Die Asche der Unschuld

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 1.505 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (31. Januar 2018 um 16:51) ist von Tariq.

  • Hi Leute,
    die Geschichte, die ich Euch hier vorstellen möchte, gehört zu meiner Sammlung von Stories um das Stille Volk; all den bekannten (und auch selbstkreierten) Geschöpfen aus alten Mythen und Legenden, die allmählich merken dass ihre Zeit abläuft, seit die Vernunft bei den Menschen erwachte. Dass der angebliche Antagonist hier ein Vertreter des Klerus ist, ist reiner Zufall :)...
    Ich denke, diese Geschichte gibt recht gut den Tenor des Zyklus wieder, deshalb wäre ich recht glücklich über Eure Meinungen dazu. Kommt da irgend etwas an, oder sollte das Ganze besser rasch in einem schwarzen Loch verschwinden?
    Auch für Kommentare betreffs Punktierung, Rechtschreibung, Logik und dergleichen wäre ich natürlich dankbar.

    Die Asche der Unschuld


    Nosdor der Faun wandelte wieder einmal auf Freiersfüßen. Nicht, dass er jemals etwas großartig Anderes getan hätte …
    “Ich mache mir langsam Sorgen wegen der Brüter”, meinte sein Freund Gromb, der ihn wie immer auf seiner Jagd durch den Wald begleitete. Nosdor wusste natürlich dass seine Freundschaft zu ihm größtenteils auf der Hoffnung gründete, dass etwas von Nosdors Beute auch für ihn abfiele. Was sollte man auch machen, wenn man mit einem Gesicht geboren war das nur eine Mutter lieben konnte? Doch für einen Schrat war Gromb ein feiner Kerl.
    Die Brüter, so nannte das Stille Volk des Waldes die schwerfälligen und wenig reizvollen Leute, die den Wald und seine lebensfrohen Bewohner mieden wie einen stinkenden Sumpf voller Mücken. Die der Ansicht waren, dass Mühe und Plage das Leben erst mit Sinn erfüllten. Die gewaltige Steinhaufen aufrichteten, um darin zu hausen wie die Krabben. Die scheinbar einfach nicht die Zeit erübrigen konnten, um im Sonnenschein zu spielen.
    “Die Brüter?” fragte Nosdor ohne jedes Interesse, während er in der Luft nach jenem besonderen, verlockenden Duft schnupperte, der ihm den Weg ins Paradies weisen würde … für eine Weile.
    “Es werden ihrer immer mehr”, sagte Gromb schaudernd.
    “Nun, darum heißen sie ja auch so. Eigentlich hab ich ja nichts gegen die armen Tröpfe. Hab ich dir schon von meiner letzten kleinen Brütermama erzählt?”
    “Leg los!”
    Nosdors Stimme nahm einen schrillen, gehetzten Ton an: “Nicht! Aufhören! Das war es, was sie mir immer wieder in die Ohren kreischte … vorher.”
    “Und hinterher?”
    Nicht aufhören!”
    “Wäre nichts für mich. Diese Leute sind so plump wie Steine. Eine willige Sylphe ist da ein ganz anderer Fall.”
    Nosdor lächelte mitleidig; keine Sylphe war bei dem armen Gromb jemals willig gewesen. Da fing er den Duft auf den er ersehnt hatte. Auf flinken Hufen tänzelte er zwischen den Bäumen hindurch, über freiliegende Wurzeln und Büschchen hinweg, nun ganz im Jagdfieber.
    “Wie lange wird es noch dauern, bis sie in den Wald vordringen?”, stieß Gromb keuchend hervor, während er versuchte mit seinem Freund Schritt zu halten. “Du hast doch wohl gehört, was sie mit Sylvan machten, erst kürzlich?”
    Nosdor stoppte dort, wo der Duft am intensivsten war und schaute auf. Nun hatte er den Geruch auch erkannt. Natürlich, es war Nipta! Glockenhelles Lachen erklang aus dem Wipfel der großen Eiche unter der beide nun standen.
    “Sieh an, der Ziegenbursche und der Maulwurf! Seid ihr gekommen, wilde Früchte zu pflücken?”
    “Das sind wir!”, japste Gromb nach oben, wo die Dryade wohlig auf einem Ast herumlungerte und amüsiert zu ihnen herabschaute. “Komm herunter und hab die freie Auswahl!”
    “Kommt das Wasser zum Krug? Wenn ihr wollt, dass heute die Sonne aus euren Augen scheint, dann müsst ihr euch schon etwas mehr Mühe geben.”
    “Das wird dich eine Menge Küsse kosten!”, meinte Nosdor mit gespielter Bedrohlichkeit und ergriff den Stamm mit beiden Händen, doch seine Hufe wollten an der glatten Rinde einfach keinen Halt finden. Immer wieder rutschte er ab, so sehr er sich auch bemühte in die Höhe zu kommen. In seinen spitzen Ohren schallte Niptas und auch Grombs Lachen. Es war schwer zu sagen welches das lautere war.
    “Na, du bist mir vielleicht ein Freund”, ächzte Nosdor. “Macht es Spaß, anderen bei der Arbeit zuzusehen?”
    “Dafür schuldest du mir was”, sagte Gromb, der um seine Kletterqualitäten wusste und es gar nicht erst versuchte. Bereitwillig legte er seine Scharrhände zu einer Räuberleiter zusammen. “Und ich werde dich erinnern.”
    Mit Schwung schleuderte er Nosdor nach oben und dieser bekam einen der unteren Äste zu greifen. Nun war Nosdor wirklich unterwegs diese widerspenstige Festung einzunehmen! Sein bezwingenstes Siegergelächter erklang … und endete in einem überraschten und empörten Aufschrei, als ein Zweig auf seine wollige Kehrseite klatschte und einen Feuerstrahl durch seinen Leib schießen ließ. Gromb gelang es gerade noch rechtzeitig zur Seite zu springen und im nächsten Moment fand sich Nosdor auf dem Rücken liegend im hohen Laub wieder.
    “Oh nein”, maulte Gromb nach oben hinauf. “Das ist ja so was von unlocker!”
    “Ich spiele gern mit den niederen Tieren”, grinste Nipta, nachdem sie sich von ihrem Lachanfall erholt hatte. Dann glitt sie, einem herrlichen und verlockenden Tropfen Wassers gleich, den Stamm herab, kauerte neben dem noch immer daliegenden Faun und strich ihm mit schmaler grüner Hand durch die dichten braunen Locken. “Doch ehrliche Mühe soll nicht unbelohnt bleiben.” Wieder klang ihr helles Lachen auf, als Nosdor sie ergriff und mit spöttischer Galanterie in das Laubbett zog. Jeden Augenblick voll auskostend, streifte er Nipta das Laubkleid vom Körper. Was er zum Vorschein brachte war weich und warm und so gar nicht hölzern. “Und nun mach, dass die Sonne für uns scheint”, gurrte Nipta herausfordernd. Im Paradies angekommen, gab Nosdor sein Bestes.
    Gromb sah beiden zu bis er befürchtete, sie könnten den Neid in seinen Augen bemerken. Schließlich sagte er etwas von Forellen, die er im Fluss entdeckt habe, und dass er ihnen gern welche mitbringen würde. Dann verließ er mit hängendem Kopf die Szene.
    Nosdor bemerkte es nicht, zu sehr war er versunken in der Ekstase seines Liebestanzes mit der berauschenden Dryade. Bald war ihm, als müssten tausend silberne Glöckchen erklingen …
    Und dann hörte er tatsächlich eine Glocke.
    Wie ein schwerer Hammerschlag, der in einen Topf voller Watte knallte, so drang der Klang in seinen Schädel. Nipta bäumte sich unter ihm auf. Die Augen qualvoll zusammen gekniffen, fuhren ihre Hände an ihre Ohren und grüner Schaum spritzte aus ihrem weit aufgerissenen Mund, als sie aufs Schrecklichste zu schreien begann.
    Worte wehten durch die Bäume hindurch zu ihnen herüber, Worte, deren Sinn Nosdor nicht verstand, doch empfand er jedes einzelne von ihnen wie einen Peitschenschlag. Nipta lag sehr still, grüner Lebenssaft begann ihr aus Augen und Nase zu laufen. Verständnislos, doch voller Entsetzen ergriff er die Besinnungslose, warf sie sich über die Schulter und begann zu laufen, fort aus dem Bereich dieses dämonischen Zaubers.
    Die Worte verklangen, dann kam der zweite Glockenschlag.
    Nosdor strauchelte, als der Klang erneut in seinen Kopf drang und von dort aus durch seinen ganzen Körper zitterte. Zum Glück war Nipta leicht wie ein Blatt ihres Mutterbaumes, er gelangte wieder auf sichere Hufe, rannte weiter. Erneut klangen die Worte auf, die wie Zungen aus glosendem Feuer waren.
    Und dann erblickte er die ersten Brüter. Suchend in alle Richtungen spähend, bahnten sie sich schwerfällig ihren Weg durch das dichte Buschwerk. Ihre Blicke waren wie harte Knüppel, wie jene, welche die meisten von ihnen in den festen Fäusten hielten. Einige waren auch mit anderen Gerätschaften bewaffnet, die er nicht zu benennen wusste, doch es würde ihm wohl nicht gefallen sie um die Hörner gehauen zu bekommen. Und dann erkannte er die stummelfingrige, grobe Scharrhand, die über einem der Büsche zitterte, auf den einer der Brüter mit seinem Knüppel wieder und wieder einschlug.
    Ein Arm hob sich, ein Finger deutete auf ihn. Raue Rufe wurden ausgestoßen, als sich einige der mörderischen Brüter ihren Weg durch das Unterholz zu ihm bahnten.
    Der dritte Glockenschlag tönte auf. Nosdors Augen begannen zu brennen als er weiterlief, denn auf eine ihm selbst unbegreifliche Weise hatte er Gromb wirklich gemocht.
    Seine Flucht führte ihn tiefer in den Wald hinein, dorthin, wo die meisten des Stillen Volkes lebten, doch die mörderischen Brüter folgten ihm weiterhin. Zwei Guskie eilten ihm plötzlich entgegen, die Hände fest auf die Ohren gepresst und mit geschlossenen Augen blind schreiend. Rannten an ihm vorbei, der überrascht auswich, und geradewegs in die wartenden Knüppel hinein. Entsetzt sah Nosdor auf die Bluttat, dann gewahrte er die Gestalt hinter den Mördern. Den Brüter in dem bodenlangen weißen Gewand, der die Schmerzenglocke mit einem Klöppel erneut zum Erklingen brachte, nachdem die brennenden Worte aus seinem Mund versiegt waren. Ein sehr eigener Geruch ging von diesem Mann aus; die Knüppel schwingenden Mörder rochen wie die hungrigen Wölfe, doch die Ausdünstung dieses einen Brüters erinnerte ihn an festes, blaues Eis. Er begriff, dass dies der Hauptschuldige an dem Massaker sein musste, welches hier an seinen Leuten begangen wurde.
    “Kinder des Waldes, schart euch um mich! Zu mir!”
    Gehetzt schaute sich Nosdor nach dem Rufer um und erkannte den Ältesten, welcher wohl der König des Waldes wäre, hätte das Stille Volk so etwas wie einen König gebraucht; der Grüne Mann.
    Majestätisch wie gewohnt, doch ohne die übliche gelassene Heiterkeit, die er sonst zeigte, stand er da und rief die Seinen zu sich. Tiefe Sorge hatte seine sonst so freundliche Miene verdunkelt. Das Gold seiner Hörner wirkte matt und glanzlos, was selten geschah und niemals etwas Gutes bedeutete.
    Niemand sonst hörte sein Rufen, doch wer ihn bemerkte eilte rasch zu ihm. Nosdor sah, dass er die Hand hob, um das spärlich durch das dichte Blätterdach hereinfallende Sonnenlicht zu greifen und beeilte sich zu ihm zu kommen. Der Älteste hielt das Licht fest in seiner erhobenen Hand, begann die Strahlen miteinander zu verweben und sprach ein WORT.


    Dunkelheit war um Nosdor als er begriff, dass er noch am Leben war. Er hörte die dankbar ausgestoßenen Laute der Erleichterung um sich herum, jemand rief nach Licht.
    Eine große grüne Hand öffnete sich, entließ den Rest Sonnenstrahlen, der sich noch darin befand. Tanzenden Irrlichtern gleich schwebten die Fünkchen empor, enthüllten eine schroffe Felsendecke über den Köpfen der kleinen Gruppe, welche der Grüne Mann auf wundersame Weise vor der sicheren Auslöschung bewahrt hatte. Sie befanden sich tatsächlich in einer Höhle.
    Erst jetzt ließ Nosdor Nipta vorsichtig von seiner Schulter zu Boden gleiten und legte eine Hand unter ihren Kopf, dass er nicht auf dem harten kalten Fels liegen musste. “Ältester”, sprach er rasch, als sich der Grüne Mann umwandte, um die Überlebenden in Augenschein zu nehmen. “Kannst du bitte nach Nipta sehen? Es geht ihr gar nicht gut, fürchte ich. Bitte lass sie nicht sterben, denn ich mag sie sehr gern und musste heute schon einen Freund sterben sehen …”
    Der Grüne Mann wandte sich zu ihm um, rief ein Irrlicht von der Decke zu sich herab und besah sich Nipta in dem unsicheren Schein.
    “Es tut mir leid für dich, junger Nosdor”, sagte er dann mit aufrichtigem Bedauern, “doch ich fürchte, du hast dir umsonst die Schulter ausgerenkt.”
    Verständnislos starrte Nosdor ihn an, dann sah er auf Nipta und erkannte den faltigen und vertrockneten Stumpf, der vor kurzer Zeit noch seine fiebernd begehrte Gespielin gewesen war. Ihr Grün war dahin, gelb und rot war sie wie die Blätter, auf denen sie gelegen hatten.
    “Ihr ferner Mutterbaum hat sie zu sich zurückgerufen”, erklärte der Grüne Mann, als Nosdor den Mund zu einem entsetzten Schrei öffnete. “Dich trifft keine Schuld, junger Nosdor, denn du hättest sie niemals retten können. Sie war bereits beim ersten Schlag der Glocke verloren.”
    “Aber ich fühle mich schuldig!”, rief Nosdor aus und alle Wut und Scham die er empfand hallte darin wider. “Nipta, und Gromb! Sie waren so hilflos, doch ich war es nicht! Ich hätte sie beschützen können!”
    “Indem du versuchtest jemand zu sein der du nicht bist? Dann würdest du hier nicht hocken und dich in selbstmitleidigen Vorwürfen ersticken. Du wärst ausgelöscht wie sie.”
    “Ich hätte … kämpfen sollen!”
    “Gute Liebhaber sind selten gute Kämpfer, und umgekehrt ebenso. Ein Formore hätte wohl nach fünf Herzschlägen mit den Köpfen der Brüter Ball gespielt und ihre Gedärme zu Knotenschnüren verarbeitet, doch dies ist nicht dein Weg und du weißt es.”
    Nosdor sah den Ältesten trotzig an. “Dann mache ich es zu meinem Weg!”
    In dem diffusen Lichtschein meinte Nosdor etwas Ungeheuerliches zu erblicken, etwas, das er niemals für möglich gehalten hätte: Die Miene des Ältesten wurde tatsächlich hart wie Stein.
    “Deine andere Seite ist es, die nun da redet, Ziegenjunge. Das unberechenbare Temperament der Sklaven der Furcht, das sie dazu treibt zuzuschlagen, wo sie besser fragen sollten. Es ist dein unerfreuliches Geburtserbe. Und es macht mir Angst!”
    Unsicherheit ergriff Nosdor, als der Grüne Mann ihn an seine Doppelblütigkeit erinnerte. Er selbst hatte es wohl so gut verdrängt, dass er es tatsächlich fast vergessen hätte: dass er zur einen Hälfte selbst ein Brüter war. Dass das Stille Volk ihn als Neugeborenes ausgesetzt im Wald gefunden und aufgezogen hatte, da er ohne Zweifel mit ihnen verwandt war. Dass seine Mutter dem Volk angehörte, an dem sich zu rächen er gerade geschworen hatte. Nur deshalb hatten die Schmerzenglocke und die Flammenworte ihn nicht sofort niedergeschlagen wie die anderen. Er war einer von ihnen!
    Die aufkeimenden Selbstzweifel niederkämpfend, ballte er unter dem harten Blick des Grünen Mannes die Hände zu Fäusten und rief: “Wenn die hervorragendste Eigenschaft der Brüter das Töten ist, dann werde ich Feuer mit Feuer bekämpfen! Ich werde zu ihnen gehen und den umbringen, der dieses Leid über uns brachte! Und sollte ich in dem Stillen Volk dann nicht mehr willkommen sein, dann ist es eben so! Aber niemand bringt meine Freunde um und reißt anschließend vor anderen Witze darüber!”
    Die Härte wich aus den Augen des Grünen Mannes, Trauer nahm darin Platz. Er zupfte ein grünes Blatt aus seinem Haar, legte es in die zu Schalen geformten Hände und blies lange mit konzentriertem Blick darauf. Dann faltete er es zusammen und reichte es Nosdor. “Was immer du mit dem Brüter vorhast, der die Glocke schlug, öffne zuvor diese Rune vor ihm. Versprich es mir, denn befehlen will ich es dir nicht.”
    “Was du auch nicht könntest”, stieß Nosdor aus und schnappte sich das Blatt aus des Ältesten Fingern.
    “Tu es, bitte. Es ist von Wichtigkeit.” Der Grüne Mann blies das Irrlicht sacht an, und es schwebte davon. “Folge ihm, es wird dir den Weg aus der Höhle weisen.”
    Gegen seinen Willen stieß Nosdor erleichtert den Atem aus. “Dann habe ich also deinen Segen?”
    “Nötig hättest du ihn wohl, junger Nosdor, doch den darf ich dir hierbei nicht geben. Tue einfach wie ich dir sagte, du wirst erkennen warum.”
    Nosdor wandte sich zum Gehen, dem Lichtfunken nach, doch noch einmal drehte er sich um.
    “Diese Rune, was enthält sie?”
    Der Grüne Mann hatte sein Lächeln wiedergefunden, doch Nosdor erkannte den traurigen Zug um die Mundwinkel herum.
    “Wahrheit”, sagte er.


    Zufrieden bemerkte Nosdor, dass das letzte Licht in der Menge der Steinhaufen, in welchen die Brüter des Nachts schliefen, erlosch. Geduldig wartete er noch eine ganze Weile, dann wagte er sich in das sonderbare Lager vor. Bald schon hatte er den Geruch, nach dem er suchte, aus dem allgemeinen Düftewirrwarr herausgelesen; den er auch schon von Weitem an dem Brüter mit der Glocke ausgemacht hatte: Der süße Gestank von Selbstzufriedenheit und Sendungsbewusstsein war es, der in seiner Nase brannte wie übler Rauch. Er kam aus einem der größeren Steinhaufen, dem mit der seltsamen Spitze obenauf.
    Leider war ihm ein anderer Geruch entgangen, einer der nicht von einem Brüter stammte, der sich natürlich anfühlte und deshalb von ihm ignoriert worden war. Ein Fehler.
    Das bedrohliche Knurren in unmittelbarer Nähe traf ihn wie ein Blitzschlag. Offenbar hielten sich die Brüter gezähmte Wolfartige als Wächter. Zwei dieser Tiere richteten sich nun vor ihm auf. Ketten rasselten metallisch. Bellen klang auf.
    Nosdor bedauerte es, seine Flöte nicht bei sich zu haben, also summte er den beiden seine Guter-Freund -Melodie einfach vor. Die Tiere lauschten stumm und überrascht, als er ihnen von sanftem Wind auf grünen Hügeln pfiff, von grandiosen Sonnenuntergängen über einem tiefen, ruhigen See und von Tautropfen, welche im Sonnenlicht wie Diamanten funkelten. Die erhobenen Ruten senkten sich, ein Tier begann ausgiebig zu gähnen. Nosdor sang von sanftem Schmetterlingsflügelschlag und dem blitzenden Schalk in lachenden Augen. Die Wolfartigen legten sich nieder, jagten ihre Traumhasen über endlos saftige Traumwiesen und in diesen Träumen gab es keine Ketten.
    Auf leisen Hufen schlich Nosdor zu dem Steingebilde, aus dem der verhasste Geruch strömte. Hier war er so stark, dass seine Augen begannen zu tränen. Er gelangte zu der Pforte, die für ihn nur ein merkwürdiges flaches Holzgebilde darstellte, doch schon bald hatte er ihre Funktion durchschaut und öffnete sie. Auf den Anblick im Inneren war er schlecht vorbereitet …
    Nur vom Schein einer kaum fingerdicken Kerze erhellt, lag der Brüter flach und nackt auf dem Steinboden. Klatschend hieb er sich etwas auf den Rücken, der bereits von einer Unzahl blutiger Striemen gezeichnet war. Merkwürdige Worte stieß der Mann dabei aus und ein jedes brannte in Nosdors Ohren wie Feuer. Wieder klatschte es schwer auf die blutige, vernarbte Haut.
    Entschlossen betrat Nosdor das Innere, laut und nachhallend klackte sein Huf auf der ersten Steinplatte.
    Der Brüter verhielt in seinem seltsamen, unsinnigen Tun, richtete sich halb auf, drehte ihm das Gesicht zu. Erstaunen spiegelte sich darin, doch keine Spur von Furcht. Er räusperte sich. “Bist du gekommen Blut für Blut zu fordern, Teufel der Wälder?”
    Nosdor wusste nicht, was ein Teufel sein mochte und er sagte einfach: “Ich komme, um Rache für jene zu nehmen, die du heute mit deinem Zauber ins Verderben schicktest.”
    Nun richtete sich der Brüter ganz auf, Widerwillen im Gesicht. “Nein, kein Zauber. Heiliger Exorzismus! Das Land hat schon viel zu lange gelitten unter eurer unheiligen Präsenz! Es musste endlich gereinigt werden, zur höheren Ehre des Herrn!”
    “Du hast einen Herren, der dir befiehlt uns zu töten? Dein Herr geht unachtsam mit seinen Werkzeugen um, denn ich bin nun hier.”
    Der Brüter schloss die Augen und ein stilles Lächeln spielte um seinen Mund. “Tu was in deiner verdorbenen Macht liegt zu tun. Andere werden nach mir kommen und das große Werk fortführen.”
    Rasch schritt Nosdor auf ihn zu, in jeder Faser seines Leibes nach Mord gierend. Doch kurz vor dem Mann hielt er überrascht inne . Dies lief gar nicht nach seiner Vorstellung. Er hatte erwartet, einem wild mit Machtworten um sich schleudernden Zauberer gegenüber zu stehen. Oder zumindest jemandem, der sein wertloses Leben bis zum letzten Herzschlag aufs Erbittertste verteidigen würde. Doch diese stumme Ergebenheit auf die er nun traf machte ihn waffenlos. Der Älteste hatte recht gehabt; es war nicht einfach, von einem Geschöpf welches das Leben liebte, zu dessen Nehmer zu werden … Verbissen rief er sich die Erinnerung an Nipta und Gromb ins Gedächnis und stellte bestürzt fest, dass ihre Gesichter bereits am Verblassen waren; dass sie ihm im Grunde bedeutungslos gewesen waren, so wie alles in seinem jungen Leben. Wenn er diesen Brüter nun umbrächte, was würde es ihm später wohl bedeuten?
    Der Mann begann wieder brennende Worte zu murmeln.
    Sein Versprechen dem Ältesten gegenüber fiel ihm wieder ein, und er war froh darüber, wieder etwas tun zu können. Er fischte das Blatt mit der Rune aus der Wolle an seiner Hüfte und öffnete es.
    Völlig lautlos geschah es, ohne großen Rauch und Lichtergeflirre. Zwei Seelen prallten einfach zusammen.


    Woldan und Framira waren jung und die Welt gehörte folglich ihnen.
    Ihre Eltern waren gegen ihre Vermählung gewesen, also fand diese ohne sie statt. Da seine Familie wohlhabend war, bewegte Woldan seinen Vater, ihm seinen Erbteil auszuzahlen im Austausch gegen das Versprechen, sich mit seiner “unstandesgemäßen Dirne” nie wieder blicken zu lassen. Sie kauften ein feines Stück Land unweit eines alten, verwahrlosten Waldes, das erstaunlich günstig zu haben war und für das sich überraschenderweise niemand sonst zu interessieren schien. Der Boden war wirklich gut, und er rechnete damit, zwei Ernten im Jahr einbringen zu können. Woldan selbst baute ihr Haus, etwas Einfaches für den Anfang, später würde es größer und prächtiger werden.
    Die Tagelöhner, die bereit waren für sie zu arbeiten, waren allesamt von der abgerissensten und verzweifeltsten Sorte. Doch sie arbeiteten gut, nahmen dankbar ihren Lohn entgegen und sagten sonst nicht viel. Als Woldan ihnen anbot, eine Unterkunft für sie zu errichten, lehnten sie dankend ab.
    Bald war die erste Ernte eingebracht. Der Mais war von einer wirklich prächtigen Sorte. Woldan ließ alles auf den großen Wagen laden und rechnete sich einen gewaltigen Profit aus. Framira bot an, selbst die Äcker umzugraben, um die nächste Aussaat vorzubereiten. Er meinte, dass dies einfach zu viel Arbeit für sie wäre, doch sie wollte während seiner Abwesenheit nicht mit den Tagelöhnern allein auf der Farm bleiben. Die Arbeit würde ihr helfen, die Zeit kurz werden zu lassen. Schließlich willigte er ein, die helfenden Hände zogen zufrieden mit ihrem Lohn davon, Woldan machte sich mit der Ernte auf den Weg zum großen Markt in der Stadt, wo er wohl eine Woche lang bleiben würde, bis alles gewinnbringend an den Mann gebracht wäre, und Framira blieb allein auf der Farm zurück; auf dem herrlichen Flecken Land nahe des alten Waldes, den niemand außer ihnen haben wollte …
    Als Woldan sehr zufrieden mit dem Erlös seiner Geschäfte wieder nach Haus kam, lief ihm Framira bereits von Weitem entgegen. Recht heftig wurde die Umarmung, und erschrocken stellte er fest, dass sie in seinem Griff zu weinen begann. Besorgt erkundigte er sich, ob irgendetwas nicht in Ordnung sei, doch sie schüttelte nur den Kopf und sagte, es wäre die Freude über seine Wiederkehr nach den langen einsamen Tagen, die sie in Tränen ausbrechen ließe. Aufs Tiefste gerührt, erzählte er ihr von seinen großartigen Geschäften in der Stadt und dass die nächste Ernte erst einmal warten könne, denn jetzt sei die Zeit zu feiern.
    Als er in der Nacht seiner Frau die Zärtlichkeit beweisen wollte, die er für sie empfand, machte er eine verstörende Entdeckung. Bisher waren ihre verzauberten Nächte immer ein viel zu schnell vergehender, rosiger Traum gewesen, doch nun wollte einfach keine rechte Lust mehr aufkommen. Das Ungezügelte und Leidenschaftliche an seiner Frau, das ihn immer wieder zu Höchstleistungen verführt hatte, es schien dahin. Flach wie eine Tote lag sie da, während er sich aufs Beste bemühte. Bald schon gab er es auf und fragte sie erneut, ob etwas nicht stimmte. Sie sagte ihm, dass sie sich beim Graben wohl etwas verhoben hätte und ihr Rücken und der ganze Kopf schmerze. Beruhigend entschuldigte er sich bei ihr für seine Ungeduld und behelligte sie nicht weiter.
    Er stellte die Tagelöhner wieder ein und die Arbeit half ihm sich abzulenken. Leider wurde es nicht besser, eher im Gegenteil. Immer öfter bekam Framira heftige Weinanfälle und war lange nicht zu trösten, doch immer schob sie es auf etwas anderes; die Familien, die sich von ihnen abgewandt hatten, die Sorge um die Ernte, wenn schlechtes Wetter drohe, die freche Art, die dieser oder jener Helfer an den Tag lege und so fort. Woldan begann sich ernsthafte Sorgen um sie zu machen. Er wurde launisch, ließ seinen Frust oft ungerechtfertigt an den Arbeitern aus. Schon bald wurde es schwierig jemanden zu finden, der bereit war für sie zu arbeiten.
    Dann wurde es offensichtlich, dass sie bald zu dritt in dem kleinen Haus leben würden, und Woldan war nicht weniger erfreut als erleichtert, hatte er doch nun endlich die Erklärung für Framiras seltsames Verhalten.
    Die Zeit von Framiras Niederkunft kam heran, und Woldan ließ eine Hebamme kommen. Es war ein altes Weib, das ständig auf einer dicken Wurzel kaute und hin und wieder einen dunklen Strahl Saft ausspie, doch aufs Gebären sollte sie sich verstehen wie keine Andere. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie noch dem alten Glauben anhing, aber Woldan wollte ja auch nicht mit ihr beten.
    Die ganze Nacht über hörte er Framiras Jammern und Schreien aus der Bettkammer über sich, sowie das herrische aber sachkundige Reden der Alten. Dann ein langer, spitzer Schrei. Dies war das Letzte, das er jemals von seiner Frau zu hören bekam.
    Entsetzt rief ihm die Alte zu kommen. Er rannte die Stiege hinauf in die Kammer und spürte, wie etwas in ihm qualvoll starb. Die Alte erzählte ihm irgendetwas von wegen keine gute Zeit zum Kinderbekommen, doch es kam nichts davon bei ihm an. Er wusste nur, dass er Framira nie wieder lachen hören würde.
    Dann bemerkte er, dass die Hebamme sich ein kleines Bündel schnappte und sich mit ihm davon machen wollte. Das Kind! Sofort verlangte er es zu sehen. Die Alte versicherte ihm, dass es gesund sei, doch es besser wäre für ihn, wenn sie es erst einmal für eine Weile in ihre Obhut nähme. Doch davon wollte er nichts wissen, entrang ihr das Bündel und wickelte es vorsichtig auf.
    Er dachte, dass ihn nun nichts mehr erschüttern könne. Er hatte sich getäuscht.
    Wutentbrannt wollte er dieses schreckliche Kind, das seine Frau getötet hatte, auf den Boden schleudern, doch der Alten gelang es ihn zu überzeugen, dass es besser sei dem Wald zu geben, was dem Wald gehöre. Schluchzend und gebrochen willigte er schließlich ein, die Hebamme machte sich mit dem Balg davon, und ausgebrannt und leer ergab er sich seinem Elend.
    Die Farm begann zu zerfallen. Halbherzig bemühte er sich um einen Käufer, doch er fand keinen. Bettelarm und hungrig klopfte er schließlich an das Tor der Heiligen Brüder vom Lichte des neuen Morgen. Die Mönche nahmen ihn bereitwillig bei sich auf, wie sie es als ihre Pflicht verstanden, und sein Leben geriet in neue, wohlgeordnete Bahnen. Er suchte Vergessen und fand es im Glauben. Der Abt war begeistert von seiner dienstbereiten Frömmigkeit und schlug ihm vor, sich um die Ordinierung zum geweihten Priester zu bemühen. Bald verließ er das Kloster und bewarb sich um ein theologisches Studium an der Reichskirche. Er bestand die Gewissensprüfung mit Auszeichnung, erhielt seine Weihe und wurde zum Studium der Inneren Mysterien der Reichsreligion zugelassen. Als jüngster Kandidat aller Zeiten machte er seinen Magister primus und durfte sich Inquisitor nennen.
    Und schließlich, nach langen Jahren des Dienens, wagte er eine Anfrage an seinen Oberen einzureichen, betreffend der Umtriebe gottloser Kreaturen in einem ganz bestimmten Wald. Der Kardinal selbst gewährte ihm die Erlaubnis zu einem generellen Exorzismus.
    Nun hatte er endlich sein Ziel erreicht.
    Endlich würde geschehen, was zu geschehen bestimmt war!
    Für Framira!
    Für die Gerechtigkeit!
    FÜR DIE RACHE!
    (Und Dein Wille geschehe, oh Herr.)


    Entsetzt prallte Nosdor zurück. Verwirrt versuchte er in seinem Kopf zu ordnen, was er soeben erfahren hatte, doch es wollte ihm nicht gelingen. Zu überwältigend, zu emotional waren die fremden Erfahrungen, welche er soeben gewonnen hatte, ohne sie zu begehren.
    Der Brüter öffnete mit flatternden Lidern die Augen und blickte zunächst orientierungslos um sich, dann schien sich das Bild in seinem Kopf zu klären. Mit undeutbarem Blick schaute er auf den Faun vor sich.
    “So bist du also alles, was von ihr noch verbleibt”, sagte er dann, und seine Stimme schien zu beben. “Du, dessen Leben einst in meinen Händen lag, so wie das meine nun in deinen liegt …”
    Nosdor schreckte vor ihm zurück, als der Mann sich die kleine Kerze griff und sie dicht an ihn heranbrachte. Angestrengt besah sich der sonderbare Brüter Nosdors Gestalt, sein Gesicht. Er blinzelte kurzsichtig, dann entrang sich ihm ein Keuchen. “Heiliger Vater im Himmel, du hast ihre Augen!”
    Nosdor vergrößerte den Abstand zu dem entsetzlichen Kerl mit dem blutigen Rücken und der plötzlichen, furchtbaren Ausdünstung von Rachsucht und Schuldbewusstsein. Er wünschte sich, dass dieser wieder anfangen würde flammende Worte zu sprechen. Das wäre einfacher zu ertragen …
    Der Brüter breitete flehend die Arme aus und senkte demütig den Kopf. “Ich bitte dich nur um eines, ehe du mich umbringst: Um ihrer, deiner Mutter willen, erlaube mir nur einmal, dich Sohn nennen zu dürfen …”
    Die Grenze war erreicht. Schreiend warf sich Nosdor herum und rannte, was seine Hufe auf dem glatten Stein hergaben. Fort von diesem Wahnsinnigen, der sich im Dunkeln selbst blutig peitschte und den die Erfahrung, die er soeben gemacht hatte, wohl vollends um den Verstand gebracht hatte. Durch die halboffene Pforte hetzte er, vorüber an den Hunden, die verschlafen die Köpfe hoben, heraus aus dem Rund der Steinhaufen und über die Felder, dem Wald entgegen.


    Der Grüne Mann hatte sich erschöpft zu Boden gesetzt und bemühte sich, vor den Seinen nicht das Bild verzweifelter Hoffnungslosigkeit zu erwecken. Die ganze Nacht hindurch hatte er die Verletzten geheilt, den Jammernden tröstende Hoffnung zugesprochen. Nun brauchte selbst er einmal eine Pause, und das wollte etwas heißen!
    Langsam, sehr langsam wurde sein Lächeln tiefer und selbstbewusster. Hier und da wurde es beantwortet, wenn es auch oft schief geriet.
    Der Grüne Mann lächelte noch immer, als sich Nosdor wortlos neben ihn setzte. Lange saßen sie so nebeneinander ohne sich anzusehen, und geduldig wartete der Älteste darauf, dass der Junge bereit sein würde zu sprechen.
    “Du hast gewusst, dass ich ihn nicht töten würde, habe ich recht?”, brachte der Faun schließlich leise hervor.
    Das Lächeln des Grünen Mannes änderte sich nicht, als er antwortete: “Sonst hätte ich dich niemals gehen lassen.”
    “Aber warum?”, stieß Nosdor aus und schaute dem Ältesten ins Gesicht. “Ich habe ihn wirklich abgrundtief gehasst, als er vor mir stand, aber dann … konnte ich es einfach nicht …”
    “Sicher, du hast ihn solange gehasst, bis du durch einen Riss in seinem Panzer etwas erblicktest, das festgenagelt und gequält war.”
    Nachdenklich starrte Nosdor eine Weile vor sich hin. “Wird dies auch mein Schicksal werden, dass die Erinnerung Meisterin meines Tuns wird?”
    “Das Stille Volk schaut nicht zurück, und nur selten nach vorn.”
    “Wenn ich denn wirklich dazu gehöre … dieser Brüter, er lehrte mich, dass die Erinnerung uns zu dem macht was wir sind.”
    “Und erlag demselben großen Irrtum, in dessen Klauen sie sich alle befinden: Die Erinnerung ist die dunkle Schwester des Denkens, die Fallenstellerin, die sie nicht erkennen und die sie alle zu sich in die schwarze Grube zieht. Vielleicht erwachen sie eines Morgens mit rasendem Herzen auf einem verschwitzten Lager, weil sie im Schlaf die Ketten bemerkten, die sie sich in all den Jahren selbst anlegten. Und vielleicht fallen sie dann voller Verzweiflung auf die Knie und werden darum betteln vergessen zu dürfen, doch für die Meisten wird es zu spät sein.”
    “Ich frage dich nochmals: Ist es dies, was auch mich erwartet?”
    Lächelnd wandte der Grüne Mann ihm das Gesicht zu. “Warten wir doch einfach ab, und lassen uns überraschen.”
    Wieder starrte Nosdor lange vor sich hin, dann fragte er: “Und was wird nun aus uns? Was sollen wir tun?”
    Er bekam die Antwort, die er befürchtet hatte; die sein Herz erbeben und seinen Mut sinken ließ in ihrer hoffnungslosen Ausweglosigkeit:
    “Natürlich das, was dem Stillen Volk am Ende immer zu tun bleibt: irgendwo hingehen…”

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Hey du,

    also, ich muss sagen, ich bin zutiefst beeindruckt. Wenn du noch einmal behauptest, du hättest Angst, dich hier mit deinen Texten zu blamieren, dann gibt`s einen Satz heiße Ohren :)

    Insofern gibt es meiner Meinung nach nicht sehr viel zu beanstanden. Eigentlich ist es fast nicht der Rede wert, aber ich sag dir trotzdem, was mir so aufgefallen ist:

    Spoiler anzeigen

    Nosdor wusste natürlich dass seine Freundschaft zu ihm größtenteils auf der Hoffnung gründete, dass etwas von Nosdors Beute auch für ihn abfiele. Was sollte man auch machen, wenn man mit einem Gesicht geboren war das nur eine Mutter lieben konnte? Doch für einen Schrat war Gromb ein feiner Kerl.


    Ich habe diesen Vergleich am Anfang überhaupt nicht verstanden, weshalb ich mir diese Textstelle notiert habe.Ich dachte natürlich: Was soll denn bitteschön das Gesicht mit der Jagd zu tun haben? Sprich: Welchen Vorteil sollte es jemandem verschaffen, Beute zu machen, nur, weil man vielleicht gut aussieht...erst im Nachhinein kapiert man das Ganze dann. Die erfolgreiche Jagd besteht in diesem Fall scheinbar in dem Liebesspiel...Im Nachhinein hat man also einen Aha-Effekt, wenn man das liest. Beim ersten Lesen ist man allerdings irritiert.

    Ich finde übrigens, dass du super Vergleiche einbaust. (nur so als Beispiel)

    die den Wald und seine lebensfrohen Bewohner mieden wie einen stinkenden Sumpf voller Mücken...

    Ich finde, das macht richtig spaß zu lesen, lockert den Text auf und wirkt unterhaltsam.

    Die Worte verklangen, dann kam der zweite Glockenschlag.
    Nosdor strauchelte, als der Klang erneut in seinen Kopf drang und von dort aus durch seinen ganzen Körper zitterte. Zum Glück war Nipta leicht wie ein Blatt ihres Mutterbaumes, er gelangte wieder auf sichere Hufe, rannte weiter. Erneut klangen die Worte auf, die wie Zungen aus glosendem Feuer waren.

    verklangen-Klang-klangen....kann man vielleicht etwas variieren...

    Nosdor bedauerte es, seine Flöte nicht bei sich zu haben, also summte er den beiden seine Guter-Freund -Melodie einfach vor. Die Tiere lauschten stumm und überrascht, als er ihnen von sanftem Wind auf grünen Hügeln pfiff, von grandiosen Sonnenuntergängen über einem tiefen, ruhigen See und von Tautropfen, welche im Sonnenlicht wie Diamanten funkelten. Die erhobenen Ruten senkten sich, ein Tier begann ausgiebig zu gähnen. Nosdor sang von sanftem Schmetterlingsflügelschlag und dem blitzenden Schalk in lachenden Augen. Die Wolfartigen legten sich nieder, jagten ihre Traumhasen über endlos saftige Traumwiesen u...

    Dieser Abschnitt mit der "Guter-Freund-Medlodie" hat mir sehr gut gefallen...(neben diversen anderen Szenen)

    dass ihre Gesichter bereits am Verblassen waren; dass sie ihm im Grunde bedeutungslos gewesen waren,

    das klingt für mich irgendwie sehr umgangssprachlich. ich glaube, ich würde eher schreiben: "dass ihre Gesichter bereits verblassten" oder "dass ihre Gesichter bereits begannen zu verblassen".

    irgendwo hast du geschrieben "gegenüber zu stehen". Das schreibt man meiner Meinung nach zusammen. ich finde die Stelle jetzt leider nicht mehr.

    Also, gerne mehr davon!

    Viele Grüße,
    Rainbow

  • Hallo Rainbow!

    Vielen lieben Dank für Deinen Kommentar und die Mühe, die Du Dir mit meinem Geschreibsel machtest :) .
    Dieses dicke Lob muss ich erstmal verdauen ... damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet (geht aber runter wie Öl :D ).
    Freut mich sehr, dass es Dir gefallen hat.
    Und vielen Dank für die Hinweise, die sind mir noch viel wertvoller. Die KLANG-Kakophonie war mir überhaupt nicht aufgefallen, oh ja, da muss wirklich was geschehen.

    Und nochmals: Danke für die lieben Worte, das motiviert wirklich ungemein!

    Liebe Grüße
    Formorian

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Also... Also... Also ... ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll, @Formorian.

    Vielleicht so: Ich hab ja schon eine Menge schöner Geschichten hier im Forum gelesen, aber die hier toppt alles, weil ich hier einfach alles finde, was mit gefällt. Ich kann nicht so tolle Kritiken schreiben wie Rainbow, deshalb nur eines: Hat mich voll gefesselt und hineingezogen, und ich muss jetzt erstmal schauen, wo ich abbiegen muss, um wieder in die Wirklichkeit zurückzukommen.

    VG Tariq
    :super:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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