Hier mal der Versuch eines Krimis
Alfons und das Glasauge
Die Sonne hing niedrig über den kahlen Ästen der Bäume im Park. Die Februarkälte überreifte die umliegenden Wiesen, zwischen denen breite ungepflasterte Wege mäanderten. Mit heiserem Schrei stiegen zwei Krähen in den wolkenlosen Himmel.
Der hochgeschlagene Kragen ließ die schlanke Gestalt unter dem schmalrandigen Hut fast bizarr aussehen. Der Atem ging stoßweise und bildete kleine Wolken, während der Mann seine Hände tiefer in die Taschen stieß.
Geradeaus erstreckte sich eine lange Allee, an deren Ende, die Sonne ungehindert auf die stille Wasseroberfläche eines kleinen Sees fiel.
Der Mann verharrte im Licht und genoss entspannt die zarte Wärme auf dem Gesicht.
Ein plötzliches Scharren ließ ihn luftschnappend herumfahren.
Sein Schatten fiel auf einen untersetzten Mann, unter dessen Schuhen der Kies knirschte. Ein dunkelroter Wollschal hob ein rundes stoppeliges Doppelkinn aus dem Mantel hervor.
Zögernd und mit leicht zusammengekniffenen Augen traten beide einen Schritt näher aufeinander zu. Ihre Schatten krochen über das Gras. Schweigend musterten sie sich und mit einer Kopfbewegung forderte der Schlanke den anderen heraus. Der Kurze senkte zögernd der Blick, zog dann langsam und mit abgespreizten Fingern etwas aus der Manteltasche.
Seine hellen Wurstfinger hielten eine in Zeitungspapier eingewickelte Zigarrenschachtel. Wieder maßen sich beide, dann streckte der Schlanke genauso langsam die Linke aus und griff zu.
Sofort stopfte der Dicke seine Hand wieder zurück, während der andere fast unschlüssig, den Gegenstand hin und her drehte und dann doch verstaute.
Kurz tippte er sich an den Hut, bewegte sich vorsichtig einige Schritte rückwärts. Das wurde mit einem Schulterzucken quittiert und allein schritt der Untersetzte die Allee hinunter, in den morgendlichen Sonnenschein hinein.
Im Grunde fand er die Art des Treffens eher lächerlich, aber wenn sein Kunde es wünschte, dann eben so. Allerdings hatte es etwas gutes, der Sonnenaufgang war erst gegen 8 Uhr morgens gewesen und so brauchte Alfons Friedrich nicht zu zeitig aus den Federn. Fast hätte er aber verschlafen und ärgerte sich, in den Eile seine Handschuhe vergessen zu haben.
Einerlei, dachte Alfons, als der Motor seines schwarzen BMW 518 ansprang und er leise bibbernd die Heizung hochdrehte.
Hauptsache, dieser Spinner hält sich an die Abmachung und überweist schnell die zweite Hälfte des Honorars.
Aus der Not heraus, zu wenig Aufträge zu haben, hatte Alfons beim ersten Gespräch mit dem Schlanken alles auf eine Karte gesetzt. Zu seinem Erstaunen ging Paul Quinders, der bekannte Besitzer mehrerer Autohäuser auf die weitaus höhere als übliche Pauschale ein.
Wenigsten konnte er nun wieder seine Schreibkraft Eva bezahlen, die sich um das Büro der - Detektei Friedrich- kümmerte. Aber immer nur so, wie eben Aufträge und vor allem Zahlungen eingingen.
Die geschiedene Mutter hatte keinen festen Job, sondern besserte sich ihr staatliches Einkommen mit privater Fußpflege, Putzaufträgen und dem Papierkram der Detektei auf, denn zwei Kinder sind teuer.
Dann war da noch Robert, Alfons‘ bester und einziger Freund.
Er, seit dreißig Jahren Postbote, kannte die Stadt besser als jeder Taxifahrer.
Beide hatten sich vor langer Zeit auf Eva’s letzter Hochzeit kennen gelernt und dabei festgestellt, als junge Männer die gleiche Berufsschule besucht zu haben.
Fast dreißig Jahre später hatte beider Leben völlig andere Wendungen genommen und am Ende der Hochzeitsfeier gab Alfons bereitwillig und geschäftstüchtig seine auf stabilem, beigem Papier gedruckten Visitenkarten aus.
-Detektivbüro A.Friedrich- stand dort in schwungvollen Lettern.
Etwas kleiner in Druckbuchstaben –Ob eheliche oder finanzielle Untreue, ob Rotlicht oder Zwielicht – Ihre Zufriedenheit ist uns wichtig-
Die rechte Augenbraue leicht kritisch in die Höhe gezogen, hatte Robert das gelesen. Detektive kannte er nur aus Filmen oder Romanen und Alfons sah wie keiner von denen aus. Nicht größer als 1,75m, ließ etwas Übergewicht das schlecht sitzende Sakko spannen, die Hose dazu leicht verknittert. Allerdings waren Alfons‘ schwarzen Schuhe auf Hochglanz poliert. Aus dem runden vollen Gesicht blickten zwei erwartungsvolle graue Augen, die aschfahle blonde Haarpracht gab auf dem Hinterkopf langsam ihre Fülle auf.
Der freundliche Postbote hingegen war groß, dunkelhaarig und unverheiratet, hatte also selbst wenig Probleme mit einer eigenen untreuen Ehefrau. Dagegen gab es in manchen Straßen seines recht großen Bezirkes solche Damen.
Ob Alfons ihn schon mal beobachtet hatte?, fragte er sich. Manche Ehemänner kommen auf die wunderlichsten Gedanken.
Unschlüssig drehte er die Visitenkarte hin und her und schaute Alfons nach, der schon vorher auf dem Weg zur Toilette hier und da versucht hatte, unauffällig einige dieser Karten auf den Tischen zu platzieren.
Auf dem Rückweg kreuzte er jetzt den Weg der Braut, die ihm, durch zuviel Sekt hochrot und in bester Stimmung um den Hals fiel.
„Schön, dass Du auch da bist ...“, brachte sie, etwas lallend hervor und drückte ihm einen dicken Schmatzer auf die glattrasierte und nach billigem Aftershave riechende Wange. Hoffentlich hat sie nicht gemerkt, dass ich nur mit einem Blumenstrauß vom Händler am Bahnhof hier aufgetaucht bin, dachte er und zwang sein Gesicht zum Lächeln.
Eva, damals Ende Zwanzig, einmal geschieden mit Kind, kam aus eher unteren Verhältnissen. Zwischen einer alleinstehenden Mutter sowie zwei Brüdern und einer Schwester, hatte die große, dralle Rothaarige zeitig gelernt, sich durchzubeißen. Mit dieser Hochzeit eines zukünftigen Erben eines Möbelhauses sah sie sich am Ziel. Leider kam einige Zeit später Alfons in ihrem Auftrag zu einem Einsatz und der Unterhaltsstreit zog sich bis heute.