Hier kommt sie nun, meine erste Geschichte auf dem Forum. Die Welt, in der sie spielt, Vyr (siehe Karte) ist ein gemeinsames Projekt von mir und meinem Partner, jedoch habe ich die Geschichte, soweit sie hier präsentiert wird, selbst geschrieben. Viel Spaß! Über Meinungen und Kritik freue ich mich immer.
Klappentext:
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Das Vyrtanische Imperium befindet sich im Umbruch: Fürsten lehnen sich gegen den Kaiser auf, Priester lassen Magier jagen und Bauern wollen die alte Ordnung stürzen.
Taoreth, ein einfaches Waisenkind, das sich als Schmiedegehilfe verdingte, war von all dem unbehelligt gewesen, bis er eines Tages von zwei Fremden in seinem Zuhause überrascht wird ...
Weltkarte:
Alter(-nativer) Prolog:
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Orekahn, das Nurd-Gebirge, den 27., 1295 Neues Zeitalter
Am Anfang nahm er an der Erschaffung des Lebens teil, doch dann wurden ihm von seinen Geschwistern Fesseln auferlegt. Sie banden nicht seinen Körper, sondern seinen Geist.
So war er verdammt, zu träumen, tief unter uralten Gesteinsschichten vergraben.
Er musste träumen von der Welt über ihm, davon, wie seine Geschwister ihre Kinder in die auch von ihm mitgeschaffene Welt führten und wie sie deren Geschicke lenkten. Er musste mit ansehen, wie die Kinder der anderen Schöpfer zu großen Nationen und Kulturen heranwuchsen und wie sie Werke schufen von immer größerer Bedeutung und Dauer, während seine eigenen Kinder zu Tausenden Zyklen des Elends und des Leids verdammt waren. Er musste mitansehen, wie die Geschöpfe seinen Geschwistern Schreine und Tempel bauten: Der Geringste durfte seinen Namen beleidigen, doch auch der Höchste entging der Strafe nicht, wenn er seinen Geschwistern nicht huldigte.
Seine Kinder waren so bald bekannt als Beispiele für Dummheit und Primitivität. „Ork“, wurden sie gerufen von den anderen Völkern, mit einem Laut, der Ausdruck von Ekel ist. Und da er seinem Volk keinen eigenen Namen hatte geben können, nahm es den Namen schließlich selbst an. Er selbst verkam zu einer Figur der Niedertracht und des Schreckens, wurde zu einem Wort für Schande, Leid und Tod. „Soll mich der ‚Schwarzgeist‘ holen“, fluchten sie. „Gefallener Gott“, wurde er geschimpft, „Das Böse“ gar.
Er war immer voller Schadenfreude in seinen Träumen, wenn die Kreaturen sich gegen ihre Schöpfer auflehnten und diese gezwungen waren, die Geschöpfe zu vernichten. Er war sich schmerzlich bewusst, dass seine Strafe tausendfach schlimmer war, denn er würde niemals mehr neue Kinder schaffen können.
Doch er würde herrschen.
Für ihn verstrich die Zeit schnell. Viel schneller, als für seine Geschwister, die die Zeitalter voll auskosten durften, während er verdammt dazu war, einen Zyklus während der Dauer eines Herzschlages wahrzunehmen. Das war das Schlimmste an seiner Strafe.
Bald war es jedoch soweit. Die nächste Kraftanstrengung würde seine Fesseln sprengen.
Prolog
Er sollte eigentlich zufrieden sein - mit Macht, Wohlstand und Ansehen. Seine schwachen Gegner hatte er in die Knie gezwungen. Selbst die berühmten Magier der Dashor konnten sich nicht mit ihm messen. Doch noch immer hatte er das Gefühl, ein Verfolgter zu sein. Jedes Mal, wenn er in den Spiegel blickte, wurde es ihm bewusst: Noch immer war er ein Feind des Imperiums.
***
1 - Besuch im Wald
Himmelstein, Provinz des vyrtanischen Imperiums, den 291., 1292 Neues Zeitalter
„Großmama!“
Es kam keine Antwort aus der kleinen Steinhütte, obwohl Rauch aus dem Kamin stieg. Großmama hörte schlecht, seit er denken konnte.
„Ich war in der Stadt, habe Fleisch gekauft. Leider nicht viel…“ Schnaufend hievte er den Korb von seinem Rücken und stellte ihn auf einen breiten, verschiedentlich nützlichen Baumstumpf.
„Hallo?!“ Mit einem Ruck riss er die holzgerahmte Flechtentür auf und erstarrte.
„Na, Kind? Wer bist du denn?“, fragte ein faltiges, unbekanntes Gesicht. Die Stimme des Mannes war ruhig und freundlich, doch das lenkte nicht von dem Schwert an dessen Seite ab.
Als Taoreths Augen sich an das Halbdunkel der Stube gewöhnten, war seine Großmutter nirgends zu entdecken, jedoch erkannte er eine weitere Person, die sich lässig auf der einen Strohmatratze ausgestreckt hatte.
Es war eine junge, hübsche Frau mit schwarzen Haaren, die ihn gereizt anblickte. Sie trug dieselbe Uniform wie der fremde Mann: Das Blau der See als Grundfarbe ihres Stofftorsos mit rot-weißen Borten, die lose über den Schultern hingen. Darunter trugen beide, wie man an Armen und Beinen sah, dichtes Kettengeflecht – eine meisterliche Arbeit, wie er als Schmiedegehilfe sofort erkannte. Auf ihrer Brust prangten Wappen des allmächtigen Isgaads: stilisierte, golden schimmernde Sonnen vor rotem Hintergrund. Diese zwei waren ganz anders, als die Stadtwachen von Himmelstein …
„Nicht so schüchtern“, blaffte die junge Frau mit kratzender Stimme, und all ihre Schönheit war verflogen.
„Ähm. Ich bin Tyll“, sagte er schnell. Er hatte nicht seinen wahren, dafür aber einen sehr häufig vorkommenden Namen genannt. Warum war er nur so misstrauisch? Er sollte den beiden Hütern des Gesetzes vertrauen!
„Tyll… und weiter?“, die Stimme des Mannes war freundlich, aber seine Augen blitzten.
„Tyll und nichts weiter. Herr, meine Eltern sind einfache Bauern ohne Titel.“
„Und was machst du hier mitten im Wald? Die Bauernhöfe sind auf der anderen Seite des Flusses!“, mit wütender Miene stemmte sich die Frau auf die Beine und griff hinter sich nach einem Gegenstand auf dem Bett. Hervor kam ein Schwertgurt – Eine Frau mit Schwert! Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück.
„Ich … ich liefere ihr nur das Fleisch unseres Hofs. Normalerweise liefern wir natürlich den Händlern in der Stadt, doch sie zahlt eben gut. Bitte, edle Da … Herrin! Tut mir nichts!“
„Du riefst eben nach ‚Großmama‘, das habe ich deutlich gehört.“
„So nenne ich sie eben – sie ist doch bestimmt fünfzig Zyklen alt! Aber nicht meine wirkliche Großmutter.“ Er versuchte diese, wie die anderen Lügen, mit glaubwürdiger Entrüstung vorzutragen.
„Und du lieferst Fleisch vom Hof deiner Eltern? Eben noch klang es, als wärst du in der Stadt einkaufen!“
„Verzeiht, ihr müsst euch verhört haben, Herrin. Ich sagte bloß, dass ich das Fleisch geholt habe.“
„Hm. Wie auch immer. Die alte Frau muss reich sein, wenn sie sich diesen persönlichen Dienst leisten kann“, wachsam musterte die Frau ihn.
„Lass gut sein, Ellea. Bestimmt wurde die alte Schachtel von den Elben mit Schätzen überhäuft … Der Primär wird es schon noch aus ihr rauskriegen.“
Etwas an der Art, wie die Frau daraufhin lächelnd nickte, war zutiefst verstörend. Überhaupt würde Großmama niemals Geschenke von den heimtückischen Elben annehmen!
„Ich finde immer noch, wir sollten ihn mitnehmen und prüfen lassen. Aber gut.“
Erleichtert atmete er aus. Endlich war das Verhör vorbei und er konnte die Frage stellen, die ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte: „Wo ist sie denn eigentlich?“
„Was geht dich das an, Bursche? Geh nach Hause und sei froh, dass Hernan ein weichgewaschener, alter Narr ist.“
„Aber…“, er brauchte einen Vorwand, um weiter zu fragen, „Ich brauche doch die Bezahlung. Meine Eltern prügeln mich zu Tode, wenn ich mit leeren Händen zurückkomme.“
„Also von uns bekommst du nichts“, blaffte die Frau, „Pech gehabt.“
„Und von ‚Großmama‘ wirst du auch nichts mehr bekommen. Sie wurde verhaftet, weil sie im Verdacht steht, mit den Elben gemeinsame Sache zu machen.“
„Das hätte ich niemals von ihr gedacht“, entfuhr es ihm, wobei die Überraschung echt war. Jedes Kind wusste, dass die Elben heimtückische Diener des Teufels waren und seit Jahren einen Eroberungsfeldzug gegen das Kaiserreich planten. Großmama war natürlich nicht daran beteiligt! Und doch fiel der Verdacht auf sie … Eine Verschwörung? Doch mit welchem Ziel? Sie war nur eine einfache alte Frau. Mit erstaunlichen Geldreserven, musste er sich eingestehen – hoffentlich fanden sie das Versteck nicht.
Ein übellauniger Schmerz machte sich in seiner Brustgegend breit, als ihm bewusst wurde, dass es keine Rolle spielte, ob Großmama tatsächlich eine Verbrecherin war, denn das Verhör würde sie so oder so nicht überleben. Ob sie sie tatsächlich foltern würden? Mit Grauen dachte er an das finstere Lächeln der Schwertfrau, als der Mann angekündigt hatte, man werde es „schon noch aus ihr rauskriegen“. Bei Isgaad, sie würden sie tatsächlich foltern! Mit einem Mal schämte er sich zutiefst seiner Jahre beim Schmied, in denen er auch geholfen hatte, eben jene Folterwerkzeuge zu erschaffen, mit denen seine Großmama möglicherweise zu Tode gefoltert werden würde. Damals hatte er sich dabei nichts gedacht, und der Meister hatte es ihm ja aufgetragen.
„Hau ab jetzt!“ Jetzt war auch alle Freundlichkeit aus der Stimme des Mannes gewichen. Er sah noch, wie die Frau den Mann lasziv anlächelte, als die Tür vor seiner Nase zugeschlagen wurde. Anstatt sich wegzudrehen, ballte er die Fäuste – das war nicht gerecht!
„He! Wo habt ihr sie hingebracht?“
„Verschwinde!“, riefen Mann und Frau gleichzeitig, woraufhin sie beide kicherten.
Frustriert drehte er sich nun doch in Richtung Stadt, schulterte seinen Korb voller Pökelfleisch und stapfte davon. Als er sich sicher war, weit genug im Wald zu sein, um Notfalls davonlaufen zu können, drehte er sich um: „Das werdet ihr noch bereuen, ihr Schurken!“
Er hatte fast gehofft, dass die Uniformierten die Verfolgung aufnehmen würden, doch stattdessen erklang aus der Hütte bloß schallendes Gelächter.