- Offizieller Beitrag
Ist damit der aktuelle Zustand gemeint? Denn Keime von anderen Planeten wären ja auch heutzutage schon eine Gefahr für uns, eben weil sie unbekannt sind. Oder ist die Erde in eurem System/ eurer Zukunft "noch" steriler und die Terraner dadurch noch anfälliger? Ihr schreibt zwar, dass sie eine abgeschottete Lebensweise besitzen, aber ist das im Bezug auf das alleinige Leben auf der Erde gemeint oder generell unabhängig von anderen Systemen, dass sie sich quasi die Erde zu steril gemacht haben und von daher gegenüber Personen anderer Planeten als "labil" gelten?
Ich weiß jetzt nicht, ob ich mich verständlich genug ausgedrückt habe. Oder vielleicht mache ich mir auch wieder zu viele Gedanken.
Nein, du hast schon recht mit deinen Gedanken. Aber das kommt nach und nach in der Geschichte. Das wäre am Anfang zu viel Infodumb gewesen.
Sirrah kann ich noch nicht so richtig einschätzen, ob sie tatsächlich so kühl ist, wie sie tut, es nur Fassade gegenüber ihrer Ware ist oder nur Fassade speziell in Jasons Fall.
Es ist Absicht, dass sie erstmal schwer einzuschätzen ist. Aber ich denke, im nächsten Kapitel wird ihre Art schon etwas klarer.
Danke für die Kommentare. Die Anmerkungen werden wir bei einer Überarbeitung dann direkt einbauen.
So, ich mach mal weiter, dass es nach zwei Tagen nicht gleich wieder einschläft.
Die Welt drehte sich. Immer und immer schneller, während Sirrah seufzend an die Decke starrte. Aber bevor ihr noch schlecht wurde, hielt sie ihren Bürostuhl an, der ihr ferner als Karussell gedient hatte und schaute auf die Projektion der medizinischen Daten.
Sie hatte jedes der geplanten Crewmitglieder auf Herz und Nieren getestet. Sie waren gesund. Die Navigatorin war es, die Pilotin, ihre Leibwache sowieso und der Captain ebenfalls. Nur der Cyborg gab ihr zu denken. Als Ärztin war es ihr oberstes Ziel, Menschen zu helfen. Dies war nicht nur ein Beruf für sie. Es war ihre Berufung! Sie hatte die Akte des Piraten studiert, sie wusste, was ihm widerfahren war. Als junger Mann zerfetzte ihn ein Sprengsatz während des Unabhängigkeitskrieges auf dem Mars, und danach schien nicht nur seine militärische Laufbahn Geschichte gewesen zu sein.
„Ama, wie ist die jetzige Prognose für Patient 203?“, fragte sie ihren medizinischen Assistenten, der nichts anderes darstellte, als eine männliche Computerstimme, der mit ihrer Datenbank verbunden war.
„Patient 203 ... Berechne neue Prognose ... Anhand der Daten, die mir zusätzlich vorliegen, ist die derzeitige Prognose mittelmäßig gravierend. Es wird zu einer Wiederherstellung der Extremitäten geraten. Derzeitige Prothesen unzureichend. Die erhöhte Metallanreicherung in seinem Blut - und es ist mit einem Anstieg zu rechnen - wird in der Zukunft zu einem Totalversagen seiner Organe führen. Errechnete Lebenserwartung von Patient 203 betrifft achtunddreißig Jahre.“
Nachdenklich wischte sich Sirrah über ihren Mund. Mit so etwas hatte sie gerechnet. „Ama, simuliere Wiederherstellung!“
Auf der Projektion wurden Auge, Hand und Wirbelsäule durch neuartige Prothesen ersetzt. Er würde demnach ein Cyborg bleiben, aber die Technik von TI war wesentlich fortgeschrittener im Bereich der Wiederherstellung von Menschen als anderswo, sodass Mister Carlyle seine Arbeit als Mechaniker wieder normal nachgehen könnte. Er würde allgemein wieder normal leben können.
„Simulation abgeschlossen! Errechnete Lebenserwartung nach Wiederherstellung und medizinischer Betreuung von Patient 203 beträgt mindestens fünfundsiebzig Jahre.“
Es war also noch nicht zu spät für den ehemaligen Soldaten. Das erleichterte Sirrah ungemein. Denn somit musste sie ihm die Prothesen nicht sofort verpassen. Immerhin war er ein Pirat. Sie wollte nicht zu viel Vertrauen in diese Crew investieren, damit sie am Ende ohne dastand, nur weil sie zu voreilig handelte. Den Piraten direkt wiederherzustellen war zu riskant. Danach könnte er sich ohne das Geld aus dem Staub machen und sie brauchte jemanden, der das Schiff am Laufen hielt. Es handelte sich bei diesem um einen Prototyp, dem noch nicht alle Kinderkrankheiten ausgetrieben worden waren.
Es klingelte und die Ärztin verbarg durch eine Wischbewegung die Anzeige der Projektion, bevor sie den Türknopf betätigte.
Die Tür zu ihrem Büro ging auf und Mister Anderson trat ein. „Miss Sinclair, Ihr Kleid für die Stationseröffnung ist da. Die Stylisten wären dann auch soweit.“
Nickend nahm Sirrah diese Information hin. Sie hätte beinahe vergessen, dass an diesem Tag die neue Kinderstation eröffnet wurde. Zu viel ging ihr im Kopf herum, das nicht mit dem Komplex zu tun hatte.
„Vielen Dank“, ergänzte sie noch schnell, bevor Anderson wieder verschwand.
Lächelnd nickte der Mittdreißiger, dessen Familie weitreichend für TI und für die Talitheas selbst arbeitete. Zumindest hatte er das mal in der Cafeteria erwähnt. Sirrah war Smalltalk nicht gewohnt und auch nicht sonderlich gut darin. Was vermutlich daran lag, dass sie ihr halbes Leben mit Lernen und weniger mit Menschen verbracht hatte.
Bereit als Abteilungsleiterin der Erde entgegenzutreten, erhob sie sich, betrachtete die digitale Uhr an der weißen Wand und seufzte. Sie hatte noch drei Stunden Zeit, bevor die Reichsten der Reichen die Hallen von TI stürmen würden, um die Erneuerungen zu bestaunen. Einige der Gäste, die kommen wollten, hatten weitreichend in die neue Station investiert, also mussten sie gebührend empfangen werden. Sirrah vermutete aber, dass sie sich mehr für das Buffet interessieren würden, als für das medizinische Geplänkel. Nach dem offiziellen Empfang sollte es eine ausgelassene Feier geben, der auch für die Mitarbeiter von TI bestimmt war. Sie hoffte, dass sich all der Aufwand lohnen würde. Es war nicht alltäglich, die Empfangshalle in einen Festsaal zu verwandeln.
Die Ärztin verließ ihr Büro und kehrte an diesem Morgen in ihr Zimmer zurück, in dem ein aufgeregter Haufen von Marketingexperten wartete, der versuchte, ihr die wichtigsten Namen der Investoren einzubläuen. Unterdessen machten die besten Stylisten aus der jungen Frau ein Abbild der heiligen Jungfrau Maria. Perfektion war das Aushängeschild von TI, das wusste Sirrah. Nichts durfte schiefgehen, nichts wurde dem Zufall überlassen. So waren die sogenannten Experten – namenlose Fremde für sie – der Meinung, dass bei einer Kinderstation ein familiäres, aber perfektes Bild abgegeben werden musste. Deshalb stellten sie ihr Alec, ihren Bodyguard, als männliche Begleitung an die Seite. Da wäre er ohnehin gewesen, aber in einen feinen Anzug gehüllt, wirkte er wie ihre Kurzzeitaffäre und nicht wie ein Angestellter. Ein absurder Gedanke für sie, aber ein Nein ließen die Leute vom Marketing nicht gelten. Der Schein stand über der Wahrheit. Aber es würde ohnehin nur unangenehm werden, sollten die später anwesenden Reporter nach den eigenen Nachwuchsplänen von Sirrah fragen.
„Au ...“, stieß die Ärztin aus, nachdem ihr einer der Stylisten vor Eile beinahe den weißen Kajal ins Auge gesteckt hatte. „Warum hetzen sich alle so ab? Der Empfang beginnt erst in zwei Stunden.“
Keine Antwort kam von dem jungen Mann mit den bunten Haaren in seinem farbenfrohen Anzug. Er arbeitete einfach weiter.
„Familie Odessa hat das meiste Geld zum neuen Flügel hinzugesteuert, den Namen sollten Sie sich besonders gut merken. Der Großvater sitzt im Firmenrat von TI“, sprach jemand hinter ihr, der vom Marketing stammte.
„Üsch weiß ...“, antwortete Sirrah augenrollend, während man ihr den zartrosafarbenen Lippenstift aufmalte. Ratsmitglieder musste ihr nun wirklich niemand gesondert auftischen.
„Und Familie Pomer...“
„Ich weiß! Ich weiß das alles! Es ist mein Job, das zu wissen!“, wurde Sirrah ungehalten, nachdem die Herren um sie herum seit einer Stunde redeten und nichts Neues zu erläutern hatten. „Ich habe die Eröffnung von Anfang bis Ende ...“
„Den Lippenstift gerade etwas auf das Tuch drücken“, unterbrach sie der Stylist und Sirrah nahm das Tuch zwischen die Lippen und presste jene darauf.
„Ich meine ... das ist nicht meine erste Eröffnung. Dass der Firmenrat mir das immer noch nicht zutraut und mich ständig überwacht ist frustrierend.“
„Bitte nicht über die Stirn wischen, das Make-up und die Haare ...“, ermahnte sie der bunte Kanarienvogel vor ihr und unterbrach sie erneut, woraufhin sie ihn mit ihrem Blick wütend anfunkelte.
„Es geht hierbei um Millionen!“, erinnerte sie der ältere Herr im Anzug. „Der Firmenrat will nur sichergehen, dass Sie das Protokoll verinnerlicht haben.“
„Verinnerlicht?“, hinterfragte Sirrah und richtete sich etwas vom Kosmetikstuhl auf. „Ich habe es gefrühstückt und es ist mein Mittagessen!“
Reichlich unbefriedigend, wenn sie ihrem leeren Magen lauschte.
„Bereiten Ihnen die Herren Probleme?“, wollte urplötzlich Alec wissen, der beobachtend auf einem Sessel saß und sich dann erhob.
„Nein, nein, Alec, bleib ruhig sitzen“, antwortete die junge Frau und pfiff so ihren Wachhund zurück, der den Verstand eines KI-Welpen besaß. Was irgendwie auch ... passend war. „Setz dich einfach hin und seh hübsch aus. Das ist heute vollkommen ausreichend.“
Nickend setzte sich Alec wieder, der überaus attraktiv in seinem sündhaftteuren Anzug aussah. Sein braunes Haar war in Perfektion nach hinten frisiert und sein kurzer Bart auf den Millimeter genau getrimmt worden. Unter seinem engen weißen Hemd setzten sich seine Brustmuskeln ab, die wohl einigen Frauen feuchte Träume beschert hätten, aber ... seine Art von Mann war nicht für gutes Aussehen gemacht worden. Das war wohl mehr ein genetischer Nebeneffekt. Er war im Grunde dafür da, sich eine Kugel einzufangen, sollte jemand versuchen, Sirrah zu schaden. Und die junge Frau war zudem für seine optischen Reize unempfänglich. Immerhin fand sie eine Stehlampe auch nicht begehrenswert und sabberte ihr nach.
Nachdem ihr Haar perfekt hochgesteckt, ihre Schminke nachgebessert worden war, zog sie das silbern schimmernde Kleid an und verbarg ihre Tätowierung am linken Handgelenk unter einem breiten Diamantenarmband. Passend dazu reichten ihr die Stylisten eine enge, breite Kette, die sich wie eine zweite Haut um ihren Hals legte. Ein goldener Reif wurde ihr zusätzlich noch in die Frisur gearbeitet, der wie ein Heiligenschein aussah. Durch seine Farbe setzte er sich vollständig vom restlichen, in Silber gehaltenen Schmuck und Kleid ab. Das war wohl Absicht, da sie für die Eröffnung der Kinderstation als eine Art Schutzpatronin der neuen Erdenbewohner auftreten sollte. Ihr sollte es recht sein. Es war nicht das erste Ideal, dem sie entsprechen sollte.
Zudem liebte Sirrah es, solche Dinge zu tragen, aber es hätte ihr mehr zugesagt, nicht noch die Namen der Designer auswendig lernen zu müssen, die alles für diesen Anlass gesponsert hatten.
Porizell... Popozell... Sind das Nudeln? Warum können die keine einfachen Namen haben?
Sie lugte kurz auf die Visitenkarte und betrachtete ebenso noch einmal den Preis. Kurz überlegte sie, ob sie die Zusammenstellung, die sie trug, kaufen sollte, aber als ihr das Vorhaben der kommenden Wochen einfiel, verwarf sie den Gedanken wieder. Sie würden ohnehin in nächster Zeit nicht dazu kommen, edlen Schmuck und teure Kleider zu tragen, also wäre es eine unnötige Investition gewesen. Zudem war es wahrscheinlich nicht die beste Idee, teuren Schmuck auf einem Raumschiff voll Piraten zu tragen. Immerhin kosteten das Armband, die Kette und passenden Ohrringe zusammen mehr, als die reinen Dienstleistungen der gesamten Crew.
Gefühlt stand Sirrah noch eine ganze Weile da, während der Stylist nervös um sie herum sprang und jede Strähne mit Haarspray separat befestigte. Nichts sollte verrutschen! Zuletzt sprühte er ein zartschimmerndes Öl über ihren Oberkörper. Es hinterließ keinen schmierigen Film, aber der Stylist meinte, dass jeder, der sie anfasste, bemerken sollte, welch weiche Haut sie besaß. Sirrah rollte mit den Augen. Sie hoffte bloß, dadurch besser durch Menschenansammlungen zu flutschen. Das kurze Kopfkino daran ließ sie grinsen.
„Dann wären wir fertig!“, verkündete der Stylist und die Dame, die für das Kleid verantwortlich schien, richtete die beiden Schleppen. Jene begannen an den Trägern des Kleides an den Schultern und glitten ein ganzes Stück weit über den Boden.
„Ist das nicht alles etwas dick aufgetragen?“, hakte Sirrah nach, die das Gefühl bekam, sie besäße zwei hauchdünne Flügel. „I.. Ich mein nur so ein bisschen?“
„Angesichts der Eröffnung einer Station für designte Kinder, wurde das Bild der Jungfrau Maria vom Rat als sehr ansprechend empfunden. Immerhin werden die Kinder ohne Geschlechtsverkehr ... produziert“, antwortete der Mann vom Marketing, der sich seine Brille auf der Nase zurecht schob.
Sirrah nickte. „Ich verstehe das schon, nur ... Ich bekomme die Kinder ja nicht selbst. Ich überwache lediglich deren Entwicklung ... Zusammen mit einem Team.“ Sie grunzte etwas vor Lachen, als ihr etwas einfiel. „Sollte ich dann nicht lieber als Gott verkleidet hingehen?“
Der Herr vor ihr starte sie erbost an. „Unterlassen Sie es am besten, zu lachen“, konterte er trocken, und Sirrah war schon still.
Obwohl noch über eine Stunde Zeit war, sollte sie sich bereits in die Empfangshalle begeben, weil dort einige Reporter und Fotografen auf sie warteten, die vorab Fotos schießen wollten. Noch bevor sich unzählige Köpfe vor die Abteilungsleiterin schoben und reine Schnappschüsse zuließen. Erst danach sollten die Türen für die Gäste und weitreichenden Mitarbeiter geöffnet werden. Jeder durfte kommen und war geladen. Sirrah wusste, dass sie bereits die Sekunden zählte, bis das alles wieder ein Ende haben würde.