Vergissmeinnicht

Es gibt 85 Antworten in diesem Thema, welches 26.916 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (12. Juli 2018 um 15:28) ist von Vayrasin.

  • Kapitel 11: WIEDERSEHEN

    Zwei Männer hievten mich aus dem Fahrzeug (ein Krankenwagen, wie meine Vermutung sich bestätigte). Einer von ihnen versuchte, den Gurt, mit dem man mich auf der Trage fixiert hatte, enger zu schnallen aber ich wehrte mich. Erinnerungen an den finsteren Keller kamen zum Vorschein und als dann auch noch Dr. Rexroth direkt über mir erschien, begann ich zu strampeln und zu rufen. Keine Worte. Ich konnte nicht sprechen.

    "Bleib ruhig, Junge", sagte der Kerl, der noch immer an meinem Gurt hantierte, während der andere die Trage zügig vor sich her rollte. Ich hatte genug. Schon einmal hatte man mir glauben gemacht, ich sei im Krankenhaus. Wie konnte ich sicher sein, dass sie es nicht wieder tun würden? Nein, ich musste fliehen. Zum ersten mal seit gefühlt einem Monat war ich an der frischen Luft. Es war dunkel, ich konnte schnell laufen. Nur der Gurt hielt mich auf. Ich strampelte heftiger, den furchtbaren Schmerz ignorierend, der bei jeder Bewegung in meinem Schädel aufflammte. Es war vergebens. Nach wenigen Sekunden wurde ich in einen blenden weißen Raum gerollt. Als das grelle Licht der Neonröhren an der Decke mich blendete und einer der Männer neben mir eine Spritze zückte, schienen all meine Schmerzen verflogen. Ein letztes Mal versuchte ich meine Arme zu befreien, die von einem Gurt und einem Paar starker Hände festgehalten wurden. Ich schrie, wie ich noch nie zuvor geschrieen hatte.

    "Nein! Ich will nicht! Nicht schon wieder!"
    Die Muskeln in meinen Armen begannen zu brennen und gerade als ich dachte, ich müsste aufgeben, hörte ich ein leichtes schnappendes Geräusch und mit einem Mal war mein rechter Arm frei. Sofort holte ich aus, blindlings, und schien jemanden im Gesicht zu treffen. Weitere Hände griffen nach mir, dennoch gelang es mir, mich auf den Bauch zu drehen. Nun konnte ich sehen, was sich hinter mir befand. Obwohl ich eigentlich kaum etwas erkennen konnte. Kaum mehr als einen verschwommenen Tunnel, wie wenn man betrunken ist. Aber am Ende dieses Tunnels konnte ich eine Sache ganz deutlich ausmachen. Zwei große gläserne Schiebetüren. Das war mein Ziel.
    Mit einem kräftigen Ruck bewegte ich meinen Körper nach rechts und ehe einer der Männer reagieren konnte, kippte die Trage zur Seite und ich klatschte auf kalte Fliesen. Plötzlich war der Schmerz wieder da. So heftig, dass ich, als ich versuchte aufzustehen, das Gleichgewicht verlor und zur Seite kippte.

    Mit einem Mal fand ich mich wieder in dem großen Wald vor, den ich im Traum gesehen hatte. Alle Schmerzen waren verflogen und es wehte ein sanfter Sommerwind. Ich saß auf der Wurzel des gewaltigen Baumes, neben dem Julia und ich letzen Sommer unser "Geheimversteck" errichtet hatten. Es war nichts besonderes, nur zwei alte Paletten, die wir an den Stamm gelehnt hatten. Den Innenraum hatte Julia mit Blumen und einigen Möbeln, die ich aus Holzresten zusammengezimmert hatte, dekoriert.
    Julia.

    Ich erhob mich von der Wurzel und zog die Decke beiseite, die den Eingang des Verstecks bildete. Als Licht in die dunkle Nische fiel, drehte Julia sich erschrocken zu mir um. Sie saß in der hinteren linken Ecke, die Arme um die Beine geschlungen. Als sie mich sah, lachte sie und zeigte die Lücke, wo einst ihr Milchzahn gewesen war.
    "Du hast mich gefunden!", sagte sie halb enttäuscht und halb glücklich. Das kleine Mädchen sprang auf und rannte mir in die Arme. Ich hielt sie fest, drückte sie an mich, auch als sie mich lachend bat, loszulassen. Schließlich ließ ich doch von ihr ab und als sie sah, dass ich weinte, verschwand ihr Lächeln und sie fragte besorgt, was denn los sei.

    "Gar nichts", schluchzte ich, und rieb mir die Augen. "Es ist schön dich zu sehen." Einen kurzen Moment stand sie da und betrachtete mich nachdenklich, als hätte ich etwas ganz seltsames gesagt. "Gehen wir nachhause", schlug ich vor und schob sie sanft nach draußen. Dort musste ich feststellen, dass es bereits dunkel geworden war. Julia stand auf der Lichtung und zitterte. "Wir sollten uns beeilen", sagte ich und als sie das hörte, lachte sie wieder und begann zu laufen. "Ich werd' erster!", jauchzte sie, als sie im finsteren Wald verschwand. Sofort stürmte ich ihr hinterher, doch ich konnte meine Schwester nicht mehr sehen.

    "Julia!", schrie ich, ohne langsamer zu werden. Niedrig hängende Äste peitschten mir ins Gesicht, während ich voranpreschte. Keine Antwort.

    "Arkadius." Schienen die Bäume zu flüstern. Ich beachtete sie nicht.

    Plötzlich verfing mein Fuß sich in irgendetwas und ich schlug so hart auf den Boden auf, dass es mir die Luft aus den Lungen trieb. In dem Versuch mich wieder aufzurichten, ertaste ich etwas metallenes am Boden. Es war sehr dunkel, daher konnte ich nicht sehen, was es war. Ich ging auf die Knie und erfühlte den Gegenstand mit beiden Händen. Er war länglich, kalt und glatt. Gerade als ich weitergehen wollte, durchfuhr eine Art Strom meinen Körper. Ein Kribbeln. Ich bemerkte, dass die Vibration von dem Gegenstand auszugehen schien.

    "Arkadius!", rief jemand. Ich drehte den Kopf nach rechts und sah Julia. Oder zumindest ihre Silhouette, die sich schwarz von einem immer greller werdenden weißen Licht abhob. Noch bevor ich etwas zu ihr sagen konnte, wurde ich wach.

    Neben meinem Bett saß ein älterer Mann. Er trug eine Polizeiuniform und eine Brille mit durchsichtigem Gestell. Als er sah, wie meine Augen sich öffneten, beugte er sich näher zu mir. Ich wich jedoch zurück. Für einen Moment glaubte ich, das fremde Zimmer wiederzuerkennen, in dem ich am Morgen aufgewacht war. Sehr schnell bemerkte ich jedoch, dass dieser Raum, obwohl mir ebenfalls völlig fremd, wesentlich großzügiger eingerichtet war.
    "Du brauchst keine Angst zu haben", sagte der Uniformierte. "Ich bin von der Polizei."
    Und woher weiß ich, dass das stimmt, dachte ich, sagte aber nichts. Dennoch musste der Mann mein Misstrauen bemerkt haben. Er lehnte sich etwas zurück und meinte: "Ich sage dir die Wahrheit. Du bist im Krankenhaus, schon die ganze Nacht. Ich will dir helfen. Aber damit ich dir helfen kann, musst du mir vertrauen. Kannst du das machen?"
    Ich nickte, da ich wissen wollte, was er zu sagen hatte.
    "Gut", fuhr er fort. "Mein Name ist Hermann Heydrich und ich würde dir gerne ein paar Fragen stellen. Ist das in Ordnung oder sollen wir warten, bis du dich besser fühlst?"
    Mein Kopf, und vor allem meine rechte Schläfe, schmerzte noch immer, doch als ich nach der Wunde tastete, erfühlte ich einen Verband, der eng um meinen Kopf gewickelt war.

    "Was wollen Sie wissen?", fragte ich. Der Polizist beugte sich wieder ein Stück zu mir, hielt jedoch inne, als er bemerkte, wie ich nervös ins Kissen zurücksank.
    "Arkadius", begann er. "Hat man dich irgendwie misshandelt?"

    100% Konsequent!

    5 Mal editiert, zuletzt von Unor (14. April 2017 um 22:02)

  • Jetzt, wo ich die beiden neuen Kapitel am Stück gelesen habe, fällt mir auf, wie ich diese Geschichte hier vermisst habe. Daher freue ich mich, dass du deine Muse wiedergefunden hast und hoffe, dass sie lange bei dir bleibt.
    Die beiden Kapitel waren klasse. Ich musste zwar auch erst nochmal zurückschauen, wo wir aufgehört haben, aber dann war ich recht schnell wieder drin. Und wie ich wieder drin war. Deine Handlung bleibt spannend und geheimnisvoll. Arkadius wankt zwischen zwei Welten, ob jetzt Traum und/oder Realität sei erstmal gleich. Und jetzt der Polizist? Hm. (Nebenbei war ich kurz irritiert, weil er erst eine Uniform und dann einen weißen Kittel trägt. Absicht?)

    Paar kleine Fehlerchen waren im letzten Kapitel, bin derzeit aber nur mit dem Handy da. War nicht viel.
    Mag dir nur einen kleinen Tipp geben: Anstatt zu schreiben, dass es "sehr dunkel" ist, versuche stärkere Worte: finster, duster, stockdunkel oder ähnliches. So vermeidest du "sehr" und es wirkt präziser. Aber das nur als Tipp. :)

    • Offizieller Beitrag
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    Nun konnte ich sehen (Komma) was sich hinter mir befand.

    Obwohl ich eigentlich kaum etwas erkenn(+en) konnte.

    Als Licht in die dunkle Nische viel, drehte Julia sich erschrocken zu mir um.

    fiel

    Schließlich ließ ich doch von ihr ab und als sie sah, dass ich weinte, verschwand ihr Lächeln uns sie fragte besorgt, was denn los sei.

    und

    Es war sehr dunkel, daher konnte ich nicht sehen (Komma) was es war.

    "Hat man dich Misshandelt?"

    klein

    Ich habe ja immer so meine eigenen kleinen Gedanken, aber irgendwie werde ich aus dieser Geschichte nicht schlau. Was keinesfalls schlecht ist, aber ich bin erstaunt wie leicht du einen immer wieder an der Nase herumführen kannst. Im ersten Moment glaube ich noch das und im nächsten Moment wird man wieder mit einem neuen Absatz durcheinander gebracht. xD
    Arkadius hat also wieder mal von seiner kleinen Schwester geträumt ... oder träumt er vielleicht die ganze Zeit das mit dem Krankenhaus? Oder beides sind nur Träume und die Realität eine völlig andere? :hmm:
    Und dieser Polizist ist mir auch nicht ganz koscher. Woher kommt der auf einmal? Ist er wirklich ein Polizist? Oder soll er nur Informationen aus Arkadius herausbekommen? Seine Frage macht mich stutzig ... ich glaube langsam, ich sehe hier in allem Gespenster. :rofl:
    Und befindet sich Arkaduis nun wirklich in einem Krankenhaus, oder ist es nur eine andere Abteilung, um ihn zu verwirren? :hmm:
    Ich bin gespannt, wie es weitergeht und wie sich das alles auflösen wird. ^^

    LG, Kyelia

  • In mir kribbelts und krabbelts, ich will die Wahrheit wissen und endlich den Hintergrund erfahren! Ich werd noch wahnsinnig, dann könnt ihr mich zu Arkadius stecken :D
    Der Polizist ist mir nicht geheuer, ich seh auch schon in jedem einen Feind :hmm:

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

  • Kapitel 12: GESTÄNDNIS


    Beinahe wäre alles aus mir herausgeplatzt. Der Keller, die Spritzen, Julia. Die Aussicht, endlich jemandem von diesem Albtraum zu berichten, ließ mich für einen Moment vergessen, dass diesem Kerl hier vor mir nicht zu trauen war. Er trug eine Uniform, schön und gut, die konnte man sich bei jedem Kostümverleih besorgen.

    "Darf ich Ihre Marke sehen?"
    'Herr Heydrich' wirkte etwas verwundert, was meinen Verdacht erhärtete, aber er griff in seine Tasche und holte einen Ausweis und eine Dienstmarke hervor. Ich sah mir beides genau an, obwohl ich gar nicht wusste, woran man die Echtheit solcher Dokumente erkannte. Es sah alles sehr offiziell aus, konnte aber auch gut gefälscht sein.
    "Was meinen Sie mit 'misshandelt'?", fragte ich schließlich, um Zeit zu gewinnen.
    "Ob man dich geschlagen hat?", antwortete der Mann. Er klang ehrlich besorgt und langsam verschwanden meine Zweifel. Ich meine, welchen Vorteil hätten die denn, wenn ich dem Kerl alles erzählte, was passiert war? Sie wussten es ja schon. Wollten sie herausfinden, wie viel ich wusste?

    "Nein, geschlagen hat man mich nicht."
    "Darf ich aufzeichnen, was du mir erzählst?", fragte der Polizist und holte einen Rekorder hervor. Ich nickte.
    "Also, nochmal fürs Protokoll: Man hat dich nicht geschlagen?"
    "Zumindest, kann ich mich nicht erinnern."
    "Wie meinst du das?" Er lehnte sich interessiert nach vorne, die Hände unterm Kinn verschränkt.
    "Ich ... ich habe Probleme mit dem Gedächtnis", erklärte ich. Der Mann nickte, als wüsste er dies bereits oder als wäre es selbstverständlich.
    "Man hat mich festgeschnallt und mir irgendwas gespritzt", kam es plötzlich aus mir heraus. Heydrich lehnte sich seufzend zurück und schien über etwas nachzudenken.
    "Aber man hat dich nicht geschlagen?"
    "Sie haben mich festgehalten!", wiederholte ich eindrücklich. "Und mir Drogen gegeben."
    "Wie festgehalten? Haben sie dich dabei verletzt?"
    "Sie haben mich festgehalten!", keifte ich. "Reicht das etwa nicht? Sie haben meine Schwester entführt!"
    Nun horchte der Alte auf. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.
    "Wie meinst du das?", hakte er nach.
    Nun musste ich mich endgültig entscheiden. Diesem Mann trauen und meine vielleicht beste Chance ergreifen, Julia zu finden oder ... oder was?
    "Sie haben sie entführt. Ich bin nicht sicher warum, aber ich habe eine Theorie. Sehen sie, das klingt vielleicht verrückt aber ... ich hatte da einen Traum. Ich war in einem Keller eingeschlossen und da habe ich gesehen wie ..."
    Es klopfte.

    Der Polizist wand sich zur Tür.
    "Jetzt nicht", sagte er und drehte sich wieder zu mir.
    "Es ist äußerst wichtig!", klang es von draußen. Sofort erkannte ich Doktor Rexroths Stimme.
    "Lassen Sie den nicht rein!", platzte es aus mir heraus. Ich packte den Arm des Mannes, der mich erschrocken anschaute.
    "Er hat meine Schwester entführt, er ist es. Nehmen Sie ihn fest!" Meine Stimme klang heiser und überschlug sich. Die Tatsache, dass dieser Mann mir so viel Angst machte, erzürnte mich.
    Die Tür ging auf.
    Der Doktor stand mit einem Bündel aus Papieren und braunen Umschlägen im Rahmen. Instinktiv wich ich zurück. Als der Polizist meine Panik sah, stand er auf.
    "Ich habe Ihnen gesagt, es geht nicht!", sagte er verärgert.
    "Sie verstehen nicht ...", setzte Rexroth an.

    "Festnehmen", brüllte ich.

    "Raus hier", ergänzte der Polizist.

    "Ich bitte Sie, nur fünf Minuten ihrer Zeit!"
    Ich griff nach dem Wecker, der neben mir auf dem Nachttisch stand und warf ihn mit voller Wucht in Richtung Tür. Doktor Rexroth konnte sich leider in letzter Sekunde wegducken.
    "Arkadius!", mahnte Heydrich und stellte sich zwischen mich und die Tür. Rexroth ließ nicht locker.
    "Werfen Sie nur einen kurzen Blick auf die Dokumente", bettelte er.
    "RAUS HIER!", erwiderte ich.

    "GENUG JETZT!" Die Stimme des Polizisten war lauter und durchdringender, als man es von einem Mann seines Alters erwatet hätte. Sowohl Rexroth als auch Ich selbst schwiegen überrascht. Heydrich kam näher zu mir.
    "Ich regle das, Arkadius", meinte er beinahe flüsternd.
    "Nein, gehen Sie nicht", schluchzte ich. Der Gedanke, meine einzige Hoffnung auf Hilfe zu verlieren, ließ mich in Tränen ausbrechen. "Er wird Sie anlügen, ich weiß es. Er wird Sie anlügen, wie er es bei meinen Eltern getan hat. Er ..."
    "Pst", sagte der Polizist. "Ich verspreche dir, dass ich wiederkomme."
    Ich konnte nichts mehr tun, als den Kopf zu schütteln.
    Heydrich verließ den Raum mit Rexroth.
    Er kam nicht mehr wieder.


    100% Konsequent!

    3 Mal editiert, zuletzt von Unor (8. Januar 2017 um 19:47)

  • Habe aus Versehen den Teil zu früh losgeschickt und jetzt so bearbeitet, dass nur noch dieser Text hier steht (weil man die Beiträge ja nicht löschen kann). Ich werde im Verlauf der nächsten Tage hier das richtige Kapitel einfügen.

    So, hat man das jetzt verstanden? Ach, egal! :D

    LG, Unor

    100% Konsequent!

    Einmal editiert, zuletzt von Unor (9. Januar 2017 um 22:19)

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    Meine Stimme klang heißer und überschlug sich.

    *räusper* heiser

    Hm, viel ist nicht geschehen im letzten Kapitel. An sich ist das nicht schlimm, aber dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass mir etwas fehlt, auch wenn ich es derzeit nicht ganz benennen kann. Arkadius wachsende Verzweiflung ist ersichtlich, könnte aber vielleicht noch einen Tick mehr beschrieben werden. Nicht mit vielen ausschmückenden Worten, aber Gesten? Altbekanntes Problem bei mir. xD'
    Mir erschließt sich noch nicht ganz, warum der Polizist jetzt da ist, das muss es aber auch noch nicht. Ist er wirklich zum Wohle Arkadius' da oder doch für das der Klinik? Gegen wen oder was ermittelt er am Ende wirklich? Und dann kommt er nicht wieder ... Mysteriös. Ich habe gerade etwas Hirnkribbeln. Meh.

  • Danke für den Kommentar! :D Wenn es dir doch noch gelingen sollte, in Worte zu fassen, was dir "fehlt", dann lass es mich bitte wissen und ich werde mein bestes tun, es auszubessern! :thumbsup:

    LG, Unor

    100% Konsequent!

    • Offizieller Beitrag

    Da noch kein weiterer Teil kam - wie eigentlich von dir angekündigt :P - schreibe ich nun doch meinen Kommentar. xD
    Also das mit dem Polizisten finde ich höchst merkwürdig. Wer war er, wirklich ein Polizist? Warum ich 'war' verwende? Ich glaube kaum, dass wir ihn jemals wiederlesen werden. :hmm: Gefällt mir immer weniger, was hier vor sich geht und du hast es tatsächlich geschafft, dass ich hier keinen Meter mehr durchblicken kann. Und das hasse ich :rofl: All meine Ideen scheinen nicht wirklich Halt zu finden. Immer, wenn ich glaube, jetzt habe ich die Lösung, kommt ein neuer Teil, und schlägt die Theorie ungespitzt in den Boden. :hmm:
    Erst habe ich gedacht, er ist nur ein Schauspieler um zu schauen, was Arkadius weiß, aber da bin ich mir jetzt auch nicht mehr sicher. Wie es ausschaut, war er ja doch echt ... nur warum stellt er dann so merkwürdige Fragen? *mein Hirn ist Muß*
    Egal, ich warte gespannt auf den nächsten Teil. xD

    LG, Kyelia

  • Ja, dass noch kein neuer Teil gekommen ist tut mir leid. Ich muss echt aufhören, Kapitel anzukündigen :D Freut mich natürlich, dass die Geschichte zum Grübeln anregt und ich bin mir sicher, dass an deinen Theorien was wahres dran ist ;D

    LG,
    Unor

    100% Konsequent!

  • Moah, Kerl, du sollst Fragen aufklären und nicht neue aufwerfen! :D

    Wer ist der Polizist? War er echt? Kommt er wirklich nicht mehr wieder? Wurde er getötet? UND WO VERDAMMT IST JULIA?

    Ich glaube aber, dass der Polizist nicht echt war. Viel zu unprofesionell, viel zu sehr "ich tu mal so, als wär ich was anderes als ich bin" - sollte es also ein echter Polizist sein sollen, würde ich an deiner Stelle da nochmal was bearbeiten ^^ Wenn nicht, alles gut.

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  • So, ich bin dann auch wieder auf dem neusten Stand :)

    Also mich nervt, dass in der Geschichte dauernd was passiert ohne das was passiert XD
    Ich kann mich Phi nur anschließen. Es ist so verwirrend und ich will Antworten XD
    Allerdings bringst du so den Zustand in dem sich dein Prota befindet ziemlich gut rüber ^^

    Dass der Polizist echt war glaube ich auch nicht und zwar deswegen:

    "Pst", sagte der Polizist.

    Das macht der olle Doktor nämlich auch immer XD
    Klingt nach den selben Methoden ...

    Naja ich lass mich überraschen, bin aber der Meinung, dass selbst wenn er Julia findet, sie ziemlich im Arsch sein wird und wahrscheinlich sehr lange - wenn nicht sogar für immer - psychologische Betreuung braucht. Klingt eher hoffnungslos ...

    Oh und was mich WIRKLICH nervt ist der Name Arkadius XD
    Dafür kannst du nichts und es ist Geschmackssache, aber ... meeeh :P

    LG Miri

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • @Miri @Phi Danke für eure netten Worte! :D Also zu dem Polizist kann ich natürlich nichts sagen, aber ich freue mich, dass die Geschichte euch verwirrt (auf eine gute Weise).
    Was den Namen Arkadius angeht, den finde ich selber doof, Miri, daher erwähne ich ihn auch selten. Ich habe mir damit nur einen kleinen Spaß erlaubt. Arkadius bedeutet nämlich "Der Suchende" ;D

    100% Konsequent!

  • Kapitel 13: PLÄNE



    Ich war ratlos.
    Nach einer halben Stunde des Wartens, wollte ich um Hilfe rufen. Wer wusste, was die mit dem Polizisten machen würden? Doch ich schwieg stattdessen. War Heydrich womöglich doch eine Art Spion gewesen? Würde Rexroth wirklich das Risiko eingehen und ihn einfach umbringen? Das war unwahrscheinlich. Womöglich hatte er ihn irgendwie überzeugt, seine Ermittlungen einzustellen. Aber worin ermittelte er? War er denen etwa auf der Spur?
    Wieder Kopfschmerzen.

    Tausend Fragen schwirrten und brummten durch meinen Kopf, wie ein Bienenschwarm. Um mich davon abzulenken, trat ich ans Fenster. Von dort aus konnte man den Platz sehen, wo all die Krankenwagen auf ihren Einsatz warteten. In einem kleinen Garten direkt unter mir, spazierte ein Mann mit Krücken umher. Es schien sich diesmal um ein echtes Krankenhaus zu handeln. Meine Hand wanderte zu dem engen Verband um meinen Kopf. Darunter pochte noch immer leise der Schmerz.

    Ich warf einen Blick zur Tür. Sie sah jener meines Gefängnisses sehr ähnlich. Das gefiel mir nicht, aber wenn dies wirklich ein echtes Krankenhaus war, würde sie wohl kaum verschlossen sein. Doch unbewacht würde Rexroth mich ebenfalls nicht lassen. Womöglich saß er dort draußen und wimmelte jeden ab, der zu mir wollte. Wenn überhaupt jemand wusste, dass ich hier war.
    Das Fenster also. Es ließ sich öffnen. Zumindest das. Ein zweiter Blick hinaus, verriet mir, dass einige Meter unter meinem Zimmer - welches sich im dritten Stock zu befinden schien - ein Vordach aus der Hausfassade ragte. Zu weit, für einen Sprung. Auch ließen die Wände links und rechts jegliche Art von Vorsprung oder ähnlichem vermissen, die mir Halt geboten hätten.
    Mehrmals durchmaß ich den Raum. Kein Lüftungsschacht, gar nichts.
    Also doch die Tür.
    Vorsichtig legte ich mein Ohr auf das kalte Holz und sofort vernahm ich allerlei Klänge. Draußen wurde geredet. Etwas Schweres wurde vorbeigerollt, vielleicht eine Trage und ein paar Türen vielen auf und zu. Das war nicht gut. Ein menschenleerer Raum wäre bei einer Flucht weitaus praktischer. Ich würde die Nacht abwarten müssen.

    Siebenmal wurde ich in den nächsten Stunden von verschiedenen Ärzten und Schwestern aufgesucht. Einige warfen nur einen kurzen Blick in den Raum und fragten, wie ich mich fühlte. Ein alter Bärtiger leuchtete mir mit einer Taschenlampe in die Augen und prüfte den Verband. Der letzte Doktor kam kurz vor Mitternacht. Ein junger Schwarzer, der durch seinen perlenweißen Mantel noch schwarzer wirkte, öffnete die Tür und lugte herein.
    „Wer ist da?“, fragte ich. Nun, da er wusste, dass ich wach war, knipste er das Licht an. Meine Augen, die sich bereits an die Dunkelheit gewöhnt hatten, begannen zu brennen, was augenblicklich meine Kopfschmerzen verschlimmerte.
    „Du solltest schlafen“, meinte der Arzt während er an meinem Bett vorbei ans Fenster trat und die Jalousie herunter ließ. Ich antwortete nicht, sondern wartete darauf, dass er wieder verschwand. Er fing an darüber zu schwafeln, wie wichtig es sei zu schlafen. Er erzählte irgendwas von seiner Freundin, die nie genug schlief oder so etwas. Ich hörte nicht richtig zu, meine Augen waren auf die nun geöffnete Tür gerichtet. War das meine Chance? Einfach loslaufen?
    Nein, das war zu riskant. Erst musste der Doktor verschwinden.

    Es dauerte keine Minute mehr, da verabschiedete der Schwarze sich mit einem Lächeln. Kaum war die Tür zugefallen, sprang ich aus dem Bett und lauschte wieder nach Geräuschen auf dem Gang. Stille.
    Ein paar Minuten stand ich im Zimmer und machte mir allerlei Gedanken. Wohin würde ich überhaupt fliehen? Konnte ich mein Haus von hier aus finden? War ich noch in derselben Stadt?
    Mit einem heftigen Kopfschütteln vertrieb ich die Gedanken. Sie hielten mich nur auf. Alles war besser, als weiter das Versuchskaninchen dieses Rexroth zu sein.
    Ich griff nach der Klinke.

    „Wo solls denn hingehen?“, lachte eine Stimme hinter mir. Nie in meinem Leben bin ich schneller herumgefahren. Aus einer finsteren Ecke des Zimmers trat Selina. Ihr Gesicht zierte ein hämisches Grinsen und ihre Unterarme waren mit frischen Verbänden umwickelt.

    Einen Moment lang konnte ich nicht antworten, doch nach einigen Sekunden schlug mein Herz wieder langsamer.
    „Was zum Teufel machst du hier?“ Ich war bemüht, nicht zu schreien. Selina hob die Arme, die mit frischen Bandagen umwickelt waren und ging wohl davon aus, dass das als Erklärung ausreichend war.
    „Ich hab gesehen, wie sie dich reingerollte haben. Ein filmreifer Fluchtversuch, das muss ich sagen.“
    „Wie bist du hier reingekommen?“, harkte ich nach. Selina rollte mit den Augen, als sei es eine dumme Frage.
    „Ich hab mich hinter dem Arzt reingeschlichen. Der Wachmann vor der Tür hat gepennt.“
    „Da sitzt ein Wachmann vor der Tür?“
    „Denkst du, sie lassen Hannibal Lecter unbewacht? Es wundert mich, dass sie dir nicht noch einen Maulkorb anlegen.“
    „Hör auf so zu reden. Es ist nicht witzig!“ Ich ging ein paar Schritte auf sie zu, sie wich nicht zurück. „Ich weiß jetzt, was Sache ist. Du verarschst mich nicht mehr!“
    Ihre Augen weiteten sich in Erstaunen. „Du bist also endlich dahinter gekommen!“
    „Ich bin nicht krank“, sagte ich. „Ich bin kerngesund. Dieser Rexroth und die anderen, die machen den Eltern nur was vor. Die spritzen den Kindern in ihrem ‚Krankenhaus‘ irgendwelche Drogen und behaupten dann, sie seien todkrank.“ Es endlich laut auszusprechen fühlte sich gut an. Selina fuhr mir durch die Haare; ich schlug ihr die Hand weg.

    „Brav gemacht. Jetzt hast du es also endlich begriffen. Aber wie bist du dahinter gekommen?“
    „Ich habe es gesehen. Ich hatte einen Traum. Aber es war kein Traum. Es hat sich echt angefühlt. Rexroth hat meiner Mutter gesagt, ich sei sehr krank und er müsse mich noch bei sich behalten.“
    Ich hatte sehr lange über diesen Traum nachgedacht.
    „Ich habe das rausgefunden und angefangen nach Julia zu suchen, aber mich haben sie auch einkassiert. Und mit ihren Mitteln haben sie versucht, mein Gedächtnis kaputt zu machen. Deswegen hat der Doktor mich gefragt, ob ich ihn kenne!“
    „Und was willst du jetzt tun?“, fragte Selina. Diesmal wirkte sie ehrlich interessiert. Nicht herablassend.
    „Abhauen“, sagte ich entschlossen und meinte es auch so „Meine Schwester retten.“
    „Da bin ich dabei“, grinste sie und ging an mir vorbei zur Tür. „Komm, der Wachmann schläft noch. Ich kann ihn schnarchen hören.“

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    Einmal editiert, zuletzt von Unor (21. April 2017 um 21:26)

  • Kapitel 14: DIE FLUCHT


    Auf dem Gang war es dunkel und der Wachmann saß tatsächlich in seinem Stuhl zusammengesunken und schnarchte friedlich. Ich sah mich um. Am einen Ende des Flurs sah ich Licht brennen, vom anderen hörte man leises Gerede.
    „Wo lang?“, flüsterte ich, als Selina hinter mir aus dem Zimmer trat. Sie zuckte mit den Schultern und schaute in Richtung der Stimmen. In eben diesem Moment kamen zwei Männer in weißen Kitteln um die Ecke. Einer von ihnen hielt ein Klemmbrett in der Hand, auf das beide interessiert blickten, während sie redeten.
    Selina packte mich, ehe ich reagieren konnte, und zog mich in einen Raum dessen Tür offen stand. Reflexartig verzog ich das Gesicht und schloss die Augen. Fast bildlich konnte ich mir vorstellen, wie eine Schwester in dem Zimmer stand und uns anblickte. Selina boxte mich in die Seite und als ich die Augen öffnete, waren wir ganz allein.
    Glück gehabt.

    Die beiden Ärzte gingen am Zimmer vorbei und sobald ihre Stimmen verklungen waren, verließen wir den Raum wieder und gingen in die Richtung, aus der die Männer gekommen waren.
    Bei jedem Quietschen, das meine Schuhe auf dem Linoleumboden verursachten, hielt ich kurz Inne.
    „Du willst deine Schwester doch rausholen, bevor sie an Altersschwäche stirbt oder? Dann beweg mal deinen Arsch“, fauchte Selina, die einige Meter vor mir war. Ich gab mir einen Ruck und war mit zehn schnellen Schritten bei ihr.
    „Da ist eine Treppe, die führt zum Eingang“, flüsterte das Mädchen und deutete auf eine Tür direkt vor uns.
    Ich griff nach der Klinke, bereit, die Treppe herunterzustürmen.
    „Halt, eines noch“, sagte Selina - viel zu laut.
    „Sei leise“, zischte ich und fuhr herum. Selina stand vor mir und grinste selbstgefällig. In ihren Händen hielt sie eine Bettpfanne und einen Löffel. Ich wusste nicht, wo sie das Zeug her hatte.
    „Wenn sie dich nochmal beim Abhauen erwischen, sperren sie dich für immer ein. Dann hast du genug Zeit darüber nachzudenken, dass man Mädchen nicht schlägt.“

    Und dann schlug sie den Löffel gegen die blecherne Bettpfanne und das Geräusch ging mir durch Mark und Bein. Sie setzte zu einem zweiten Schlag an, aber ich schnellte vor und packte ihr Handgelenk.
    „Hilfe!“, brüllte sie. Sie machte alles kaputt. Mit der Bettpfanne begann sie, auf mich einzuschlagen, aber ich spürte kaum etwas. Mein Körper wurde von Adrenalin durchströmt. Ich riss das Mädchen herum und presste meine Hand auf ihren Mund. Wir tänzelten hin und her, im Bestreben den jeweils anderen richtig zu fassen zu kriegen und dabei stolperten wir ins Treppenhaus. Meine Handfläche wurde von ihren Zähnen eingequetscht und mit dem Löffel schlug sie mir gegen die Schläfe. Explosionsartig zischte ein Schmerz durch meinen Schädel und ich stieß das Mädchen von mir. Sie prallte heftig gegen die Wand.

    „Hilfe. Ein Verrückter!“, brüllte sie und wollte auf den Gang fliehen, doch ich konnte mich fassen und sie am Arm packen. Ehe sie reagieren konnte, riss ich sie herum und ihr Kopf knallte gegen die Wand. Als sie benommen zu einem weiteren Schlag ausholte, trat ich ihr mit aller Kraft in den Bauch und sie stürzte rückwärts die Treppe hinunter. Sie überschlug sich mehrmals, wie in einem Zeichentrickfilm und landete mit dem Gesicht nach unten. Ihr Hals war seltsam verdreht. Irgendjemand hatte diesen Krawall mit Sicherheit mitbekommen, daher ging ich sofort weiter. Selina würdigte ich keines Blickes. Sie war doch selber Schuld! Sie wollte, dass man mich einsperrte. Aber das würde ich nicht zulassen. Auf keinen Fall würde ich Julia im Stich lassen.
    Außerdem war sie bestimmt nur bewusstlos. Und dann noch in einem Gebäude voller Ärzte. Man würde sich schon um sie kümmern.

    Im Eingangsbereich war wenig los. Nur die Rezeption war besetzt aber ich konnte mich vorbeischleichen.
    Als die gläsernen Türen aufglitten und kalte Nachtluft mir entgegenströmte, fühlte ich mich großartig. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, konnte ich gehen, wohin ich wollte.
    Ich ging zur nächsten Bushaltestelle.

    100% Konsequent!

    Einmal editiert, zuletzt von Unor (21. April 2017 um 21:32)

    • Offizieller Beitrag

    Zwei schöne Teile. Die Flucht ist offenbar endlich gelungen, wobei ich an dieser Stelle den tag noch nicht vor dem Abend loben will. Das erscheint mir noch zu undurchsichtig. Es kann eigentlich nicht sein, dass die Schreie keiner mitbekommen hat. Und wer ist Selina, dass sie ihn dann doch noch verrät? Wirklich nur, weil er sie geschlagen hat? Ziemlich mies ... und hat er sie jetzt umgebracht? Es scheint beinahe so, aber hier ist ja nichts so, wie es auf den ersten Blick aussieht. Obwohl bei einem seltsam verdrehten hals wohl nicht mehr viel zu machen ist. :D Und tot ist wohl besser. Wenn Selina schon ausrastet, wenn er sie schlägt, will ich nicht wissen, was sie ausheckt, wenn sie gelähmt ist (*hust*)

    Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, konnte ich gehen, wohin ich wollte.
    Ich ging zur nächsten Bushaltestelle.

    Ja, diese Geisel. ich bin frei, ich kann gehen, wohin ich will! - Erstmal eine Bushaltestelle suchen. :rofl:
    ich hätte mir ja nicht die nächste gesucht, sondern wäre erstmal ein paar Straßen weitergerannt und hätte mir dort etwas gesucht.

    Ich kann mich nicht beschweren. Mach schnell weiter! :thumbsup:

    LG, Kyelia

  • So, nach dieser EWIG langen Wartezeit, werde ich jetzt versuchen, die letzten Kapitel der Geschichte (6 sind es noch) vor Ende der Osterferien - trotz Abivorbereitung - fertigzustellen. Allen, die nach einem Vierteljahr noch mitlesen, wünsche ich viel Spaß xD

    LG, Unor

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    Kapital 15: NACHHAUSE



    Ein kurzer Blick auf den Fahrplan genügte mir. Natürlich fuhren um diese Uhrzeit keine Busse mehr! Was hatte ich mir dabei gedacht? Viel Zeit zum Ärgern blieb mir jedoch nicht. Selina hatte mit ihrem Geschrei bestimmt jemanden angelockt und auch wenn man sich vorerst mit ihr beschäftigen würde, irgendwann käme man auf die Idee, mein Zimmer zu checken.
    Also zu Fuß. Zumindest vorerst.


    Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Ein letzter Blick zum Krankenhaus, bevor ich lossprintete, bestätigte meinen Verdacht, dass ich mich in einer vollkommen fremden Stadt befand. Ich wusste, in meiner Heimatstadt gab es nur ein Krankenhaus und das sah völlig anders aus.
    Aber davon ließ ich mich nicht abbringen. Busse mochten um diese Zeit vielleicht nicht mehr fahren, aber es bestand noch immer die Hoffnung, einen Nachtzug zu erwischen. Vielleicht nicht direkt nachhause, aber immerhin weg von hier.


    Weit und breit waren keine Passanten in Sicht, die man nach dem Weg hätte fragen können. Allerdings war es vielleicht besser so. Ein Junge, der barfuß allein bei Nacht umherirrte würde eh nur dazu verleiten, die Polizei zu rufen. Dass konnte ich nicht gebrauchen. Die würden mich vermutlich zu Rexroth bringen oder ins Krankenhaus.
    Ich musste meinen Weg selbst finden.


    Nach einer ganzen Weile – mittlerweile lief ich nur noch langsam, da mir die Luft ausgegangen war – kam ich zu einem Schild, auf dem „Fußgängerzone“ stand. Dahinter erstreckte sich eine mit Steinfließen gepflasterte Straße. Links und rechts standen Geschäfte, deren Schaufenster selbst zu dieser Uhrzeit – lange nach Ladenschluss – noch beleuchtet waren. Am Ende der Straße, hinter einer Reihe von Häusern, ragte ein Kirchturm in die Höhe. Das schien mir ein geeigneter Fixpunkt, um mich zu orientieren. Daher ging ich darauf zu. Langsam spürte ich meine Füße nicht mehr und ich musste bei einer Sitzbank Halt machen, um sie mit den Händen warum zu reiben. Ich hätte ein paar Schuhe anziehen sollen, vor meiner Flucht. Die Nacht war wolkenlos, dennoch sehr kalt.


    „Entschuldigung?“
    Sofort schnellte ich in die Höhe. Vor mir stand ein uralter Mann. Er trug eine zu kurze Jeans, eine billige Regenjacke und roch unangenehm.
    „Was wollen Sie?“, fragte ich, noch immer schnell atmend. Der Alte kam einen Schritt näher, ich wich zurück, wobei meine Kniekehlen gegen die Bank stießen.
    „Was treibst du hier draußen, ohne Schuhe?“ Der Mann klang eher neugierig, als besorgt und sprach mit einem dicken Akzent.


    „Ich suche den Bahnhof.“
    Er nickte. Ich machte mich auf weitere Fragen gefasst, in meinem Kopf entstand bereits ein Lügenkonstrukt. Wieder pochte es unter dem Verband.
    „Du musste in diese Richtung. Immer geradeaus. Du kommst über zwei Brücken. Dann weiter geradeaus und links.“
    Ich konnte nur dastehen und schweigen. Nach einer kurzen Weile, brachte ich ein „Danke“ hervor und machte mich davon. Der seltsam riechende Kerl war mir nicht ganz geheuer.

    Der Bahnhof war eigentlich ein sehr schönes Gebäude. Aus Ziegelstein, mit Türmen wie eine Burg. Die Dächer aus Kupfer waren mit den Jahren grün geworden, wie die Freiheitsstatue. Doch wie ich so davorstand, wirkten diese Türme und Ziegel irgendwie bedrohlich. Sie erinnerten mich an eine Kurzgeschichte, die ich in der Schule gelesen hatte. „Zentralbahnhof“. Keine schöne Geschichte. Aber davon ließ ich mich selbstverständlich nicht abhalten.

    Ich betrat das Gebäude, in dem sich auch zu dieser Stunde einige Leute befanden, die mich, sehr zu meiner Freude, aber kaum beachteten. Neben einem Kartenautomaten an der Wand hing eine gelbe Tafel, mit allen An-und Abfahrzeiten. Es dauerte keine Minute, da hatte ich den Namen meiner Heimatstadt gefunden. Dreimal schaute ich nach, um sicher zu gehen, dass es kein Traum war. Da fuhr Tatsächlich ein Zug, in nur zwanzig Minuten! Einmal war das Glück also auf meiner Seite. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht machte ich mich auf zum richtigen Gleis.
    Der Bahnsteig – im Gegensatz zur Eingangshalle – war menschenleer. Einige Meter in der Ferne stand ein Getränkeautomat. Der Anblick der Flaschen erinnerte mich daran, wie durstig ich war. Bedauerlicherweise akzeptierte der Automat nur Münzen und ich wollte niemanden nach Geld fragen.

    Daher wartete ich durstig auf meinen Zug, für den ich – das wurde mir jetzt erst klar – keine Fahrkarte hatte. Ich würde mich im Zug verstecken müssen. Oder dem Schaffner etwas vorheulen. Vielleicht auch einfach die Wahrheit sagen? Nein, das auf keinen Fall.
    Das surrende Geräusch der Schienen riss mich aus meinen Gedanken. Es verriet mir, dass ein Zug sich näherte.

    Obschon es eine kalte Nacht war, kam es mir am Bahnsteig sehr warm vor. Fast heiß. Wie ich so dastand, den Blick auf die metallenen Schienen gerichtet, brach ich regelrecht in Schweiß aus. Hinzu kam der Klang des sich nähernden Zuges. Seine Lichter in der Ferne. Sie kamen mir übertrieben hell vor. Sie blendeten geradezu. Mittlerweile schrien die Schienen, als wollten sie vor dem nahenden Zug warnen. Dann das Kreischen der Bremsen - unerträglich. Ich wandte den Blick weg von den Gleisen. Ein Fehler. Die Lichter der Lock brannten in meinen Augen und verursachten Kopfschmerzen, schlimmer als ich sie je gespürt hatte.
    Alles geschah, wie in Zeitlupe.

    Die Bahn, wie sie vor mir zum Stehen kam. Die Bremsen, die nun kreischten, als wären Menschen zwischen die Räder geraten. Ein schreckliches Geräusch. Dann die Stille. Die beiden Türen, die direkt vor mir aufglitten. Es kam mir eine Hitze entgegen, die mir den Rest gab.

    Als ich aufwachte, lag ich rücklings am Boden. Mein Hinterkopf schmerzte und ich schmeckte Blut. Schon wieder hatte ich mir auf die Zunge gebissen.
    Ich schien nur einige Sekunden bewusstlos gewesen zu sein. Der Zug war, zu meiner Erleichterung, noch da, aber niemand stieg ein oder aus. Er machte mir eine Heidenangst. Ein Zug, in dem kein einziger Mensch saß. Die Türen schlossen sich.
    Ich war sofort auf den Beinen und drückte den Knopf, der sie wieder öffnete. Schnell stieg ich ein. Mir den Hinterkopf reibend, setzte ich mich auf den erstbesten Platz. Mein Herz schlug wie besessen in meiner Brust.
    Was für ein dummer Moment für einen Schwächeanfall. Aber ich ärgerte mich nicht.
    Ich war auf dem Weg nachhause!

    100% Konsequent!

    3 Mal editiert, zuletzt von Unor (21. April 2017 um 21:44)

    • Offizieller Beitrag

    Ich war auf dem Weg nachhause!

    Irgendwie glaube ich das nicht. Dass er in Ohnmacht fällt, er da herumliegt und keiner sich davon gestört fühlt, bezweifle ich. Und vor allem, dass der Zug da immer noch steht ... die Situation ist mir suspekt :hmm:
    Ich bin mal gespannt, wie es weitergeht. Offenbar geht die Geschichte ja nicht mehr lang, also müsste ja langsam Licht ins Dunkel gebracht werden. ^^

    LG, Kyelia



    Wenn es ein Buch gibt, das du wirklich lesen willst, aber das noch nicht geschrieben wurde, dann musst du es selbst schreiben.
    - Toni Morrison -