Auf der Spur ...

Es gibt 316 Antworten in diesem Thema, welches 84.528 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. Januar 2019 um 01:37) ist von Korus.

  • Sedar merkte wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Seine Gedanken flatterten ohne erkennbaren Grund zu Sarina, die in der Enklave noch sein Leiden geteilt hatte.
    "Und dann wurde sie getötet", dachte er und fragte sich, ob man ihm seinen Schmerz ansah. Um die Situation zu überspielen wollte er schnell etwas sagen, doch als er den Mund aufmachte drang nur ein zaghaftes "Ähm" über seine Lippen. Der Fremde sah ihn amüsiert und merkwürdigerweise überrascht an. Vermutlich hatte er so eine Reaktion nicht erwartet.
    "Vielleicht auch nicht", meinte der Mann schließlich mit einem Grinsen aus dem Sedar ebenso wenig schlau wurde, doch wenigstens gab ihm dies die Möglichkeit das Thema fallen zu lassen. Nichts war schlimmer als an die eigene Unerfahrenheit erinnert zu werden. Wenn er nur gewusst hätte worüber sie sich sonst unterhalten könnten.
    "Warst du schon mal auf einem Schiff", versuchte es der Fremde seinerseits. Sedar verneinte, was recht wortkarg wirkte, aber was hätte er sagen sollen.
    "Und was hältst du von den Elfen", fuhr der Fremde fort um das zerbrechliche Gespräch nicht gleich verrinnen zu lassen. "Ich denke, wenn die nicht alle so sind wie unsere spitzohrige Freundin, dann wäre ihr Reich doch sicher mal einen Blick wert, oder was meinst du?"
    "Interessant", dachte Sedar. "Er stellt mir Fragen, erzählt mir aber nichts über sich selbst. Erst die Freundinnen, dann die Schiffsreisen und jetzt das. Will er mich etwa aushorchen?" Dann schüttelte er sich. Langsam wurde er paranoid. Dieser verdammte Zettel ließ ihn seinen Mitreisenden noch stärker misstrauen, als er es ohnehin schon tat. Wenn das so weiter ginge, würde er bald den Wolken am Himmel vorwerfen, dass sie es über ihm stärker regnen ließen, als über anderen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Fremde ihn in Erwartung der Antwort, die er ihm immer noch schuldig war, musterte. Der Mann würde noch ein wenig länger auf sie warten müssen.
    "Verzeihung", entschuldigte er sich knapp und stand auf. Ohne auf die Blicke der anderen zu achten ging er quer durch den Raum über die improvisierte Tanzfläche und verließ ihn durch die Tür. Draußen empfing ihn kalte salzige Seeluft. Wenigstens in dieser Angelegenheit war das Schiff den Städten mit ihren Mief haushoch überlegen. Kurz ließ er seinen Blick über das Deck wandern, dass verlassen da lag. Nicht einmal das Krähennest schien besetzt zu sein, was sich jedoch von seiner Position aus nicht zweifelsfrei sagen ließ. Dies schien ihm aufgrund der Piratenangriffe, die in nahezu jeder Seefahrer Geschichte - also den zweien die er aufgeschnappt hatte - vorkamen, recht unvorsichtig zu sein, doch in diesem Moment war es ihm ganz recht. Einzig Neneve stand ein paar Meter entfernt an der Reling, die Haare und Kleider im Wind tanzend, doch nichts in dem abschätzigem Blick, den sie ihm zuwarf, deutete daraufhin, dass sie eine Unterhaltung wünschte. Sedar hatte keine Einwände. Die Worte, die die Elfe vermutlich für ihn bereithielt, konnte er sich auch ganz gemütlich zu einem anderem Zeitpunkt ans Ohr werfen lassen. Er stellte sich seinerseits an die Reling, jedoch mit einigem Abstand zu Neneve und sah aufs Meer hinaus. Während des Sonnenuntergangs hatte es noch rot gefunkelt und wie ein schimmerndes unendliches Rubintuch unter einem See aus Blut gewirkt, doch jetzt war es ebenso dunkel wie der Himmel. Nur die Sterne, die zahlreich über ihnen schienen, wurden auf den Wellenkämmen reflektiert und schienen wie Lichtpunkte in einer Flut aus Schwarz. Ähnlich wie sein Leben, nur dass er die Lichtpunkte darin nicht so leicht erkennen konnte, falls es sie überhaupt gab. Wieder einmal, wie schon so oft in den letzten Stunden, holte er den Zettel aus seiner Tasche. Es wäre so einfach. Von einem Matrosen vorlesen lassen, die Worte überdenken und dann gegebenenfalls zum Fürst gehen. Einen Moment lang wünschte er sich den Zettel einfach in das am Rumpf aufschäumende Wasser unter ihm fallen zu lassen. Die Gewissheit, dass das Misstrauen nicht ebenso zwischen den Wellen versinken würde, hielt ihn davon ab. Zögerlich faltete er das Papier wieder zusammen und steckte es in seine Tasche. Er würde sich selbst zwingen müssen ihn die nächsten Tage dort zu lassen. Zumindest bis er eine Entscheidung gefällt hatte.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Es war der nächste Morgen. Casper hatte es den letzten Abend geschafft sich nur mit Tanzen und ohne Alkohol zu vergnügen. Er war sogar überrascht von sich selbst, dass er so gut tanzen konnte ...
    Wie auch immer, die Gesellschaft der anderen schien ihm gut zu tun. Vielleicht konnte er doch so etwas wie Freunde haben ... ? Er verwarf den Gedanken. Nicht so voreilig. Noch eine Enttäuschung würde er nicht verkraften, allerdings konnte er eine Sympathie, besonders Gyahara gegenüber, nicht abstreiten. Sein schlechtes Gewissen meldete sich und schob Kaisa in seine Gedanken. Seufzend schob er sich an der Innenwand des Mastkorbes nach oben und ließ seinen Blick über die weite See schweifen. Auch wenn es absolut nichts als himmelblaues Meer und meerblauen Himmel zu sehen gab, war das immer noch besser als mit den Gedanken an Kaisa hier oben alleine zu versauern.
    Er schirmte mit einer Hand die Augen gegen die Sonne ab und drehte sich langsam um die eigene Achse. Da war ein dunkler Punkt ... ruckartig drehte er sich ein Stück zurück. Das war nicht nur ein Punkt. Das war schon ein beachtlicher Kleks. Es war noch nicht nahe genug, um die Beflaggung zu erkennen, also behielt er es im Auge. Das andere Schiff drehte nicht ab, um an ihnen vorbei zu segeln, sondern schien direkt auf Kollisionskurs zu gehen. Ein ungutes Gefühl machte sich in Caspers Magengrube breit. Aber dann frischte der Wind auf und wehte eine rote Flagge hinter dem Mast hervor. Ein Schiff der königlichen Handelflotte. Erleichtert atmete Casper auf.
    Er wandte sich ab und ließ den Blick beruhigt über die Weiten des Meeres schweifen. Als er zurück schaute, hielt das andere Schiff immer noch auf sie zu. Er spähte nach unten auf Deck. Die anderen hatten es auch gesehen und klebten neugierig bis unruhig an der Reling.
    "Was siehst du, Matrose!", brüllte der 2. Kapitän zu ihm hinauf.
    "Rote Fla-", Casper unterbrach sich. Die rote Flagge der Handesflotte war durch eine schwarze ersetzt worden. Auf ihr war ein Totenkopf zu sehen, darunter kreuzten sich zwei Knochen. Casper schluckte, dann brüllte er: "PIRATEEEEEN!"

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara schleppte gerade eine Kiste vom Lagerraum in die Kombüse, als Casper aufgebracht vom Ausguck herunter plärrte. Sofort brach ein wildes Durcheinander auf dem Schiff aus und Gyahara stellte die Kiste an Ort und Stelle auf die Holzplanken. Sie hatte noch nie Bekanntschaft mit Piraten gemacht, aber häufig haben Seeleute in den Taverne in Jariam darüber gesprochen. Und der Hektik und dem Fluchen der umherrennenden Matrosen nach zu urteilen, waren es keine freundlichen Gesellen.
    Sie eilte ebenfalls an die Rehling und blickte zum Horizont. Ein ziemlich sinnloses Unterfangen, da sie mit ihren Augen sowieso nichts erkannte.
    "Wir müssen hier weg!", rief einer der Männer. Die Segel wurden gespannt und der Kapitän gab Anweisungen, die Gyahara aufgrund ihrer mangelnden Kenntnisse nur zum Teil verstand.
    "Das hat doch keinen Sinn, ihr Schiff hat viel weniger Kieltiefe. Sie sind schneller."
    Das klang nicht gut. Die Sache würde wohl in einem Kampf enden, wenn ihnen nichts besseres einfiel, als nur zu flüchten. Das dunkle Schiff mit den geflickten Segeln war nun schon nahe genug, dass sogar Gyahara größere Details erkennen konnte. Unter anderem die schwarze Flagge. Sie konnte nicht recht nachvollziehen, was darauf abgebildet war, es wirkte wie ein weißer Fleck, mehr sah sie nicht. Nur das Gebrüll und das Wetzen von Schwertern entging ihr nicht.
    "Bringt den Fürsten unter Decke!", rief jemand hinter ihr. Als sie sich umdrehte erkannte sie wie San und Cifer sich mit dem Auftrag beschäftigten, den Edelmann in Sicherheit zu bringen. Casper war ebenfalls aus dem Ausguck geklettert und eilte über das Schiff. Wohin er wollte, wusste sie nicht. Alles ging so schnell und doch schien alles wie in Zeitlupe zu laufen. Überall Schreie und Panik. Befehle wurden gebrüllt, Kisten unter Deck getragen und andere mit Seilen festgebunden. Auch Schwerter und andere Waffen wurden herbeigetragen.
    Gyahara schüttelte den Kopf. Sie musste ebenfalls etwas machen, nicht nur sinnlos herumstehen. Doch gerade, als sie sich etwas suchen wollte, unterbrach sie ein lautes Sirren. Sie fuhr herum und sah gerade noch den dunkeln Gegenstand auf ihr Schiff zufliegen, als der Boden unter ihren Füßen auch schon polterte und vibrierte. Sie wurde fast von ihren Füßen gerissen und taumelte von der Rehling zurück.
    "Wir werden beschossen", schrie ein Matrose. "Wir müssen an die Kanonen!"
    Eine Handvoll Männer rannte unter Deck, gerade als das Schiff wieder erschüttert wurde. Für Gyahara ging das alles zu schnell, sie wusste nicht, wo sie zuerst hinschauen oder wo sie helfen sollte.
    Nur unweit neben ihr traf eine erneute Kugel das Schiff und zerbrochenes Holz flog ihr um die Ohren, weshalb sie sich reflexartig wegduckte.
    "Verdammt", zischte sie. Sofort sah sie sich um. Nur wenige Meter von ihr entfernt war die Rehling in tausende Teile zersprengt worden und im Boden des Schiffes befand sich ein kleines Loch.
    Wir werden sinken, ging es ihr durch den Kopf.
    "Achtung!", schrie ihr ein Matrose zu, als auch schon fremde Füße neben ihr auf dem Holz landeten. Sie sah auf und blickte direkt in das grimmige Gesicht eines ungepflegten älteren Mannes. Ein langer Bart und widerlich gelbe Zähne blitzten ihr entgegen und ließen sie leicht würgen. Doch sie kam gar nicht dazu weiter darüber nachzudenken, denn im nächsten Moment hatte sie auch schon einen langen Säbel im Blickfeld. Das Metall zischte auf sie nieder und nur knapp konnte sie sich aus ihrer Starre lösen und dem Angriff entkommen. Dabei konnte sie einen flüchtigen Blick aus dem Augenwinkel auf das fremde Schiff werfen. Von dort schwangen sich immer mehr Männer an Seilen zu ihnen herüber. Sie sah auch, wie einige Matrosen sich Mühe gaben, eine Planke von der Rehling zu stoßen, damit nicht noch weitere Angreifer auf das Schiff gelangen. Allerdings war ihr Versuch fruchtlos, denn die Piraten waren schneller. In Windeseile gingen die Matrosen zu Boden, noch ehe sie ihre Waffen ziehen konnten. Kurz gesagt, war innerhalb weniger Minuten die Hölle losgebrochen und jeder kämpfte um sein Überleben und sie konnte nicht sagen, wie es dazu gekommen war.
    Gyahara duckte sich unter einem weiteren Schlag weg und zog dem Mann mit dem Fuß ein Bein beiseite. Sie bekam die Waffe zu fassen und ihrer Kraft war es zu versanken, dass sie es schaffte, ihm diese zu entwenden. Den Knauf des Säbels rammte sie dem Piraten mit aller Wucht gegen den Kopf, weshalb er bewusstlos zu Boden ging. Sie ließ den Säbel jedoch fallen, konnte sie damit sowieso nicht umgehen und verschaffte sich einen Überblick. Überall rannten und kämpften die Leute und es war nur noch schwer zu deuten, wer wohin gehörte.
    Ihr Blick fiel auf einen Piraten nur unweit von ihr. Er stand vor einem grauen Fellknäuel und richtete seine Waffe auf ihn. Er spuckte aus und bückte sie dann leicht zu dem Tier. Gyahara bildete sich ein, dass es sich dabei um eines von Neneves Begleitern handelte. Wohl der Wölfin. Zitternd saß das Tier vor dem Mann. Sie schien Angst zu haben, und von Neneve war nichts zu sehen. Entweder hatte sich der junge Wolf in Sicherheit bringen wollen, oder aber sie wurde von der Elfe getrennt. In dem Durcheinander keine Unmöglichkeit.
    Der Mann packte das Tier im Genick und zog es auf Brusthöhe.
    Gyahara schritt auf den Mann zu und gab dabei einem Kerl, der sich ihr in den Weg stellte, einen Schlag in die Magengrube und beförderte ihn mit einem Tritt ins Kreuz auf die Bretter. Sie stieg über ihn hinweg und rammte dem Mann mit dem Wolf dann ihre Hacke in die Seite. Vor Überraschung schrie dieser auf und ließ den Wolf fallen. Jaulend kam er auf. Doch Gyahara versuchte für einen Moment nicht darauf zu achten. Der Pirat hatte sich umgedreht und richtete nun seinen Säbel auf Gyahara. Mit großen Augen fixierte sie den scharfen Gegenstand, der auf sie zuschnellte. Sie machte einen Ausfallschritt zur Seite. Der Mann folgte ihr mit einer Drehung und wieder fuhr ein Hieb auf ihren Hals nieder. In einer schnellen Bewegung zog sie sich jedoch ihren Mantel aus, umwickelte das Schwert und trat es dem Mann aus den Händen. Danach wiederholte sie die gleiche Prozedur bei dem Hals des Fremden, nur dass sie ihn mit dem Stoff würgte. Er ging zu Boden und als er ohnmächtig war, ließ sie von ihm ab.
    Schwer atmend ging sie in die Hocke und hob den Wolf auf ihre Arme. Noch immer verängstigt vom Kampf, oder durch ihr Äußeres, hatte sie ihren Schwanz weit an den Körper gezogen. Sie wehrte sich, allerdings war Gyahara um einiges stärker.
    "Ich bring dich unter Deck", murmelte die Dämonin. Oder zu Neneve. Je nachdem, ob sie die Elfe sah. Wobei sich diese wohl kaum freuen würde, wenn sie sah, dass Gyahara eines ihrer Tiere auf dem Arm durch die Gegend trug.
    Mit wachen Augen und Ohren schlich sie sich durch die kämpfenden Reihen. Dabei versuchte sie so wenig aufzufallen wie möglich. Mit einem Wolf im Arm konnte sie nicht kämpfen.
    Es schien ihr zu gelingen, denn sie kam an der Luke an, ohne noch einmal angegriffen zu werden. Kaum unter Deck, verlor sich der Krach etwas. Wie ein Schwamm wurde er aufgesogen und gedämmt.
    "Bleib hier." Sie setzte die Wölfin ab, ging kurz sicher, dass es ihr gut ging und sie nicht verletzt war. Dann mischte sie sich wieder in den Kampf auf dem Schiff. Schließlich musste sie noch irgendwo ihren Mantel wieder auftreiben.

  • Neneve kam gerade aus ihrer kleinen Kammer gerannt, als die Kapuze bereits wieder außer Sicht-und Hörweite war.
    "Verdammt", entfuhr es Neneve, während sie sich zu Aiana hinabbückte.
    "Geht es dir gut? Was haben diese...diese Barbaren mit dir angestellt?" Besorgte Blicke musterten den kleinen Wolf genauer, während sie das Schwert in ihrer Hand umklammerte.
    Bei Ausbruch des Lärms, beim Anblick des zersplitternden Holzes und den ungepflegten Seeräubern war sie direkt in ihre kleine Kajüte gerannt und hatte dort hektisch nach ihrem Schwert und dem Bogen gesucht.
    "Sie...sie hat mich gerettet", stammelte Aiana fassungslos und sah Neneve aus ihren großen, braunen Augen an. Sie waren noch größer als sonst und spiegelten die Angst des kleinen Tieres nur allzu deutlich wider.
    "Ich werde mich bei Gelegenheit bei ihr bedanken", wischte Neneve ihren Einwand beiseite und begann, die Treppe hinaufzugehen.
    "Ich gehe mit dir!" Neneve war ehrlich beeindruckt über den Mut des kleinen Wesens.
    "Nein, das wirst du nicht!", entgegnete sie jedoch und stürzte sich ins Getümmel. Aus den Augenwinkeln erkannte sie eine Gestalt, die von der Statur und Größe der Kapuze ähnelte - nur der wohlbekannte Mantel fehlte. Die Gestalt bückte sich um nach etwas Grauem, was auf dem Boden lag, zu greifen. In diesem Moment sah Neneve eine blitzende Klinge auf sie zuschnellen. Ohne weiter darüber nachzudenken, spannte Neneve die Sehne des Bogens, den sie bereits erahnend in der Hand hielt, und fixierte ein Ziel. Dieses Mal beließ sie es bei einem Augenkneifen, anstatt des Einatmens von Luft, und schoss.
    Erleichtert ließ sie den Bogen sinken, als sie erkannte, dass ihr Ziel getroffen zu Boden ging. In diesem Augenblick nahm sie sich fest vor, so bald wie möglich ihre Schießkunst zu verbessern, sie konnte eine günstige Geheimwaffe darstellen.
    Die Kapuze, die nun keine mehr war, drehte sich überrascht um und blickte auf den toten Piraten zu ihren Füßen. Für einen Moment sah sie ihn erstarrt an, dann suchten ihre Augen nach dem Schützen. Doch anstatt Neneve sogleich zu bemerken, wanderten sie ziellos weiter.
    Neneve runzelte ihre Stirn, dann ging sie einige Schritte auf sie zu.
    "Danke", murmelte sie nur und spürte, wie die Röte ihr ins Gesicht schoss. Das letzte Mal, dass sie sich bei jemandem bedankt hatte, lag sehr lange zurück. Und auch die Person, der sie diesen Dank ausgesprochen hatte, verursachte ein schmerzliches Ziehen in ihrem Magen.
    Falls möglich beäugte sie die Fremde nun noch entgeisterter.
    "Wofür?", wollte sie dann wissen.
    "Dass Ihr Aiana geholfen habt. Ich stehe nun in Eurer Schuld." Neneve musste schlucken. Zuvor hatte sie die Frau nicht so angesprochen, aber nun fand sie, dass es nur angebracht war. Sie bekam jedoch nur ein Stirnrunzeln als Antwort.
    Ein warmer Lufthauch streifte ihren Arm und geistesabwesend wirbelte Neneve um die eigene Achse. Nur wenige Fußlängen von ihr entfernt stand einer dieser übelriechenden, ungepflegten Säbelschwinger. Ein verfaultes Grinsen stahl sich in sein Gesicht, das von Stoppeln und Schnitten übersäht war.
    "Such dir jemanden, der auf deiner Kragenlänge ist!", fauchte Neneve ihm unverhohlen zu, während sie lässig seinen ersten Hieb parierte. Trotz seines massigen Erscheinungsbilds schien er eher planlos und vorraussehbar mit dem Schwert zu hantieren.
    So war es nicht weiter überraschend, dass er bald das Schicksal seines Kameraden teilte.
    Doch als Neneve ihren Blick über das Deck des Schiffs wandern ließ, verflog ihr kleines, triumphierendes Lächeln, das sich auf ihr Gesicht geschlichen hatte. Es sah nicht so aus, als würden sie irgendwann die Oberhand gewinnen.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

    Einmal editiert, zuletzt von Nyneve (28. Mai 2016 um 16:34)

  • Der Fürst ließ sich nicht lange bitten unter Deck zu gehen als die Piraten das Schiff betraten. Wie viel sicherer es unten sein würde, wenn sie das ganze Boot erst einmal versenkten, oder durchsuchten war Cifer nicht klar, aber wollte ganz sicher nicht bleiben um es herauszufinden. "Bleib hier und pass auf ihn auf, ja?" meinte er zu San und deutete auf den bleichen Fürsten, welcher in einer Ecke kauerte und wohl irgendeine Gebet murmelte. "Ich... ich seh nach, was ich oben tun kann." fügte er leicht stammelnd hinzu. Falls man ihm seine Angst ansah, so war der Junge immerhin höflich genug, ihn nicht darauf anzusprechen.Oh nett, nicht mal fünf Sekunden hier, und du lässt die beiden schon im Stich. Was wettest du, wie lange der Junge gegen die Männer durchhält. Er wollte schon davoneilen, wohin genau wusste er selbst nicht, wandte sich allerdings noch einmal um. "Ach ja, wenn.... wenn sie dich erwischen.... wehr dich nicht, dann nehmen sie dich vielleicht.... vielleicht als Schiffsjungen auf.." Die Idee klang wahrscheinlich nicht gut, aber er hatte schon mit Seeleuten gesprochen, denen sie das Leben gerettet hatte. Er wartete nicht auf Sans Antwort und lief los. Sein Herz fühlte sich an, als wolle es ihm aus der Brust springen und seine Hals schien sich zuzuschnüren als er wieder nach oben eilte, obwohl die Strecke eigentlich garnicht so weit war. Sie waren auf einem Schiff, umgeben von Wasser, meilenweit. Er konnte nirgendwo hin. Bei der Erkenntnis begann er zu zittern. Reiß dich zusammen. Du brauchst nur ein gutes Versteck, wo niemand dich suchen wird. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er das Deck betrat, aber das Zittern und das Herzrasen blieben. Oben schlüpfte er irgendwie durch die Kämpfenden und fiel über einen der leblosen Körper an Deck. Eine breite Gestalt tauchte über ihm auf, einer der Piraten, aber bevor er ihm den Säbel in die Brust bohren konnte, wurde er von einer anderen Person von hinten attackiert und ging mit einer Axt im Rücken zu Boden. Caspars Axt, wie sich herausstellte. Der Henker nickte ihm kurz zu und lief dann weiter, um dem nächsten Matrosen zu helfen. Cifer blickte dem Mann kurz schuldbewusst hinterher. Hätte er für den Henker dasselbe getan? Der Gestatlenwandler rappelte sich auf und entschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Zwischen den Kämpfenden, die zu sehr mit der Schlacht beschäftigt schienen, rettete er sich zwischen ein paar Fässer und Taue und nahm die Gestalt des Raben an. Niemand achtete auf den Vogel, als er zum Krähennest flog und den Kampf von dort aus weiter verfolgte. Du bist nutzlos, weißt du das? Komm lass uns etwas Blut vergießen gehen. Du weißt schon, den Leuten mal mit einem echten Dolch in den Rücken fallen. Auf dem vorderen Kastell konnte er zwischen den herumeilenden Gestalten auch vage Gyahara und ein Stück neben ihr die Elfe entdecken, die ebenfalls mutig die Angreifer abwehrten, auch wenn diese jetzt eindeutig in der Überzahl waren. Von hier oben wurde klar, sie kämpften auf verlorenem Posten. Das bestätigte auch der Ruf eines besonders großen ungepflegten Kerls mit einer Augenklappe. "Durchsucht den Rest des Schiffes, wir nehmen die verbliebene Mannschaft als Sklaven.

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

  • Sedar sah dem Fremden wortlos an, während er davoneilte um an Deck gegen die Piraten zu kämpfen.
    "Ich hätte wirklich noch einmal nach seinem Namen fragen sollen", dachte er schuldbewusst, da er wusste, dass er den Mann vielleicht nicht mehr wiedersehen würde. Dann blickte er auf den Fürsten, der zitternd auf dem einzigem Stuhl in der Koje saß, da offenbar seine Beine versagt hatten, und die Tür fixierte, als könne er sie daran hindern aufzuspringen und die unweigerliche Flut aus Feinden hineinzuspülen. Sedar hätte nichts lieber getan, als aus dem Zimmer zu rennen und seinen Freunden an Deck zu helfen. Selbst die großmäuligen Soldaten, die dem Fürsten dienten, verdienten es nicht zu sterben. Doch wenn er ging, dann würde er den Fürsten allein hier zurücklassen müssen. Schutzlos. Sie befanden sich zwar auf einem wesentlich größeren Schiff, als das der Piraten, doch es war ein Handelsschiff. Sedar wusste nicht viel über Handelsschiffe, aber er vermutete, dass die meisten Soldaten, die auf einem solchem anheuerten, kaum über die Erfahrung und das Können verfügen könnten wie die, die auf einem Kriegsschiff ihren Dienst taten. Jedenfalls nicht genug um es mit echten Piraten aufzunehmen, welche nach dem was er über sie aufgeschnappt hatte den ganzen lieben Tag lang nichts taten als Handelsschiffe zu überfallen. Also war die Möglichkeit auf einen Sieg recht gering und in Kürze würden die Gänge erfüllt sein von Gruppen aus randalierenden Marodeuren, die dem Fürsten kaum Zeit geben würden um seinen Rang und Namen preis zu geben, bevor sie ihn in ihrer Blutgier umbrachten. Welch großartiges Lösegeld ihnen durch die Lappen gegangen war, würden sie wohl nie erfahren, oder erst dann wenn es zu spät wäre. Das alles waren natürlich nur Vermutungen, da Sedar noch nie gegen einen Piraten gekämpft hatte, doch er konnte hier kein Risiko eingehen. Also musste er, ob er es wollte oder nicht, Stellung halten. So sehr er sich auch dafür hasste.
    Mühsam verdrängte er den Gedanken an seine um ihr leben kämpfende Freunde, falls sie dies überhaupt noch konnten, und sah an sich herab. Dummerweise hatte er sein Schwert und seinen Rucksack in der Koje, in der er schlieg, liegen lassen. Was sollte er auf einem Schiff auch mit einer Klinge und Gepäck, die sich nur in der Takelage verfangen und die Blicke auf ihn ziehen würden. Er hätte beides im Nachhinein gern in Kauf genommen, hätte er in diesem Moment nur mehr zur Verfügung als die Kette und seine Wurfklingen in seinem Beutel. Da es jedoch nichts brachte Vergangenem hinterherzutrauern, zog er die im Licht der Öllampe funkelnden Glieder nacheinander aus der kleinen Tasche und wickelte sie um seine linke Handfläche. Dann förderte er nacheinander vier Wurfmesser zu Tage und steckte sie sorgfältig aufgereiht unter seinen Gürtel. Daraufhin holte er auch noch einen Wurfstern auf den nun leeren Beutel und nahm ihn die rechte Hand. Die großen Augen des Fürstes, die er aufgrund der zahlreichen Klingen machte, ignorierte er geflissentlich. Von nun an war es mit der Heimlichtuerei vorbei. Auf die eine oder andere Weise. Dann postierte er sich zwischen dem Edelmann und der Tür und wartete.

    Es dauerte nicht lange, dann erklangen laute Schritte aus dem Gang. Sedar spürte die angstvollen Blicke des Fürsten und wusste instinktiv, dass nicht viel Vertrauen in ihnen lag.
    "Nicht gerade aufbauend", dachte er, dann wurde die Tür aufgestoßen und ein riesiger Hühne, fast so groß wie Casper, stand in der Tür. Das es jedoch definitiv nicht der Henker war, zeigte das blutverschmierten Säbel in der Hand und die wilden Haare im Gesicht und auf dem Kopf, die aussahen als wären sie noch kein einziges Mal gewaschen worden. Anstatt im Eingang stehen zu bleiben und die potentiellen Gefahren abzuschätzen, stürmte der Pirat, der er offensichtlich war, einfach weiter. Mit erhobenem Säbel. Laut brüllend.
    "Ich bin ...", schaffte es der Fürst noch zu sagen, dann bohrte sich der Wurfstern mitten in den Hals des Angreifers. Der Schwung trieb ihn noch einen Schritt weiter, dann viel er kraftlos zu Boden und ließ die Holzplatten unter Sedar erbeben. Schluss mit der Vorsicht. In dieser Situation konnte er nicht auf das Leben seiner Feinde Rücksicht nehmen, da seinem eigenem sonst gewiss ein Ende gesetzt wäre. Zwei weitere Piraten schoben sich durch die Tür. Nicht ganz so groß und nicht ganz so wild wie ihr Vorgänger beäugten sie Sedar misstrauisch und bewegten sich langsam auf ihn zu. Mit einer Sprung überwand er die Distanz zu dem ersten. Ein kräftiger Tritt gegen den Brustkorb des Mannes ließ diesen gegen die Wand prallen, so dass Sedar die Zeit blieb eines seiner Messer zu ziehen und es in die Brust seines Opfers zu treiben. Aus dem Augenwinkel sah er den anderen Angreifer, der sich von hinten anschleichen wollte, zog ein weiteres Messer und warf es auf den Schemen. Der Pirat wich getroffen zurück, blieb jedoch fürs erste auf den Beinen, so dass Sedar herumwirbeln und ihm sein drittes Messer in die Seite bohren musste. Nun blieb ihm nur noch eins. Er sprang zurück auf seinen Platz vor dem Fürsten und zog die letzte Klinge. Mit der linken Hand rollte er etwa einen Meter der Kette ab, da die Höhe der Decke, obwohl der Fürst die Koje des Kapitäns übernommen hatte, die vermutlich die mit der höchsten Decke im ganzem Schiff war, hier nicht mehr zuließ. Er schwang das abgerollte Ende beständig im Kreis. Das Gewicht, das an ihm hing, ließ ein leises Zirpen erklingen, während es die Luft verdrängte. Außer ihm und dem Fürsten befanden sich nun noch vier weitere Personen im Raum. Vermutlich die letzten dieser Plündergruppe. Sie hatten sich in einem lockerem Halbkreis um ihn herum postiert. Alle mit einem Säbel in der Hand und einem irrem Blick, der ihn vermutlich einschüchtern sollte. Der erste machte einen Schritt auf ihn zu und schwang seine Klinge, doch Sedar schickte ihn mit seinem letztem Messer wortwörtlich auf die Bretter. In die freigewordene Hand nahm er schnell das andere Ende der Kette, um sie über die volle Länge zu nutzen, und schwang es wie das in seiner linken Hand. Dann trat er einen Schritt auf seiner Gegner zu. Das linke Ende der Kette traf mit dem Gewicht die Schläfe des ersten der drei übrig gebliebenen Soldaten, der auch auf Sedars linker Seite stand, während er das andere über seinem Kopf schwingen ließ. Statt das rechte Ende nun auf den Kopf des nächsten und mittleren Gegners prallen zu lassen, womit dieser vermutlich rechnete, ließ er es herunterfahren und sich um den Fuß desselben Mannes wickeln. Ein kräftiger Ruck beförderte ihn zu Boden. Während dieser Bewegung drehte er sich bereits linksherum um die eigene Achse und ließ das noch freie Ende der Kette von rechts auf den verbliebenen Kämpfer zuschießen. Der schaffte es, dies musste Sedar ihm zugestehen, die Kette durch eine gedankenschnelle Reaktion mit dem Schwert abzuwehren, doch ebendieses war nun in der Umklammerung der metallenen Glieder verankert und wurde ihm durch einen weiteren Zug aus den Fingern gerissen. Etwas verblüfft starrte der Pirat auf die nunmehr leere Hand, bis ihm die Faust des Assassinen gegen die Schläfe krachte und ihn wohl für ein paar Stunden von der realen Welt trennen würde. Den letzten noch verbliebenen Gegner, der immer noch auf dem Boden lag, schaltete Sedar mit einem präzisen Handkantenschlag aus. Er würde es zwei seiner Gefährten gleichtun und erst in einiger Zeit wieder erwachen. Für die meisten anderen Piraten in diesen Raum bestand diese Hoffnung wohl eher nicht, doch Sedar unterdrückte die Schuldgefühle. Dafür war später noch Zeit. Falls es ein später gab. Er richtete sich auf und atmete tief durch. Dieser Kampf hatte ihm nicht nur einen Großteil seiner Waffen genommen und auch wenn er die Messer wohl zurückholen könnte, bevor die nächste Truppe kam, so bezweifelte er, dass er die Kraft hatte dieser genauso wie der ersten zu begegnen. Und danach käme wohl eine weitere und eine weitere. Alles in allem war es hoffnungslos. Er warf dem Fürsten, der völlig versteinert auf seinem Stuhl saß und alle Körperbewegungen, einschließlich des Blinzeln, soweit Sedar es sagen konnte, abgestellt hatte. Die nächsten Piraten würden beim Betreten dieses Raums wohl zögern. Grund genug ob der Körper ihrer Kameraden am Boden hatten sie ja. Dies würde dem Aristokraten wohl genug Zeit geben um ihnen klar zu machen wer er war und welche Geldsumme er ihnen zusätzlich zur Beute auf dem Schiff einbringen könnte. Er wäre wohl scheller gefesselt in irgendeiner Zelle mit den anderen Gefangenen, falls es denn andere gab, als er "Aber ich bin von edlem Geblüht und ihr solltet mich demnach behandeln" sagen könnte. Vielleicht mit verletzter Ehre aber körperlich unversehrt. Oder zumindest lebendig. Er begann seine Klingen wieder einzusammeln. Das Blut, das an ihnen klebte, stellte eine grausamen Kontrast zu dem silbrigen Metall dar.
    "Wenn die Piraten kommen, ergebt euch", gab Sedar ihm über eine Leiche gebeugt denselben Rat wie der Fremde ihm zuvor. "Ich werde mich auf dem Schiff verstecken und versuchen euch zu befreien, sobald ich kann." Er war bereits bei der Tür, die Klingen wieder in seiner Gürteltasche verstaut, als der Edelmann reagierte.
    "Bleibt hier ihr jämmerlicher Feigling." Es sollte wohl wie eine Beleidigung klingen, kraftvoll und selbstbewusst, doch heraus kam nur ein bedauernswertes Winseln.
    "Und das von einem, der während des gesamten Kampfes nur auf einem Stuhl gesessen und zugesehen hat", dachte Sedar verbittert, doch er schwieg und zog stattdessen den Körper eines seiner Feinde, der die Tür blockierte, zur Seite.
    "Bleibt hier, ihr müsst mich doch beschützen", jaulte der Fürst hinter ihm, als er sich schon auf dem Gang vor der Kajüte befand. Den Mut aufzustehen und ihm zu folgen, hatte der, der über einen ganzen Landstrich herrschen sollte, nicht.
    "Ich werde kurz meinen Rucksack und das Schwert aus meiner Kajüte holen und dann meinen Freunden helfen", dachte Sedar. Es war Zeit einen letzten Kampf zu kämpfen. Lieber tot als Sklave. Und vielleicht bestand die Möglichkeit, die winzig kleine Möglichkeit, dass seine Freunde noch am Leben sein könnten. Lieber würde er an ihrer Seite sterben, als an der des Fürsten.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Caspers Gedanken rasten, während er sich weiter über das Deck metzelte. Weiter hinten erkannte er Neneve und Gyahara, die Rücken an Rücken kämpften. Die Elfe teilte immer wieder gezielte Schläge mit ihrem Schwert aus, die die Angreifer tot zu Boden gehen ließen, während Gyahara mit bloßen Händen und Tritten kämpfte. Einen Piraten packte sie sogar und warf ihn in seine Kameraden hinein, die.über die Reling und dann schreiend ins Wasser fielen. Casper hatte nicht um die Kraft von Dämonen gewusst und war beeindruckt.
    Hinter den beiden trat San unter Deck hervor. Er hatte seinen Rucksack über der Schulter und das Schwert gezückt. Als der erste Pirat auf ihn zu ging zweifelte er nicht mehr an den Worten des Jungen in der Taverne. Er war verflixt gut.
    Während Casper munter Köpfe von Schultern trennte, wie es nun mal sein Job war, überlegte er fieberhaft, wie sie entkommen konnten.
    Dabei glitt sein Blick zu den Seilen und Planken an der linken Flanke des Schiffes. Es war riskant, könnte aber funktionieren... immerhin hatte ein Handelsschiff oft mehr Waffen als Waren an Bord und wenn es in Händen von Piraten gewesen war sowieso.
    Mit neuer Kraft bahnte sich Casper sich einen Weg zu Gyahara und Neneve. Mit einem mächtigen Rundumschlag verschaffte er sich und den Frauen Luft.
    "Neneve hol deine Tiere und Franz, Gyahara sag es San und Cifer und jedem den du triffst. Ich hole den Fürsten. Wir wechseln auf mein Kommando das Schiff!"
    Falls die Elfe Probleme hatte von ihm Befehle anzunehmen, so hatte sie keine Zeit ihm das zu sagen, denn eine neuerliche Welle Piraten griff an. Sie mussten sich beeilen, bald wäre niemand mehr von der Besatzung übrig.
    Casper eilte unter Deck und fand einen völlig verängstigten Fürsten unter einem Tisch kauernd.
    Er schrie: "Ich ergebe mich!", als Casper im Türrahmen erschien. Der Henker verdrehte die Augen, gab sich zu erkennen und zerrte den Fürsten nach oben.
    Seine Schritte platschten dabei. Eine Tatsache, die gefährlich war, wenn sein Plan nicht aufging, ihnen aber in die Karten spielte, sollte es klappen.
    Oben hatten die Piraten die restlichen Matrosen zusammengepfercht. Niemand kämpfte mehr. Sie standen an den Planken und sollten auf das feindliche Schiff übergehen. Casper fackelte nicht lange.
    "JEEEEEETZT!", brüllte er donnernd und die Piraten zuckten zusammen. Gyahara, Neneve, San und auch einige der Matrosen nutzten die Unaufmerksamkeit schamlos aus. Mit wuchtigen Hieben trieben sie die Piraten zurück, während sie die anderen nach und nach über die Planken wechselten. Casper beobachtete beruhigt, wie auch Franz, Vargas und Aiana über die Planken geführt wurden. Er schubste den Fürsten in die Richtung und beteiligte sich am Kampf.
    Mit einem wütende Schrei hob er die Axt und trennte die Tau zum herüber schwingen und die der Enterhaken durch. Die Matrosen warfen alle bis auf eine Planke ins Wasser.
    Gyahara war die erste die hinüber hastete.
    "An die Kanonen!", befahl sie. Das ließen sich die Matrosen nicht zweimal sagen.
    Dann verschwand San von Deck, dann Casper und als letzte Neneve, die die Ihr nachkommenden Soldaten mit einem Pfeil durchbohrte und die Planke im Meer versenkte.
    Casper beobachtete einen Raben, der von einem Mastkorb zum anderen flog. Was macht ein Rabe auf offener See?
    Dann erschütterten Kanonenschläge den Bauch des Schiffes und zersplitterten den des anderen, während der Rest der kümmerlichen Mannschaft die Segel hisste, um so schnell wie möglich Distanz zwischen sich und die Piraten zu bekommen.
    Von Ferne war die Schräglage des Schiffes gut zu erkennen und das Fluchen der Piraten hörten sie noch lange.
    Casper drehte sich zu Neneve, Gyahara und San um: "Vielen Dank für eure Hilfe. Ohne euch hätte es nicht geklappt." Pause. San brach die entstandene Stille, die eine Mischung aus Freude, dass sie überlebt hatten, Verlegenheit und von Neneves Seite auch ein bisschen Zorn war.
    "Hat jemand den fünften im Bunde gesehen?"

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara sah dabei zu, wie sie sich immer weiter von dem Handelsschiff entfernten und wie dieses langsam in den Wellen versank. Da waren sie wohl gerade noch einmal rechtzeitig entkommen. Ein Blick über ihre Schulter verriet ihr jedoch, dass nicht viele Männer der einstigen Besatzung übrig geblieben waren. Nicht einmal mehr eine Handvoll Matrosen mochten es sein. Dazu kamen, San, Neneve, ihre Tiere, der Fürst, zwei seiner Soldaten und Casper.
    Erst als San fragte, ob jemand den alten Herrn gesehen hatte, fiel ihr auf, dass sie Cifer schon die ganze Zeit nicht mehr gesehen hatte. Das letzte Mal, als er den Fürsten unter Decke geleitet hatte.
    "Ich bin hier", ertönte die Stimme Cifers hinter ihnen. Gyahara drehte sich um und erblickte den Mann. Er lehnte am Mast und schien von irgendwas ziemlich erschöpft. Sie zog die Brauen kraus. Wann hatte der Mann das Schiff gewechselt?
    "Cifer zum Glück, dir geht es gut." Casper trat auf ihn zu und klopfte ihm erfreut auf die Schultern. Unter den mächtigen Pranken zuckte der Ältere stetig weiter zusammen.
    Sie hatten das also alles wie durch Zufall überlebt - zumindest diejenigen, mit denen Gyahara etwas zu tun hatte. Blöderweise hatte sie dabei ihren Mantel abgelegt und damit allen gezeigt, was sie wirklich war. Zwar hatte bisher noch niemand etwas gesagt, selbst die Elfe hatte es einfach hingenommen, allerdings befanden sie sich bis vor wenigen Minuten auch noch in einer Ausnahmesituation. Im Kampf hatte keiner auf sie geachtet. Aber es machte auch keinen Sinn mehr, sich die Kapuze wieder überzuziehen.
    Leise, und ohne dabei die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu ziehen, verzog sie sich in den hintersten Winkel des Schiffes. Mit etwas Glück würde man sie nicht über Bord schmeißen und sie konnte sich im nächsten Hafen abseilen und verschwinden. Aber dafür mussten sie sehen, dass sie sich friedlich und ruhig verhielt.
    Sie durchsuchte das schmuddelige Schiff und fand schließlich einen leeren Lagerraum, in dem sie sich verstecken konnte. Da hatte sie geglaubt, endlich einmal dazuzugehören, aber diese Wunschvorstellung löste sich soeben restlos auf. Niemand würde sie akzeptieren. Das hatten die Menschen nie getan. Diese blöden Piraten. Nur wegen ihnen musste sie ihre Tarnung aufgeben.

  • Neneve musste sich eingestehen, dass ihre Hand noch immer ein wenig zitterte. Schnell verbarg sie sie mit der anderen hinter ihrem Rücken, damit niemand es sehen konnte. Wie albern sie doch war. Zähneknirschend sah sie sich nach den anderen um. Wo war die Kapuze geblieben? Suchend sah sie sich nach den Seiten um. Neneve wollte sich noch einmal bei ihr bedanken. Man sollte ihr schließlich nicht nachsagen, dass sie sich wie diese Menschen benahm. Sie runzelte ihre Stirn und dachte an die Frau zurück. Was war sie eigentlich? Neneve hatte keine Zeit gehabt, um sich nach ihr umzusehen, nachdem ihr Mantel verschwunden war. Im Grunde wusste sie überhaupt viel zu wenig von den anderen. Missmutig betrachtete Neneve den Holzboden unter ihren Füßen. Wie sollte sie herausfinden, wer der Verräter war, wenn sie niemanden kannte? Dass es einen Verräter gab, stand für Neneve fest. Einer ihrer Mitreisenden - sie schloss den Fürsten in ihre Überlegungen mit ein - musste einfach etwas mit dem falschen Brief zutun gehabt haben. Sie bezweifelte, ob ein Außenstehender so einfach bemerkt hätte, dass es ausgerechnet Fürst Keios war, der sein Lager dort aufgeschlagen hatte.
    Neneve ließ ihren Blick über die Gesichter der anderen wandern. Nein, es war ihr unmöglich, einen von ihnen auszuschließen oder stärker zu verdächtigen. Da riss sie der Rattenfänger aus ihren Gedanken, indem er mit dröhnender, fröhlicher Stimme verkündete, er würde sich nun das Schiff einmal etwas genauer ansehen.
    Grinsend setzte er hinzu: "Irgendeinen Vorteil muss es doch haben, auf einem Piratenschiff zu leben. Vielleicht gibt es hier verborgene Schätze?" Lachend verschwand er. Neneve nickte den beiden anderen einmal kurz zu und verschwand ebenfalls im Bauch des Schiffes. Ihr Entschluss stand fest: Sie würde die Kapuze suchen. Ihr Name wäre immerhin ein Anfang.
    Die erste Tür, die Neneve vorsichtig aufstieß, beherbergte die Kammer des Fürsten. Sie war nicht so ausladend wie die auf dem Handelsschiff, doch durch das flackernde Licht war alles mit einem goldenen Schimmer überzogen und wirkte recht einladend.
    Ohne den Kopf von der Wand vor ihm zu wenden, fragte der Fürst tonlos: "Was wollt Ihr? Mir wieder Vorwürfe machen? Gebt es ruhig zu, Ihr haltet mich für einen Schwächling!" Neneve sah ihn überrascht an und schluckte.
    "So etwas würde ich mir niemals erlauben, Fürst Keios", erwiderte sie dann, "ich...ich wollte nur nach Eurem Wohlbefinden sehen. Wäre es nicht besser, wenn einer der Soldaten bei Euch bleiben würde? Es ist sicherlich nicht ratsam, wenn Ihr nun alleine seid". Neneve zwang sich zu einem freundlicheren, zuversichtlichen Tonfall, doch sie bezweifelte, dass es ihr gelang. Es war einfach schon viel zu lange her, dass sie zu jemandem freundlich gewesen war. Eigentlich war das letzte Mal, an dass sie sich erinnern konnte, der Tag gewesen, als Hondu starb.
    Wortlos nickte der Fürst ihr zu und winkte sie mit einer fahrigen Hand hinaus. Normalerweise hätte Neneve ihm daraufhin sogleich die Leviten gelesen, doch sie war selbst zu erschöpft dazu. Also beließ sie es bei einem wütenden Schnauben und entfernte sich aus dem Raum. Der Fürst war es nicht wert, noch weiter ihre Anwesenheit genießen zu dürfen.
    So lief Neneve schweigend weiter, bis die nächste Tür nun rechts vor ihr auftauchte. Dieses Mal ließ sie die Tür einfach aufschwenken und sah sich in dem kleinen Raum um. Obwohl er komplett leer war, konnte man durch fehlendes Licht nur wenig erkennen.
    Neneve räusperte sich, während feine Staubpartikel sich ihren Weg in ihre Nase suchten. Sie musste niesen und verfluchte innerlich dieses Schiff. Da hörte sie ein weiteres, deutlich leiseres Husten. Sogleich versteifte sie sich in ihrer Position und spannte ihre Muskeln an. Wer das wohl war? Ein übriggebliebener Pirat? Ein armseliger Gefangener? Auf jeden Fall wollte sie auf Nummer sicher gehen und zog ihr Schwert. Langsam, bedacht darauf, nicht noch mehr Lärm zu machen, ließ sie die Tür hinter sich zufallen und stand nun in vollständiger Dunkelheit. Wenigstens sahen sie nun beide nichts mehr, was für beide auch keinen Vorteil mehr darstellte.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

  • Cifer lehnte im hinteren Teil des kleineren Bootes an der Reling und starrte auf das Schiff, welches sie verlassen hatten und welches jetzt nur noch ein kleiner Punkt am Horizont war. Wieviele Matrosen wohl zurück geblieben waren, tot oder zu schwer verletzt, um sich retten zu können. Er mochte sich nicht ausmalen, was aus den Lebenden geworden war und fühlte einen leichten Würgreiz, bei dem Gedanken an die Schlacht. Auch der Gedanke an den Henker trug zu diesem Gefühl bei. Auf die Anderen hatte er wenig geachtet als er wieder aufgetaucht war, dafür war er noch zu aufgebracht gewesen, obwohl er das wohl einigermaßen gut verborgen hatte, aber ihm war die Erleichterung des Mannes deutlich aufgefallen. Er war schon seit Jahren mit niemandem mehr gereist, der sich freute, wenn er noch da war. Er fragte sich, ob sich an dieser Erleichterung etwas ändern würde, wenn dem Mann auffiel, dass er weder etwas zu dem Kampf noch zu ihrer Rettung etwas beigetragen hatte. Er hatte einfach die Seiten gewechselt, als er den Plan der Anderen erkannt hatte. Und deutlich genug sah man ihm seine Untätigkeit wahrscheinlich an, so unverletzt und ohne Kampfspuren wie er war. Wahrscheinlich würde man ihn dafür über die Planke gehen lassen. Der Würgreiz war inzwischen groß genug, dass Cifer sich ersteinmal über die Reling beugte und eine Weile würgte. Plötzlich fühlte er eine Hand auf seiner Schulter und fragte sich ob man ihn jetzt wirklich ins Meer werfen würde. "Fall nicht rein" hörte er nur die amüsierte Stimme Caspars. "Na, plötzlich Seekrank geworden?" spaßte der Mann nur, als der Gestaltenwandler sich endlich wieder aufrichtete. Nein, nur der Gedanke, dass ich alle im Stich gelassen habe. Tut mir übrigens leid. Ich würde ja versprechen es nie wieder zu tun, aber ich kenne mich selbst gut genug um zu wissen dass es eine Lüge wäre. "Hab wohl was falsches gegessen. Wie... wie sieht die Küche hier so aus?" meinte er achselzuckend aber immer noch etwas bleich. Der Andere lehnte sich jetzt auch an die Reling "Ziemlich karg, ein paar der Männer meinten, wenn nötig essen sie Neneves Hirsch." Er grinste als er sich wohl in Gedanken die Elfe ausmalte wie sie den Männern mehr als deutlich klar machte, dass niemand ihren seltsamen Hirsch anfasste. "Aber der Kerl der ihren Wolf schon nicht in Ruhe lassen wollte war auch unter ihnen, also denke ich sie wissen worauf sie sich einlassen wenn sie versuchen dem Tier auch nur ein Haar zu krümmen." Cifer ließ den Blick über das deutlich kleinere Deck schweifen. Er hatte nur am Rande gemerkt, wie Neneve und der Fürst gegangen waren. San hockte oben im Ausguck, diese Platform hatte im Gegensatz zum anderen Schiff kein Geländer so konnte man deutlicher erkennen, ob der Posten besetzt war. Ihm fiel auch die Abwesenheit der Vermummten auf und dass er sie schon seit dem Kampf nicht mehr wirklich gesehen hatte. Andererseits hatte er nicht wirklich darauf geachtet, wer es geschafft hatte. Was wenn ihr wirklich etwas passiert war? Vielleicht sollte er den Anderen einfach den Gefallen tun und sich selbst von Bord werfen, so unnütz wie er war. Er räusperte sich unangenehm "...Wo ist eigentlich Gyhara?" Er bemerkte den überraschten Blick Caspars, als wäre ihm etwas wichtiges entgangen. Allerdings schien er nicht zu traurig zu wirken also war es wohl nichts todernstes. "Ich weiß nicht, sie wird sich wohl das Schiff ansehen, oder sich etwas ausruhen." Er klang leicht besorgt. Vielleicht war sie ja verletzt worden. Der Henker entfernte sich ein Stück von der Reling. "Ich denke, ich sehe mir nochmal an, was der Lagerraum so hergibt. Schätze haben wir noch keine gefunden, aber vielleicht gibt es ja etwas Brot oder Käse, um die Anderen zu beruhigen. Ich möchte sie ungern vor Neneve verteidigen, wenn sie sich wirklich an den Hirsch wagen. Kommst du mit?" Cifer schüttelte den Kopf. "Geh nur, ich... ich sehe ob ich hier oben irgendwo helfen kann." Zu seiner eigenen Überraschung tat er sogar einmal das, was er gesagt hatte und half zweien der Männer bei der Überprüfung des Segels, welches wohl schon einige heftige Stürme erlebt hatte.

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara sah wie die Silhouette durch die Tür trat und sie dann wieder verschloss. Man hatte sie bemerkt, natürlich! Warum hatte sie auch husten müssen? Dieser blöde Staub, der hier überall herumflog, als hätte sich um die Sauberkeit des Schiffes noch niemals jemanden geschert. Widerlich.
    In der Dunkelheit erkannte sie nur die Umrisse, war sich aber sicher, dass es sich bei dem Störenfried um die Elfe handelte. Warum ausgerechnet sie? Es hätte jeder andere sein könne, aber nein, ausgerechnet die Elfe musste sie finden. Aber Glück war sowieso nichts, womit man einen Dämon beschreiben konnte. Es hätte gegen ihre Rasse verstoßen, wäre jemand anderes in den Raum getreten. Es musste eben immer das schlimmste Übel sein.
    Nun war es also so weit. Er hatte sie angenommen, man würde sie einfach über Bord schmeißen und ertrinken lassen. Qualvoll und lang wäre dann ihr Tod gewesen, aber vielleicht würde Neneve kurzen Prozess mit ihr machen. Obwohl ihr der eigentliche Plan, beim nächsten Hafen zu verschwinden wesentlich lieber gewesen wäre.
    "Wer ist hier? Los komm heraus!", rief die Elfe. Ihre Stimme klang sauer und fest. "Ich werde dich sowieso finden und das wird nicht gesund für dich enden."
    Gyahara überlegte einen Moment, ob sie nicht besser in ihrer Ecke sitzen bleiben und den Mund halten sollte. Allerdings würde es sicherlich nicht gut enden, wenn sie wartete, bis die Elfe erst richtig sauer wurde. Deshalb erhob sie sich.
    "Ich bin es Neneve", murmelte sie. "Gyahara." Sie presste die Augen zusammen und wartete auf die wüsten Beschimpfungen, die man ihr entgegen schleudern würde. Wenn nicht sogar das Zischen des auf die niederfahrenden Schwertes. Doch nichts davon passierte. Es blieb eine ganze Weile einfach nur still. Dann schien sie ihre Waffe wieder in die Scheide zurückzuschieben. Zumindest gaukelte Gyahara der metallische Klang ebendies vor. Darauf verlassen wollte sie sich jedoch nicht. Zu unglaubwürdig erschien es ihr.
    "Was machst du hier?", kam die Frage durch die Dunkelheit.
    Auch, wenn es Neneve nicht sehen konnte, blickte Gyahara sie erstaunt an. Hatte sie ihr tatsächlich gerade diese Frage gestellt? Was bezweckte die Elfe damit? Sie wollte sich doch nicht wirklich mit ihr unterhalten? Und was sollte sie nun darauf antworten? Erwartete die Elfe überhaupt eine Antwort?
    "Ich habe mich nur etwas auf dem Schiff umgesehen."
    Ein Geräusch ertönte, als würde Neneve ihr Gewicht verlagern. Vermutlich hatte sie soeben die Arme verschränkt und alles auf ihr Standbein gestellt.
    "Es wäre besser, wenn du mir die Wahrheit sagst, sonst überlege ich es mir noch mal, ob ich dich nicht doch töte."
    Sie hatte es also bemerkt. Gyahara seufzte. Sie hatte keine große Lust, nun ausgerechnet der Elfe ihre Gedanken preis zugeben. Hatte sie eine Chance, gegen sie zu kämpfen? Aber was war dann? Dann hatte man erst recht einen Grund, sie vom Schiff zu verbannen. Und eine gute Lüge? Leider war sie noch nie gut darin gewesen, sich wirklich glaubwürdige Geschichten auszudenken. Egal wie sie es drehte und wendete, Neneve saß am längeren Hebel. Und sie war noch nicht einmal in der Nähe eines Hebels.
    "Ihr habt alle gesehen, was ich bin. Es ist klar, dass keiner mehr etwas mit mir zu tun haben will. Deshalb habe ich mich hier versteckt. Damit ihr mich nicht weiter ertragen müsst. Ich verspreche, ich werde euch aus dem Weg gehen und niemandem etwas tun. Im nächsten Hafen verschwinde ich vom Schiff und ihr werdet nie wieder etwas von mir hören."
    Gyahara hoffte, dass die Situation damit geklärt war und die Elfe verschwinden würde. Doch diese schwieg und Gyahara wusste ebenfalls nicht, was sie machen sollte. Weshalb sie einfach nur dastand und die Umrisse von Neneve betrachtete. Unter einem eventuellen Hieb konnte sie sich vielleicht hinwegducken, wenn die Elfe derart reagierte. Dann zur Tür hinaus und an Deck. Aber wohin dann? Sie saß auf einem schwimmenden Gefängnis. Es gab kein Entkommen.

  • Sedar stand mit gesenktem Kopf an der Reling. Die Wellen, die am Bug zerschellten, ließen einzelne Wasserspritzer in sein Haar regnen, so dass es wirkte als käme er direkt aus einem Regenschauer. Eigentlich hätte er sich freuen müssen, dass er noch am Leben war. Lachen, umherspringen, Lieder singen. Doch niemand auf dem ganzem Schiff lachte oder sprang umher. Und Lieder hörte er auch keine. Sie alle hatten etwas verloren. Die Matrosen Freunde, Besitz und ihr einst so großartiges Schiff. Seine Dienstherr seine Würde und hoffentlich auch seine Selbstachtung. Die Elfe einen großteil der Matrosen, die sie niedermachen konnte, wenn ihr danach war. Seine Freunde und der Fremde ihre sichere Überfahrt. Er seine Lüge. Gut. Niemand hatte ein Wort gesagt, doch sie alle hatten gesehen, dass das was er gesagt hatte nicht stimmen konnte. Kein einfacher Herumtreiber wäre in der Lage gewesen das zu tun, was er hatte tun müssen um das andere Schiff zu erreichen. Es war selbst mit seinen Fähigkeiten ein Wunder, dass er es überhaupt geschafft hatte. Und sollten die anderen aus irgendeinem Grund nicht durch das Geschehen an Deck der Karacke misstrauisch geworden sein - vielleicht weil sie zu sehr auf die mörderischen Piratenhorden fixiert waren - so würden sie es ganz gewiss durch das Entsetzen, das jedes Mal in das Gesicht des Fürsten trat, wenn Sedar sich ihm auch nur näherte. Er hatte ihm das Leben gerettet verdammt und der Mann störte sich an der Art wie er es getan hatte.
    "Was erwartet dieser eingebildete Aristokrat", fragte er sich. "Das bei einem Kampf Limonade aus den Wunden strömt und einen sanften Zitronenduft verbreitet."
    Wenigstens waren für den Moment alle mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigt. Die Elfe und Gyahara waren unter Deck auf Erkundungstour und der Fremde half den Matrosen von dem durchlöcherten Segel zu retten was noch zu retten war. Nur Caspers Stirn war jedesmal von nachdenklichen Furchen durchzogen, wenn er ihn ansah. Ihm hatte er immerhin bereits erzählt, was er war, selbst wenn es der Alkohol hinaus geschrien hatte. In dieser vermaledeiten Nacht. Immerhin lag noch keine Abscheu in den Augen des Henkers, doch der Blick würde sich ändern. Alle Blicke würden sich ändern. Menschen die seine Fähigkeiten hatten wurden nicht ausgebildet um Häuser zu bauen, Schafe zu scheren oder Rehe zu jagen. Und wenn dann noch einer der Matrosen irgendwo die Geschichte über seinen Königsmord gehört hatte, die die Enklave nach seinem Fortlaufen mit einer so detailreichen Täterbeschreibung, das man glauben könnte sie kenne ihn, in Umlauf gebracht hatte, und parallelen zog, dann wäre er schneller über die Planke gejagt als ein Löwe nach einer von der Herde getrennten Antilope schnappen konnte.
    Er stieß sich von der Reling ab um den Matrosen zu helfen das Schiff auf Vordermann zu bringen. Wenn sich seine trostlosen Gedanken erfüllten, würde er nicht mehr allzu viel Zeit mit Menschen an seiner Seite verbringen können, bevor er dazu nur noch Fisch hatte. Er schüttelte sich unbehaglich. Insbesondere Haie.
    "Vielleicht solltest du dich ein bisschen weniger mit dir beschäftigen", schlug ein Stimme in seinem Kopf vor. Dann runzelte er die Stirn.
    "Vielleicht sollte ich das wirklich tun, wenn ich schon anfange mir selbst Vorschläge zu unterbreiten", überlegte er.
    "Ich bezweifle, dass du damit etwas daran ändern könntest", entgegnete die Stimme, wobei sie besondere Betonung auf das Wort "daran" legte. Sich durchaus bewusst, dass er sich gerade widersprochen hatte, ließ er den Blick über das Schiff schweifen, auf der Suche nach etwas das ihn von sich selbst ablenken könnte. Auch wenn die Stimme recht hatte. Er war nun wirklich nicht der Einzige, dessen Geheimnisse ans Licht gekommen waren. Bevor sie unter Deck verschwinden konnte, hatte er einen Blick auf die kapuzenlose Gyahara werfen können. Er wusste nicht wie er interpretieren sollte, was er gesehen hatte - die schwarz-gelben Augen, die graue Haut, das Fehlen von Ohren -, doch zu einem Menschen gehörte es sicher nicht. Andererseits wusste er, wenn er überhaupt eins wusste, dass Menschen meist größere Ungeheuer waren, als der Großteil der Ungeheuer selbst. Seine Person nicht ausgeschlossen, auch wenn er sich bemühte diesen Gedanken beiseite zu lassen. Auf jeden Fall würde er Gyahara nicht für etwas verurteilen, mit dem sie geboren war. Die Wünsche, der Charakter und die Taten eines Wesens machten es aus, nicht dessen Eltern. Er hoffte nur, dass die anderen auf dem Schiff das genauso sahen.
    Sedar wollte gerade nach einem herrenlosen Tau greifen, das auf dem Deck als Stolperfalle für jeden ausgelegt war, als ein anderer Mann sich danach beugte. Es war ein älterer Matrose mit sonnengegerbter Haut, der stöhnte und sich ans Knie fasste, während er sich aufrichtete um dem jüngeren die Arbeit zu überlassen.
    "Nur eine kleine Verletzung", beruhigte der Matrose ihn mit einem Lächeln, das schon beim Anblick Zahnschmerzen verursachte. "Hat nichts mit den Piraten zu tun, falls du das denkst. Ich habe das schon viel länger und muss weder frisch verbunden werden, noch mich hinlegen." Er klang, als wäre er das die letzte halbe Stunde öfter gefragt worden. Sedar nickte ihm nur zu - was ging ihn die Gesundheit eines alten Mannes an - und trug das Seil, während er es aufrollte zu einem der zwei Masten, an dessen Fuß es vermutlich weniger Gefahr für die Allgemeinheit verbreiten würde. Mitten auf halber Strecke blieb er wie vom Blitz getroffen stehen. Eine Knieverletzung. Er wusste, dass das verrückt war, aber sein paranoides Hirn begann bereits einen Schauer des Misstrauens auf ihn herabregnen zu lassen. Er hatte zwei Männern einen Dolch in die Kniekehle gejagt, damals auf der Lichtung im Wald, und war nur einem von beidem vor scheinbar so wenig Zeit auf dem anderem Schiff wieder begegnet. Er hatte sich damals schon gefragt, was aus dem anderem geworden war. Ruckartig drehte er sich um und suchte den Platz ab, an dem er dem alten Matrosen eben noch gegenübergestanden hatte. Wäre das möglich?
    "Du spinnst", gab seine Vernunft missbilligend seine Meinung preis.
    "Und was wenn doch?", fragte der Teil seines Gehirns, der für Verfolgungswahn und Verschwörungstheorien zuständig war. Also der deutlich größere.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Casper hatte seinen Erkundungsgang abgeschlossen.
    Unten im Lagerraum waren tatsächlich einige Schätze zu finden gewesen, Schmuck, Edelsteine und so, aber er hatte die Finger davon gelassen. Schließlich sollte das Beutegut zurück an die Geschädigten gehen.
    Essen hatte er leider kaum gefunden. Ein paar Kartoffeln und Trockenfleisch, aber kaum genug um die Mannschaft über Wasser zu halten. Allein an Rum würde es ihnen nicht mageln, aber der Henker hoffte, dass sich die anderen beherrschen konnten, immerhin wollt er heile im nächsten Hafen ankommen.
    Apropos ...
    Casper machte kehrt und ging Richtung Achtern auf die Brücke. Dort stand der 2. Kapitän, der zu ihrem Glück überlebt hatte und nun der erste Kapitän war, am Steuerrad und schielte immer mal wieder auf seinen Kompass. Manchmal korrigierte er leicht die Richtung, während er immer wieder Befehle brüllte, damit die Matrosen auf Trapp blieben.
    "Was ist los ihr faulen Landratten! Wie lange dauert das mit dem Großsegel noch? Glaubt ihr die kleinen treiben uns voran?! Am liebsten würde ich euch an die Riemen schicken, ihr Saubeutel!"
    Casper räusperte sich, als er neben den Käpt'n trat. Sein weißer Bart, der nur noch einen Schimmer an der ursprünglichen roten Farbe aufwies, war verfilzt, eben so die langen Haare, auf denen die blaue Seemannsmütze ruhte. Sie war kaputt vom zurückliegenden Kampf, aber genau deshalb verlieh sie dem ungepflegten Mann den Hauch Stolz, den es brauchte, damit man sich ihm nicht widersetzte.
    "Hallo?", begann Casper unsicher.
    "Aye. Was gibt's?" Die Stimme des Seemanns war leiser geworden. Erst jetzt fiel dem Henker das große Tattoo in Form eines Ankers auf seinem Oberarm auf.
    "Der Proviant wird nicht sehr lange reichen, wie weit ist es noch bis zum nächsten Hafen?"
    "Wenn die faulen Hunde das Segel heute noch gespannt kriegen und der Wind so bleibt, dann laufen wir mit Glück morgen Abend in Let ein."
    Casper nickte. Er hatte noch nie von dieser Stadt gehört, aber als einen Blick auf die Karte warf, die neben dem Kapitän auf einem wackligen Beistelltischchen lag, erkannte er, dass es eine sehr kleine Stadt war und etwas abseits ihrer eigentlichen Route lag. Wie auch immer, sie mussten an Land gehen und Vorräte und Mannschaft aufstocken. In einer größeren Stadt könnten sie das Handelsschiff vielleicht an die Flotte übergeben und auf einem Neuen anheuern.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Neneve zögerte lange. Sie war sich nicht sicher, was Gyahara - sie war selbst stolz auf sich, dass sie ihren Namen einen Augenblick zuvor wiedererkannt hatte - von ihr erwartete. Menschen redeten so, das wusste sie und genauso war ihr bekannt, was sie als Antwort hören wollten. Doch die Rasse der anderen war ihr weitgehend fremd. Sie hatte bis dahin nur von Gerüchten über solche Wesen gehört. Als hinterhältig und verschlagen wurden sie beschrieben. Recht passend schien es jedoch nicht zu der Söldnerin zu passen.
    Daher zuckte Neneve die Schultern, was ihr Gegenüber jedoch nicht erkennen konnte. "Braucht Ihr nicht. Mir ist es egal, ob ich von diesen abscheulichen ... Menschen auf einem Schiff leben muss oder mit Euch. Soweit ich das beurteilen kann, geht es wohl kaum schlimmer."
    Dann zögerte sie einen Augenblick. Klangen ihre Worte zu hart? Doch sie wusste nicht recht, was sie noch hinzufügen konnte. So schwieg sie und wartete auf eine Reaktion.
    Diese kam etwas verspätet, da Gyahara antwortete: "Dann werdet Ihr mich also nicht über Bord werfen?" Neneve musste grinsen, war es doch eine amüsante Vorstellung, sich selbst und die andere an der Reling zu sehen, wie sie sie nur an ihrem Umhang über diese schleuderte.
    "Nein", erwiderte sie dann jedoch, "im Moment können wir sowieso jeden Mann und jede Frau gebrauchen." Sie hörte die andere Frau aufatmen. Doch dann fragte diese: "Und was ist mit Eur...mit Fürst Keios?" Neneve runzelte kurz die Stirn.
    "Was soll mit ihm sein? Er sollte froh sein, noch zu leben. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen." Und um dann die Unterhaltung abzubrechen und nicht noch die Worte zu verlieren, fügte sie hinzu: "Kommt nun hier heraus. Ich werde Euch garantieren, dass Euch nichts geschehen wird. Das bin ich Euch weiterhin schuldig. Und nun los, genügend Arbeit wartet auf uns". Mit diesen Worten verschwand sie aus dem stickigen Raum und fand sich in dem kleinen Flur wieder. Dieses Schiff behagte ihr deutlich weniger als das alte, aber es war wohl nicht zu ändern.
    Daher ging sie schulterzuckend an Deck und atmete die salzige Meerluft ein. Den Elfen, die an den Flüssen und Seen lebten, hätte der Ausblick auf das weite Blau sicherlich gefallen, doch Neneve konnte sich für die unendlichen Fluten, die sich in allen Richtungen um sie herum aufbäumten, nicht begeistern. Schmerzlich vermisste sie ihren Wald, dessen Gerüche und Geräusche herbei. Doch alles, was sie spürte war das aufschäumende Wasser hoher Wellen, die sich an ihr Gesicht klebten. 'Was für ein verdammter Mist', dachte sie bei sich, ehe sie zu Vargas ging um nach seinem Wohlergehen zu schauen. Er sah wieder einmal unglücklich zu ihr hinüber, als er sie erblickte. Wie ihre eigenen Haare, hing sein Fell strähnig und ungepflegt hinab.
    "Armer Weggefährte", murmelte sie zärtlich und strich ihm über die hohe Stirn. Sein blumenartiges Geweih hing wie sein Fell traurig hinab und entsprach wohl sehr seinem Gemütszustand.
    "Er, der nicht zu sein scheint, ist ebenfalls in das schwarze Loch gestiegen. Habt ihr nicht seine schwarze Aura spüren können?", begann er jedoch und musterte Neneve scharf. Einen Augenblick sah sie ihn irritiert an, wen meinte er wohl?
    Doch Aiana half ihr aus der Zwickmühle, in dem sie hinter einem umgeworfenen Korb lugte und antwortete: "So finster ist er doch gar nicht. Ein wenig makaber, das Schwarz, das gebe ich zu. Aber ansonsten wirkt er doch recht normal".
    "Normal? Der Geruch des Getreidewassers ist bis hierher zu riechen", grummelte Vargas zurück.
    "Ein nachlässiger Rattenfänger", erwiderte Aiana als sie Lovia über die Holzblanken rennen sah. Neneve musste sich mit Mühe ein Grinsen verkneifen. Wenn dies wirklich sein Beruf war, dann hatte er wohl ein sehr schlechtes Händchen dafür gehabt. Lovia war wohl kaum zu übersehen.


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    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

  • "Kein Wunder, dass der Proviant fast leer ist, die haben hier sogar Ratten. Was hat das Vieh da auf dem Rücken?" meinte einer der Seemänner denen Cifer gerade half, auf Deck etwas aufzuräumen. Die Piraten hatten es in einem sehr unordentlichen Zustand zurückgelassen. "Die war schon vorher da." meinte der Gestaltwandler nur gleichgültig, während er sich auf ein paar Kisten abstützte. Sei Arm meldete sich schon wieder, deshalb würde er sich sowieso gleich zurück ziehen. "Was meinst du damit?" meinte ein anderer stirnrunzelnd. Es war ein älterer Kerl mit einem leichten Humpeln. Sie hatten im Verlauf des Tages schon ein zwei Worte gewechselt und er hatte erfahren, dass der Mann ein paar der restlichen Überlebenden schon von früher kannte. Er hatte ein paar Schiffe aufgezählt, aber Cifer hatte sich keinen einzigen Namen gemerkt. "Das Tier gehört zu Neneve." Anscheinend war das schon genug Information für die Matrosen um dem Wesen keine weitere Beachtung zu schenken. Der Mann der es zuerst entdeckt hatte schaute sich sogar leicht verschreckt um, als fürchte er, dass die Elfe ihn gehört haben könnte und gleich hinter dem nächsten Haufen Tau auftauchen könnte. Cifer wandte sich von den Männern ab und wollte schon unter Deck gehen, als er eine Hand auf dem Rücken fühlte. "Wartet doch noch einen Moment." Es war der ältere Mann. "Sag mal, du bist doch einer der Söldner des Herzogs?" Cifer nickte nur müde. Er wollte sich im Moment einfach nur noch irgendwo hinlegen. "Wie ist er so? Zahlt er gut?" Die Frage verwunderte ihn ein wenig."Ich weiß nicht. Er verbringt viel Zeit allein." Auf die Frage mit der Bezahlung ging er nicht ein, da er ehrlich gesagt selbst nicht wusste, ob er überhaupt bezahlt wurde. Wahrscheinlich wollte der Mann auch bei ihm anheuern. Bevor er ihm noch weitere Fragen stellen konnte, entschuldigte sich Cifer und verschand unter Deck. Es war staubig und dunkel. Cifer wollte sich garnicht ausmalen, wie es hier unten Zuging, wenn eine gesamte Piratencrew unter Deck war. Es musste mehr als eng sein. Glücklicherweise würde er nicht zu viel Zeit hier unten verbringen müssen, soweit er wusste würden sie bald einen Hafen erreichen und mit etwas Glück entschied sich der Fürst ja, das Schiff zu wechseln. Er unterdrückte ein Gähnen, hauptsächlich wegen all dem Staub in der Luft. Erst im nächsten Moment bemerkte er die Gestalt vor ihm im Gang. Er konnte nicht viel erkennen, aber zumindest genug um zu bemerken, dass was immer da stand nicht menschlich war. Zumindest den Hörnern nach zu urteilen. Er hatte die Hand schon am Griff seines Dolches, auch wenn er wusste, dass er gegen das Wesen, was immer es auch war wohl kaum eine Chance hatte. Besonders mit dem starken nagen, dass er wieder in seinem Körper fühlte. Es würde sich wohl bald in ein brennen verwandeln. Ob er nach den Anderen rufen sollte? Er entschloss sich es nicht zu tun. Wenn ihn jetzt irgendein Monster umbrachte und er doch im Kampf sterben würde, wie er es vor langer Zeit gefürchtet hatte, würde er es wenigstens mit ein wenig Würde tun. "Ha....Hallo?" rief er, leicht zitternd. Das plötzlich eintretende brennen ließ seine linke zu seinem Arm zucken, bevor er es verhindern konnte. "H..Hör mal..." meinte er stotternd und mit zusammen gebissenen Zähnen. "Wenn.... wenn du mich n..nicht um...umbringen willst... l..lass mich bbbitte einfach du..durch.. ja?" Soviel zu Würde. Er glaubte irgendwo den Schatten hören zu können, wie er sich gerade totlachte.

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    GNU Terry Pratchett

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara sah den alten Mann durch die Dunkelheit verunsichert an. Sie wusste, es war die falsche Entscheidung gewesen, aus dem Raum zu treten. Jetzt machte sie sogar Cifer Angst und des war eigentlich das Letzte, das sie wollte - jemandem Angst mit ihrem Äußeren machen. Die Elfe war Schuld daran, dass sie sich aus dem Lagerraum getraut hatte. Sie hatte ihr mit ihren doch kalten Worten Mut zugesprochen. Wenn selbst die Elfe sie nicht verurteilte, oder augenblicklich über Bord warf, dann bestand vielleicht bei den anderen auch noch Hoffnung. So war zumindest ihr Gedanke gewesen. Jetzt war sie sich jedoch nicht mehr sicher.
    "Ähm", murmelte sie mit stockender Stimme, "ich werde dich nicht umbringen."
    Schnell senkte sie den Kopf und lief an Cifer vorbei. Dieser stand erst etwas nachdenklich, dann stocksteif im Gang, als sie ihn passierte. Sie wusste nicht, ob er sie erkannt hatte, aber das war ihr in dem Moment auch egal. Wie gern hätte sie sich einfach wieder ihre Kapuze über den Kopf gezogen und sich versteckt, aber der Mantel war im Kampf beschädigt worden. Er hatte nun mehr Löcher, als Stoff und verdeckte wohl kaum genug von ihrem Körper, um sich zu schützen.
    Auf Deck angekommen, hielt sie sich erst einmal geblendet die Hand an die Stirn und versuchte sich zu orientieren. Als sie wieder besser sehen konnte, erkannte sie Casper. Der Henker kam gerade über das Deck gelaufen, in seinen Händen trug er Holz und einen Hammer. Woher er das hatte, konnte sie nicht sagen. Er musste es aus einem der Räume im Schiff haben. Der Notvorrat an Baumaterial, falls etwas kaputt ging. Nach kurzem Zögern folgte sie ihm. Bisher war er der einzige gewesen, der sie so akzeptiert hatte, wie sie nun einmal war - einmal von Neneve abgesehen. Es konnte also nicht falsch sein, sich an ihn zu halten.
    "Brauchst du vielleicht Hilfe?", fragte sie deshalb. Casper war stehen geblieben und hatte die Bretter und den Hammer neben einer kaputten Stelle im Schiff abgelegt. Die Rehling war etwas zerfetzt, wohl von einer Kanonenkugel, die sie selbst zuvor noch auf das ehemalige Piratenschiff abgeschossen hatten.
    Als er sie bemerkte, drehte sich der Henker um. Kurz musterte er sie, dann grinste er und nickte zufrieden. Es entging Gyahara nicht, dass ein kurzer mitleidiger Ausdruck in seinen Augen lag. Sie war ihm jedoch dankbar, dass er nichts sagte und sie einfach mit helfen ließ, obwohl er ihre Hilfe wohl eigentlich nicht benötigen würde.
    "Klar", brummte Casper zufrieden. "Der Kapitän meinte, ich solle die Rehling reparieren, bevor noch jemand hinabstürzt. Es wird bald Nacht und dann sieht man hier ja nichts mehr."
    Um sich abzulenken, machte sich Gyahara also mit Casper daran, teile des Schiffes zu reparieren.

  • Cifer erkannte die Stimme der Gestalt, als sie an ihm vorbeihuschte als die von Gyahara. Er hatte nicht viel von ihr gesehen, konnte aber annehmen, dass ihr Aussehen wohl der Grund war, warum sie sich so verhüllte. Ob sie wütend war, dass er so erschrocken war? Wahrscheinlich. Er entschloss, dass er sich morgen bei ihr entschuldigen würde. Der Gestaltwandler fand in einem der Räume ein Bett und ließ sich hinein fallen. Er nahm ein paar Schlucke aus seiner Flasche und rollte sich dann auf die Seite. Er nahm nur noch entfernt den Gestank des Bettes ,das schaukeln des Schiffes und das Gemurmel des Schattens, dass er die Elfen bei diesem Tempo nie erreichen würde wahr, als er einschlief. Er wusste nicht, was ihn so früh geweckt hatte, doch als er aufstand und an Deck stieg, erkannte Cifer, dass er wohl nur einige Stunden geschlafen hatte, es war dunkel geworden, aber das Schiff lag in einem kleinen Hafen mit etwa zwei oder drei Anderen und einigen kleineren Fischerbooten. Die verbliebene Mannschaft war ebenfalls an Deck, sie hatten wohl gerade erst angelegt. Cifer entdeckte auch die nicht mehr Vermummte, die mit dem Rücken zu den Anderen an der Reling stand. Er entschied sich , mit seiner Entschuldigung zu warten, bis sie wenigstens etwas gegessen hatten. San trat gerade mit dem Fürsten aus dessen Kabine, der Mann gähnte und wirkte, als wäre er noch im Halbschlaf. Den Anderen schien es nicht anders zu gehen. "Gut... suchen wir uns für die Nacht eine richtige Unterkunft." rief er und gähnte noch einmal. "Mir nach. Jego, Pitar!" Doch keiner der Beiden erschien. Cifer glaubte in der Dunkelheit den leicht verärgerten Blick des Fürsten erkennen zu können. Er rief noch einmal nach den Beiden. Keine Antwort. "Vielleicht sind sie schon vorausgegangen." meinte Caspar doch einer der Matrosen sagte."Nein, wir waren die ganze Zeit hier oben, Niemand hat das Schiff verlassen." Der Mann blickte sich nervös um."Vielleicht wurden sie ja von Nixen geholt." Doch ein anderer fuhr ihm dazwischen."Nixen? So ein Blödsinn." "Ja. Weiß doch jeder dass die nur Schiffe an der südlichen Küste überfallen." Mischte sich ein Dritter ein. Während die Manner sich stritten ließ Cifer seinen Blick über das Deck schweifen. Er hatte nie an Nixen geglaubt, aber bis jetzt hatte er auch wenig Leute getroffen, die an Gestaltwandler oder Monster glaubten, also wer weiß? Er bemerkte den Jungen, welcher sich schon wieder von der Gruppe entfernt hatte und nun irgend etwas weiter hinten an der Reling zu überprüfen schien. Vielleicht eine Spur der beiden Soldaten?

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    GNU Terry Pratchett

  • Sedar kniete auf den rauen Planken und fuhr vorsichtig über das feuchte Holz. Ihm war der dunkle Fleck eher zufällig aufgefallen, es war jedoch eindeutig Blut. Wenn er sich mit etwas auskannte, dann war es Blut.
    "Die Entscheidung nicht zu morden wahr ja von ungeheurer Dauer", meinte seine innere Stimme sarkastisch. Das Blut erinnerte ihn an all die Gräueltaten, die auf dem anderem Schiff vor so kurzer Zeit auch von ihm verübt worden waren.
    "Klappe", wies er sich selbst an. Es war schon schlimm genug mit den Schuldgefühlen zu leben, da musste er sie nicht auch noch künstlich verstärken. Immerhin hatte er kaum eine andere Möglichkeit gehabt, als zu töten, da doch so viele versucht hatten ihn und die anderen umzubringen.
    Er stand auf und ließ den Blick über das schmale Deck gleiten. Mit einem Mal stieß jemand eine der Falltüren - Sedar war sich sicher, dass sie einen anderen Namen hatten, doch er hatte nicht wirklich Lust danach zu fragen - auf, durch die man unter Deck gelangte. Zwei Männer kamen heraus. Der eine war einer der beiden Soldaten des Fürsten, der andere Hinkebein. Der Matrose mit der Knieverletzung, der ihm schon zuvor aufgefallen war.
    "Pitar", rief der Fürst aus. "Wo ist Jego?" Der Soldat setzte eine bekümmerte Miene auf.
    "Ist seinen Verletzungen erlegen", antwortete er knapp. "Aber dieser Matrose hier, Gries, hat sich angeboten bei euch anzuheuern. Als Ersatz."
    "Gries", dachte sich Sedar. Da war selbst Hinkebein besser. Doch das konnte nicht von dem schlechten Gefühl ablenken, das sich in seiner Brust ausbreitete. Immerhin war da die Knieverletzung. Der Fürst nahm das Ganze mit einem Nicken zur Kenntnis. Gut, dass kein Verwandter tot war, sondern nur ein Soldat. Sonst hätte er womöglich noch ein Wort des Bedauerns geäußert. Sedar wandte sich zum nächst besten Matrosen.
    "Könnt ihr schreiben?", fragte er direkt. Der Mann sah ihn verwirrt an und bejahte die Frage dann.
    "Wie schreibt man Pitar?", verlangte der Assassine zu wissen. Der Matrose lachte.
    "Willst ihm wohl einen Liebesbrief schreiben", erwiderte er grinsend. Einen Moment danach verging ihm das Grinsen. Vielleicht hatte er gemerkt, dass man einen Brief mit nur einem Wort schlecht schreiben konnte. Oder aber Sedars unveränderte Miene hatte ihm gezeigt, dass der es durchaus Ernst meinte. Grummelnd zog der Seemann einen Dolch, beugte sich hinunter und ritzte ein paar Zeichen in das Holz.
    "So", sagte er schließlich und verzog sich dann. Sedar zog verstohlen den Zettel aus seiner Tasche, den er ja eigentlich in dieser lassen wollte.
    Er konnte vielleicht nicht lesen, doch er konnte Wörter vergleichen. Pitar stand mehrmals da. Sedar wusste immer noch nicht was die Worte dazwischen bedeuteten oder was die Gesamtaussage war, aber der Name stand dort geschrieben. Schwarz auf weiß.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Casper war von Bord und in die schmale Einkaufgasse von Let gegangen.
    Die Häuser waren klein und die wenigstens hatten ein Dach aus richtigen Schindeln, aber die meisten waren immerhin schon aus Stein gebaut.
    Eigentlich war sein Plan gewesen die Handzettel aufzuhängen, die er geschrieben hatte.
    Matrosen gesucht. Fragt am Hafen nach Kapitän Samos, hatte er gut leserlich darauf geschrieben. Er hatte keine Ahnung, ob die Menschen hier lesen und schreiben konnten, geschweige denn, ob es hier überhaupt taugliche Männer gab, die zur See fahren wollten.
    zur Not würde sie es auch mit der kleinen Mannschaft schaffen, aber dann würden sie alle kaum Schlaf finden.
    Er lief an einem kleinen Schneidergeschäft vorbei. Über dem Eingang baumelte quietschend eine verrostete Schere. Abrupt blieb er stehen und warf einen Blick durch das blankpolierte Schaufenster.
    Was er sah schien gut gearbeitet, wenn auch aus einfachen Stoffen. Prüfend schielte er in seinen Geldbeutel und trat dann entschlossen ein.
    "Ich grüße Euch", sagte er und ging auf den Schneider zu, der auf seinem Tisch saß und an etwas herumwerkelte. Er hob den Blick und musterte Casper erst freundlich, dann schlich sich Skepsis in seinen Blick. Kein Wunder. Seine Kleider waren nicht nur die eines Henkers, sondern auch noch zerrissen und an manchen stellen mit Blut verkrustet.
    Verlegen trat Casper von einem auf den anderen Fuß, als der Schneider endlich die Stimme hob: "Was kann ich für Euch tun?"
    "Hätten sie zufällig ein schwarzes Hemd für mich und einen schwarzen, langen Mantel da? Für eine Frau?"
    Das Schneider musterte Casper eingehend. "Ich schätze nichts in Eurer Größe."
    "Wenn ich Euch die Maße nenne, wann könnte ich es abholen? Wisst Ihr, wir sind mit dem Schiff hier und müssen so schnell wie möglich weiter."
    "In drei Stunden könnte ich beides fertig haben. Wenn es recht ist, werde ich meinen Gehilfen zur Unterstützung bitten", entgegnete der Mann freundlich. Casper atmete auf.
    "Allerdings ...", der Schneider zögerte. "Ich habe keinen schwarzen Stoff mehr hier. Die Lieferung kommt erst in drei Tagen. Für das Hemd könnte ich weiß oder dunkelgrün vorschlagen, für den Mantel dunkelblau."
    Der Henker überlegte kurz. Würde Gyahara dunkelblau gefallen?
    Naja, einem geschenkten Gaul schaut man nichts Maul, dachte er und willigte ein. Sein Hemd sollte weiß werden.

    Nach der genannten zeit erschien er wieder beim Schneider und tatsächlich hatte er die beiden Dinge fertig. Casper zahlte für beides einen Silbertaler, dann eilte er zurück zum Schiff, um Gyahara zu suchen.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Nachdem Neneve die Matrosen noch eine Weile nach der Ankunft in Let beobachtet hatte, wurde ihr dies eindeutig zu langweilig, weswegen sie sich dazu entschloss, die Gegend ein wenig eingehender zu inspizieren. Obwohl sie schon des Öfteren in menschlichen Städten, Dörfern und Orten gewesen war, faszinierte sie deren Bauweise. Es war einfach ein extremer Kontrast zu den elfischen Städten mit ihren schmalen, hohen Häuser, die die Sonne zu berühren schienen. Doch die Menschen lebten lieber erdnah, gebunden an den Grund unter ihnen. Neneve musste lächeln, als sie an einer winzigen Kate vorbei lief. Sie war kaum einen Kopf größer als Neneve und strahlte trotz des ärmlichen Dachs eine Ordnung aus. Mit unebenen Steinen war ein Pfad zu der schmalen Holztür gelegt worden, neben dem sich ein brauner Lattenzaun gegen den Wind stemmte. Das Holz war bereits an einigen Stellen morsch, doch es hielt noch. Einige Sonnenblumen und rot leuchtende Morgenblüten reckten sich gen Himmel. Vor allem letztere stachen mit ihren tannengrünen, fleischigen Blättern und ihrem süßlichen Duft hervor. Obwohl Neneve dies normalerweise nicht zugegeben hätte, gefiel ihr diese kleine Hütte. Ohne Umschweife blieb sie vor dem kleinen Gatter des Gartens stehen und öffnete es vorsichtig. Dennoch quietschte es unangenehm, als es aufschwang.
    "Was macht Ihr hier? Was macht Ihr in meinem Garten?", eine wütende Frauenstimme riss sie aus ihrem Traum. Beinahe, aber nur beinahe, erschrocken drehte sich Neneve zu der Haustür um und sah in das Gesicht einer stämmigen Frau, die die Händen in die Hüften gestemmt hatte. Doch bevor Neneve etwas erwidern konnte, machte das Weib einen unbeholfenen Knicks und bekam vor Aufregung rote Backen.
    "Oh, wie schön. Es ist schon so lange her, seit die letzte Elfe unser Dorf besucht hat. Aber kommt, kommt doch herein." Sie wischte sich die Hände an einer gelblichen Schürze, die bereits einige Flicken aufwies, ab und machte eine einladende Geste in das Hausinnere. Etwas verlegen aufgrund der Freundlichkeit der Frau, kam Neneve der Aufforderung nach. Sie musste den Kopf einziehen, als sie in das Haus eintrat, da die Decke unnatürlich tief lag. Wie sie mit ihren Flügeln durch die Tür gekommen war, war ihr ein Rätsel.
    Der Geruch von frisch gebackenem Brot lag in der Luft, als sich Neneve auf einen ärmlichen Holzstuhl setze. In diesem Moment war sie dankbar über ihre geringere Größe. Für Wesen mit langen Beinen mussten diese Hocker tödlich sein.
    Die Frau wirbelte hinter ihr in das Haus und stellte in windeseile eine kleine, durchsichtige Vase auf den Tisch. Trotz ihrer geringen Größe schien sie doch eine Menge Arbeit beansprucht zu haben.
    "Schön", murmelte Neneve und riss sich zu einem Lächeln hin.
    "Mein Vater", gab ihre Gesprächspartnerin an, "er war Glasbläser. Der Beste im gesamten Bezirk. Jedermann kam zu ihm." Sie seufzte auf und füllte ein wenig Wasser aus einem Tonkrug hinein. Dann steckte sie zwei große Morgenblüten, die zuvor in einem steinernen Spülstein gelegen hatten, dazu. Neneve betrachtete die Blüten einen Augenblick, dann wandte sie sich wieder zu ihrer Gastgeberin.
    "Was ist mit ihm passiert?" Neneve legte den Kopf ein wenig schräg, als würde sie lauschen.
    "Ach, Liebes. Menschen sind nicht wie Elfen. Wir leben nicht sehr lange. Und dann sind wir auch noch anfällig für Krankheiten", erwiderte sie, "die tägliche Hitze durch die Steinöfen haben seine Haut geschädigt. Am Ende konnte er kaum noch das Haus verlassen. Und dabei liebte er die Natur doch so gerne." Neneve konnte es sich selbst nicht erklären, aber ihr tat dieser Mensch leid. Eigentlich war diese Rasse doch nur bedauernswert.
    "Wollt ihr ein Stück meines Brots probieren? Mit eingelegten Beeren aus dem Garten?" Die Frau stand wie eine emsige Biene wieder auf und huschte in dem kleinen Raum umher. Während sie geschickt mit Gläsern und tonernen Tellern hantierte, bekam Neneve die Gelegenheit, sich ein wenig ausgiebiger in der Kammer umzusehen. Im Grunde bestand das Haus wohl nur aus diesem einen Raum. Im hinteren Teil war ein einfaches Bett durch eine Schranktür vom restlichen Raum abgetrennt. Neben diesem war ein Schrank in der Wand eingelassen, in dem sie vermutlich Bettlaken und Kleidung aufbewahrte. Der restliche Raum bestand nur noch aus einem hölzernen Fass ohne Deckel, das wohl zum Waschen genutzt wurde, und dem Ess- und Kochbereich.
    "Was ist Euer Beruf?", wollte Neneve, direkt und neugierig wie sie war, wissen.
    Die Frau erstarrte in ihrer Tätigkeit und sah Neneve erschrocken an. "Ich...ich bin ... nun, ich kann ziemlich gut mit Kräutern, wisst Ihr?" Neneve lächelte ihr wissend zu und wandte ihren Blick wieder aus dem kleinen Fenster. Eine Kräuterfrau also, dies erklärte ihre Freude an der Natur und ihren grünen Daumen.
    "So", mit einer schwungvollen Bewegung stellte die Frau das Brot und zwei kleine Tongläser auf den Tisch, in denen sich eine rote, breiige Flüssigkeit befand.
    "Die Beeren der Morgenblüte sind einfach köstlich - und Ihr versteht Euch hervorragend auf Ihre Konservierung", versuchte Neneve das ursprünglich fröhliche Gespräch wieder aufzunehmen. Nach Sonnenaufgängen auf einem Schiff mit lauter Matrosen war sie einer angenehmen Konversation gegenüber nicht abgeneigt.

    Als sie Magda, den Namen der Frau hatte sie im Laufe des Gesprächs erfahren, schließlich verließ, rief diese ihr nach: "Wir werden uns wiedersehen, da bin ich mir sicher. Einem solch ungewöhnlichem Wesen wie Euch wird man wiederbegegnen". Damit schloss sie die Tür hinter sich und ließ Neneve stirnrunzelnd auf dem Weg stehen. Eine seltsame Frau, schoss es Neneve durch den Kopf, was sie damit wohl meinte?


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

    Einmal editiert, zuletzt von Nyneve (8. Juni 2016 um 14:21)