine von Wut getrübten Sinne wieder schärft."
    Thyra war zu frustriert um auf die Worte einzugehen, nahm sie aber dennoch zur Kenntnis und atmete einmal tief durch. Wenn Jaris sich beherrschen konnte ohne seinem verräterischen Frust nachzugeben, dann konnte sie das auch.
    Als der Abend hereinbrach schlugen sie alle ihr Lager auf.
    Thyras kleine Gruppe abseits der anderen, mit eigenem Lagerfeuer und ihren eigenen Vorräten. Viel war es nicht mehr, was Thyra dazu veranlasste jagen zu gehen, um wenigstens eine Stunde lang Ruhe zu haben und dem ganzen Schlamassel zu entfliehen. Bei der Jagd gingen ihre Pfeile wenigstens nicht verloren.
    Wortlos erhob sie sich vom Lagerfeuer und maschierte auf die hügelige und grasbewachsene Ebene zu, die sie seit geraumer Zeit schon umgab. Das Gras war borstig und eher Gelb als Grün, die Hitze tagsüber schweißtreibend. Thyra vermutete, dass sie der Wüste immer näher kamen.
    Hinter dem ersten Hügel und aus dem Blickfeld der anderen, kam Fenrir angetrabt. Er hatte etwas im Maul und Thyra war schon enttäuscht, dass er ihr die Jagd abgenommen hatte, doch als er es fallen ließ erkannte sie, dass es ihre Pfeile waren.
    Der Wolf musste sie aus den Leibern der Banditen gezogen haben! Innerlich jubelnd besah sie sich ihre Geschosse. Einige hatte der Wolf zerbrochen oder den Schaft zerkaut, doch die meisten waren noch zu gebrauchen.
    Liebevoll streichelte sie ihren Wolf und vergrub das Gesicht in seinem Halsfell. Dann machten sie sich gemeinsam auf die Jagd.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • "Da haben wir ja anscheinend noch mal Glück gehabt", murmelte Theical leicht verunsichert und betrachtete das Lagerfeuer.

    "Glück ist auch nur relativ zu bewerten", erwiderte Jaris und drehte seinen verletzten Arm etwas vom heißen Feuer weg. Es brannte auch wirklich sehr stark und sogar dem Soldaten floss der Schweiß von der Stirn, der etwas abseits hockte und auf Aras´ Anweisung hin die Umgebung im Auge behielt.
    "Da kann ich Jaris nur zustimmen, Herr Teical", meinte Aras kopfnickend und stocherte etwas mit einem langen Stock in der Glut herum. Funken flogen, das Feuer wurde etwas mehr geschürt und somit auch die Umgebung mehr erhellt.
    "Aber wenigstens können wir noch bis nach Eisenfurt mitreisen", warf Theical ein. "Und wir müssen zum Glück keine Aufführung machen. Ich bin nämlich überhaupt kein Mann für solcherlei Aktivitäten."
    "Ihr seid ja nicht mal ein richtiger Mann", erwiderte Aras frech grinsend und fing leise an zu lachen. "Männer müssen groß und stark sein! So wie diese Klötze dort drüben." Er deutete auf die Schausteller, die wuchtigen Hünen mit ihren breiten Kreuzen.
    Theic drehte sich kurz um und setzte dann ein grimmiges Gesicht auf. "Das ist nicht lustig! Ich mag vielleicht klein sein und unscheinbar, aber immerhin bin ich nett und gerecht..."

    "Wollt Ihr etwa behaupten, ich sei nicht nett und gerecht?", hinterfrage Zacharas seine Aussage.

    "Na wenn Ihr das so interpretiert, wird es wohl so sein..."

    "Dass ich nicht lache", erwiderte Aras augenrollend. "Ich mag vielleicht nicht immer äußerst nett zu jedem gewesen sein, aber bin ich deswegen etwa ein schlechterer Mensch? Und habe ich nicht euch alle hier vorm sicheren Tod bewahrt?"

    "Na, so wollen wir das jetzt mal nicht stehen lassen", warf Jaris ein und wollte fast beide Arme zum Artikulieren nehmen, doch es schmerzte zu sehr. Also beließ er es bei einer kurz angedeuteten angehobenen Hand. "Ich habe auch meinen Teil dazu beigetragen. Und die wuchtigen Schlackse ebenso."

    "Und Regar nicht zu vergessen..." Kurz wanderte des Lords Blick zu ihn hinüber, was von ihm mit einem leichten Nicken begrüßt wurde. Ob Reagr wusste, was sie vermuteten? Und ob er wirklich der Verräter war? Die Anzeichen, welche Aras leider nicht sofort erfuhr, waren ziemlich eindeutig.


    "Ja, Regar nicht zu vergessen", drang mürrisch zu ihm von beiden entgegen. "Wobei Thyra auch zu erwähnen ist..."

    "Leute", unterbrach Aras sofort schnaufend. "Ich kann jetzt nicht jede einzelne Person erwähnen, die daran beteiligt war. Fakt ist, dass die Leute hinter mir Schutz suchten und mich dann beschuldigten, der Grund für diesen Angriff zu sein."

    "Ja, das fand ich auch sehr gemein von denen", stimmte Theic ihm zu. "Auch ich muss zugeben, dass ihr mir nicht mein Liebster seid. Aber trotzdem respektiere ich Euer Wissen und Können. Mehr oder weniger..." Letzteres sagte er nur leise, kaum wahrnehmbar für die anderen.
    "Und das rechne ich Euch hoch an, Herr Teical. Wobei es natürlich offensichtlich ist, dass Ihr zu mir aufseht..." Und nun kam wieder sein Ego hindurch, welches er nur zu gerne präsentierte. Er konnte es sich leisten, als Herzog, herausragender Magier, Wissenschaftler und Stratege. Oder er dachte zumindest, dass er sich leisen konnte und ihm die Erlaubnis dafür schon in die Wiege gelegt wurde.
    "Ich bin schließlich der, wer ich bin. Und ein Jeder ist mit Stolz erfüllt, wenn er an meiner Seite stehen darf und meine Güte und Weisheit empfängt. Ist es nicht so? Es ist so!"
    Abschätzig schmatzend warf Jaris ein, "Wie auch immer", in die Runde ein und wandte sich wieder eingehend dem Feuer zu.
    "Exakt, Jaris! Wie auch immer ihr euch entscheidet, meine Entscheidungen sind von größter Relevanz."
    "Und nun seid Ihr mir wieder unsympathisch, Aras", sagte der kleine Mann und klinkte sich damit auch aus diesem Gespräch mit aus.

    "Unterschätzt nicht die Macht der Sympathie, mein junger Freund. Schon viele Menschen sind gestorben, weil sie der Sympathie anderer verfallen waren. Es gibt genug Frauen dort draußen in den Landen..." Er unterbrach seinen Satz und griff sofort zu seinem Zauberstab in der Tasche, um ihn kurz zu berühren und die Gravur mit den Fingerkuppen abzutasten.
    "Engel, verzeihe mir meine Wortwahl."
    "Es gibt genug Frauen dort draußen in den Landen, die sich sehnlichst erwünschen, an meiner Seite zu sein. Und ich kann es ihnen nicht verübeln! Schließlich kann ich den Frauen viel bieten."
    "Schließlich kann ich dir viel bieten, Engel."

    "Ach, Ihr meint Liranda?", spöttelte Jaris feixend.
    "Was, wie bitte?"
    "Ihr habt schon richtig verstanden, Aras."
    "Nein!", legte er sofort Veto ein und machte eine tilgende Handbewegung. "Sie wird hier nicht erwähnt!"

    "Also meint Ihr nicht, dass sie Euren... Charisma... verfallen könnte? Oder wie ist jetzt diese Ablehnung zu verstehen..?"
    "Sie ist eine der wenigen Frauen, die zu dumm sind, um meine Weisheit und Güte zu verstehen."

    "Güte? Also bis jetzt wart Ihr nicht sehr gütig mit uns..."

    "Nicht Gutmütigkeit, Jaris. Ihr seid wahrlich kein Mann von herausragender Linguistik. Ich spreche von der Güte, von der Reinheit und Wertklassifizierung. Die Qualitätsgüte."

    "Ihr seid wahrlich einzigartig, Aras", meinte Jaris da nur und pfiff ihm was entgegen. Verhöhnend und abwertend war dies auf jeden Fall zu werten. Aber dem Lord kümmerte dies nur geringschätzig. Schließlich war es doch so, wie er es felsenfest behauptete.
    "Aber Thyra hätten wir da auch noch im Angebot", warf nun Theical mit ein, der sich ja eigentlich schon längst aus dem Gespräch raushalten wollte. Zumindest deutete sein zuvor unausgesprochenes Desinteresse stark darauf hin. "Vielleicht meint Ihr ja sie mit diesen besagten Frauen, die Euch nicht verschmähen würden..."

    "Lasst den Hohn!", sprach Aras leicht erzürnt und stocherte penetrierend und heftig im Feuer rum, sodass die ganze Asche und Glut herumflog. "Ihr habt doch alle keine Ahnung. Ihr seid unwürdig." Murrend knirschte er leicht mit den Zähnen und setzte ein angedeutetes Grimmen auf. Doch er beherrschte sich weiterhin genug, um nicht in Rage zu kommen. Denn wenn er einmal dem Zorn erliege, dass wuchs wirklich kein Gras mehr und liegt kein Stein mehr auf dem anderen. Bis jetzt gab es nur zwei Momente, in denen er beinahe in solch einen Wutzustand geraten war. Als er von Engel abgewiesen wurde und beim Mord an seinem Vater. Und Beides war von der Sache her an sich schon sehr unschön und wollte man niemanden wünschen.

    "Ungezogenes Pack. Unzufrieden, bis aufs Mark... Manieren beibringen, müsste man euch. Und Thyra ist keinen Deut besser wie Ihr, Theical. Aber wem erzähle ich das überhaupt? Ihr habt doch keinerlei Wissen über mich und meine Macht. Köpfen müsste man Euch, wegen Eurer Torheit... Aber ich schweife zu sehr ab."

    Theical war schon ganz eingeschüchtert. Wohl am meisten, wegen dieser Kopfsache. Aber Aras meinte es nicht so, wie er es sagte. Auch wenn dies eine gängige Strafe in seinem Reich war.

    "Jedenfalls habe ich noch etwas vor in Eisenfurt. Was mir aber erst seid Gestern bewusst geworden ist."
    Da schaute Jaris wieder auf, als fühlte er sich angesprochen. "Was habt Ihr denn dort zu erledigen? Und warum erzählt Ihr uns immer dann etwas, wenn Thyra nicht anwesend ist?"
    "Weil Thyra eine Frau ist", erwiderte Theic augenrollend, hatte anscheinend schon wieder das Vorherige verdrängt.
    "Achso, stimmt... Das macht natürlich Sinn, Theical. Schließlich sind dem Aras die Frauen ja regelrecht unterwürfig... Da ist das verständlich, dass Thyra es nicht wert ist..."
    "Ihr redet mal wieder nur Unsinn. Alle beide. Es liegt daran, weil sie sich ja lieber mit sich selbst eingehend beschäftigt. Wer weiß, was die beim 'Jagen' so treibt... Aber wie dem auch sei. Ich habe dort etwas zu erledigen, was von äußerster Wichtigkeit ist. Was genau es ist, werdet ihr noch rechtzeitig erfahren."
    "Oder am besten lieber gar nicht."

  • Das Feuer warf seltsame Schatten auf die Gesichter der Gruppe. "Seltsam", dachte Jaris, "Das Licht immer Schatten mit sich bringt." Seine Arm schmerzte immer noch höllisch, doch die Kräuter die Thyra ihm gegeben hatte schwächsten den Schmerz immerhin etwas ab. "Ihr wisst hoffentlich, dass jeder Aufenthalt an belebten Orten die Gefahr erhöte erkannt zu werden?", fragte Jaris, "Zudem bin ich kaum in der Lage euch adäquat zu verteidigen und Regar könnt ihr nicht vertrauen." Er warf einen bedeutungsvollen Blick in Richtung des etwas abseits sitzenden Soldaten. "Ihr wart noch nie in der Lage mich adäquat zu verteidigen Jaris", behauptete Zacharas arrogant wie eh und je, "Das übersteigt euer aller können. Nur ich bin von Nöten." "Und wieso hast du uns dann mit genommen?", fragte Jaris sich, sprich es jedoch nicht auf. Er hatte genug von Zacharas chronischer Selbstüberschätzung. "Ich werde etwas schlafen", verkündete er gegenüber den anderen und breitete an Ort und Stelle sein Lager aus. Er legte sich hin sah hoch zu den Sternen, lauschte den Geräuschen der Nacht und den Atempause um sich herum und fragte sich, wann er seinen Arm wohl wieder bewegen könnte.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Es dauerte nicht mehr lang, da kehrte auch Thyra von ihrer Jagt zurück. Drei Hasen trug sie bei sich, die sie neben dem Feuer ablegte. Jedoch verspürte keiner von ihnen mehr die Lust, nun noch etwas zu sich zu nehmen. Lieber schwiegen sie sich gegenseitig noch etwas an und stocherten mit einigen Ästen im Feuer herum. Theic beschloss insgeheim, dass er Thyra noch von dem Gespräch zuvor berichten würde. Er sah nicht ein, dass immer alles besprochen wurde, wenn sie nicht dabei war. Sie steckten immerhin alle gemeinsam in der Sache drin, ob sie nun wollten oder nicht. Und da gehörte es sich seiner Meinung nach auch, dass Probleme gemeinsam beredet wurden, oder wenigstens jeder davon wusste.
    Irgendwann wurde ihm das grimmige und wütende Gesicht des Herzogs dann aber doch zu viel und Theic tat es Jaris gleich und legte sich auf den Rücken. Eigentlich besaßen sie ja diesen Wagen, in dem sie auch hätten schlafen können, aber Theic wollte nicht als einziger hineingehen. Außerdem war es sicher keine gute Idee, den verletzten Jaris mit dem Soldaten und Zacharas zurück zu lassen.
    Zu faul ein Lager aufzuschlagen war er jedoch auch, weshalb er sich mit dem nackten Boden und einer einfachen Decke zufrieden gab.
    Er lag noch eine ganze Weile wach, bevor er dann letztendlich dank der entstandenen Ruhe einschlief.
    Die Nacht war jedoch lang und wenig von Schlaf erfüllt. Immer wieder wachte Theic. Zwar rechnete er mit keinem Angriff der Banditen, aber wegen den Anschuldigungen der Schauleute waren ihm ebenjene nicht mehr geheuer. Immer wieder schossen ihm irgendwelche Szenarien in den Kopf, die ihn wachrüttelten. Insgeheim hoffte er, Eisenfurt bald zu erreichen und somit nicht mehr mit ihnen mitreisen zu müssen.

    Müde hing er am nächsten Morgen im Sattel seines Pferdes und trottete neben dem Wagen her. Sie bildeten erneut das Schlusslicht, wie schon am Tag zuvor. Von den Schauleuten wollte keiner mehr etwas mit ihnen zu tun haben. Sie wurden regelrecht ignoriert. Hätte Jaris sie bei Sonnenaufgang nicht alle geweckt, wären die Zirkusleute wohl sogar ohne sie weitergezogen, denn keiner von ihnen glaubte, dass sie sich die Mühe gemacht und sie aus dem Schlaf geholt hätten.
    „Wollen wir tauschen?“, fragte Thyra. Besorgt musterte sie ihn. Sie musste bemerkt haben, dass er heute mehr als sonst auf dem Rücken des Pferdes herumrutschte, als sonst. Weil sich ab und an seine Augen vor Müdigkeit schlossen, musste er stark aufpassen, nicht einfach runter zu fallen. Glücklicherweise hielt die Stute die Richtung von allein und folgte brav dem Wagen.
    „Geht schon“, meinte er nur zurück und lächelte Thyra kurz an. Diese saß neben Jaris auf dem Kutschbock und lenkte das Gespann hinter den anderen Kutschen her.
    Aras ritt auf der anderen Seite und der Soldat hinter Theic. Gerade letzteres beunruhigte ihn zunehmend. Er konnte den stechenden Blick in seinem Nacken fühlen, doch jedes Mal, wenn er sich umdrehte wurde er mit einem freundlichen Lächeln begrüßt. Ein Umstand, der ihm den Mann nicht unbedingt sympathischer machte.
    „Sicher? Du wirkst, als würdest du gleich einschlafen“, stellte Thyra fest. Genauso war es auch, aber das würde sich nicht ändern, wenn er stattdessen auf dem Kutschbock saß. Er müsste den Wagen lenken, da Jaris nur bedingt die Zügel halten konnte und das würde die Situation nicht verbessern. Im Gegenteil, dann müsste er noch mehr aufpassen, wohin er ritt.
    „Er sagte doch, es ist okay, also lass ihn!“, knurrte Aras von der anderen Seite. Thyra verdrehte in Theicals Richtung die Augen, bevor sie sich wieder nach vorn wandte. Auch unter ihren Augen war ein dunkler Schatten zu erkennen, was wohl auch der Grund war, weshalb sie sich auf keine verbale Keilerei mit dem Herzog einließ.
    „Die Landschaft verändert sich langsam“, bemerkte Jaris. Tatsächlich gab es immer mehr ebene Grasausläufer, die sich bis zum Horizont zogen. Berge, oder Hügel sah man Meilenweit keinen mehr und auch an Bäumen mangelte es zunehmend. Alles passte sich der segnenden Hitze an, die sie schon seit den frühen Morgenstunden erbarmungslos quälte.
    „Eisenfurt kann nicht mehr weit sein.“ Zacharas sah in die Ferne. Sein Blick hatte etwas Undefinierbares. Es war schwer zu sagen, ob er sich über diese Aussicht freute, oder doch eher nicht. Auch Theic wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Eine Stadt zu betreten war in ihrer Situation sicher nicht das Klügste. Auf der anderen Seite hieß es aber auch, dass man unter vielen Menschen weniger auffiel, weil sich keiner für den jeweils anderen interessiert. Mit Zacharas an ihrer Seite würde dies aber wohl nicht aufgehen. Er würde sicher auch dort bekannt sein, wie ein bunter Hund.

    Entgegen Zacharas Vermutung zog sich der Weg noch einen ganzen Tag. Erst am Abend konnten sie aus der Ferne eine größere Stadt ausmachen. Im späten Licht schimmerte die Stadt leicht rötlich.
    „Wir sind da“, meinte Aras. „Das ist Eisenfurt.“
    Während sie sich der Stadt näherten schienen die Schauleute immer mehr zu beschleunigen, denn ihre Wagen entfernten sich zunehmend immer weiter. Doch das störte die nun nicht mehr. Ein vorläufiges Ziel hatten sie erreicht und sie brauchten die Zirkusartisten nun nicht mehr.
    Kurz vor dem großen Tor, das den Eingang in die Stadt markierte, zog sich Aras seine Kapuze über den Kopf. Mit strenger Stimme befahl er allen es ihm gleich zu tun. Besser war es sicher, wobei sich Theic nicht sicher war, was mehr auffiel, ihre Gesichter, die die Soldaten eventuell auf Steckbriefen gesehen hatten, oder aber Fremde, die Kapuzen über ihren Köpfen trugen. Trotz der Bedenken zog er sich den Stoff bis ins Gesicht. So bestand immerhin noch die Chance, dass sie überhaupt in die Stadt kamen.
    Am Stadttor holten sie die Schauleute schließlich wieder ein. Diese warteten geduldig in einer Riehe, während Wilkins mit den beiden Wachen sprach. Der Dicke gestikulierte etwas mit den Händen und zeigte zum Schluss sogar auf ihre kleine Gruppe. Für einen kurzen Moment glaubte Theical, dass er sie eben verpfiffen hatte, doch dann nickten die Soldaten und wiesen sie alle an, das Tor zu queren. Die Wagenkolonne setzte sich wieder in Bewegung und gemeinsam mit ihnen, fuhren sie in das Innere der Stadt.

  • Mit ins Gesicht gezogener Kapuze saß sie neben Jaris auf dem Kutschbock.
    Thyra hatte die auffällige Jacke aus Wolfsfell gegen einen normalen Umhang getauscht, den Jaris ihr geliehen hatte. Der Wolfskopf an ihrer Jacke war mehr als auffällig.
    Langsam setzten sich die Pferde in Gang und trabten in die Stadt. Als sie aus Sichtweite des Stadttores und somit auch außerhalb der Sichtweite der Wachen waren, löste sich Wilkin aus der Gruppe Gauklern vor ihnen. Mit finstrem Gesicht kam er auf sie zu. Thyra hielt den Wagen an, als der Schausteller auf sie zuhielt.
    "Verpisst euch. Lasst euch hier nicht wieder blicken. Von mir aus behaltet den Wagen, für uns ist er nur Ballast. Sterbt einen grausamen Tod", sagte Wilkin trocken, aber toternst.
    Obwohl Thyra seinen Ärger berechtigt fand, wenn auch fälschlich, fand sie seine Reaktion völlig überzogen. Da er ihnen aber den Wagen überlassen hatte konnte sie die bissige Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, gerade noch herunter schlucken - im Gegensatz zu Aras: "Was erdreistest du dich, du ekliger Schausteller?!"
    "Lass gut sein", unterbrach Thyra ihn müde. "Sei einfach dankbar für den Wagen und lass uns eine Taverne suchen."
    "Was willst du kleine Jägerin mir schon sagen?! Ich werde dich zerquetschten wie eine Fliege!", brauste Aras auf. Die letzten Tage schienen auch an ihm nicht spurlos vorüber gegangen zu sein.
    Thyra merkte wie Theic ihr prüfend ins Gesicht sah. "Seid nicht böse, Aras. Wenn sie Hunger hat wird sie immer unausstehlich."
    Jaris lachte leise und schnalzte mit der Zunge, sodass sich die Pferde wieder in Bewegung setzten und die Diskussion damit beendet war.

    Die Straßen durch sie den Wagen lenkte waren breit und mit Kopfsteinpflaster befestigt. Die Gebäude, die die Straßen säumten ragten meist zwei- oder dreistöckig in die Nachtdämmerung auf. Die Fenster waren zwar erhellt, strahlten aber dennoch nichts einladendes aus. In dieser Stadt war Thyra mehr als bewusst, dass sie nur Fremde waren. Sie schien alles abzustoßen was nicht zu ihr gehörte, aber vielleicht bildeten sich dieses Phänomen ihre übermüdeten Sinne auch nur ein. Sie warf einen Blick auf ihre Begleiter. Alle schienen sich nicht wirklich wohl in ihrer Haut zu fühlen. Aras versuchte ruhig zu wirken, aber seine Augen ruckten immer wieder umher und verirrten sich zu Thyra, Theic und Jaris. Daraus schloss Thyra, dass Aras weniger Unbehagen gegen die Stadt verspürte, so wie sie selbst, sondern etwas vor ihnen verbergen wollte. Sie fragte sich, wann der Herzog verstehen würde, dass die ganze Unternehmung nur erfolgreich sein würde, wenn sie als Team zusammen arbeiteten.
    Plötzlich brachtr Jaris den Wagen zum Stehen. Thyra fand es immer verwirrend, wie er die Pferde beeinflussen konnte, obwohl sie die Zügel hielt. Sie hatten wohl einfach nie einen festen Herrn gehabt.
    Die Jägerin warf ihren braunen Zopf über die Schulter und sah auf.
    Vor ihnen baumelte quietschend ein metallenes Schild: Der Klabautermann. Was sollte das denn? Sie näherte sich einer Wüste und die Absteige hieß Der Klabautermann? Ihr knurrender Magen vertrieb die Überlegung und Aras sagte: "Ich gehe rein und frage wo wir Wagen und Pferde abstellen können."

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • "Ihr geht dort nicht hinein, Aras", warf Jaris sofort ein und sprang auf. "Wer weiß, ob Ihr hier nicht vielleicht auch gesucht seid."

    "Ich war hier schon mal unterwegs, Jaris. Ich weiß sehr wohl, was hier vorgeht und wo wir sicher sind." Gemütlich schlenderte er Richtung Tür und wollte sie gerade öffnen, da klinkte sich Thyra mit ein. "Jaris hat recht. Wer weiß, ob Wilkin den Wachen nicht doch etwas gesagt hat und wir nun unter Beobachtung stehen..."
    Augenrollend erwiderte er: "Die Wachen sind mir sowas von egal! Viel mehr machen solche Angsthasen wie ihr mir das Leben hier schwer."

    "Wir sind gar keine...", brauste Thyra auf, wurde dann aber sofort ganz leise, als sie bemerkte, dass einige Leute zu ihnen rüber schauten, "Angsthasen, Aras."
    "Und warum flüstert Ihr da nun?"

    Sie deutete auf die Leute hin und stieg langsam vom Kutschbock ab, um zu ihm zu gehen. Er kam ihr entgegen und flüsterte ihr ins Ohr: "Die schauen nur, weil die denken, wir sind Schauleute und würden ihnen was vorführen."
    "Trotzdem solltet Ihr nicht dort hineingehen, Aras."
    "Und wer soll sonst hineingehen, wenn nicht ich? Ihr etwa, oder Jaris?" Sein Blick schweifte nebenbei über die Straße und bei den vielen Menschen vorbei. Am liebsten hätte er ihnen nun die Meinung gegeigt, weil er fest davon überzeugt war, dass mindestens eine Person dabei war, die ihn wiedererkannte und ihm die Sache mit den Klosterschwestern übelnahm. Aber andererseits wollte er das vor den anderen verheimlichen, weil er keinen Grund sah, es ihnen zu erzählen, solange noch nicht feststand, was seine Vermutung nach dem Gespräch mit Liranda war.

    "Lasst mich hineingehen", sprach Theical. "Von uns allen kenne ich mich vermutlich am besten mit solchen Orten aus. Auch wenn ich nicht weiß, warum es Der Klabautermann heißt, wo hier doch nirgends die See zu sehen ist..."
    "Der Klabautermann muss doch nicht gleich mit einem Hafen in Verbindung stehen, Theical", erwiderte Zacharas und stieß sich leicht den Handballen vor die Stirn. "Schon mal an Wüstenschiffe gedacht? Sandwellen? Oder vielleicht ist dort ein Klabautermann zuhause."
    "Das glaube ich nicht, dass ein Seemannskobold dort drinnen haust", meinte Jaris spöttelnd. "Aber der Vorschlag von Theic ist gar nicht so verkehrt. Ich finde, er sollte nachfragen. Theical wurde bis jetzt nicht gerade viel zugetraut und das wäre doch eine gute Gelegenheit dafür."
    "Aber ich finde, dass Theical eben zu nichts zu gebrauchen ist!", beharrte Aras auf seine anfängliche Meinung. "Und dass er am meisten Erfahrung mit solchen Lokalen hat, will ich auch gar nicht bestreiten, weil es sowieso viel zu offensichtlich ist..."

    "Was soll das jetzt schon wieder bedeuten?", murrte der kleine Mann und stampfte wütend an Aras vorbei zur Tür hin. "Ich werde Euch schon zeigen, was ich alles kann."

    "Ich kenne Gerisa sehr gut. Und von daher weiß ich auch, was es dort für Abschaum und Gesindel gibt. Von den Saufhäusern und deren Stammkunden ganz zu schweigen! Aber bitteschön, wenn Ihr meint, Ihr könnt das..." Aras machte ihm Platz und öffnete sogar die Tür für ihn. "Ihr könnt ja gleich mal nachfragen, warum es Der Klabautermann heißt."

    Als Theical hineingegangen war, wandte sich der Lord wieder den anderen beiden und Regar zu, der stillschweigend mit anwesend war und immer mehr nur zu schmucklosem Beiwerk geworden war. Er wurde immer nutzloser in Aras´ Augen und schien auch immer weniger Interesse an seiner Stellung gehabt zu haben. "Eigentlich könnte ich ihn auch genauso gut entlassen. Mal sehen, ob sich Liranda nochmal blicken lässt und wie es um das Kloster nun steht. Mit etwas Glück darf er sein Vertrauen zurückgewinnen."

    "Habt ihr irgendwas vor, hier in Eisenfurt?", fragte er die beiden, worauf sie sehr verwundert schauten. Es war auch eine ungewohnte Reaktion von Aras, andere Leute nach deren Interessen zu befragen. Und in diesem Fall war es sogar ernst gemeint. Er wusste schließlich, dass bis zur Wüste vielleicht nur noch zwei oder drei kleine Orte kämen, die nicht der Rede wert waren. Dies hier war die einzige Stadt vor der Dariswüste. Und sie brauchten noch Proviant, eventuell eine Landkarte und vor allem viel Wasser. Die Wüste ist heiß und trocken. Selbst dem Lord grauste es davor. Wer wusste schon, was für Gefahren dort lauern würden und wie weit der Weg bis nach Haemotsu war?

    "Nun sagt schon, habt ihr noch was vor in Eisenfurt?"

  • Eine Türglocke bimmelte, als Jaris den Laden verließ. Der Händler war so entzückt darüber gewesen Profit machen zu können, dass er noch nicht einmal versucht hatte sie von ihrem Vorhaben, in die Wüste zu reiten, abzubringen. Ein paar Männer würden die Vorräte in ihren Wagen laden. Bezahlen würden sie dann. Er trat hinein in das Gedränge auf dem Marktplatz. Die Leute wichen ihm aus, aber trotzdem war die Enge beklemmend. Um ihn herum priesen Händler ihre Waren an. Es gab gegrilltes Fleisch, Früchte, Kleidung und ähnliches. Jaris trat an einen der Stände und zahlte ein paar Münzen für einen Apfel. Als er ihn entgegennahm spürte er plötzlich eine Hand auf der Schulter. "Jaris du Taugenichts", tönte eine tiefe kehlige Stimme hinter ihm. Jaris wandte sich um und blickte in ein vernarbtes Gesicht, dass einem älterem Mann gehörte. Seine Haare waren grau und zerfranst und in seinen Augen lag ein tükisches Flimmern, das Jaris nur allzu vertraut war. "Ewin?", antwortete er überrascht, "Was treibt dich denn hierher?" Ewin hob die Augenbraue. "Ich erledige hier einen Auftrag", sagte er nichtssagend, "Die Frage ist viel eher, was machst du hier? Und was ist mit deinem Arm." "Ich bin die Leibwache eines Lords und das waren Banditen", antwortete Jaris. Ewin sah ihn bewundernd an. "Sie an", sagte er, "Der Junge der unser Lager verlassen hat ist also erwachsen geworden." Jaris musste lächeln. Ewin war bereits ein alter Mann gewesen, als Jaris zu den Söldnern gestoßen war. Er hatte ihn immer in Schutz genommen vor denen, die meinten ein Kind wäre nicht gut genug für ein Söldnerlager. "Worin genau besteht denn dein Auftrag denn?", fragte Jaris, in der Hoffnung Ewin hätte vielleicht bereits ein paar Kontakte geknüpft die auch ihnen helfen könnten. "Wie es aussieht", antwortete Ewin und sein Lächeln verblasste, als hätte er sich an etwas unangenehmes erinnert, "Bin ich hier um einen Lord zu töten." Mit diesen Worten zog der alte Söldner sein Schwert und hieb noch währenddessen damit nach seinem Gegenüber. Nur die Reflexe, die er über Jahre hinweg gebildet hatte, bewahrten Jaris davor aufgeschlitzt zu werden. Ein Sprung zurück brachte ihn vorerst außer Reichweite und mehr aus Routine als bewusst zog er seine eigene Klinge. Stahl und Diamor trafen auf Stahl und das Klingen hallte über den gesamten Platz. Um sie herum sprangen Leute aus dem Weg und Schreie ertönten, als sie einen tödlichen Tanz begangen. Jaris schlug einen Angriff beiseite, täuschte einen eigenen von links an und wechselte dann in letzter Sekunde die Richtung. Er hätte seinen Gegner getroffen, wäre dieser nicht bereits zurückgesprungen um eine eigene Finte zu versuchen. So trieben sie sich hin und her. Jaris war jünger und schneller, doch Ewin war dafür erfahrener. Außerdem war da der linke Arm, der nutzlos in seiner Schlinge baumelte und bei jeder Erschütterung eines Schlages Wellen des Schmerz durch seinen Körper schickte. Natürlich hätte Jaris seine Magie zuhilfe nehmen können, doch Ewin kannte diese und wusste auch, dass er sich kurz davor auf sie konzentrieren musste. Auf diese Ablenkung vom Kampf wartete der alte Mann doch nur. Die Menschenmengen wich immer weiter, bis es sich anfühlte, als wären sie allein in der Stadt. "Ich muss das hier beenden", schoss es Jaris durch den Kopf, "Schnell." Noch waren sie durch die Massenpanik in gewisser Weise geschützt, doch in Kürze würden die Stadtwachen einen Weg durch die Menge gefunden haben und dann wäre Jaris kaum mehr in der Lage die anderen zu warnen. Außerdem hatte er wenig Lust wieder ins Gefängnis zu wandern. Vorausgesetzt er überlebte diesen Kampf überhaupt. Ewin schien den Zeitdruck ebenfalls zu spüren und ihrer beiden Angriffe wurden wilder. Jaris schlug zu, Ewin parierte, Ewin versuchte ihn mit einem Hieb von der Seite aus der Fassung zu bringen, Jaris duckte sich und ließ die Schneide die Luft über seinem Kopf durchschneiden. Er führte sogleich sein Schwert von unten nach oben, doch Ewin sprang abermals zurück und stach zu. In letzter Sekunde drehte Jaris seinen Körper zu Seite, so dass die Klinge an ihm vorbei fuhr und schlug mit dem Ellenbogen auf Ewins Schwerthand ein. Die Finger um den Griff lösten sich und die Waffe fiel klirrend zu Boden. Ewins Augen weiteten sich überrascht und ein Hauch von Genugtuung durchströmte Jaris, als er seine Klinge an den Hals des alten Mannes setzte. "Es... es tut mir leid", sagte der nach ein paar Sekunden, "Aber ich hatte und habe einen Auftrag." Die Nachricht war klar. Er würde nicht aufhören. Söldnerehre war das wichtigste für die meisten ihres Schlages. Nach dem Geld natürlich. Jaris stand unschlüssig da. Eine Sekunde. Zwei Sekunden. Dann nahm er sein Schwert herunter, wandte sich um und lief. Die Menschen wichen ihm immer noch auch. Ein zwei Wachen, die versuchten herauszufinden, was die Leute so in Panik versetzt hatte runzelten bei seinem Anblick die Stirn, doch niemand lief ihm nach. In seinem Inneren tummelten sich Wut, Unverständnis und Verzweiflung, doch die Enttäuschung überwog. Er hätte niemals gedacht, dass Ewin ihn so verraten würde. Andere seiner "Söldnerbrüder" vielleicht, aber Ewin? Nein. Er hätte schreien mögen. Nach wenigen Minuten nur erreichte er Zacharas, der am Wagen stand und den Männern, die bereits mit der Beladung des Wagens begonnen hatten, herrische Anweisungen gab. Als er Jaris erblickte, musterte er missbilligend das gezogene Schwert. "Steckt das weg", wies er ihn an, "Es erregt nur..." "Geh in die Taverne", unterbrach Jaris ihn, "Wir dürfen auf der Straße nicht gesehen werden. Die Tatsache, dass du noch lebt, zeigt immerhin, dass sie euch andere noch nicht gefunden haben." Ewin hatte bestimmt nicht alleine gearbeitet und jetzt da er Jaris gefunden hatte - er musste ihn auf der Zeichnung erkannt haben - konnte er sich wohl denken, dass Zacharas ganz in der Nähe war. "Redet nicht in einem solchen Ton mit mir", regte sich der Herzog auf. "Geht zu Theical und lasst euch von dem Wirt ein Zimmer geben. Dann wartet ihr dort. Ich suche Thyra und komme mit ihr nach", riet Jaris ihm eindringlich und ignorierte die Einsprüche des Herzogs. Für Streitereien war jetzt keine Zeit. Sie würden Zacharas zufolge wohl einige Tage in der Stadt bleiben müssen und das hieß, dass sie vorsichtig sein mussten. Zum Glück war die Stadt groß genug um sich verstecken zu können, doch dies würde nicht gelingen, wenn Zacharas für jeden sichtbar auf der Straße herumstolzierte, als wäre er der Stadtherr und kein Flüchtling. Sie würden Tagsüber auf dem Zimmer bleiben müssen und nur in der Nacht herauskommen, wenn die Straßen überschaubar wären. Unter keinen Umständen dürften sie länger hier verweilen, da Ewin gesehen hatte in welche Richtung Jaris gegangen war. "Ihr müsst mir jetzt vertrauen", wies er den Herzog an und drehte sich um. Thyra war auch auf den Bildern zu sehen gewesen und auch wenn Ewin und seine Mithelfer sie nicht auf Anhieb erkennen würden wie Jaris, so war sie doch in Gefahr. Er musste sie schnellstmöglich finden.

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    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Theic genoss die Atmosphäre der Taverne um sich herum. Zwar war es unerträglich laut und irgendwo stritten sich ein paar Männer um etwas Geld. Nicht mehr lang und der Streit würde wohl in einer handfesten Prügelei ausarten.
    Aber einmal abgesehen von dem Gestank und der Unruhe tat es gut, wieder einmal für sich allein zu sein und nicht unter der Beobachtung von einem der anderen zu stehen. Wie von Zacharas gewünscht, hatte er gefragt, wo sie die Pferde und den Wagen abstellen konnten. Danach hatten sie noch gemeinsam den Wagen in den Hinterhof der Taverne gefahren. Und die Pferde sicher in den Stall gebracht. Ein Stallknabe hatte ihnen die Tiere abgenommen und wollte sich darum kümmern. Jaris war daraufhin aufgebrochen, um einige Vorräte zu besorgen und da Zacharas die Gesellschaft im Gasthaus zu unwürdig war, hatte er es vorgezogen mit seiner Leibwache mitzugehen. Ob dem noch immer so war, konnte Theic nicht beurteilen, aber das war ihm auch egal.
    Thyra war ebenfalls losgezogen, um sich noch ein wenig die Füße zu vertreten und sich die Stadt näher anzusehen. Theic empfand es jedoch als keine gute Idee, durch die Stadt zu ziehen, wenn sie doch alle steckbrieflich gesucht wurden, weshalb er als einziger zurückgeblieben war. Wo Regar steckte wusste er nicht und das war im Moment das einzige, dass ihm Sorgen bereitete. Aber wahrscheinlich tänzelte der Soldat um Zacharas herum. Schließlich war es nach allem immer noch seine Aufgabe, ein Auge auf ihn zu werfen.
    Er nahm einen Schluck von seinem Humpen und stellte den leeren Krug dann auf dem Tresen ab. Das Bier war nicht einmal so schlimm, wie er bei einem Schuppen, der sich der Klabautermann nannte, zuerst geglaubt hatte. Er hatte den Wirt wirklich gefragt, wie das Gasthaus zu seinem Namen gekommen war. Freundlich hatte ihm dieser erzählt, dass er früher einmal zur See gefahren war, er sich aber wegen seiner großen Liebe hier her zurückgezogen hatte. Wie man nun vom Meer, bis beinahe an den Rand der Wüste kam, war Theic zwar schleierhaft, aber jedem wie es ihm bliebt.


    Hinter ihm räusperte sich jemand. Theic drehte sich um und blickte in das genervte Gesicht Aras‘. Täuschte er sich, oder wirkte der Herzog noch brummiger, als sonst? War schon wieder etwas vorgefallen, von dem er wissen musste?
    „Hast du die Zimmerschlüssel?“, fragte er mit einem Unterton, der ihm verriet, dass Zacharas nicht daran glaubte. Kein Wunder, der Herzog traute ihm schließlich nichts zu. Gerade deshalb bereitete es ihm eine Schadenfreude, dass er Aras das Gegenteil beweisen konnte. Mit einem frechen Grinsen im Gesicht nickte er mit dem Kopf und schwenkte dann einen Schlüssel vor den Augen des Herzogs.
    „Allerdings haben wir ein Problem“, meinte er und warf Aras den Schlüssel zu. Dieser fing ihn elegant auf, als habe er damit gerechnet. Grummelnd schnaufte er dabei jedoch und sah Theical grimmig an.
    „Was da wäre?“, zischte er hinter zusammengebissenen Zähnen.
    „Die Taverne ist voll und es waren nur noch zwei Zimmer übrig. Ihr müsst Euch Euer Zimmer also mit einem von uns teilen.“ Ein wirkliches Problem war das nicht, aber mittlerweile wusste er, wie leicht Zacharas aus einer Mücke einen Elefanten machen konnte.
    Der Herzog sah sich kurz grimmig in der Taverne um und schien nachzudenken.
    „Ich werde mir mit keinem von euch mein Zimmer teilen! Irgendwann benötige auch ich einmal meine Ruhe. Mir ist egal, wie ihr es anstellt, aber ihr könnt euch auch zu viert ein Zimmer teilen.“ Er warf noch einen Blick durch die Taverne und verließ dann den Schankraum durch die Tür zu den Gasträumen. Dabei murmelte er leise etwas vor sich hin, was klang wie: „Langsam glaube ich, hier wird ignoriert, wer der Herzog ist und wer die Untergebenen sind.“
    Theic wartete, bis Zacharas verschwunden war, dann drehte er sich zurück an den Tresen.
    „Immer wieder ein Vergnügen“,
    murrte er leise und bestellt bei dem Wirt einen neuen Krug. Zu dritt in einem Zimmer zu schlafen, wo nur zwei Betten standen, war schon schwer, aber zu viert? Na ihnen würde schon etwas einfallen.

  • Thyra streifte gerade über den großen Marktplatz. Dank dem Geld, dass sie und Theic von dem Lord für das letzte Stück Karte bekommen hatte, hatte sie viele nützliche Sachen erstehen können. Sie hatte mir Jaris zwar ausgemacht, dass er sich um die Vorräte kümmern sollte, weil er am besten wusste, was sie benötigen würde und was der Lord ihm in Auftrag gegeben hatte, dennoch hatte sie bei einem Schmied einige neue Pfeilspitzen, bei einem Vogelhändler neue Falken- und Taubenfedern und bei einer Frau die neben Weidenkörben auch gerade Stöcke handelte neue Schafte für weitere Pfeile erstanden. Sie würde die Stöcke zwar noch bearbeiten und die Einzelteile zusammensetzen müssen, doch Pfeile aus eigener Hand waren besser, als die gekauften.
    Des Weiteren waren Feuersteine, sauberes Leinen, Nadel und Faden, kleinere Stoffreste, ein Töpfchen mit Kräutersalbe, Drachenflügel - ein Kraut das Schmerzen linderte und aus dem sie Jaris einen Tee kochen wollte, sowie eine kleine Ratte für Theic in ihren Besitz übergegangen. Sie wusste nicht genau warum sie die Ratte erworben hatte. Das Tier hatte ihr Leid getan. Sie sah in ihrem kleinen Käfig zerfleddert aus und schien großen Hunger zu haben. Für zwei Kupfergroschen hatte der Händler ihr auch ein wenig Futter für das arme Tier überlassen. Auf jeden Fall wollte sie die Ratte Theic schenken. Vielleicht konnte er etwas damit anfangen und wenn nicht konnte er sie immer noch frei lassen. Sie hoffte, dass Sari sie nicht als potentielle Beute ansah.
    Mit dem Käfig in den Armen, einem prall gefüllten Beutel am Gürtel und bester Laune schlenderte sie über den großen Markt und sog seine Geräusche und Gerüche in sich auf. Der erste Eindruck der Stadt schien getäuscht zu haben. Es war eine Stadt wie jede andere in der ehrliche Fremde durchaus geschätzt wurden. Wahrscheinlich hatte es an der Düsternis der hohen Häuser gelegen, dass sie sich unwohl gefühlt hatte. Sie war aus den Bergen freies Land und weite Sicht gewöhnt.
    Gerade als sie vor einem Stand anhielt und sich Ohrringe besah - unpraktisch, aber schön anzusehen - spürte sie wie jemand ihr auf die Schulter klopfte. Sie zuckte zusammen und ließ beinahe den Käfig mit der armen Ratte fallen, als sie herum fuhr.
    Ehe sie den Mund aufklappen konnte, erkannte sie Jaris in dessen Augen pure Hektik geschrieben war.
    "Was ist denn los?", fragte sie und schluckte den Fluch, der ihr auf der Zunge gelegen hatte hinunter.
    "Wir müssen weg. Jetzt. Aras meinte wir sollen einige Tage bleiben, aber ich schätze das können wir uns nicht leisten", antwortete Jaris. Thyra wurde nicht wirklich schlau aus seinem Gerede, aber als Jaris sie mit seinem gesunden Arm am Ellbogen packte, stolperte sie ihm einfach hinterher durch das dichte Gedränge.
    "Was zum Henker?", versuchte sie es erneut. An Jaris Augen, die wild über die Köpfe der Menschen irrten, erkannte sie, dass sie nach jemandem Ausschau hielt.
    "Nicht jetzt! Weiter!" Unerbittlich zerrte sie der Krieger weiter, bis er plötzlich stehen blieb und sie fast in ihn hinein gerannt wäre.
    Aufmerksam sah sie sich um und erkannte fünf Gestalten, die sich ihnen versuchten unauffällig zu nähern, doch Jaris geschultes Auge hatte die Gleichheit ihrer Aufmachung erkannt. Alle trugen dunkelbraune Mäntel und dunkle Kleidung. Unter einem der Umhänge blitzte der polierte Griff eines Dolches. Thyra fluchte innerlich, weil sie Iorweth in der Taverne zurück gelassen hatte.
    "Scheiße, Jaris! Was ist hier los?"
    "Kopfgeldjäger", antwortete er durch zusammengepresste Zähne. Mehr brauchte er nicht zu sagen, damit Thyra verstand. Erschrocken sah sie sich um.
    "Komm!", flüsterte Jaris und sie folgte ihm schnellst möglich in eine Gasse, die vom Marktplatz wegführte. Sie hatte keinen Schimmer was Jaris vorhatte. In der Menge wären sie einigermaßen sicher gewesen und zurück in das Gasthaus konnten sie nicht, wenn sie die Söldner nicht zu Theic und Aras führen wollten.
    Solbald sich das Gedränge lichtete begannen die beiden zu rennen. Immer tiefer in die Gassen der Stadt. Sie bogen an jeder Kreuzung ab, in der Hoffnung die Verfolger anhängen zu können. Obwohl Thyra einen ausgezeichneten Orientierungssinn hatte, wusste sie schon bald nicht mehr wo sie waren, anders als Jaris wie es schien. Zielsicher bahnte er sich einen Weg durch die Straßen, bis sie plötzlich in eine Sackgasse liefen. Die Wand vor ihnen schien die Stadtmauer zu sein, denn etwa drei Meter über ihren Köpfen entdeckten die ein großes, quadratisches Fenster, dass auch zur später Stunde Tageslicht ins Innere der Stadt lassen sollte.
    "Verdammt!", fluchten Thyra und Jaris wie aus einem Munde, fuhren herum und sahen sich den fünf Gestalten gegenüber. Sie kamen langsam näher und Thyra wich Seite an Seite mit Jaris Schritt um Schritt zurück, bis sie die kalte Mauer im Rücken spürten. Verkrampft presste sie den Rattenkäfig vor ihre Brust. Das arme Tier musste völlig durchgeschüttelt sein. Trotzig hob sie das Kinn und musterte ihre Verfolger.
    "Jetzt haben wir euch. Eure Köpfe sind ein nettes Sümmchen wert", grinste der eine. Bei dem Anblick seiner Zähne kam es Thyra unwillkürlich hoch.
    "Verschwindet!", rief Jaris und stellte sich versetzt vor Thyra.
    "Vor dir haben wir keine Angst mehr, altes Haus. Sieh dich doch an. Dein Arm gebrochen und von einem Lord gezähmt", spottete der Sprecher. Wütend trat Thyra einen Schritt vor und spuckte dem Mann vor die Füße. "Lieber einen gebrochenen Arm als keine Ehre!"
    "Seht, seht!" Schallendes Gelächter brach unter den Männern aus. "Die Kleine will spielen."
    Schneller als Thyra reagieren konnte trat der Mann einen Schritt vor, riss sie zu sie heran und presste sie an sich. Bei seinem Geruch musste Thyra würgen und Angst raste durch ihre Eingeweide, sodass ihr Atem nur noch flach und stoßweise ging. Sie hatte den Käfig fallen lassen und die Ratte quiekte protestierend.
    "Lass sie los!", brüllte Jaris und wirkte einen Zauber, der den Mann von Thyra zurückwarf. Erleichtert taumelte sie zurück, wandte den Blick jedoch nicht von ihren Verfolgern.
    "Es wird Zeit dieses Spielchen zu beenden", sagte der Mann und alle fünf stürzten sich gleichzeitig auf sie. Sie wehrten sich nach Kräften, doch auch Jaris Zauber und sein Schwert in der falschen Hand konnten nichts ausrichten und so dauerte es nicht lange bis Thyra mit blutender Lippe und blauem Auge vor den Männern kniete. Jaris stand neben ihr, zwei Männer hielten ihn fest und sein Brüllen verriet nicht nur Zorn, sondern auch Schmerz. Sie wandte den Blick und sah, dass die Männer Jaris gebrochenen Arm malträtierten.
    "So und bevor wir dich erlösen, wirst du uns allen einen kleinen Gefallen tun", sagte der Mann, packte ihren Zopf und riss ihren Kopf nach hinten. Ihr Blick fiel so auf das Loch in der Mauer und sie grinste verwegen. Als sie ihren Blick wieder senkte, sah sie den Mann an seinem Gürtel nesteln. Ekel überkam sie, als er sie grimmig musterte. Dennoch nahm sie allen Mut zusammen.
    "Ich wüsste nicht welchen Gefallen ich euch tun sollte. In eurer Hose ist doch nichts von Bedeutung", grinste Thyra frech und stieß einen schallenden Pfiff aus. Die Ohrfeige, die sie traf war so hart, dass sie auf dem Boden aufschlug.
    "Thyra!", rief Jaris, doch die Männer hielten ihn zurück und als er sich wehrte, schlugen sie ihm auf den Arm. Keuchend blieb er stehen.
    Wütend schaute der Söldner auf Thyra herunter, als er sie erneut packte. "Komm her du kleine Sch-" Wildes Knurren unterbrach ihn in seinen Beleidigungen. Durch das Fenster über ihren Köpfen schoss ein silbergrauer Schatten und grub seine Zähne in das Gesicht des Mannes, der Thyra bedroht hatte. Ehe die anderen Männer verstanden was los war, hatte Fenrir schon zwei weitere von ihnen gerissen. Einer der Söldner holte geistesgegenwärtig seinen Dolch hervor um Jaris zu töten, doch dieser entwand sich mit neuem Mut seinem Griff und schlug ihn mit der Handkante am Hals nieder. Der Letzte bekam den geschwungenen Rattenkäfig am Hinterkopf zu spüren. Seine Augen rollten sich nach hinten und er klappte lautlos zusammen. Thyra fühlte seinen Puls. Er war tot. Erschrocken starrte sie den Mann an. Sie hatte noch nie getötet, aber der Gedanke daran, was er mit ihr gemacht hätte vertrieb die Gedanken an Schuld.
    Fenrir zog zornig seine blutigen Lefzen zurück und knurrte noch immer wild.
    "Alles gut, Fenrir", versuchte Thyra ihn zu beruhigen, stad auf und ging auf den Wolf zu. "Das waren alle." Sie ließ sich auf die Knie fallen und umarmte den Wolf. "Danke", flüsterte sie mit Tränen erstickter Stimme.
    "Was zum Henker?", entfuhr es Jaris, der in respektvollem Abstand zu den beiden stand. Sein Arm in der Schlinge sah wieder schief aus.
    Thyra lächelte ihn an, stellte sich unter das Fenster und ließ Fenrir ihre Schultern als Hilfe zum Sprung nach draußen benutzen.
    "Wie ist er reingekommen? Was ist das gewesen? Warum hat er uns geholfen?", spudelte es aus Jaris heraus und Thyra konnte nicht umhin belustigt zu sein, den erfahrenen Krieger mal mehr oder minder sprachlos zu sehen.
    "Keine Ahnung, aber irgendwie schafft er es immer, er heißt Fenrir und er begleitet mich schon seit ich Fünfzehn bin", beantwortete sie geduldig seine Fragen. "Bitte erzähl Aras nichts von ihm." Pause. Thyra musterte Jaris und auch wenn noch weitere Fragen in seinem Blick standen schien er ihre Bitte zu akzeptieren. "Komm, wir müssen einen Arzt für deinen Arm finden", wechselte sie das Thema.
    "Nein. Ich habe einen nur bewusstlos geschlagen, vielleicht können wir mehr aus ihm heraus bekommen", wandte Jaris ein und schien seine Überraschung so schnell abgeschüttelt zu haben, wie sie gekommen war.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • "Hört zu, Zacharas", sagte Liranda und nahm auf seinem Bett platz. "Ihr müsst schnellstmöglich aus Eisenfurt verschwinden..."

    "Warum sollte ich? Was bewegt Euch dazu, mir dies zu raten?" Langsam kam er zu ihr rüber und stellte sich selbstbewusst vor sie. "Ich habe nichts Unrechtes getan, also sehe ich auch keinen Grund darin, mich zu fürchten..."
    "Wilkin vermutet, dass Ihr etwas mit dem Überfall zu tun hattet. Alle vermuten es und deshalb wollten sie euch auch loswerden. Ich dagegen vermutete es nicht, sondern wusste es. Was es aber nicht besser machte..."
    "Ich habe Euch nicht gebeten, hierherzukommen, Liranda."
    "Aber ich weiß, dass Ihr Fragen an mich habt, die es zu beantworten gilt."
    Dann streckte sie ihre offene Hand aus und starrte ihm tief in die Augen.

    "Was soll das werden?", fragte der Lord verwundert.
    "Ihr müsst mir nun ein paar Goldstücken in die Hand legen, damit ich es Euch erzähle, was Ihr wissen müsst", erwiderte sie und warf ihm ein frechen Lächeln zu.
    "Ihr wart wohl zu lange in der prallen Sonne, oder was? Keinerlei Geld werde ich Euch zahlen... Von Euch lasse ich mich noch lange nicht ausnehmen." Er zeigte zur Tür. "Raus, aber schnell!"
    Doch sie blieb weiter sitzen und machte auch keinerlei Anstalten, ein Verlassen des Raumes auch nur in Erwägung zu ziehen. Dem Lord war das zuwider, das wollte er nicht dulden. Zwar wollte er auch mit Liranda reden. Aber er ging fest davon aus, ein Gespräch kostenlos zu bekommen.
    "Ihr werdet doch wohl mal fünf Goldtaler abdrücken können, ohne sich gleich blank zu fühlen. Gebt Euch einen Ruck, dann ist es nur noch halb so schwer."

    Er griff in seine rechte Seitentasche und ließ langsam seine Hand um den Zauberstab gleiten, da hob sie die andere Hand und sagte: "Nicht alles könnt Ihr mit Eurer Magie erreichen, Zacharas."
    "Das können auch nur Frauen behaupten."
    "Wenn Ihr mich hier tötet, wird es für Euch auch nicht angenehmer."
    "Kurzzeitig schon, meine Liebste..."

    "Bis meine Leute mich suchen. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass Ihr auf jede Hilfe angewiesen seid. Also schüttelt fünf Goldstücken aus Eurem Ärmel und Ihr seid vorerst weiterhin in Sicherheit."

    Schweigen folgte. Nur sie beide und die Stille bewohnten sein Zimmer. Was konnte sie ihm schon so Wichtiges erzählen, dass es einen solch hohen Preis hatte? Oder waren dies ihre gängigen Preise? Bestimmt würde sie ihm dadurch mehr abknöpfen, als seiner Meinung nach erlaubt. Aber andererseits hatte er ja genug davon und hätte es sich auch wieder durch eine gleichsame Sache zurück ergaunern lassen.
    "Dann schicke ich Theical später mal los und lasse mir mein Geld zurückholen. Die haut mich garantiert nicht übers Ohr..."
    Er ließ von seinem Stab ab und griff in seine linke Tasche, in der sich das Geld befand.
    Eines nach dem Anderen legte er ihr das Geld auf die Hand und zählte es leise nochmals ab.
    Kaum war sie bezahlt, schnappte die Hand zurück und das Geld verschwand in ihrem Dekolleté. Eine Stelle, in der das Geld für Normalsterbliche bestimmt am sichersten war, aber dem Lord allemal einen Seufzer entlocken konnte. Er hatte Geld schon von viel schwierigeren Orten zurückgeholt.

    "Da Ihr nun bezahlt habt und mir nun hörig zu sein scheint, kann ich Euch nun auch erzählen, was Ihr wissen müsst."

    "Dann sprecht endlich, Weibsstück. Fünf Goldtaler... Da blutet einem ja das Herz..."

    Sie fuhr sich durch die Haar und legte sich anschließend mit dem Rücken aufs Bett. Der Lord schaute nicht schlecht drein, als er das sah. War dies nun eine Aufforderung, sich näher zu ihr zu gesellen, oder doch ihr noch ferner zu bleiben? Sie wollte ihn eindeutig provozieren. Aber darauf fiel er noch lange nicht rein.
    "Sprecht endlich, Liranda! Was muss ich wissen?"
    Sie drehte ihren Kopf zu ihm um und sagte: "Gerüchten zufolge, sollen es zwei Klosterschwestern überlebt haben, die nun neue Jungfrauen suchen."
    "Wie bitte? Das ist unmöglich! Ich habe eigenhändig alle getötet..."

    "Wie gesagt. Gerüchte... Sie sollen sich in der Kanalisation versteckt haben, als Ihr dort gewütet habt..."
    "Ja und? Dann gehe ich eben erneut dort hin und werde sie wieder abschlachten..."
    "Einerseits stimme ich Euch da vollkommen zu und andererseits bin ich strickt dagegen, Aras."
    "Was soll das heißen?"

    "Gerüchte verbreiten sich eben schnell, Herzog. Ebenso die Sache mit Euch und Euren Gefährten. Wenn der Orden sich wieder erhoben hat, werden sie Jagt auf Euch machen. Und wenn Ihr das unterbindet, besteht die Gefahr, dass Ihr von den Steinfurtern überführt werdet..."
    Augenblicklich klopfte es an der Tür.
    "Wer ist dort?", fragte Aras und streckte drohend seine Hand nach Liranda aus.
    "Ich bin es, Theical."
    "Was willst du?"
    "Thyra und Jaris sind zurück. Und..." Er verstummte augenblicklich. Nur noch ein tiefes Schnaufen war zu vernehmen.
    "Was und?", fragte Aras genervt. "Was wollen sie von mir?"
    "Sie haben einen Mann bei sich. Sie meinen, er weiß etwas wegen der Sache."
    "Das ist doch ein Trick von Euch, um mich aus meinem Zimmer zu locken und es dann für Euch selbst zu beanspruchen!"
    "Nein, es ist wirklich so. Ich will Euer Gästezimmer gar nicht haben, Aras... Kommt Ihr nun oder soll ich Jaris hochschicken?"
    "Schickt doch wen Ihr wollt. Ich bleibe hier oben..."
    Und dann hörte er nur noch, wie leise Schritte davon gingen. Er wartete noch kurz und wandte sich dann wieder Liranda zu, die geduldig weiterhin auf seinem Bett lag.

    "Wo waren wir stehen geblieben?"
    "Ich wollte Euch davon abraten, sie zu töten."

    "Oder mich dazu ermutigen..."
    "Das müsst Ihr entscheiden, Zacharas. Ich bin nur Weissagerin und keine Entscheiderin."

    "Aber Ihr könnt mir voraussagen, mit welcher Option ich besser wegkomme..."

    Skeptisch schaute sie ihn nun an. "Ganz ehrlich? Ihr seid echt erbärmlich! Es ist sonnenklar, dass Ihr meinen Rat sowieso ignorieren werdet und mit Freuden unschuldige Jungfrauen ermordet..."
    "Das ist nicht korrekt! Sie waren Vampirinnen. Wilde Bestien, ohne Sinn und Verstand. Ich handelte nur aus Nächstenliebe und nicht aus Rache oder Befriedigung!"
    "Das weiß ich, Herzog. Dennoch ist es moralisch sehr verwerflich, was Ihr getan habt."
    "Ich werde Frauen nicht verkommen lassen! Der Tod war eine Befreiung für sie und keine Strafe."
    "Wie man es sieht, Herzog. Ich persönlich finde, dass sie glücklich waren mit ihrer perfiden Neigung. Aber Ihr habt eben eigene Vorstellungen, wie eine Frau zu sein haben muss..."


    Erneut wurden sie unterbrochen.
    "Darf ich eintreten?", fragte die Person, welche nach Jaris klang.
    "Ihr bleibt dort draußen stehen... Ich wünsche keinen Besuch. Was wollt Ihr?"
    Langsam öffnete Jaris die Tür einen Spalt. "Wir haben unten einen Kerl, der uns Informationen geben könnte... Habt Ihr etwa Besuch?"
    Sofort stürmte Aras zur Tür und drückte sie wieder zu. "Ich habe gesagt, ich wünsche keinen Besuch! Also habe ich auch keinen Besuch... Warum macht ihr drei Armleuchter das denn nicht? Warum braucht ihr mich für jede dumme Aufgabe?"
    "Damit Ihr es selbst hört uns seht, was der Mann von sich gibt. Uns glaubt Ihr ja dann wieder nicht..."
    "Ja, ich komme gleich. Gebt mir noch eine halbe Stunde..."

    "Eine halbe Stunde? Wofür braucht Ihr denn noch eine halbe..."

    "Ich werde die Frage nicht beantworten..."
    "Ich schicke jetzt Thyra rauf. Vielleicht hört Ihr ja auf sie..."


    Er stampfte weg und wieder warteten sie einen kurzen Augenblick, bis sie ihr Gespräch fortsetzten. "Ich habe keine andere Vorstellung, sondern die einzig richtige Vorstellung, Liranda..."
    "Alles subjektiv zu betrachten. Ich weiß ganz genau, dass Ihr mir jetzt nichts antun könnt. Hier könnten zwanzig Frauen stehen und Ihr würdet keiner ein Leid antun. Nicht wahr?"
    "Was soll das jetzt, Liranda? Was wollt Ihr damit bezwecken? Und woher wollt Ihr das überhaupt wissen, das es so sein würde..?"

    "Ich bin Weissagerin, schon vergessen? Und ich weiß so Einiges über Euch, was andere nicht erfahren sollten..."

    Und nun kam Thyra. Aber sie war ganz anders drauf, als die beiden Kerle. Ohne Vorwarnung riss sie die Tür auf und brüllte: "Es ist mir scheißegal, ob Ihr hier mit einer Frau im Bett seid, Aras! Unten ist der Teufel los..."

    Liranda sprang sofort auf und erwiderte ebenso laut: "Und du bist eine Frau genau nicht nach seinem Geschmack, meine Liebste. Meine Arbeit hier ist getan."

    Sie erhob sich vom Bett, schritt langsam an Aras vorbei, streichelte ihm noch mal kurz über die Wange und verließ das Zimmer. Thyra blickte sehr verwundert zuerst zu Liranda und dann zu Aras, der völlig perplex dastand und am liebsten unsichtbar geworden wäre.

  • Zacharas kam hinter der wütend dahinstapfenden Thyra die Treppe in die geschäftige Schankstube herunter. Einen Moment wirkte er fast kleinlaut, aber dann stahl sich wieder der gewohnt arrogante Gesichtsausdruck zurück. "Also was ist so wichtig, dass dieses Weibsbild mich derart ankeift", fragte er und warf Thyra, die sich mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt hatte, einen mürrischen Blick zu. Sie erwiderte ihn nur triumphierend. Eine Kellnerin, die vier schwere Krüge auf einem Tablett trug, drängte sich zwischen ihnen hindurch. Ansonsten kümmerte sich niemand um sie. "Ach übrigens", sagte Zacharas zu Theic, "Du musst dieser Frau hinterher gehen, die mich besucht hat, und ihr mein Geld zurück klauen. Es geht um 5 Goldstücke. Sie sind in ihrem Dekolleté." "Mir scheint als kämst du leichter an ihr Dekolleté als Theic", sagte Jaris feixend. Ach ihr musstest dafür zahlen", fragte Theic unschuldig. Thyra konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Ich..Sie...Ach schweigt. Ihr alle", stammelte Zacharas. Dann fasste er sich wieder und starrte sie wütend an. Seine Augen hätten Funken sprühen müssen. "Ich habe nicht dafür bezahlt, aber mir ist sowieso egal, was ihr denkt. Ihr seid viel zu unwichtig, als dass mir eure Meinung etwas bedeuten würde", behauptete er, "Und jetzt zeigt mir endlich was so verdammt wichtig ist." Jaris erlaubte sich ein letztes Grinsen und ging dann mit den anderen in den Privatraum neben der Taverne. Zacharas folgte ihnen. Der Wirt war recht kooperativ geworden, nachdem er den Beutel voll Gold gesehen hatte, den Zacharas ihnen gegeben hatte. Er hatte keine Fragen gestellt. Drinnen waren die meisten Tische und Stühle an die Wand gerückt. Nur in der Mitte stand ein Stuhl hinter einem Tisch. Auf diesem saß der Mann den Jaris und Thyra gefangen genommen hatten. Natürlich waren seine Arme und Beine fest fixiert, aber das sah man durch den Tisch nicht. Die Gruppe umzingelte den Mann. "Ein W...W...Wolf. Ein weißer Wolf", stotterte dieser. Zacharas runzelte die Stirn. "Er hat ordentlich einen auf den Kopf bekommen", beeilte sich Jaris zu sagen, "Er hat Thyra und mich angegriffen um das Geld zu kassieren. Keine Ahnung was er da sagt." Das schien den Herzog zu genügen. Er beugte sich vor und fixierte den Gefangenen. "Wie habt ihr mich gefunden", fragte er. "Ich...ich erzähle ihnen alles. Nur haltet den Wolf von mir fern", wimmerte der Mann. Seine Arme und sein Hemd waren blutig. Größtenteils von seinen verblichenen Kollegen, aber auch in seiner Haut hatten die Krallen Spuren hinterlassen. Seine Augen irrten wie wild umher. Unfähig sich auf einen Punkt zu konzentrieren. Jaris kannte ihn nicht. Er war kein Veteran aus seinem altem Lager wie Ewin. Er war jung, hatte wahrscheinlich noch nie den Tod gesehen und jetzt war er traumatisiert. Hätte er es nicht auf sie abgesehen, hätte Jaris Mitleid gehabt. Vielleicht. "Der Wolf wird nur dann wiederkommen, wenn ihr lügt", behauptete Zacharas hinterhältig, "Also wie habt ihr mich gefunden." "Einige von uns haben den da wiedererkannt", antwortete der Gefangene schnell und deutete auf Jaris, "Das ihr der Lord von den Steckbriefen wart, war naheliegend." Zacharas warf Jaris einen finsteren Blick zu, als ob das seine Schuld gewesen wäre. "Sind noch mehr von euch in der Stadt", fragte der Herzog. "Nur noch Ewin und ein paar andere", wimmerte der Mann auf dem Stuhl, "Den Rest hat der Wolf geholt." Zacharas runzelte die Stirn. "Wie viele andere", fragte er, "Und wissen sie, dass wir hier sind?" "Vier", sagte der Gefangene, "Und nein." Dann schien er auf dem Stuhl zusammenzuschrumpfen. "Bitte, bitte helft mir. Beschützt mich", jammerte er, "Lasst nicht zu, dass der weiße Wolf mich holt. Rettet mich." Zacharas richtete sich auf. "Er ist verrückt, zweifellos, aber ich glaube er sagt die Wahrheit", mutmaßte er, "Also sind wir hier in Sicherheit und können noch ein paar Tage bleiben. Wir müssen nur vorsichtig sein und die letzten vier erwischen bevor sie uns finden.""Bist du verrückt", fragte Jaris fassungslos, "Das ist viel zu gefährlich. Ich sage wir verschwinden." "Aber euer Wort hat hier kein Gewicht", herrschte der Herzog ihn an, "Ich bin der Herzog, ich habe den Befehl und ihr seid nur ein Untergebener. Außerdem solltet ihr lieber nicht vergessen, dass es eure Unvorsichtigkeit war, die sie auf unsere Fährte gebracht hat." "Meine Unvorsichtigkeit", wiederholte Jaris entgeistert, "Ich habe von Angang an gesagt, dass wir uns nicht in einer Stadt blicken lassen sollten. Du hast das befohlen." "Könntet ihr mal aufhören so zu schreien", warf Theic ein, "Die Wand die uns von der Gaststube trennt ist nicht besonders dick und die viel wichtigere Frage ist doch, was wir jetzt mit dem da machen." Er deutete auf den Mann, der immer noch im Stuhl saß wie ein Häufchen Elend. Zitternd und mit wirren Augen.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Die kleine Gruppe sah sich unschlüssig an.
    „Ihn beseitigen“, überlegte Zacharas, „geht nicht. Nicht hier. Das wäre zu auffällig.“
    Recht hatte er, es war unmöglich, den Mann danach unauffällig aus der Taverne zu schaffen. Und wohin sollten sie ihn dann bringen? Überall in der Stadt wären sie aufgefallen, würden sie mit einem Toten herumspazieren. Davon einmal abgesehen war Theical nicht sehr erpicht darauf an dem Tod eines Menschen Schuld zu tragen oder womöglich noch als Mitglied einer Mörderbande gesucht zu werden. Ein solcher Ruf würde ihnen nur noch mehr unerwünschte Aufmerksamkeit beschaffen.
    „Wir könnten ihn einen ordentlichen Dämpfer verpassen, damit er alles vergisst“, meinte Thyra und stieß sich von der Wand ab. Abschätzig sah sie in die Runde.
    „Man kann nicht alle seine Probleme mit Gewalt lösen“, beschwerte sich Theic.
    „Nicht alle, aber viele!“ Zacharas griff in seine Tasche und holte seinen Zauberstab heraus.
    „Halt! Doch nicht hier drin!“, unterbrach Jaris das Vorhaben des Herzogs. Das macht viel zu viel Lärm! Wir würden auf jeden Fall jemanden auf uns aufmerksam machen, wenn ihr jetzt mit Zaubersprüchen um Euch werft!"
    Nur zögernd nahm Zacharas die Hand herunter und betrachtete den wimmenden Kopfgeldjäger.
    „Alles, nur nicht der Wolf!“, jammerte der Mann. In seinen Augen stand die pure Angst und immer heftiger rückte er auf seinem Stuhl hin und her. „Nicht der Wolf.“
    „Bei dem Blödsinn, den er redet, könnten wir ihn auch einfach frei lassen, dem glaubt eh niemand ein Wort“, überlegte Theical laut. Er stützte den Kopf mit den Händen auf dem Tisch ab und beobachtete, wie der Mann auf dem Stuhl hin und her rutschte und weiterhin von Fenrir redete, als habe er einen Geist gesehen.
    „Eine törichte Idee! Er wird zu seinen Auftraggebern zurückkehren und diese werden ihm über kurz oder lang Glauben schenken!“
    Zacharas begann im Raum auf und ab zu laufen, während Theic nur genervt die Augen verdrehte. Seine Aussage war alles andere als ernst gemeint gewesen. Wahrscheinlich wusste der Herzog dies sogar und suchte nur ein Argument, um sich aufzuregen. Die Witzchen über die Frau in seinem Zimmer am Anfang des Gespräches mussten ihn bereits eingeheizt haben, da schien ihn nun alles aufzuregen.
    „Wir könnten ihn zuvor unter Drogen setzen“, meinte Thyra nach einiger Zeit und zog damit die Aufmerksamkeit der Männer auf sich. In aller Ruhe umwanderte sie den Tisch, hinter dem der Gefesselte saß und stellte sich dann vor ihre drei Reisegefährten.
    „Und was sollte uns das bringen? Ihr kommt alle immer nur auf nutzlose Ideen! Alles muss man selbst machen“, wütete Zacharas weiter. Thyra ging nicht auf die Worte ein, sondern sah der Reihe nach in die Gesichter ihrer Gegenüber, dann beugte sie sich vor und begann zu flüstern.
    „Ich war vorhin auf dem Markt und habe Kräuter gekauft. Ich könnte daraus einen Sud herstellen, der ihn – in der richtigen Dosis – einige Zeit aus dem Verkehr zieht. Wir könnten ihn frei lassen, er könnte uns vorerst aber nicht verraten. Das würde reichen, um von hier zu verschwinden.“
    Zacharas verschränkte die Arme vor der Brust und wandte sich von Thyra ab. Eine Weile schien er zu überlegen.
    „Ich sage es nun zum letzten Mal.“ Er drehte sich zurück und fixierte jeden einzeln mit seinen Augen, bei Thyra blieb er stehen. „Ich habe nicht vor, schon wieder aus der Stadt zu verschwinden!“
    „Wenn Ihr uns endlich einmal aufklären würdet, was Ihr hier vorhabt, dann könnten wir vielleicht auch gemeinsam einen Plan fassen, der alle zufrieden stellt“, meinte Jaris.
    „Ich werde euch in nichts einweihen, weil es euch nichts angeht!“
    Theical beobachtete eine Weile, wie sich die beiden Männer finster ansahen. Er musste zugeben, dass es ihn auch störte, dass Zacharas nicht mit der Sprache herausrückte. Es war klar, dass er etwas vorhatte, nur was, wusste keiner von ihnen. Aber warum sonst wollte Zacharas unbedingt in diese Stadt? Sie hätten die Vorräte auffüllen und dann weiterziehen können. So bereiteten sie sich nur noch mehr Schwierigkeiten, wie an dem gefesselten Mann nur unschwer zu erkennen war. Außer ihn gab es sicher noch andere und es war nur eine Frage der Zeit, bis diese sie in der Taverne aufgespürt hatten. Zwar war die Stadt groß genug, aber je länger sie blieben, desto größer wurde auch die Chance entdeckt zu werden. Dass es nicht schwer war, jemanden in der Stadt zu finden, hatten Thyra und Jaris am eigenen Leib erfahren und etwas in Theic reagierte extrem empfindlich darauf, dass die beiden nur dank Fenrir dem Tod und vielleicht noch Schlimmerem entronnen waren, der Herzog jedoch nicht einmal daran dachte, die Stadt zu verlassen. Nun gut, wahrscheinlich wusste er noch nicht viel aber dennoch stieß der Gedanke bitter auf.
    Hilfesuchend blickte er zu Thyra. Diese erwiderte seinen Blick nach kurzer Zeit und zuckte dann mit den Schultern. Seine Aufmerksamkeit glitt weiter zu ihrem Gefangenen. Der junge Mann war kaum älter als er und es fühlte sich falsch an, ihn umzubringen. Wahrscheinlich folgte er ebenso nur Befehlen wie ein einfacher Soldat.
    „Nun gut“, meinte Aras schließlich. „Wie lang würde das Gebräu halten.“ Seine Worte waren an Thyra gerichtet. Er war noch immer nicht begeistert von der Idee, aber viele andere Möglichkeiten hatten sie nicht und scheinbar fiel ihm ebenfalls nichts anderes ein.
    „Wenn er stark genug ist, einen Tag, maximal zwei.“
    Zacharas grummelte etwas Unverständliches, gab dann aber nach und lief zur Tür.
    „Dann mischt das Gebräu und bringt ihn hier raus! Aber unauffällig! Und du, Theical, bringst mir meine fünf Goldstücke zurück! Und wehe, es fehlt eines ... Ich habe unterdessen etwas Anderes zu erledigen!“ Mit diesen Worten verließ er den Raum.
    Die Zurückgelassenen sahen sich überrascht und gleichermaßen verwirrt an. Und wieso war es gerade Theical, der das Gold zurückholen sollte? Ein Dieb war er nicht und er wollte auch keiner Frau auf offener Straße ins Dekolleté fassen. Sich dem Ärger von Zacharas aussetzen wollte er aber auch nicht. Eventuell konnte er Thyra oder Jaris überreden, ihm zu helfen.

  • Thyra sah Theic verständnislos an.
    „Wieso sollst ausgerechnet du die Münzen wieder holen? Überhaupt, warum kratzen den Lord läppische fünf Goldstücke?“
    Theic seufzte ratlos. „Ich habe keine Ahnung und ich habe keine Ahnung.“
    „Wir haben nicht unbegrenzt Geld dabei und in der Wüste in Wasser teuer“, mischte sie Jaris ein.
    „Nicht der weiße Wolf! Bitte nicht!“, wimmerte der Söldner in ihr Gespräch. Thyra warf ihm einen genervten Blick zu, schlenderte zu ihm, schaute ihm tief in die Augen und machte „Buh!“. Der Mann zuckte zusammen und begann wieder vom weißen Wolf zu wimmern.
    „Lass das“, sagte Theic gereizt. „Wir haben andere Probleme.“
    „Jaja schon gut“, lenkte die Jägerin ein und ließ von ihrem Opfer ab. „Wie wäre es, wenn du Sari fragst?“
    „Wer ist Sari?“, fragte Jaris, der sich nun seinerseits lässig an die Wand gelehnt hatte.
    „Mein Donnervogel. Er würde es hinkriegen, aber ich habe keine Ahnung, wie ich ihm verständlich machen soll, was ich von ihm will“, antwortete Theic verzweifelt.
    „Versuch es“, munterte Thyra ihn auf. „Wir machen es so: Den Trank brauen dauert keine fünf Minuten. Jaris und ich laden den Kerl dann irgendwo ab und dann kommen wir die helfen, falls Sari nicht versteht, was er tun soll.“
    Theic nickte ergeben. Er hatte ja auch keine Wahl.
    Als der kleine Mann aus dem Raum verschwunden besorgte sich Thyra für ein weiteres Silberstück heißes Wasser, einen Topf und einen Stößel.
    Sie warf fast ihren gesamten Drachenflügel in den kleinen Topf und zerdrückte ihn mit dem gut in der Hand liegend Stein.
    „Hier.“ Sie reichte dem Häufchen Elend neben sich die Schüssel, bis ihr auffiel, dass seine Hände noch gefesselt waren. Zusammen machten sie ihn los und flößten ihm unter viel gutem Zureden die Flüssigkeit ein.
    Sekunden später lag der Mann scheinbar leblos zu ihren Füßen.
    „Das Zeug ist hart“, meinte Jaris nur und Thyra zuckte die Schultern. „Oben in den Bergen ist ein natürliches Schmerzmittel. Natürlich wird es nur in niedriger Dosis verabreicht.“


    Es war gar nicht so einfach gewesen denn Soldaten los zu werden. In der Stadt war viel los und sie wurden von allen Passanten misstrauisch gemustert, als sie den leblosen Körper zwischen sich durch die Gassen geschleppt hatten, doch als sie nach einem Arzt gefragt hatten, waren ihnen die Leute wohlgesonnener gewesen.
    Dass sie den armen Kerl allerdings in irgendeiner Gasse bei den Abwasserkanälen liegen gelassen hatten, hatte niemand bemerkt. Wer begab sich schon freiwillig in dieses stinkende Eck?
    Als sie zu ihrem Wagen kamen, den Wilkin ihnen überlassen hatten fanden sie Theic, der falschrum auf dem Kutschbock kniete und Sari anstarrte. Der große Donnervogel hatte es sich auf dem Dach des Wagens bequem gemacht und musterte sein Herrchen.
    „Ich habe keinen Schimmer, wie ich es anstellen soll“, murmelte er, als er die beiden bemerkte ohne den Blick von dem Tier zu nehmen.
    „Ich habe Pantomime gemacht, habe ihm Frauen mit schwarzen Haaren gezeigt und immer wieder Lianadra gesagt. Ich habe sogar seinen Kopf in meinen Kragen gesteckt und ihn fünf Münzen raus holen lassen, aber …“, enttäuscht brach er ab.
    Thyra kicherte. „Du hast seinen Kopf in dein Hemd gesteckt?“
    „Vielleicht sollten wir das bei dir machen, da wäre es wenigstens realistisch!“, finster musterte der kleine Mann seine Freundin.
    Just in diesem Augenblick stieß sie Sari von dem Holz ab und schoss kreischend in die Höhe. „Na toll“, murrte Theic. „Wenn man ihn einmal braucht.“
    Und weil im Leben alles auf einmal kam, bog nun auch Aras um die Ecke. „Wo ist mein Geld?“
    „Nicht hier“, antwortete Theic bissig.
    „Du unfähiger, kleiner …“, brauste Aras auf. „Was kann denn so schwer daran sein einer Frau ihre Münzen abzunehmen?!“
    „Dann macht es doch selbst!“ Mit den in die Hüften gestemmten Händen baute Thyra sich vor dem Magier auf.
    „Sehe ich aus als würde ich mich dazu herablassen?“ Wütend fixierte der Zauberer die Frau. Jaris versuchte zu schlichten. „So kommen wir auch nicht weiter-“ „Wer hat dich denn gefragt?!“ Aras‘ und Thyras Köpfe waren zeitgleich herum geruckt und hatten ihn synchron angeschrien.
    Jaris hob abwehrend die Hände und trat demonstrativ einen Schritt zurück. „Gut, regelt das unter euch.“
    Thyra warf dem Leibwächter noch einen hitzigen Blick zu und wandte sich wieder an Aras. „Es wird Zeit, dass auch du dir mal die Hände schmutzig machst! Das ist immerhin DEINE Mission und DU willst was auch immer erreichen und wenn an diesen Goldstücken dein Herz hängt, dann hol sie dir gefälligst selber zurück! Diesmal kannst DU SIE ja verführen, dann muss sie DICH bezahlen!“ Wütend blitzte sie den Magier an. Jaris und Theic warfen sich erschrockene Blicke zu, wagten aber nicht einzuschreiten.
    „Ich habe sie nicht dafür bezahlt!“, brüllte Aras nun zurück. „Für deine Unverschämtheit und weil ihr offenbar alle unfähig seid, wirst du für den Schaden aufkommen!“ Fordernd streckte der Lord ihr seine Hand entgegen.
    „Ich denk nicht dran!“, wütete Thyra und genau in diesem Augenblick fielen fünf Goldstücke in die Hand des Lords.
    „Was zum …“ Alle wandten die Blicke nach oben und sahen Sari noch über den Dächern verschwinden.
    Jaris kicherte. „Mir scheint er hat genau verstanden, was du meintest, Theic.“
    Zur Antwort schallte ein Vogelschrei über die Häuser, der wie ein schadenfrohes Lachen klang.
    „Verdammtes Biest“, fluchte Theic halb ernst, halb belustigt, war aber froh, dass die schlimmsten Wogen nun wieder geglättet waren.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • „Oh, wo kommt das denn so plötzlich her?“ Verwundert schaute der Lord hinauf in den Himmel und sah den großen Vogel, der kreischend seine Kreise zog. „Das ist aber eine fette Brieftaube. Ist das Eure, Theical?“
    „Das ist keine Brieftaube, sondern ein Donnervogel!“
    „Oh, ein Donnervogel?“ Skeptisch war sein Blick auf beide abwechselnd gerichtet. Mit halb zugekniffenen Augen begutachtete er dieses fliegende Geschöpf und sagte dann: „Naja, lieber einen Spatz in der Hand, als eine Taube auf dem Dach...“
    Darauf erntete er von allen dreien verwirrte Blicke, die wohl dümmer hätten nicht sein können. Dem Lord befriedigte das seine Gedanken, da er von denen sowieso keinerlei Intellekt erwartet hatte.
    „Wie dem auch sei. Ich freue mich zumindest sehr darüber, meine fünf Goldtaler wiederzuhaben...“
    „Moment mal“, unterbrach Jaris ihn sofort. „Woher wollt Ihr eigentlich wissen, dass diese von der Frau gestohlen wurden?“
    „Das interessiert mich doch nicht, von wem das Geld ist. Hauptsache, ich habe mein verliehenes Eigentum wieder. Und außerdem werde ich doch wohl mein eigenes Geld wieder erkennen...“ Stolz zeigte er die Münzen rum und klopfte sich dabei selbst imaginär auf die Schulter. Anschließend steckte er sich zwei der Münzen wieder ein und reichte die übrigen an Theic weiter. „Dies ist für Euch. Seht es als Dankeschön meinerseits. Wenn man eigenverdientes Geld in seiner Hand hat, weiß man, dass man es zu etwas gebracht hat...“
    Perplex starrte Theic auf die drei Münzen und fing dann an, tief aus dem Bauch heraus zu lachen. „Und wieso habt Ihr es dann zu nichts gebracht?“
    „Vielleicht hat er kein eigenes Geld verdient?“, spöttelte die Jägerin feixend. Aras gefiel das überhaupt nicht. Beleidigend fand er das, bis aufs Mark. Sofort grabschte er wieder eine Münze aus Theics offener Hand zurück. „Und für eure dummen Bemerkungen, hat Theical nun einen Taler weniger verdient...“
    „Ganz ehrlich“, fing der kleine Mann an, „Euer Geld will ich sowieso nicht haben. Es ist unmoralisch, Frauen zu bestehlen. Erstrecht für einen Mann Eurer Stellung!“
    „Wer den Taler nicht ehrt, ist den Groschen nicht wert!“ Und da war es nur noch einer.
    Mit finsterer Miene drückte Theic Zacharas auch noch den letzten in die Hand und sprach: „Lieber bettelarm und ehrlich, als stinkreich und verlogen.“
    Schmunzelnd konterte Aras ihm prompt: „Lieber Arm ab, als arm dran...“
    An den dummen Gesichtern der, für den Herzog, augenscheinlich unterbelichteten Gefährten, konnte dieser sehen, dass angemessene Resonanz nicht zu erwarten war. Was ihn abermals befriedigte und ihn in seiner überheblich wirkenden, aber doch eindeutigen Überlegenheit bekräftigte.
    „Ich würde ihn an Eurer Stelle schnell einstecken und schweigen. Und übrigens habe ich mir überlegt, euch vielleicht doch mit in mein Vorhaben einzuweihen...“
    „Na endlich!“, maulten alle drei augenrollend. „Wird ja auch mal Zeit, dass Ihr zur Besinnung kommt.“
    „Und zwar will ich...“ Nachdenkend rieb er sich sein Kinn und musterte Thyra ein wenig intensiver. „Sie könnte sich selbst im Wege stehen. Soll ich sie wirklich mit einweihen?“
    „Ich will ins Kloster gehen.“
    Stilles, verwirrtes Schweigen folgte. Die Gesichter wurden immer länger und schmäler. Peinlich wirkte es schon fast, so ruhig war es geworden um sie. Aras schaute sie erwartungsvoll an und versuchte armwedelnd das Weiterführende zu unterstützen. Doch es folgte nichts. Weder von Theic, noch vom Lord selbst. Auch Thyra, die eigentlich immer einen dummen Spruch auf Lager hatte, blieb still und passiv.

    Doch dann kam es, das Gelächter. Schallend und inbrünstig, aus Jaris’ Eingeweiden. Schnappatmend japste er nach Luft, um seinem Lachen noch mehr Kraft und Lächerlichkeit zu verleihen. „Jetzt muss ich Euch wirklich mal recht geben, Aras. Allein für diesen Moment gerade hat sich der ganze Scheiss gelohnt! Ein Witz, der dämlicher nicht sein kann...“
    „Was ihr da lacht, Jaris?“
    „Ich bitte Euch... Ihr wollt ins Kloster gegen? Der wohl fieseste, gemeinste, selbstverliebteste und skrupelloseste Mann den ich kenne, will ins Kloster gehen?“
    „Was ist daran so witzig? Ich will mit euch ins Kloster gehen und den Orden bekehren...“
    „Bekehren?“, fragte Thyra verwundert. „Wie meint Ihr das jetzt?“
    „Sind die denn nicht schon längst bekehrt, wenn sie im Kloster sind?“, fragte nun Theical weiter.
    „Ich meine, wir werden sie alle umbringen! Jede einzelne von ihnen...“
    „Jede?“, schallte ihm nun im Chor entgegen.
    „Jede von diesen Frauen! Und für jede getötete erhält jeder von euch zehn Goldstücken, sobald wir nach unserer Reise wieder in Ymilburg sind.“
    „Wie bitte, Frauen?“
    „Warum denn nicht?“
    „Aber warum sollen wir Frauen umbringen?“, fragte Jaris empört. „Seid Ihr jetzt vollkommen übergeschnappt?“
    Theical winkte sofort darauf folgend ab. „Ich will kein Blut an meinen Händen kleben haben und mich auch nicht an solchen gottlosen Dingen beteiligen...“
    „Wie alt seid Ihr denn?“, maulte Aras genervt. „Sagt bloß, Ihr habt noch nie einen Toten gesehen?“
    „Was hat das denn hiermit zu tun? Das sind Frauen...“
    „Es sind Vampirinnen und besonders aggressiv. Es ist die Ehrenhaftigkeit, die dahintersteckt, welche diese Tat erlaubt. Dadurch wird doch die Welt ein ganzes Stück besser...“
    „Welche Ehrenhaftigkeit erlaubt Mord an Frauen?“, warf Thyra ein und tippte ihm leicht an die Stirn. „Anscheinend hat die Frau Eure Gedanken verwuschelt. Anders kann ich mir solch einen verbalen Unsinn, den Ihr gerade von Euch gebt, nicht erklären! Ich werde mich keineswegs solch einem Unterfangen anschließen...“
    „Das hatte ich auch nicht vor, Thyra. Ihr geleitet uns nämlich nur mit zum Kloster und wartet dann auf uns drei...“
    „Hat man Euch in den Kopf geschissen? Selbst über meine Leiche werdet Ihr nicht Theical mit an solch einer Aktion beteiligen lassen.“
    „Und ob ich das werde, Frau!“
    „Haltet Euch zurück, Aras...“ Sie griff nach ihrem Bogen und war bereit, einen Pfeil zu ziehen. Der Lord war ebenfalls kampfbereit und seine Hand wanderte schon in Richtung rechte Seitentasche.
    „Wollt Ihr das jetzt wirklich mit mir ausdiskutieren, Thyra?“
    „Wollt Ihr das mit uns ausdiskutieren, lautet die Frage, Aras...“
    Jaris ging dazwischen, bevor es doch noch eskalierte. „Die eigentliche Frage ist doch, warum Aras sie überhaupt ermorden will.“

    „Einfach erklärt und doch schwer zu begreifen“, meinte der Lord. „Vor ein paar Jahren war ich bereits hier und habe die Ordensschwestern bekehrt. Niemand verführt und opfert meine Mannen, ohne bestraft zu werden. Leider haben zwei Frauen überlebt, die nun neue Jungfrauen suchen für ihre perfiden Riten und Bräuche...“
    „Und warum wollt Ihr sie nun noch einmal heimsuchen?“
    „Weil sie uns sonst verraten werden...“

  • Vampirinen also. Jaris musste zugeben, dass Zacharas Worte zum ersten mal Sinn ergaben. Wenn sie die Monster waren, die er aus den Geschichten kannte, die Unschuldige mordeten und ihr Blut tranken, dann musste ihnen der Garaus gemacht werden. Andererseits. Hätten sie nicht davon gehört, wenn hier etwas unheimliches vonstatten ging? Die Menschen redeten gerne über Dinge wie das spurlose verschwinden von Menschen. Vielleicht hielten sich die Vampirinnen und beschränkten sich auf ein zwei Menschen im Monat um nicht aufzufallen. Oder die Geschichten waren übertrieben.
    "Wie ist euer Plan", fragte Jaris den Herzog. Es würde wenig bringen den Herzog zu fragen, ob diese Vampirinnen wirklich den Tod verdient hätten. Zacharas hatte sich seine Meinung bereits gebildet. "Wir werden morgen Mittag zuschlagen", klärte der Lord sie auf, "Am Tage schlafen sie für gewöhnlich." "Wie stellt ihr euch das vor", höhnte Jaris, "Klopfen wir und warten bis sie uns die Tür öffnen. Guten Tag. Wir würden euch gerne umbringen. Ein Tee wäre nicht schlecht bevor wir anfangen. Wo können wir unsere Mäntel aufhängen." "Natürlich nicht", erwiderte Zacharas, "Du und Theical werdet dort einbrechen und uns die Tür von innen öffnen. Wie ihr das macht ist eure Sache." "Wieso glaubt ihr eigentlich immer, dass ich mich mit so etwas auskenne", blaffte Theical ihn genervt an. "Wollt ihr mir sagen ihr seid also zu gar nichts nütze", verlangte der Lord mit verächtlicher Stimme zu wissen, "Muss ich etwa alles alleine machen nur weil ihr unfähig seid." "Ja", behauptete Thyra, "Ja. Macht es alleine. Wir wollen nichts damit zu tun haben." Zacharas verdrehte nur die Augen, als hätte sie etwas unglaublich dummes gesagt, und wandte sich von ihnen ab. "Denkt euch etwas aus. Ich erwarte, dass ihr euch bis Morgen früh etwas überlegt habt", sagte er nur noch, bevor er den Gasthof betrat. Jaris hörte ihn noch ein "Frauen" murmeln. Als er verschwunden war sahen sich alle drei an und nun war es an ihnen die Augen zu verdrehen. "Lasst uns auch rein gehen", schlug Jaris mit einem Blick auf das Hoftor zu vor dem sich unzählige Menschen befanden, die alle in den Hof einsehen konnten, "Auf unserem Zimmer sind wir wenigstens vor Blicken und vor Zacharas sicher."

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Im Zimmer angekommen ließen sich die drei Gefährten auf den Stühlen und Betten nieder. Groß war der Raum nicht, doch er bot gerade so viel Platz, dass die drei sich bequem bewegen konnten, ohne sich gegenseitig auf die Füße zu treten.
    „Was wollen wir jetzt machen?“, fragte Theical und sah abwechselnd zu Jaris und Thyra.
    „Wenn wir nur wüssten, ob Zacharas recht hat und es sich bei den Frauen wirklich um Vampirinnen handelt.“ Jaris stand von seinem Stuhl auf und legte nachdenklich eine Hand an sein Kinn. Ruhelos zog er Bahnen durch das kleine Zimmer. Immer wieder blieb er kurz stehen, wanderte dann aber weiter. „Dann würde das alles schon anders aussehen.“
    „Nur, wie finden wir das heraus?“ Theical legte die Arme auf den Tisch und bettete seinen Kopf darauf. Der Umstand in ein Kloster einzubrechen behagte ihm nicht, vor allem, weil der Herzog scheinbar immer annahm, er habe bisher nichts anderes gemacht. Allerdings war der Gedanke an Vampire in der Stadt viel schlimmer. Wenn es wirklich stimmte, dann musste man etwas dagegen unternehmen. Ob ihre kleine Truppe dafür jedoch die richtigen waren, darüber konnte man sich streiten. Sie wurden sowieso schon verfolgt und auf sie war ein Kopfgeld ausgesetzt. Die Menschen in Eisenfurt würden sie sicher nicht mit Gold überschütten, wenn sie das Kloster überfielen und die Frauen dort töteten. Offenbar wusste von den Vampiren ja niemand etwas. Zumindest waren ihm bisher keine Gerüchte an seine Ohren gelangt und gerade eine Taverne eignete sich für derlei Informationen besonders.
    „Ihr beiden wollt mir doch nicht sagen, dass ihr tatsächlich in Betracht zieht, in das Kloster einzubrechen um diese Frauen umzubringen?“
    Thyra lehnte sich auf ihrem Stuhl nach vorn und sah die beiden Männer schockiert an. Wütend stemmte sie ihre Arme auf den Tisch, weshalb dieser leicht erzitterte.
    Theic zuckte etwas zusammen, doch sowohl er, als auch Jaris schwiegen zu der Frage.
    „Vielleicht könnte man sie zuvor ausspionieren“, warf die Leibwache in den Raum. Es war ersichtlich, dass er von dieser Idee selbst nicht überzeugt war, aber der Gedanke, unschuldige Frauen umzubringen, schien auch an ihm zu nagen.
    „Wenn sie wirklich Vampire sind, dann haben sie das geschickt vor den Stadtbewohnern versteckt. Es gibt schließlich keinerlei Gerüchte. Glaubst du wirklich, sie werden dann ausgerechnet vor unseren Augen morden?“ Theical blickte Jaris skeptisch an. Dieser Umstand erschien ihm nicht im Bereich des Möglichen.
    „Außerdem haben wir für so etwas Aufwendiges keine Zeit. Es wird nicht ewig dauern, bis der Kerl, den wir freigelassen haben, seinen Freunden von uns erzählt“, warf Thyra wieder dazwischen. Gehässig klang ihre Stimme und sie versuchte den Hass auf den Herzog nicht einmal zu verstecken.
    Jaris ließ sich wieder sinken, diesmal aber auf den Bettrand. Lang sann er nach einer Antwort.
    „Ich denke, wenn Zacharas es sagt, dann wird das mit den Vampiren schon stimmen“, gab er schließlich von sich. Leicht unsicher klang er, aber mit jedem weiteren Wort wurde seine Stimme fester. Theic wollte ihm nur ungern zustimmen, aber etwas sagte ihm, dass es wirklich der Wahrheit entsprach. „Ich weiß nur nicht, ob ich handeln kann, wenn sie in der Gestalt einer unschuldigen Frau vor mir stehen.“
    „Ich habe noch nie jemanden umgebracht und ich will nun auch nicht damit anfangen“, währte Theic ab. Ihm war das zu heikel.
    „Das ist doch Wahnsinn! Soll der Spinner das doch allein machen!“ Thyra erhob sich und verschränkte ihre Arme. „Ich mache bei dem Irrsinn auf keinem Fall mit!“
    „Also wollen wir Zacharas wirklich sagen, dass wir seinen Befehl ignorieren?“ Jaris sah die beiden durchdringend an. Ein wenig hob er die Augenbrauen. Theical blickte unschlüssig zurück. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Dem Zorn des Herzogs wollte er sich nur ungern aussetzen, aber nur um diesen zu entgegen war er nicht bereit jemanden zu töten. Ob nun Vampir oder Mensch spielte dabei erst einmal eine nebensächliche Rolle. Und Thyra schien es ebenso zu gehen. Trotz ihrer offensichtlichen Abneigung gegenüber dem Herzog schien sie zweimal zu überlegen, was sie sagte.