Xin - I (vorläufiger Titel)

Es gibt 36 Antworten in diesem Thema, welches 3.940 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (4. Oktober 2017 um 12:14) ist von Miri.

  • Von Teufeln und Dämonen

    Etwas, was man unbedingt kennen sollte, wenn man sich in meinen Kreisen bewegt, ist der Unterschied zwischen Teufeln und Dämonen.

    Teufel leben in einer anderen Welt, Realität oder Dimension, der Unterschied ist wirklich nur akademisch.
    Die Menschen nennen diese Welt Hölle, warum sollte eigentlich keiner Erklärung bedürfen. Wie die Welt genau aussieht, ob es ein Feuermeer ist, oder eine Einöde ist, die an den startrekschen Planeten Vulcan erinnert, oder ob es gar der Garten Eden ist, ich weiß es nicht. Eines Tages bekomme ich die Welt vielleicht einmal zu Gesicht, die Frage ist nicht nur ob ich dann ein Auge für die Umgebung haben werde. Die Frage ist, ob ich dann überhaupt noch Augen haben werde, aber stellen wir das mal hintenan.
    Teufel gibt es weitaus mehr, als man gemeinhin annimmt, aber wohl nicht mehr als Hunderttausend, vielleicht auch etwas mehr, aber ganz sicher gehen sie nicht in die Millionen. Das bedeutet, dass mit der Zeit, in den entsprechenden Kreisen, die Meisten ziemlich gut bekannt sind.
    Man nimmt an, das Asmodeus derzeit der Herrscher der Hölle ist, aber auch Baal oder Beelzebub werfen in dieser Hinsicht ihren Namen in den Hut. Luzifer, der gefallene Engel des Christengottes ist übrigens eine ganz andere Baustelle, das nur einmal anbei erwähnt, um spätere peinliche Verwirrungen zu vermeiden.
    Die Menschen beherrschen schon seit tausenden von Jahren die Formeln und Kenntnisse um Teufel zu beschwören. Natürlich wagt sich niemand an die ganz großen Namen, zumindest niemand, der davon berichten würde. Aber auch so ein niederer Teufel hat mehr als genug Wissen und Fähigkeiten, die meisten Wünsche seiner Beschwörer zu erfüllen.
    Hier aber nun der Knackpunkt. Man kann einen Teufel sehr wohl herbei zitieren, aber es gibt keine Formel ihn dann zu zwingen zu tun, was man von ihm will. Aber wenn man ihn einigermaßen respektvoll behandelt, ihm Opfer bringt, um seinen Bart genug Honig schmiert, seinen Bauch hinreichend pinselt, kann man ihn zu Pakten überreden. Männliche Teufel sind nämlich recht umgängliche Gesellen, selten impulsiv und meistens ganz nett anzusehen, sofern man auf Hörner und Ziegenaugen steht, natürlich nur. Teufelinnen sind ein ganz anderes Kaliber und selbst ein Irrer würde sie nur durch einen Unfall beschwören.
    Mit männlichen Teufeln sind Pakte recht schnell geschlossen und zu Beginn oft lächerlich günstig für den Beschwörer. Doch an der Macht der Beschwörung hängt eben der Fluch der Macht. Es ist nicht einfach nur ein Spruch, dass Macht korrumpiert. Und was Korrumpierung betrifft, sind die Teufel unerreichte Meister. Bis auf ein paar sehr wenige Ausnahmen, in der Regel selbst unglaublich intrigante Beschwörer oder echte Heilige, schafft ein Pakt jeden sterblichen Menschen immer über kurz oder lang. Diese Seelen enden dann nach dem Tod als Sklaven in der Hölle. Ich habe gehört, dass manche dort tatsächlich im Glauben gelassen werden, in einem Paradies gelandet zu sein.
    Tja, Teufel lügen angeblich nicht, aber dennoch ist jedes Wort Teil eines Betrugs. Sie können gar nicht anders, so zumindest die gängige Meinung, weswegen es selbst unter den gemäßigten Beschwörern als moralisch nicht verwerflich gilt, einen Teufel, wo man kann, zu hintergehen. Ich persönlich halte das für vielleicht die größte Dummheit überhaupt. Wenn man seinem Gegenüber schon aus Prinzip keine Chance auf einen ehrlichen Handel einräumt, wie kann da jemals etwas anderes als Unglück herauskommen?
    Aber das ist meine Meinung, die in Beschwörerkreisen nicht gerade sehr gefragt ist, ein weiterer Hinweis, geschrieben in fetten Lettern, wie beschränkt diese ach so gelehrten Mächtigen in Wirklichkeit sind.


    Die Dämonen leben, wie die Teufel, in ihrer eigenen Dimension. Die Menschen nennen sie Abyss, unglaublich einfallslos, aber mich fragt ja keiner.
    Dämonen gibt es ungleich viel mehr, als von den Teufeln. Auch nur einen Bruchteil von ihnen zu kennen, ist für Menschen kaum möglich, weswegen sie, anders als bei Teufeln nicht so sehr von Individuen ausgehen, sondern sie eher klassifizieren. Ein ziemlich schlauer Gelehrter hat mir mal seine These verraten, dass es für jeden Menschen, der geboren wird, auch einen Dämonen gibt. Das wäre ja wirklich ein echter Zufall, wenn das nur ein Zufall wäre. Tatsächlich sterben Dämonen nicht so leicht wie Menschen, also gibt es derzeit schon weitaus mehr Dämonen als Menschen, was bei dem überbevölkerten Menschenplaneten schon etwas heißen will. Die pure Masse an Dämonen muss überwältigend für den menschlichen Geist sein. Zwar kennen sie wohl einzelne Dämonen, haben sie sogar katalogisiert, aber das hält sie nicht davon ab, sie als Massenware zu sehen.
    Genauso gehen sie mit den Dämonen auch bei der Beschwörung um. Nur wenige werden wirklich ernst genommen. Natürlich ist der Umgang mit beschworenen Dämonen auch nicht gerade einfach. Im Gegensatz zu der üblichen Meinung sind es sehr wohl Individuen, Künstler mit einem ausgeprägten Hang zur Performance Art. Da diese Performance Art oft durch Blut, Gedärme und die chaotisch kreative Zerstörung der näheren Umgebung ihre höchste Erfüllung findet, gelten Dämonen gemeinhin als primitive Overkiller. Zu versuchen von ihnen Wissen erhalten, ist in der Regel bestenfalls ermüdend. Mal im Ernst: Wenn man mit einem Vollblutkünstler redet, wie viel vom dem, was er an tiefsinniger Erkenntnis von sich gibt, kapiert ein Normalsterblicher?
    Man sollte also meinen, jeder geistig gesunde Beschwörer lässt die Finger von Dämonenbeschwörung. Ein kleiner Fehler und man endet als neustes Kunstwerk des chaotischen Besuchers aus der Tiefe. Doch anders als bei den Teufeln, haben die Menschen bei einem Dämonen standardisierte Methoden ihn zu binden, seinen Willen mit Folterzauber zu bezwingen und sich selbst durch wirkungsvolle Schutzzauber vor der Wut ihres Sklaven zu bewahren. Da man eher selten einen Dämonen ruft, um einen Blumengruß zu überbringen, sondern um gnadenlos sein Ziel zu vernichten, wurden über die Jahrtausende meist die gewalttätigsten und nicht allzu sturen Exemplare weitergegeben.
    Die Beschwörung eines Dämons gilt zwar durchaus als riskante Sache, aber weitaus beherrschbarer, als der Pakt mit einem Teufel, zumindest auf lange Sicht. Wenn man nie zweimal denselben Dämonen ruft, oder lange Pausen dazwischen einlegt, ist die Chance groß, dass der entsprechende Dämon die Sache vergessen, oder sich an einem anderen Kunstobjekt abreagiert hat. Lange Planungen liegt nicht in ihrem Wesen, so jedenfalls die übliche Ansicht und die Praxis bestätigt diese.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Die Dämonin im Beschwörerkreis

    Nachdem nun die Voraussetzungen klar sind, kommen wir zu mir. Ich befinde mich hier gerade in einer verzwickten Lage.
    Nackt wie ich geboren wurde, sitze ich auf einem fugenlos glatten Steinboden. Selbst wenn ich nicht magische Barrieren sehen könnte, wie Menschen Glaswände, manche besser, manche schlechter, würde ich nicht im Traum daran denken die plamablaue knisternde Barriere zu berühren, die mich nur einen halben Meter um mich herum in einer Halbkugel einschließt. Für einen Moment überlege ich, ob ich versuchen soll den Boden aufzureißen, aber wenn ich mir die beiden sauberen Bannkreise, den makellosen Beschwörerkreis und den Schutzkreis des Magiers anschaue, in dem sich jener doppelt gesichert aufhält, gehe ich davon aus, das die Kuppel sich auch im Boden zu einer kompletten Kugel ergänzt. Der Magier hat nicht nur das Beschwörer-Handbuch sorgsam gelesen, vermutlich hat er selbst eine Pro-Version davon verfasst.
    Ich spüre die Zauberfesseln, die bereit sind, mich an einen Auftrag zu binden, fühle die noch nicht aktiven Runen für die Zwingzauber, die meinen geistige Handlungsfreiheit in naher Zukunft auf brutale Weise einschränken werden.
    Verzwickte Lage, kommt der Wahrheit nicht nahe genug, nicht einmal annähernd. Dampfender Kackeauflauf! Und ja, es ist ja nicht schwer zu erraten, ich bin eine Dämonin.
    Wie fast alle meiner Art kann ich meine Form in der Menschenwelt in einem gewissen Rahmen ändern. Viele bevorzugen zum Beispiel, sich als violetter Nebel mit glühenden Augen zu zeigen, eine reine Instinkthandlung, da Menschen sich vor Augen in wabernder Beinahedunkelheit scheinbar unterbewusst in die Hosen machen. Erstens ist das nicht mein Stil, zweitens würde das diesen abgebrühten Magier ohnehin nicht im Mindesten beeindrucken. Also bleibe ich ruhig hin gekauert, die einzige Haltung die mich nicht mit der Barriere in Berührung bringt.

    »Sehr schön. Was man über Dich schreibt, ist also wahr.«
    Der Magier ist männlich, seine Stimme klingt sogar angenehm, weder überheblich noch selbstgefällig, eher interessiert. Ebenfalls interessiert schaue ich auf. Sein Gesicht ist tief in der Kapuze seiner Robe verborgen und auch sein sonstiger Körper wird von der Kutte unförmig gemacht. Seine Haltung erscheint mir aufrecht diszipliniert, aber nicht mehr voller Spannkraft. Er ist also etwas älter – wenigstens ein Hinweis.
    »Du schweigst?« Ich fühle sein Schmunzeln aber auch seine Achtung. »Die anderen Beschwörer hatten wohl gar keine Ahnung, wen sie sich da ins Haus geholt hatten. Wie viele von ihnen hast Du bezahlen lassen, als sie längst keinen Gedanken mehr an dich verschwendeten?«
    Viele, fast alle. Ich grinse. Aber ich schweige immer noch. Allerdings beginnt mir die Sache Spaß zu machen.
    »Schön. Ich sehe wir verstehen uns. Vielleicht kommen wir zu einer Einigung, die nicht in Feindschaft enden muss. Natürlich habe ich die Mittel meinen Willen durchzusetzen, und ich werde es auch tun, wenn es nötig wird. Aber mir wäre eine Partnerschaft weitaus lieber.«
    Beinahe verliere ich die Fassung und schüttle ungläubig den Kopf. Das widerspricht so sehr jeder Tradition, dass meine chaotische Seele schon einverstanden ist, bevor mein Kopf auch nur dazu kommt, anzufangen, das zu analysieren. Aber so ist das nun mal. Man bildet sich allgemein viel auf die eigene Rationalität ein, jedoch werden die allermeisten Entscheidungen gar nicht vom Verstand getroffen, auch wenn wir uns das einreden. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir in der Regel sofort, was wir tun wollen und was nicht, was nett oder fies, was angebracht oder daneben ist.
    Natürlich haben wir Dämonen da einen etwas anderen Katalog als die Menschen, was an der Sache nichts ändert. »Ein Pakt? Zwischen Mensch und Dämon?«, frage ich daher mit ungläubigem aber auch begeistertem Unterton.
    Erfreut streift der Magier seine Kapuze ab, ein Zeichen von Respekt und Vertrauen. Ich mag den alten Kerl gleich noch mehr, denn das ist er, alt. Verwittert sind seine Gesichtszüge und seine hohe Stirn erreicht beinahe den Nacken. Ein fast lustig anzusehender Kranz von weißem Haar wirkt wie eine flaumige Krone und verleiht dem alten Magier dennoch eine Art Adel, die auch von seiner Haltung und dem schon verwirrend aufrechten Gesichtsausdruck verstärkt. Ich habe in meiner Existenz schon viele Beschwörer getroffen (manche sogar ziemlich hart, haha), aber noch nie habe ich so die Abwesenheit von Machtstreben bei gleichzeitiger sich selbst bewusster Autorität erlebt.
    »Warum nicht? Wenngleich mir der Ausdruck Pakt nicht behagt. Viel zu negativ besetzt. Ich würde es Partnerschaft auf Augenhöhe mit gegenseitiger Achtung nennen.«
    Ha! Der Typ ist noch verrückter als ich. Regeln scheint er ebenso gerne zur Seite zu schieben, wie ich.
    »Sicher,« erwidere ich also erfreut. »Lass uns die Rahmenbedingungen festlegen.«
    Bevor er dazu kommt etwas zu sagen, geht eine Erschütterung durch den Raum, die ihren Ursprung in der Magie hat, aber so gewaltig ist, dass sie sogar die physikalische Kontinuität des Gebäudes beschädigt. Teufelswerk, das kann ich sofort und ohne jeden Zweifel riechen.

    »Diese Narren! Sie haben es wirklich getan, und weit früher als ich befürchtet habe!« Ohne eine weitere Erklärung stürzt er aus dem Raum und lässt mich ziemlich dumm aus der Wäsche schauend zurück.
    Eine weitere Erschütterung. Diesmal bebt das Haus wirklich. Etwas Gewaltiges muss es getroffen haben, eine Boden-Boden-Rakete, oder das magische Äquivalent. Und ich sitze hier in diesem verdammt perfekten Bannkreis fest. Wenn ich etwas noch mehr hasse, als gegen meinen Willen herbeizitiert zu werden, dann ist es zur Passivität verdammt zu sein.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (10. September 2017 um 22:23)

  • Hey Tom, mir gefallen die beiden Abschnitte richtig gut. Ordentlich geschrieben, angenehmer Stil, auf eine ruhige Art spannend... :thumbup:

    Eine fast unbedeutende Sache ist mir aufgefallen:

    Man kann einen Teufel sehr wohl herbei zitieren,

    als gegen meinen Willen herbeizitiert zu werden

    Ich glaube, dass "herbeizitieren" bzw. "herbeizitiert" richtig ist.

    Ich bin gespannt, wie es weitergeht!

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • ob es ein Feuermeer ist, oder eine Einöde ist, die an den startrekschen Planeten Vulcan erinnert, oder ob es gar der Garten Eden ist, ich weiß es nicht.

    lustige Assoziation :hmm:
    Allgemeinhin steht der Garten Eden ja eigentlich für das Paradies.
    Wie kamst du auf den Gedanken?

    plamablaue knisternde Barriere

    plasmablau?

    Gefällt mir ^^
    Ein Mischung aus Bartimäus und Rachel Morgan und Tom :D
    Jedenfalls bin ich auch gespannt, wie die Dämonin jetzt aus dem Kreis kommt ... oder auch nicht ^^°
    Und was da vor sich geht ...

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Danke für die Reaktionen

    Denke auch, herbeizitieren als ein Wort ist richtiger.

    Habe beim Durchlesen noch den einen oder anderen Fehler gefunden ^^, werde sie bei Gelegenheit "heraus"arbeiten.

    Bin mal gespannt, wie der weitere Verlauf der Geschichte wird. Echt mal wieder lustig Kapitel um Kapitel zu schreiben, ohne zuvor einen kompletten Plot zu erstellen. Anders gesagt: Ich weiß auch nicht viel mehr, was kommt, als ihr ... 8)

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (4. September 2017 um 12:53)

  • Gedanken einer Dämonin

    Mein zukünftiger menschlicher Partner scheint eine Menge über mich zu wissen, was an sich schon sehr erstaunlich ist. Ich bin nämlich nicht gerade der Favorit unter den Dämonen, die man ruft. Das mag daran liegen, dass meine Performance Art sich in einigen Punkten von der Masse abhebt. So empfinde ich subtiles Vorgehen weit befriedigender, und auch in der Wahl meiner Zielobjekte und den Orten bin ich weitaus wählerischer. Selbst wenn die moralischen Werte von Menschen und Dämonen sich nicht überall decken, sinnlose Vernichtung, ganz egal ob von Leben oder Objekten empfinde ich als Schande. Meiner Wut freien Lauf zu lassen, sobald sich die Möglichkeit gibt, halte ich ebenfalls für einen beschämenden Mangel an Selbstbeherrschung.
    Meine Beschwörer finden es daher als höchst mühsam mich als gnadenlose Waffe der blinden Zerstörung einzusetzen. Da haben sie es mit vielen meiner Artgenossen weitaus leichter. Hinzu kommt mein langes Gedächtnis, man könnte auch sagen, dass ich extrem nachtragend bin. So lasse ich meinen aktuellen Beschwörer meist ungeschoren, nutze aber jeden Freiraum, mich an den vorhergehenden zu rächen. Wann immer ich kann, hinterlasse ich dabei irreführende Spuren und vernichte dabei alles, was an Aufzeichnungen über mich gibt. Das ist irgendwann wohl aufgefallen. Unerwartet verstorbene Spitzenbeschwörer und nur die verbrannten Überreste der Informationen über eine einzige Dämonin haben die Beschwörerzunft aufmerken lassen.
    Da die meisten lieber das Gegenstück einer taktischen Nuklear-Rakete wollen, ich mich aber lieber als komplexes Computerprogramm ansehe, wurde ich in den letzten Jahren nur noch selten behelligt. Die meisten Dämonologen haben schlicht keine Vorstellung davon, wozu ich wirklich in der Lage bin.
    Mal ehrlich! Wer hat wohl mehr drauf, derjenige, der eine Hauptstadt des Feindes auslöschen kann, oder derjenige, der die Wahl so manipulieren kann, dass der gewünschte Kandidat an die Spitze des Staates kommt?
    Mein derzeitiger Beschwörer erkennt wohl mein Potential und schätzt zudem den intelligenten Austausch von Persönlichkeiten. Warum er sich nicht mit den Teufeln einlässt, kann ich nur mutmaßen, aber auf jeden Fall denkt er in die richtige Richtung. Ich glaube wirklich, ich mag ihn, doch erst einmal abwarten. Menschen sind genauso hinterhältig wie Teufel. Eine ehrliche Dämonin muss sich da sehr in Acht nehmen.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (4. September 2017 um 13:05)

  • Echt mal wieder lustig Kapitel um Kapitel zu schreiben, ohne zuvor einen kompletten Plot zu erstellen.

    ... ich mach das dauernd so ^^°
    Bloß schreibe ich mich dabei immer in Sackgassen -.-
    Ich hoffe, bei dir bleibt das aus :D

    Eine ehrliche Dämonin muss sich da sehr in Acht nehmen.

    höhö

    Gefällt mir ^^
    Ein toller Einschub, der mehr über den Charakter erzählt.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Der Lehrling und die Dämonin

    Die Erschütterungen lassen nach, doch ich höre vereinzelt Kampfgeräusche. Sie scheinen von Stockwerken über mir zu kommen. Natürlich ist der Beschwörungskreis weit unten im Boden. Das schützt ihn vor Entdeckung, denn immerhin steht die Beschwörung von Teufeln oder Dämonen in der Welt der Menschen unter Todesstrafe. Die Magical Intervention Brigade versteht da keinen Spaß. Überhaupt haben die MIBs einen echten Hass auf Beschwörer, da sie oft genug die Nebenwirkungen, nicht sauber ausgeführter Beschwörungen, beseitigen müssen. Wenn die Folterfesseln nicht eng genug sind, hinterlassen viele meiner Artgenossen eine Schneise der Zerstörung auf dem Weg zu ihrem Ziel. Sie machen sich einfach nicht die Mühe herauszubekommen, dass sie damit dem Beschwörer in der Regel nicht mehr als ein Achselzucken abringen. Sie verstehen nicht, dass die Menschen in mancher Hinsicht weitaus gewissenloser und grausamer sind, als man es uns zuschreibt. Und die Männer mit den schwarzen Panzermonturen, den schwarzen Visieren und den gegelten Haaren lassen sie natürlich auch nicht ungeschoren, obwohl die eigentlich ihre natürlichen Verbündeten sein müssten. Kein Wunder, dass die Jungs in Schwarz keinen Humor haben, von dem sie wüssten.

    Für einen Moment ebbt der Lärm ab und ich habe schon die Hoffnung, dass ich nun in Ruhe meinen Handel mit dem Magier abschließen und endlich aus dem verdammten Bannkreis herauskann. Selbstbeherrschung hin, Disziplin her, aber so langsam packt mich die Klaustrophobie. Wenn nichts passiert, könnte ich hier locker bis zum Ende meiner Existenz sitzen müssen, ganz und gar keine erbauliche Vorstellung.
    Eine gewaltige Explosion erschüttert Wände und Decke und es bilden sich erste Risse. Leider fällt nichts herunter, was die perfekten Bannkreise beschmutzt oder gar beschädigt. Ich will gerade einen unfeinen Fluch loswerden, als ein junger Mensch in den Raum stürzt, und das meine ich wörtlich. Er rutscht noch etwas vom Schwung getragen auf dem Bauch über den spiegelglatten Boden, stöhnt verbissen auf und dreht sich auf die Seite. Seine Finger krümmen sich, als er ein Wort der Macht ausspricht und mit der passende Geste das schwere Eisentor zuwirft, was mir noch gar nicht aufgefallen war, weil es aus dem Raum hinaus geöffnet war. Angesichts der Masse des Tores eine wirklich eindrucksvolle Aktion, um so mehr, als dass die Geste fast lässig und das Wort ohne Zittern ausgeführt wird. Von dem Alten hätte ich das erwartet, aber von dem jungen Menschen hier? Und der Knabe hat noch nicht mal die Attitüde stolz auf sein Werk zu blicken und etwas Markiges wie »Kommt da erst mal rein, ihr Teufelsbrut!«, zu rufen.
    »Oh, hallo?« Weizenblondes Haar über zwei verdutzten blauen Augen und eine geschwollene Nase drehen sich in meine Richtung.
    »Hallo.«, erwidere ich wortgewaltig.
    Der junge Mann, ich schätze ihn auf vielleicht 18 Menschenjahre, setzt sich auf und mustert mich verwirrt. Eine nackte Frau mit ein paar hübschen Hörnern, einem Schwanz mit Pfeilspitze und zusammengefalteten Schwingen hat er wohl noch nicht oft live und in Farbe gesehen. Als er auch noch den Anstand besitzt vor Verlegenheit rot anzulaufen, streiche ich ihn endgültig von meiner Racheliste.
    Da wird die Tür erschüttert. Schwere Schläge treffen sie, aber sie ist magisch verstärkt, mit jener fehlerlosen, eigentlich liebevoll gründlich zu nennenden Art, wie alles hier im Raum.
    »Ewig wird die Tür nicht halten, junge Mann.« Meine gelben Augen suchen seine sturmblauen.
    Er zuckt nicht einmal zusammen, erwidert den Blick eher fasziniert.
    Mindestens ebenso fasziniert schaue ich zurück. Man trifft ja so selten Menschen mit offensichtlich nicht vorhandenem Selbsterhaltungstrieb.
    »Ja, wirklich Mist. Und kein weiter Ausgang hier. Das war‘s wohl.« Ich schaue mich um und nicke zu der gnadenlos korrekten Einschätzung seiner Lage. »Aber he, ich wusste gar nicht, dass der Meister s
    eine Beschwörungskreise aktiviert hat. Du musst wissen, die sind zum Einfangen von freilaufenden Dämonen und um sie zu bannen.«
    »Aha.« Das erklärte natürlich so Einiges.
    »Sagst Du mir, was Du angestellt hast, damit der Meister Dich zu einer so unpassenden Zeit hat einfangen müssen?«`
    Ich lache: »Das ist jetzt echt Deine wichtigste Sorge?«
    Er grinst ebenfalls und schaut zur Eisentür, die noch eisern (haha) den Angriffen standhält. »Du scheinst keiner dieser herumwütenden Exemplare zu sein. Oder bist du gar eine Teufelin? Ist aber auch egal. Zwar weiß ich nicht ganz genau wie es geht, aber ich würde Dich gerne entlassen oder bannen, bevor diese elenden Kultisten hier rein stürmen. Die haben keine Hemmungen Dich auf ihre nächsten Ziele zu hetzen.«
    »Dämon bitte. Ja, das wäre eine Lösung mit der ich durchaus ohne Groll leben kann.«
    Nun ist er wirklich baff. Seine Erfahrungen mit Teufeln und/oder Dämonen haben ihn wohl gelehrt, dass er nun unter Druck gesetzt werden würde und das Wesen im Bannkreis alles tun würde um ihn zu übertölpeln. Zu meiner Schande gebe ich zu, dass mir für einen winzigen Moment auch so ein Gedanke kam. Man kann eben nicht völlig aus seiner Haut.
    »Keine Drohungen, keine Versprechungen? Bist Du ganz sicher, dass Du ein Dämon bist?«
    Erneut lache ich. »Bis vor Kurzem war ich mir da ganz sicher, aber seit dem Ruf durch Deinen Meister, sind ein paar eherne Grundsätze, von denen ich glaubte, dass sie unverrückbar wären, gewaltig ins Rutschen geraten. Aber ja, ich bin mir sicher zu … äh … 95 Prozent etwa.«
    In seinen Augen blitzt es auf. Er hat sogar Humor! Dieser Nachwuchsmagier mag ja nicht die Weisheit und die Autorität seines Meisters haben, aber sie sind sich ähnlich genug, dass ich einen Entschluss fasse, der, soweit mir bekannt, ziemlich einzigartig in der Dämonenheit ist.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (10. September 2017 um 22:24)

  • Bilaterale Verhandlungen - Mensch vs. Dämon

    Das Eisentor zeigt inzwischen schon beachtliche Verformungen. Es kann nur noch Augenblicke dauern, bis es unter dem Ansturm zusammenbricht.
    »Der Meister hat Dich gerufen? Sehr ungewöhnlich, er ist nämlich ein strikter Verfechter des freien Willens. Er muss wirklich ziemlich verzweifelt gewesen sein. Ok, ich versuche Dich jetzt zu bannen. Wenn Du mitspielst sollte das reibungslos gehen.« Der junge Magier ist ziemlich entschlossen.
    »Und was ist dann. Wenn Dich die da draußen in die Finger bekommen?«
    Sein Gesicht verliert ein wenig an Farbe. »Lustig wird das bestimmt nicht, aber was kümmert Dich das?«
    Ich erhebe mich und stehe geduckt da um die Barriere nicht berühren. Ein knapper Wink des Lehrlings erweitert die Kuppel um das Doppelte in der Höhe, sodass ich bequem aufrecht stehen kann. Nun bin ich mir meiner Sache ganz sicher.
    »Dein Meister und ich waren mitten in Verhandlungen, bilateralen, wenn Du verstehst.«
    Er versteht offenbar nicht.
    »Ich will damit ausdrücken, dass er eine Partnerschaft mit mir angestrebt hat, auf Augenhöhe, gleichberechtigt, ohne Zwang, auf die ehrliche Art, jetzt klar?«
    »Und ihr Dämonen seid an so was interessiert?«
    Ich zucke die Schultern. »Ist Dir eigentlich bewusst, wie viele es von uns gibt und wie wenige ihr von uns herbeiruft, nur um Metzgerarbeiten zu verrichten?«
    Er hebt ratlos die Hände. »Sorry, ich bin kein Beschwörer und mit der Versklavung von Außerweltwesen hab' ich es ohnehin nicht so.«
    Kopfschüttelnd lächle ich wieder. »Dann wird es Dir nicht ganz so schwer fallen, mir zu glauben, dass wir uns im Prinzip handelseinig waren, nur die genauen Bedingungen waren noch unklar. Ich bin bereit dieselben Konditionen mit Dir auszuhandeln.«
    Ratlos schweigt er. Ein furchtbares Knirschen lässt ihn endlich handeln.
    »Lass mich das bitte nicht bereuen, Dämonin.« Geschwind nimmt er die Asche eines Opfertopfs und streut sie mit weitausholenden Bewegungen über die Schutzrunen. Augenblicklich fallen die Zauber und ich bin frei. Im selben Moment birst die Tür und eine ganze Horde abenteuerlich gerüstete Gestalten schwärmt herein, sich klugerweise im Windschatten eines gewaltigen Teufel-Kriegsherrs haltend.
    Ohne einen Moment zu verlieren husche ich zum Lehrling und reiße ihn mit aller Kraft zu Boden. Ich fahre meine Klauen aus und fletsche mein allergrimmigstes Raubtiergebiss.
    »Xinegarauramaux!« Der teuflische Kriegsherr hält die Menschen mit einer knappen Geste zurück.
    Innerlich zucke ich zusammen. Das macht der Vollpfosten doch absichtlich, hier meinen Namen auszusprechen, damit jeder minderbegabte Volltrottel mich beschwören kann.
    »Geelazumedaneus…?«, erwidere ich sanft schnurrend und sehe mit Genugtuung, wie es ihm missfällt, dass ich seinen wahren Namen kenne. Was hat der Idiot denn gedacht, wie ich reagiere? Es ist ja nicht so, als ob wir uns nicht schon ein paar Jahrhunderte kennen. Aber Teufel, obwohl sie es besser wissen sollten, tendieren ebenso zu der absurden Vorstellung, welche die Menschen von uns haben.
    »Was willst Du mit dem Jungen?«
    Ich schnaube. »Wonach sieht es denn aus? Ich küsse ihn und habe dann gleich höllisch (haha) guten Sex mit ihm, natürlich. Hast Du noch mehr so schlaue Fragen, oder kann ich nun ..?«
    Der Teufel grollt, als er meinen sarkastischen Tonfall vernimmt. Ironie oder gar Sarkasmus von anderen vertragen sie nicht gut, halten sie es doch für ihr Vorrecht so mit Worten zu spielen. »Du kannst Ihn nicht fressen. Er gehört uns.«
    Nun lache ich herausfordernd: »Sein Meister hat mich beschworen und dieser Narr hat mich freigelassen. Ich nehme nicht an, dass ihr mir seinen Meister übrig gelassen habt?!«
    Der Blick des Teufels verschließt sich und er schüttelt nur den Kopf. Interessant. Keine Lüge aber auch eine mehrdeutige Geste.
    »Dann gehört der Junge mir. Aber Du kannst ja versuchen ihn mir abzujagen. Was meinst Du, wie viele Deiner Menschen ich zerfetze, bis sie mich bannen können. Zwölf? Zwanzig? Den ganzen verdammten Haufen. Willst Du das alles wegen einem grünen jungen riskieren?«
    Er zögert und seine Menschen weichen unwillkürlich einen Schritt zurück und schließen sich enger zusammen. So ganz trauen sie ihrem Teufel also auch nicht - kluge dumme Menschlein. Natürlich bedeuten ihm Menschenleben wenig bis gar nichts, aber er hat einem Pakt zu gehorchen.
    »Sie kann gehen und ihr Opfer mitnehmen.« Ein von Schatten verhüllter Mann tritt durch das Loch, welches das zerstörte Tor hinterlassen hat. Seine Macht ist spürbar, seine Aura dunkel und sogar mir nötigt sie ein leichtes Gruseln ab. »Geh, kleiner Dämon, bevor ich Dich vernichte.«
    Arroganter Saftsack! Gratuliere. Du bist soeben auf meiner Liste gelandet.
    Ich reiße meine Kiefer auseinander. Meine Schwingen entfalten sich und der erstickte Laut des Jungen klingt wie ein Hilferuf.

    Was keiner sieht, ist der Kuss, den ich dem Lehrling gebe, während ich meine Flügel um ihn schlinge und zusammen mit ihm in meine Welt hinüber wechsele. Diese selbstgefälligen Teufel glauben ja immer noch, nur sie hätten das Patent darauf, die Wahrheit zu sagen und doch alle um sich herum zu täuschen. Ihr Patent ist schon seit ein paar hundert Jahren abgelaufen. Wobei, seit wann störe ich mich an Patenten?
    Womöglich bin ich ja ein chinesischer Dämon?

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (10. September 2017 um 22:24)

  • »Xinegarauramaux!« Der teuflische Kriegsherr hält die Menschen mit einer knappen Geste zurück.
    Innerlich zucke ich zusammen. Das macht der Vollpfosten doch absichtlich, hier meinen Namen auszusprechen, damit jeder minderbegabte Volltrottel mich beschwören kann.

    Jetzt musst du mir nur noch erzählen, wie man das ausspricht. Dann probier ich es heute Abend mal aus.

  • @Sensenbach Also ich würde es so aussprechen "Xine-ga-rau-ra-maux" XD

    Aber ich hab mich auch schon gefragt, ob du (Tom) mangels Kreativität einfach deinen Kopf auf die Tastatur geschlagen hast ... XD

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • @Miri

    Es verletzt mich, dass Du so was auch nur andeu ... ach, wem mache ich was vor?!
    Ich brauchte zwei Namen die echte Zungenbrecher sind und kaum zu erraten, wie man sie ausspricht.
    Französisch klingend für die chaotisch/künstlerischen Dämonen und entfernt Latein klingend für die sich kulturell überlegen wähnenden Teufel fand ich passend.
    Aber schon richtig, ich hab einfach wild Buchstaben ausprobiert, die Namen selbst noch nicht mal laut ausgesprochen, geschweigedenn festgelegt wie man sie ausspricht ...
    Xin musste halt Xin vorne haben. Mehr Vorgaben gab's nicht ^^

    @Sensenbach
    Danke, Du hast mich auf ne Idee gebracht und ne gute Frage zugleich: Wenn Xin mit ihrem ... abhaut, warum beschwört man sie nicht einfach und zwingt sie zur Herausgabe?
    Die Antwort gibt's irgendwann im Verlauf der nächstem Kapitel.
    Gnhihihi, diese Xin ist ja ein ganz hinterfotziges Luder, hätte so nicht einmal ich geglaubt !

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (5. September 2017 um 15:45)

  • Der Sklave der Dämonin

    Gähnend strecke ich meine Schwingen vor meinem Haus aus. Es befindet sich hoch oben ein einem Baumriesen, ein Wort das ich in Ermangelung der menschlichen Sprache für ein bessere Wort benutze.
    Ronsc, mein Nachbar gleitet entspannt heran und schwebt im Aufwind vor meinem Balkon.
    »Guten Morgen, Xin. Immer noch Spaß mit Deinem Menschensklaven?«
    Es ist ein Running Gag in der Nachbarschaft, aber auch nur dort. Mit meinen Nachbarn stehe ich wirklich gut, und sie haben meinen menschlichen Mitbewohner inzwischen gut genug kennengelernt, dass die üblichen Vorurteile abklingen konnten. Manche haben sich sogar mit ihm angefreundet, aber es ist gut so, dass alle wissen, dass er (zu) mir gehört. Das verhindert unüberlegte Übergriffe und vor allem zwingt es den Menschenmagier nicht dazu, zu zeigen, was alles in ihm steckt. Gegen die meisten Dämonen in der Gegend könnte er sich ganz gut allein behaupten, gerade in einem offenen Kampf. Aber da man ihn für einen liebestollen Sklaven hält und er seine Rolle sehr glaubhaft verkörpert, legt es ohnehin keiner darauf an, mich vielleicht zu verärgern, weil man mit meinen Sachen spielt.
    »Sicher. Es ist ja noch kein Jahr, seit er bei mir ist. So bald werde ich seiner nicht überdrüssig. Es hat ja Wochen gedauert bis er raushatte, wie ich es am liebsten habe. Und verdammt, war er die ersten Tage schüchtern!«
    Mitfühlend kichert Ronsc. »Menschen sind ja so prüde!«
    Ich lache mit, drehe mich um und beende damit den Plausch. Natürlich lästere ich brav öffentlich über meinen außerweltlichen Liebessklaven, aber ich übertreibe es nicht, besonders wenn er gerade dabei ist in unserem gemeinsamen Bett aufzuwachen und alles mitbekommt. Es ist eine Sache seine Rolle überzeugend zu spielen, eine ganz andere seinen Partner, auch bei so einem undenkbaren Schwindel, dabei wirklich zu verletzen.
    Nachdem die Tür verschlossen ist, lasse ich die halbtransparenten Schatten meine Fenster verhüllen. »Micha, schon wach?« Ich schenke meinem vermeintlichen Sklaven ein dickes Grinsen, welches er lüstern erwidert. Verflixt, ich habe schon wieder vergessen mich anzuziehen. Auf nackte Haut reagiert der Mensch doch immer gleich so extrem!
    »Wenn ich Dich so ansehe, viel zu wach.«
    Ich verdrehe die Augen, eine typisch menschliche Geste, die ich mir im Laufe des letzten Jahres abgeschaut und dann angewöhnt habe.
    »Immer noch nicht genug? Du meine Güte, ihr Menschen seid abartig wollüstig.«
    Er schnaubt empört und wirft mir die Decke zu. »Leg die gefälligst um. Du weißt genau, dass ich gegen den Anblick UND deine Pheromone keine Chance habe.«
    Natürlich hänge ich sie über mich und gehe zu der Halterung meiner Rüstung. Es gibt zwar Dämonen in den großen Ballungszentren, die sich in seidene Gewänder hüllen, manche haben sogar martialisch aussehende Beinkleider aus der Außenwelt eingeführt, aber ich habe echte Zweifel, dass so ein halbdurchsichtiges Stoffteil Micha wirklich eine Hilfe wäre. Deswegen trage ich recht häufig meine Rüstung, was mir inzwischen den Ruf einer allzeit kampfbereiten Amazone eingebracht hat. Nunja, was macht man nicht alles mit, um seinem Partner Unwohlsein zu ersparen oder zu verhindern, dass er, allzeit bereit, zu den unmöglichsten Zeiten, plötzlich ganz nahe hinter einem auftaucht …
    Als wir beide züchtig bekleidet sind, frühstücken wir, auch so eine Angewohnheit, die wir importiert haben. Dämonen essen immer dann, wenn sie hungrig sind, haben Sex wenn ihnen danach ist und schlagen jemand den Schädel ein, wenn sie glauben, es ist Zeit dazu. Feste Zeitpläne sind in unserer chaotischen Gesellschaft höchst ungewöhnlich. Natürlich gibt es diese Mönchsorden und die schwarze Legion und noch so ein paar irre Vereinigungen, aber jemand mit gesundem Dämonenverstand hält sich von denen ohnehin fern.
    »Denke, heute könnte es fertig werden«, nuschelt Micha mit vollem Mund, »und wir können den ersten Testlauf starten.«
    Schmunzelnd schlucke ich zuerst bevor ich antworte: »Du hast mich wohl langsam satt, hm?«
    Empört schaut er von seinem Essen auf. »Wie kannst Du sowas sagen? Natürlich nicht! Aber ich gehöre hier noch weniger her, als Du in meine Welt. Es ist schon toll von Dir die Dämonenmagie zu lernen. Und gib‘s zu, ich bin inzwischen ganz gut geworden.«
    Ich grinse den ziemlich attraktiven Dämonen an, der unvermittelt mir gegenüber sitzt, seine rattenscharfen Hörner verspielt und unverschämt vielsagend poliert und mich mit seinem Mund voller blitzender Zähne nervend lustvoll angrinst. »Da kann ich nicht widersprechen. Du könntest locker als Einheimischer durchgehen. Müssten einfach woanders neu anfangen. Niemand würde es merken.«
    »Versteh mich doch. Ich liebe Dich, echt, aber ohne Dich kann ich hier nicht einmal einschlafen. Und denke an meine Alpträume.« Noch während der Antwort verwandelt er sich zurück und ich bin, selbst nach all den Monaten, immer noch schwer beeindruckt, wie schnell er sich die dämonische Verwandlungsmagie angeeignet hat. Dagegen sind die Handvoll Menschenmagiertricks, die ich mühsam von ihm erlernen konnte, reinste Spielerei.
    Ich seufze. Natürlich weiß ich das alles. Hier sind fast alle Raubtiere im Vergleich zu ihm. Dazu kommt dieses überwältigende magische Feld, was uns so leben lässt, wie wir es tun. Es lässt uns schnell heilen, fast unendlich lange leben und befeuert unsere magischen Kräfte unaufhörlich. Micha kommt natürlich auch in den Genuss einiger dieser Vorzüge, aber anders als ich, muss er sich ständig beherrschen, damit die Magie nicht aus ihm herausbricht. Eigentlich ist er eine tickende Zeitbombe und nur seiner guten Ausbildung und friedlichen Art ist es zu verdanken, dass ihn die Macht, die ihn hier durchströmt, nicht durchdrehen lässt. Seiner Menschenmagie hätten auch nicht viele etwas entgegenzusetzen und er würde eine Menge Schaden anrichten, bis man ihn unter Kontrolle hätte. Ganz zu schweigen davon, was mich erwartet, würde jemals bekannt, dass ich einen Magier hergebracht habe. Menschliche Sklaven sind nicht total ungewöhnlich, aber einen Magier herzubringen, der hier ungleich mächtigere Bindungs- und Zwangsbanne aufbauen könnte, würde zur sofortigen Vernichtung führen, meiner und Michas.
    Es hilft alles nichts, seine Zeit in meiner Welt läuft ab und außerdem wartet auf der Erde eine wahre Herkulesaufgabe auf ihn. Und wenn ich den Jungen nicht inzwischen auch wirklich sehr gerne haben würde, hätte ich viel früher aufs Tempo gedrückt.
    »Ja, du hast recht. Es wird wirklich Zeit. Packen wir‘s an.«

    Einige Stunden später ist es soweit. Micha ist ein verdammt guter Magier, hat, wie ich inzwischen weiß, von einem der, wenn nicht sogar dem Besten gelernt. Salomon, der Unsterbliche ist sogar bei uns eine Legende. Dass ich den Lehrling dieser Legende weiterhin Zauber-Lehrling nenne, ist eigentlich ein Scherz zwischen uns beiden, an dem ein gewisser Goethe Schuld ist, dessen Gedicht Micha mir beigebracht hat. Ich hoffe, fast so sehr wie Micha, dass sein Meister irgendwie überlebt hat. Allerdings bin ich nicht scharf darauf in den Weltenkrieg einzugreifen, in dem Salomon schon ewig kräftig mitmischt. Aber ich habe einen Pakt mit Micha, weit häufiger und viel inniger als nötig besiegelt, und natürlich stehe ich an seiner Seite.
    »Das Tor sieht ja wenig vertrauenerweckend aus?«, frage ich dennoch misstrauisch, als wir vor dem wabernden Portal stehen, was beinahe täuschend nach einer Wasserfläche aussieht. Natürlich steht Wasser auch in meiner Welt nicht aufrecht.
    »Immer noch besser, als zu glauben man wird gleich gefressen und dann durch die Dimensionen mitgerissen zu werden!« Seine Kritik wird durch sein Lächeln gemildert, aber ich fühle mich dennoch genötigt mich zu verteidigen, wohl zum hundertsten Mal.
    »Es ist auch nicht vorgesehen, dass man beim Transit Passagiere hat, schon gar nicht welche, die mit ihrer eigenen Magie um sich schlagen und panisch in allen möglichen Dimensionen unterwegs Anker auswerfen!«
    Wir grinsen uns an. Dieses Gespräch haben wir in zahllosen Variationen schon oft geführt.
    Micha ergreift ohne Vorwarnung meine Hand, diese typisch menschliche Geste, die ihn bei jedem anderen Dämon wenigstens ein paar Finger gekostet hätte. Zusammen treten wir durch das Tor.

    Das Wasser fühlt sich überhaupt nicht nass an.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (10. September 2017 um 22:25)

  • Es hat ja Wochen gedauert, (Komma weg) bis er raushatte (Komma) wie, (Komma weg) ich es am liebsten habe.

    So würde ich es rein gefühlsmäßig schreiben ... XD

    Aha, jetzt wissen wir auch, wer der erste Magier ist ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Hinterhofgeschäfte

    Der Übergang ist nicht der Schock, den ich erwartet habe. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich diesmal nicht gewaltsam aus meiner Welt gezerrt werde, oder auch weil Michas Portal einen weitaus weicheren Übergang zwischen den Dimensionen schafft. Daher bleiben die endlosen Sekunden Starre aus, die ich sonst nahezu bewegungsunfähig in der Menschenwelt verharren muss, bis ich wieder in der Lage bin, mehr als nur instinktgesteuert zu handeln.
    Es gibt aber noch eine weitere Premiere. Zum ersten Mal betrete ich diese Welt nicht nackt. Mit Michas Hilfe habe ich uns Kleidung erstellt, das Verwandeln von Materie ist nun mal die Magie meiner Art und zuhause, mit Muße und genug Kraftreserven bekomme ich recht erstaunliche Dinge zustande.
    Da er auch nackt bei mir angekommen war, portallose überspontane Transits scheinen nur lebendige Materie zu unterstützen, haben wir ihm einen eleganten marine-blauen Dreiteiler und ein paar passende Lackschuhe gebastelt, ich habe mich für Blue-Jeans, ein schwarz-blau gestreiftes T-Shirt und weiße Sneakers entschieden. Mag gut sein, dass ich gewisse Markenrechte von Boss, Nike und anderen mir namentlich nicht bekannten Marken verletzt habe, aber dass ich Patentrechte ignoriere ist ja bereits bekannt. Normalerweise macht mir Nacktsein nichts aus, für mich ein ganz natürlicher Zustand, warum Micha sich da immer ziert, ist mir immer noch nicht ganz klar. Werden Menschen denn nicht nackt geboren? Was soll dann daran unnatürlich sein …
    Im Moment bin ich aber ganz froh, dass wir Vorbereitungen getroffen haben. Der angeblich kaum frequentierte Hinterhof in einer verlassenen Industrieanlage, den Micha als Austrittspunkt festgelegt hat, den wesentlich geeigneteren Beschwörungskeller können wir ja aus naheliegenden Gründen nicht nutzen, ist alles aber andere als unbelebt. Vielmehr landen wir direkt in einer Art Markt, den ich ja als Flohmarkt bezeichnen würde, aber selbst für einen Dämon ist ein Flohmarkt, auf dem es schwere Waffen zu kaufen gibt - ist das da vorne nicht sogar eine Bazooka – nichts, was man mit Flöhen in Verbindung bringt.
    Ohne meine Flügel und Hörner geben wir wohl kein allzu ungewöhnliches Paar ab, der hochgewachsene blonde junge Mann im eleganten Zwirn und seine vielleicht etwas zu gut aussehende Latina-Freundin im Freizeit-Look. Gut, vielleicht fallen wir doch etwas mehr auf als gedacht. Aber wer hätte auch ahnen können, dass die ersten Menschen, denen wir über den Weg laufen aussehen, als würden sie gleich im Jurassic Park zur T-Rex-Jagd aufbrechen.
    Wo ich hinsehe, tragen die Leute Waffen und Panzerungen unterschiedlicher Qualität. Ich sehe große Messer, Macheten, diese schlanken japanischen Klingen und, ganz ehrlich, einer hat sogar einen ausgewachsenen Claymore (das Schwert, nicht die Mine) über der Schulter. Die Auswahl an Schusswaffen ist noch größer. Jagdgewehre, Schrotflinten, Pump-Guns, Revolver, Halbautomatische Pistolen von Handtaschen bis Reisekoffer-Größe, Maschinenpistolen, vereinzelt Sturmgewehre und immer wieder auch ein Einweg-AIM-Raketenwerfer.
    Warum ich mich mit Waffen so gut auskenne? Sagen wir einfach, meine früheren Missionen haben mich mit der ansehnlichen Bandbreite menschlichen Tötungswerkzeugs recht vertraut gemacht.
    Angesichts der Tatsache, dass wir gerade völlig trocken aus einer senkrechten Wasserpfütze getreten sind, finde ich die plötzlich von allen Seiten auf uns gerichteten Menschenlocher ausnahmsweise nicht als überzogene Reaktion. Zudem muss ich den Anwesenden zugutehalten, dass sie nicht sofort losballern, was vermutlich meine erste Reaktion gewesen wäre.

    »Hallo Leute!« Ich hebe vorsichtshalber meine Hände, auch wenn es mir lächerlich scheint, immerhin bin ich weder bewaffnet noch gerüstet, was natürlich nicht heißt, dass ich nicht von jetzt auf gleich eine ziemliche Sauerei unter den Leuten anrichten kann. Aber das wissen die nicht und aus irgend einem Grund lässt mich meine menschliche Gestalt besonnener reagieren. Verdammt, läuft mir da gerade kalter Angstschweiß den Rücken hinab? Menschsein ist ja so … anstrengend!
    Eine Frau mit harten Gesichtszügen und einem extrem kurzen Bürstenhaarschnitt, der haarscharf (haha) an einer Glatze vorbeigeht, tritt einen Schritt vor. Sie ist die einzige in meinem Sichtfeld, die keine Waffe gezogen hat, auch wenn die beiden schweren 45er in ihrem Gürtel nicht aussehen, als wären sie nur Deko. »Gebt uns einen Grund, Euch nicht sofort in Bleischwämme zu verwandeln.«
    »Äh, Eure Knarren verschießen gar kein Blei? Ich nehme an ihr benutzt Standardstahlmantelgesc …« Michas Ellenbogen in meinen Rippen lässt mich verstummen. Da will man einmal helfen!
    Der junge Magier holt tief Luft und fängt an: »Ehrlich gesagt habe ich keinen Grund, warum Ihr mir einfach so vertrauen solltet.«
    »Das ist NICHT hilfreich …!« raune ich Micha zu, nicht leise genug, denn G.I. Jane vor uns hat es mitbekommen und ihre Mundwinkel zucken ganz kurz. Sie stimmt mir da wohl zu, wenigstens einer hier, der mich versteht. Wenn es nicht gerade die Anführerin der bewaffneten Horde wäre, wäre es vielleicht noch besser, aber vielleicht auch nicht.
    »Aber wir wollen Euch wirklich nichts Böses.«
    Ich werfe Micha einen fragenden Blick zu. So sicher wie er, bin ich mir in dieser Sache ja nicht.
    Die Frau ist da erstaunlicherweise wieder meiner Meinung und bleibt zurückhaltend. »Wie wäre es, wenn Ihr mal damit anfangt zu erzählen, wo Ihr herkommt?«
    »Das ist«, beginnt Micha verständlicherweise zögernd, »nicht ganz so leicht zu erklären, hört sich womöglich sogar ein bisschen unglaubwürdig an.« Ich kann mir ein belustigtes Schnauben nicht verkneifen.
    Die harte Frau stemmt ihre Hände in die Hüfte und lässt ihren Blick über uns wandern, über mich sogar deutlich länger. In ihren Augen glimmt Interesse von der Art auf, die mich beinahe etwas vermutlich Dummes sagen lässt. Unwillkürlich fasse ich an meinen Kopf. Gut, keine Hörner.
    »Versuch es.«, fordert sie Micha auf und nickt ihm zu.
    »Na schön, aber bitte schießt nicht sofort.« Er holt noch einmal Luft und lässt dann die Bombe platzen.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (6. September 2017 um 10:38)

  • Die Reste der Magical Intervention Brigade

    »Das mit dem Claymore ist Cage, der dahinten ist Winston, die beiden Mädels sind Louise und Tara, der Typ, der aussieht als ob er gleich einschläft ist Snake und der freundliche tätowierte Herr mit den beiden Macheten ist … äh ... Machete.«
    Colonel March, bzw. Ex-Colonel March, von ihrem Trupp liebevoll Marchy genannt, scheint vor allem vom letzten Künstlernamen sichtlich peinlich berührt. Die frühere Spitzenoffizierin der Magical Intervention Brigade ist natürlich professionelleres Auftreten gewohnt, umso mehr, als sie nun weiß, dass Micha, mein Micha, Mikael Silverlight ist, seines Zeichens letzter Schüler des großen Salomon, der vor knapp einem Jahr heldenhaft in den Fängen eines rachehungrigen weiblichen Dämons sein vermeintliches Ende gefunden hat.
    »Wir hatten wirklich den festen Glauben, Du hättest Dich lieber umringen lassen, als die geheimen Standorte der anderen Brigade-Einrichtungen zu verraten. Viel geholfen hat es freilich nicht. Sie haben vor vier Monaten den letzten größeren Bunker gefunden und ausgelöscht. Früher haben sie noch versucht sie einzunehmen, aber Dein heroisches Beispiel hat Schule gemacht, und keiner, wirklich niemand der Brigade, hat sich lebend fassen lassen. Wir haben Shadowlord und seiner Teufelsbrut einen guten Kampf geliefert. Aber ohne den Boss hatten wir einfach nicht genug Magic-Power um ihnen viel mehr als nur symbolisch die Stirn zu bieten.«
    Ich räkle mich in der Hängematte des provisorischen Quartiers der kleinen Truppe, während mich die anderen immer wieder mehr oder weniger diskret anstarren. Micha hatte mich aufgefordert Horn zu zeigen und ich hatte noch Schwingen und Schwanz drauf gepackt. Man soll ja nicht sagen, ich ließe mich lumpen. Dabei war mein T-Shirt zerrissen, was ich mir dann provisorisch vor der Brust umgebunden habe, nachdem das Starren gar kein Ende nehmen wollte und Micha schon anfing sauer zu werden. Warum er so empfindlich auf die Blicke der tapferen Rebellen reagiert ist mir nicht ganz klar, aber bevor es deswegen noch zum Streit kommt? Die Blue Jeans hat hinten natürlich nun auch Loch, was zunehmend größer wird. Ich werde mir bei Gelegenheit eine neue Hose besorgen müssen, denn auch die Blicke dorthin sind mir nicht verborgen geblieben.
    »Dann ist der Meister tatsächlich tot?« Micha spricht aus, was meiner Ansicht nach schon lange klar ist, aber für ihn wohl ein Ding der Unmöglichkeit darstellt.
    Marchy grinste breit. »Er war lange Zeit außer Gefecht. Dein Tod, Mikael, hat ihn zusätzlich in eine tiefe Krise gestürzt. Der alte Herr liebt Dich doch, wie seinen Sohn.«
    Micha stöhnt erleichtert auf. »Sohn? Glaub mir, seine Söhne mochte er nicht besonders, Saul seinen Nachfolger schon gar nicht. Er ist auf seine ganze Ahnenline nicht unbedingt gut zu sprechen. Aber ich bin sehr erleichtert, dass er lebt. Sonst wäre alles verloren gewesen.«
    Die Ex-MIBs wirken betroffen, bis auf Snake, der wirkt immer als wäre er stoned, selbst wenn er gerade per Zauber ein Gebäude auf Dich fallen lässt.
    »Na, so schlimm wird es doch nicht sein. Ich meine, er lebt ja, aber er ist weit davon entfernt uns aktiv unterstützen zu können. Die Nachricht von Deinem Überleben wird ihm Aufwind geben.«
    Dann dreht sie den Kopf in meine Richtung. Mich anzusehen hat Marchy bisher sorgsam vermieden. Wieder fühle ich dieses Prickeln als unsere Blicke sich treffen, nicht mehr so irritierend wie in Menschenform, dafür um so intensiver. Schnell schaut sie wieder an mir vorbei.
    »Salomon ist übrigens überaus wütend auf Dich, das sollte Dir bewusst sein.«
    »Auf Mich?« Ich bin von den Socken. »Warum denn das? Was habe ich ihm getan?«
    Sie grinst böse, was mich irgendwie noch mehr anmacht, als wenn sie wie hypnotisch meine Hörner anstarrt. »Der Meister glaubt, Du hättest Ihn bei der ersten Gelegenheit hintergangen und seinen besten Schüler aufgefressen …«
    Ich zucke die Schultern. »Oh, ja, richtig. Da war ja was. Kannst Du ihn nicht kontaktieren, anrufen zum Beispiel, und ihm ausrichten, dass ich zu den Guten gehöre?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Seit der Shadowlord die Macht übernommen hat gibt es nur sehr wenig Elektronik, die noch in Funktion ist. Das Stromnetz funktioniert ohne Generatoren nur noch in den sanktionierten Zentren. Sein erster Schritt war die Brigade lahmzulegen, dann hat er dem Militär die Kontrolle über nahezu alle globalen und überhaupt weitreichenden Waffen abgenommen, einfach indem er durch das Anti-Elektrische Feld alles lahmlegte.«
    »Anti-Elektrisches Feld?« Micha schüttelt nur verwundert den Kopf, aber das nicht zum ersten Mal. In eine Art postapokalyptische Welt zurückzukommen, hat er nicht erwartet. Ich meine, ich hätte ihn ja warnen können, immerhin hatte ich ein paar Berichte von beschworenen Dämonen gehört, aber wozu hätte ich ihn beunruhigen sollen? Er wäre bloß zurückgegangen, bevor er wirklich bereit war. Natürlich hatte es mehr als einen guten Grund, warum ich alles andere als scharf war, hierher zurückzukommen.
    »So nennen wir es. Elektronik geht dort innerhalb von Sekunden kaputt, nur einfache Elektrik überlebt eine Weile. Deswegen können wir es immer wieder wagen, einen Generator für 15-20 Minuten laufen zu lassen. Sobald er anfängt zu stottern schalten wir ihn aus, für mindestens eine Stunde.«
    »Das … das muss ja ein wahnsinniger Aufwand sein! Ich hatte gar nicht geahnt, dass es für so etwas überhaupt die Möglichkeiten gibt.« Micha ist ehrlich bestürzt. Man muss vielleicht in so einer magie-armen Welt aufgewachsen sein, um das nachvollziehen zu können. Bei mir zuhause gibt es Elektronik überhaupt nicht. Das magische Feld enthebt uns der Notwendigkeit solcher Mittel, allerdings haben wir auch nie ein Kino entwickelt, etwas was ich sehr bedaure. Das Kino ist einer der drei Gründe, warum ich die Erde bisher trotz allem, ab und zu gern besucht habe. Zu hören, dass es Kino nur noch für die Elite gibt, stimmt sogar mich traurig. Neue Filme wird es nach dem Niedergang Hollywoods wohl erst einmal auch nicht geben. Und ich war so gespannt, ob Sly Stalone seinen Körper noch für eine Folge Expendables fit bekommt und wann endlich die reine Ladies-Power-Version kommt. Hey, ich habe nun mal ein Herz für Action-Opas!
    »Dieser Pakt mit der Hölle wurde von langer Hand vorbereitet, und ganz diskret. Meister Solomon war der erste, der etwas ahnte. Wir anderen waren zufrieden damit, dass die magische Aktivität der größten Beschwörer deutlich zurückgegangen war, nicht einmal der Hermesorden schöpfte Verdacht.«
    Micha nickt bestätigend. »Hermesorden, dem Orden dem alle Magier der hellen Seite der Macht angehören, wie Du es ausdrücken würdest.« Die Erklärung geht in meine Richtung und ich lächele dankbar. Verspielt, völlig arglos und ohne jeden Hintergedanken (haha) lasse ich dabei meinen Schwanz baumeln, als ich bemerke, dass Marchy ihn wieder einmal fasziniert beobachtet.
    Sie räuspert sich und schüttelt den Kopf, um wieder zum Thema zu kommen. »Wir bringen Euch auf dem schnellsten Weg zu Meister Salomon. Aber unterwegs wollen wir noch nach einer Widerstandszelle sehen, zu der vor zwei Wochen schon jeder Kontakt abgerissen ist. Ich hoffe wir können auf Eure Hilfe zählen?«
    »Selbstverständlich.« Micha ist wieder einmal ganz die Ehrenhaftigkeit in Person.
    »Klar, ich helfe gerne.« Ich lächle Marchy direkt an und schaffe es, dass die hartgesottene Brigadierin ihren Kopf in den Schatten dreht. Natürlich sehe ich trotzdem, wie das Blut in ihre Wangen schießt. Ah, Menschen sind so herrlich prüde! Wie ihr jemals so viele werden konntet, ist mir ein Rätsel. Gibt es irgendwo geheime Lager, in denen ihr Eure Hemmungen fallen lasst und mal aus Euch herausgehen dürft, und wenn ja, zeigt sie mir einer?

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (7. September 2017 um 15:19)