Casann - der erste Teil: Erweckung der Schwerter

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  • GANZ WICHTIGER HINWEIS vor dem Weiterlesen...

    Diese Chronik hat nichts (oder nur sehr wenig...) mit der Geschichte zu tun, die ich erzählen will. Der Stil der Chronik ist ein völlig anderer - ich wollte nur mal rausfinden, ob ich einen Text schreiben könnte, der so'n bißchen was Abgehobenes hat.

    Das gilt auch für den folgenden Prolog, der jedoch deutlich mehr Bezüge zur Erzählung enthält und auf den ich im weiteren Verlauf vielleicht auch mal zugreife - aber für beide gilt: Chronik wie Prolog sind nicht wirklich wichtig. Sie stehen dort nur, weil ich meine Geschichte so begonnen habe. Ohne sie hätte ich gar nicht erst damit angefangen...und damit haben sie ein Recht, hier zu Anfang zu stehen. >>>Die eigentliche Geschichte jedoch beginnt hier...<<<

    Kurze Chronik zur Geschichte der Westlande

    Das Wissen der Welt beginnt mit dem Ende des ersten großen Krieges, ein Ende für die Kulturen mancher Völker und ein Neubeginn für andere.
    Was davor geschah, ist verschwunden im Dunkel der Zeit.
    Unter Shaaras, dem Einer der Völker und ersten Hochkönig der Westlande begann der erste Zyklus der neuen Zeitrechnung. Durch den gerade erst überwundenen Schrecken des Krieges war das Bewußtsein der Völker gewachsen und Shaaras, der als ihr Warlord jene entscheidende Schlacht entschied, sorgte nun auch dafür, daß eine neue Ordnung der Dinge entstand aus dem Chaos des Krieges.
    Doch , wie es den Menschen eigen ist, schnell zu vergessen, verblasste die Erinnerung und die Allianz der Völker, aus Not geboren zerfiel, wenngleich die Achtung vor dem Hochkönig nicht geringer wurde.
    Shaaras starb im dreiundachtzigsten Jahr der neuen Zeit und Sharodin, sein erstgeborener Sohn, folgte dem Vater auf den Thron. Doch war es ihm nicht gegönnt, die Ziele Shaaras weiter zu verfolgen, denn mit dem Tode des ersten Hochkönigs sahen sich viele der Menschenvölker der Westlande ihrem Eid entbunden. Und andere Dinge durchzogen das Bewußtsein der Menschen, denen sie fortan ihre Aufmerksamkeit widmeten.
    Doch soll nicht vergessen werden zu erwähnen, daß nicht jeder Fürst so leichtfertig mit seiner Ehre spielte wie andere, die einmal mehr von der Gier nach Macht und Reichtum verblendet wurden.Viele erkannten nach wie vor die Rechtmäßigkeit des Hochkönigs an und blieben Sharodin so treu wie ehedem dem Vater.

    Shamal, der jüngere Bruder, erwarb hohen Ruhm und die unbedingte Loyalität seiner Krieger, als er die Angriffe unbekannter, dunkelhäutiger Horden an den Grenzen der Westlande zurückschlug. Stets als erster im Kampf, kannte er keine Furcht, nannte jeden tapferen Mann seinen Kameraden und teilte Gutes und Schlechtes mit ihm.
    Glaroyin schließlich hieß die Schwester der Söhne Shaaras. Sie nahm Waryd, den Fürsten Andalons zu ihrem Gemahl, wobei nicht mehr bekannt ist, ob dies allein ihrer Liebe geschuldet war oder ob nicht vielleicht auch ein gewisses Maß der Überlegung dahinter verborgen lag. Jedoch ist ersteres naheliegend, betrachtet man die weitere Geschichte der Westlande.

    Waryd und Glaroyin hatten zwei Söhne, Dhewyn und Andaryn. Es war nicht ihre Bestimmung, in Frieden zu den ehrenhaften Männern heranzureifen, als die man sie später kannte, denn noch vor Erreichen ihrer Mannbarkeit verloren sie den Vater, der, gerufen vom Hochkönig, zusammen mit Shamal im Kampf gegen eine neue Armee jener unbekannten Krieger starb, die öfter und in immer stärkeren Verbänden die Grenzen der Westlande verheerten.
    Der einzige Trost, der Mutter und Söhnen verblieb, war der Bericht über den Tod der beiden, die man auf dem Schlachtfeld tot, aber stehend fand, Rücken an Rücken gepresst und so den anderen mit dem eigenen Körper deckend, bis sie durch die schiere Übermacht ihrer Feinde den Tod fanden.
    Groß waren Trauer und Wut unter den aufrechten Männern der Westlande, aber groß auch ihr Stolz, als sie von solcher Ehrenhaftigkeit und Tapferkeit erfuhren, und die Geschichte wurde vom Vater auf den Sohn weitergegeben.


    Doch währte es nicht lange, bis machthungrige Männer des toten Königs die Macht für sich beanspruchten, ohne Rücksicht auf die jungen Söhne Waryds, denen der Thron rechtmäßig zustand. Und so kam es,daß Glaroyn und ihre Kinder in die endlosen Wälder Casanns entfliehen mußten, gejagt von Männern, denen ihr Lehnseid nicht mehr galt als ein Herbstblatt im Wind.

    Und wie Andalon wie ein Stück Aas von Chiefthains und kleinen Fürsten zerissen und in Stücke gehackt wurde, so verfiel mit dem Tod des Bruders auch die Macht und Autorität des Hochkönigs.
    Die noch vor wenigen Jahren friedlichen Westlande zerfielen wieder in ein Geflecht kleiner und kleinster Reiche, in denen jeder wider jeden stritt und eine Macht beanspruchte, die keinem rechtmäßig zustand.
    In dieser Zeit, die den Aufrechten (denn auch diese gab es noch) nicht minder entsetzlich schien als der große Krieg, in dem Logaroch, Manifestation des Bösen in der Welt, letztlich überwunden und von den Winden fortgeblasen wurde, griffen nun diejenigen wieder ins Rad der Geschichte, die ansonsten wenig im Sinn hatten mit den Menschen und deren Zwistigkeiten.

    Die Elven, seit Beginn der neuen Zeitrechnung in den Wäldern verborgen, nahmen sich den rechtmäßigen Herrschern Andalons an. An Orten,zu denen kein Mensch je Zutritt hätte außer auf Wunsch ihrer Bewohner, verbargen sie die Söhne Waryds und lehrten sie ihr Wissen. Niemand weiß genau, warum dies geschah, aber es wird vermutet, daß manche aus dem Volk der Waldbewohner Einblick hatten und noch immer haben in die Bücher der Zeit.
    So vergingen lange Jahre des sinnlosen Streitens und Mordens, ehe Dhewyn und Andaryn die Wälder wieder verliessen, um ihr Geburtsrecht einzufordern von denen, die sich und ihre Ehre verraten hatten um den Preis der Macht.
    Und niemand, der Verrat geübt hatte, vermochte den Brüdern zu widerstehen. Von den Elven wohlversehen mit den Schwertern Amendur, was Licht heißt und Algas, was Sturm bedeutet, hielten sie furchtbares Gericht über ihre Feinde.
    Wer aufrechten Herzens geblieben war in jener traurigen Zeit schloß sich jubelnd den beiden an, während die Ehrlosen versuchten, sich dem Licht zu verbergen und dem Sturm zu entziehen.

    Doch es wird berichtet, daß Dhewyn und Andaryn einem jeden auf den Grund seines Herzens zu blicken vermochten, die Lüge von der Wahrheit zu trennen. So gewannen sie zurück, was stets ihr Eigentum gewesen war.
    Aber, wie stets im Leben der Menschen, vermischen sich Glück und Gram.

    Glaroyin, Fürstin Andalons, kehrte niemals wieder zurück nach Endur, der Herrscherstadt. Untröstlich über den Verlust von Brüdern und Gatten und angeekelt von der Schlechtigkeit ihrer Rasse blieb sie bei den Waldbewohnern und nichts ist bekannt über ihr Ende. Manche sagen, daß sie noch immer dort ist, im Herzen von Casann, denn dort scheint die Zeit anders zu verstreichen als anderswo in der Welt.
    So war die Krone Andalons zurückgekehrt in die Hände des rechtmäßigen Königs und auch einen neuen Hochkönig gab es,denn das Sehnen der Völker nach Frieden hatte den Sohn Waryds erwählt. Doch war es nicht Dhewyn als der ältere, der sie trug. Auf die Königswürde verzichtend, hatte er Andaryn zum Herrscher bestimmt und sich mit wenig hundert Kriegern aufgemacht zu einer Reise über das östliche Meer, denn er wollte herauszufinden trachten, woher jene dunklen Horden gekommen und was ihr Ziel gewesen war.
    Doch ist uns nichts bekannt über den Ausgang seiner Fahrt, denn weder Dhewyn noch einer seiner Getreuen wurde je wieder gesehen in den Westlanden, noch weiß eine Zunge Kunde darüber zu geben, welches Schicksal ihnen geworden ist.

    Andaryn, einsam zurückbleibend auf dem Thron Andalons jedoch begründete eine Linie von Königen, die bis zum heutigen Tage niemals Ihre Würde und Ehrenhaftigkeit verloren hat. Er vermählte sich mit Amandil, Tochter des Thans von Dhyemont, der seit der Herrschaft Sharodins treu zum Hochkönig gestanden hatte.
    Und somit die Reiche wieder einend, begründete er auch die Geschichte Endurs als Hauptstadt der Westlande, der Stadt der Hochkönige bis zu unseren Tagen.

    Und doch, obwohl die Reiche wieder erblühten unter seiner Herrschaft, obwohl seiner Ehe die Zukunft entsproß und ein jeder jubelnd davon Kenntnis nahm, blieb der Hochkönig, was er gewesen war am Beginn seiner Herrschaft.
    Zu lange hatte er die Luft geatmet, die denen vorbehalten ist, die seit Urzeiten die Welt durchstreifen und zuviel von ihrem Wissen und des Verstehens um den Lauf der Zeit hatte Andaryn in sich aufgenommen.

    So mußte er zusehen, wie seine Gemahlin alt wurde und starb und wie selbst seine Söhne die weichen Züge der Kindheit gegen die scharfen Linien der Männer tauschten, ohne daß er selbst merklich gealtert schien. Kampfgefährten aus früheren Zeiten forderte die Zeit ein und schließlich zerbrach etwas in ihm. Der Krone entsagend, befahl Andaryn seinen ältesten Sohn Aydan auf den Thron. Dann kehrte er zurück in die Wälder Casanns, aus denen er einst hervorgebrochen war, einen Thron zu erobern, der jetzt schon lange nicht mehr der seine war.

    Niemand weiß sicher zu sagen, ob, und wenn wann, Andaryn starb, doch glauben auch heute noch manche, daß er einst zurückkehren wird, denn zu bestimmten Zeiten kann man in den Wäldern Lichter ziehen sehen, ähnlich einer Prozession. Und weiter sagt man, daß, wer den Mut habe, jenen unirdisch schönen Gesängen zu lauschen, die den Zug begleiten, er hören könne, wie sie den Namen Andaryns besingen, den Hochkönig, der Mensch war, aber vom Geist der Elven beseelt ist.

    Mit dem Heimgang Andaryns endet der zweite Zyklus in der Geschichte der Westlande.

    Aydan übernahm seines Vater's Erbe, aber seine Herrschaft stand unter keinem guten Stern. Nicht einmal fünf Jahre regierte er, dann brachte ihn eine Verschwörung um's Leben. Niemand anderes als sein eigener Bruder Megyas war unter den Verschwörern. Neidisch und selbst begehrlich nach Thron und Krone schielend, streute er mit eigener Hand den Tod in Aydans Becher.
    Doch brachte diese Tat, geboren aus Habsucht und Gier dem Brudermörder nicht die erhoffte Belohnung ein. Im Streit noch während des Krönungsbanketts erschlug ihn Lerigol, Clansherr der Thanner und selbst Mitglied der Verschwörung gegen Aydan.
    Und als verfolge ein nicht ausgesprochener Fluch die anderen Mittäter, mordeten sie sich gegenseitig, im Geheimen oder ganz offen, als hätte ein böser Traum diese sonst nüchtern denkenden Männer umfangen. Gerüchte nahmen sie als bare Münze, niemand gönnte dem anderen, was er selbst zu gewinnen hoffte und nackte Gier leuchtete aus ihren Blicken.

    Und über all diesen Greueln vergassen sie, das Eryndor, der jüngste Sohn König Andaryns, der rechtmäßige Erbe des Thrones war.

    Noch zu Lebzeiten des Vaters aufgebrochen zu einer Reise durch die Westlande im Bestreben, möglichst viele der Völker kennenzulernen und ihre Art zu leben zu verstehen war Eryndor seit mehr als drei Jahren nicht am Hofe des Vaters gewesen. Nachrichten von ihm waren mehr als spärlich geflossen und dieser Umstand schien es bewirkt zu haben, daß niemand ernsthaft mit einer Rückkehr des Thronfolgers gerechnet hatte.
    Aber Eryndor kehrte zurück. Ein hervorragender Kämpfer, dessen Geist stets nach neuem Wissen strebte und der die Jahre in der Fremde ausgezeichnet genutzt hatte, neue Erfahrungen den alten hinzuzufügen, erschien er den streitenden Lords von Endur wie ein böser Racheengel und wahrlich: seine Rache war furchtbar.
    Mit ihm zog ein Mann namens Shan-ab-Gol, ein Sohn Casthars aus dem Süden, dessen Schwert den Ruf hatte, der Schnelligkeit des Blitzes zu gleichen. Und mit diesem Schwert rettete er Eryndor vor der Hand des Thelas, der wie vor ihm viele andere Andalons Thron beanspruchte.

    Eryndor erhob Shan-ab-Gol zum Hofmarschall und dankte ihm seinen Dienst mit dem Rang des Warlords von Andalon und dieser Titel wurde auf ewig mit Shan-ab-Gols Geschlecht verbunden.
    Dann saß er zu Gericht über jene, die sein Haus verraten und sich gegen ihn gestellt hatten und befriedete für kurze Zeit die Westlande erneut.

    Doch im Gegensatz zu seinen Vorgängern legte der neue Hochkönig keinen Wert darauf, über die Geschicke der Völker der Westlande bestimmen zu wollen. Wissend um die Verschiedenartigkeit und das Wesen der Menschen gab er jedem Stamm das Recht, nach den ihm eigenen Regeln und Gesetzen zu leben, solange sich dies nicht zum Nachteil eines anderen Bundes auswirkte. Nur dann forderte er bedingungslosen Gehorsam aller, wenn es nötig wurde, sich unter einem Banner zusammenzuschließen.
    Und als sei dieses Wort Signal gewesen, dauerte es nicht einmal zwanzig Jahre, ehe sich erneut die Kräfte der Dunkelheit zusammenzuballen begannen, ihren unheilvollen Schatten auf die Ebenen und Berge der Westlande werfend.

    Eine neue Kraft erhob sich in den Steinwüsten Main-a-Godrhs. Erst waren es nur finstere Träume, welche die Menschen des Nachts zu plagen begannen. Aber dann verdichteten sich jene Traumgespinste, begannen sich in der Welt festzusetzen und zu manifestieren und wurden einmal mehr zu der wahren Finsternis, die sich in den Herzen einnistet. Und schließlich strömten sie aus Main-a-Godrh selbst herbei, fleischgewordene Nachtalben, Gespenster aus vergessener Zeit. In dichtgedrängten Heerhaufen zogen sie durch die Westlande und Verwüstung, Chaos und Tod zog mit ihnen.

    Und obgleich Eryndor, Hochkönig aller freien Völker der Westlande, sich ihrer Hilfe versichert sah, der Zwerge aus Ethlar und Thelor, der Elven Casanns, der Zauberer aller Länder, obgleich selbst von den Pelamar berichtet wird, jenem Volk, welches älter ist als die Elven, versanken die Westlande schließlich im Dunkel Arthandoths, der Logaroch auf den Schattenthron gefolgt war. Und damit nahte die Zeit des zweiten großen Krieges.

    Aus dieser finsteren Zeit ist nicht viel Wissen überliefert, doch ist bekannt, daß Eryndor Hilfe bei jenen fand, die ihm bereits einmal beigestanden hatten.
    Die alten Völker der Westlande hatten Wissen um das Kommende und obgleich sie darum wußten waren sie verdammt dazu zu warten, bis sich das Schicksal der Menschenvölker erfüllt hatte und das einzige Licht der Welt in den Wäldern Casanns zu finden war. Denn auch wußten sie um die Macht, die ihnen gegenüberstand und daß nur die Einheit der Freien und derer, die voll Hoffnung waren, den Schrecken ein Ende würde bereiten können.

    Und so warteten sie in Ungeduld und brachten die Opfer, bis sich das Rad der Zeit an den Punkt drehen würde, der eine Wende brachte...

    Hier enden die Chroniken.

  • Prolog

    Zu der Zeit, als der Hammer Arnag auf Sisha, das grosse Prisma niederfuhr und zerschlug, was nicht zerschlagen werden durfte, waren die Wälder Casanns nahezu so groß wie die Westlande selbst.

    Doch mit dem Verlust des Prismas, Konzentration der Kräfte des Lichtes und der Macht des Lichtes selbst verlor auch Casann viel seiner früheren Stärke und die Dunkelheit Arthandoths senkte sich über die Wälder und darüber hinaus.

    Doch Gayed war es, der in den vergehenden Überresten Arnags die Bruchstücke dessen fand, was den Völkern ohne ihr Wissen Hoffnung, Zuversicht und Kraft gegeben hatte. Und er nahm sie und verbarg sie vor den finsteren Augen Arthandoths.

    Seine Gaben nutzend, schmiedete er drei Schwerter: Arthyer, Sicranon und Valderiar, in welche er die drei großen Bruchstücke des Prismas einarbeitete. An Arthyer gab er das Stück mit dunkelroter Farbe, Sicranon erhielt den tiefblauen Teil und Veldar letztlich die goldgelbe Gemme des vergangenen Prismas.

    Wissend, daß die Macht der Dunkelheit alles daran setzen würde, sich der Schwerter zu bemächtigen, zögerte Gayed nicht, all seine Kräfte, sein eigenes Selbst gar, in die Splitter zu versenken, die verbliebene Kraft Sishas damit stärkend und sichernd. Und seinem Zauber gemäß würden nur diejenigen, welche die restlichen drei Splitter des Prismas trugen und tragen konnten in der Lage sein, die drei Klingen des Lichtes zu führen. Dann verging Gayed und mit ihm entzogen sich die drei Schwerter dem Angesicht der Westlande.

    Es dauerte lange Zeit, ehe das Licht wiedererstarkte, der Dunkelheit zum Trotz. Aber doch, mancher wünschte sich, daß die dunklen Schatten nicht verdrängt worden wären, denn schwarze Baumstämme und verdorrtes Buschwerk zeugten allerorten vom schaurigen Gesicht Arthandoths. Wenig nutzte das Licht der beiden Sonnen, wenig die von ihnen gespendete Wärme,um deutlich zu machen, daß das Angesicht der Westlande grausam und unwiderruflich verändert worden war.

    Und doch, die Zeit zog mit der ihr eigenen unerbittlichen Gnädigkeit über das Land und neues Leben erwuchs aus den weiten Ebenen, die die Wälder Casanns umschlossen. Und im gleichen Maße, in dem sich die Völker einmal mehr ausbreiteten in den Westlanden und neue Reiche gründeten, Kriege führten und die kurzen Leben der Menschen lebten, im gleichen Maße verschwand auch das Wissen um Arnag, Sisha und Arthandoth, wurde zurückgedrängt ins Land der Legenden und Erzählungen der Menschen.
    Nur in den Wäldern Casanns, wo diejenigen lebten, die nicht vergessen konnten, wie auch in den Herzen jener, die nicht vergessen wollten, blieb das Wissen erhalten, statt zur Legende zu werden.
    Und so schien es schließlich als wäre der Hammer nie auf das Prisma gefahren, als wären beide nur Trugbild. Denn mit dem wiedererstarken des Lichtes in der Welt waren auch die Geschöpfe des Dunklen in ihre Heimstätten zurückgekehrt, als ob es sie niemals gegeben hätte.


    Nur manchmal war es, daß Menschen sich fragten, wer die unbekannten Horden waren, die in die Kriege und Schlachten der Völker der Westlande eingriffen, mal dieser, mal jener Seite zum Siege helfend, niemals Dank erwartend und immer verschwunden, wenn das Blatt sich nach ihren Wünschen gewendet hatte.
    Nur jene, die nicht vergessen hatten, wußten, woher die fremden Streiter gekommen waren und Furcht zog in ihre Herzen.
    Und doch, auch aus dieser neuerlichen Finsternis ihrer Furcht erwuchs ihnen ein Keim der Hoffnung. Hoffnung, daß eine erneute Veränderung im Schicksal der Westlande aus der Legende wieder eine Prophezeiung erwachsen und aus der Prophezeihung schließlich Wahrheit werden könne...

  • I. Sicranon

    Die ausgedehnte Hügellandschaft, welche die ersten Ausläufer der Wälder von Casann mit der unsichtbaren Grenze Elamars verband, lag still im Licht der scheidenden Sonnen. Ein leichter Nebel hob sich aus dem feuchten Gras und gab den Anhöhen ein unwirkliches Aussehen. Die Stimmen der Tiere des Waldes waren verstummt, mit Ausnahme einiger Vögel, die ihr Abendlied sangen.
    Doch auch diese Lieder verstumten abrupt, als sich die Gestalt eines Mannes über eine Hügelkuppe arbeitete. Mühsam Atem schöpfend verhielt er für einen Moment auf der Spitze, ohne des friedvollen Anblicks gewahr zu werden. Statt dessen krümmte er sich, wie von einem plötzlichen Schmerz gepackt zusammen, die Finger in die Schlaufen eines Lederbandes um seinen Hals verkrampft, an dem ein kleines Amulett baumelte.

    Keuchend stieß Esthan die Luft aus, stützte dabei seine Hände auf den Knien und richtete sich langsam wieder auf. Er suchte die Landschaft ab, versuchte, mit den Augen den dichter werdenden Nebel zu durchdringen der langsam empor stieg und wischte sich erschöpft den Schweiss von der Stirn. Seine langen weissblonden Haare, zwischen denen zwei spitze Ohren hervorlugten, hingen ihm naß und wirr um den Kopf. Mit einer unwilligen Handbewegung fegte der Elv sich einige der Strähnen aus dem Gesicht und fragte sich gleichzeitig, wo er eigentlich noch die Kraft hernahm zu solch überflüssigem Tun. Seit Stunden war er nun schon unterwegs und hätte das Amulett längst weitergeben müssen. Wie ein zentnerschwerer Stein baumelte es an seinem Hals, nicht größer als eine Nuß. Und doch entzog es ihm stetig und unbarmherzig seine Kraft, denn rechtmäßiger Träger des Amuletts war nicht er, sondern ein anderer.

    Erneut zuckte der Elv zusammen, als er den machtvollen Sog des Talismanes spürte. Wo blieb nur Neran?
    Hatten sie sich etwa verfehlt? Esthan vermochte nicht zu glauben, daß die Sinne seines Stammesbruders auch nur annähernd so trübe waren wie gerade seine eigenen. Unter dem Einfluß des Amuletts wurde so manches Trugbild schaurige Wirklichkeit.
    Er spürte, wie seine Kräfte immer mehr schwanden. Lange würde er nicht mehr in der Lage sein, den Anhänger seiner Bestimmung zuzuführen. Gerade die Ausläufer Casanns hatte er erst erreicht. Bis in's Herz der Wälder war noch ein weiter Weg zu gehen, ein Weg, der ihm nicht mehr bestimmt war, entledigte er sich nicht schnellstens seiner Bürde
    Esthan verbot sich jeden weiteren Gedanken in dieser Richtung. Zu keiner Zeit konnte die Rede davon sein, daß er seiner Aufgabe untreu wurde. Zu wichtig war dieser Talisman, als daß sein Leben dagegen auch nur den geringsten Wert besaß. War es seine Bestimmung zu sterben, ehe er Selandar erreichte, dann würde dies geschehen. Der Elv holte mehrmals tief Luft und zwang dann seine Beine dazu, sich wieder in Bewegung zu setzen.
    Mühselig ging er auf die ersten der großen Bäume zu, die sich vor ihm aus dem dichter erdenden Nebel erhoben, stockte jedoch, ehe er sie ganz erreicht hatte. Ohne auch nur da geringste sehen zu können, spürte er vor sich den Hauch einer Bewegung, die von keinem Tier stammen konnte. Esthan drehte den Kopf hin und her. Mochte es Neran sein?

    Nein, das waren mindestens zwei Wesen im Nebel vor ihm und...

    ...dann, wie ein Schlag vor die Brust traf den Elven eine Woge von Hass und schwarzer Dunkelheit.
    Pfeifend entfuhr ihm die Luft, er mußte husten, während ihm der Schweiß von der Stirn in die Augen rann und ihm die Sicht trübte.
    Aus dem wabernden Nebel lösten sich drei Gestalten, dunkle Schemen nur, die zwar nicht direkt auf ihn zu liefen, aber seinen Weg doch nahe genug kreuzten, um ihn bemerken zu müssen. Ihr Gang war aufrecht, aber ihre Bewegung nicht die von Menschen.

    Esthan hatte den ersten Pfeil schon auf der Sehne, noch ehe der erste erstaunte Ausruf seiner Gegenüber durch die abendliche Stille zu ihm drang. Und all seiner Schäche zum Trotz sandte er das Geschoß mit der gleichen todbringenden Sicherheit, mit der er Zeit seines Lebens den Bogen geführt hat, der ersten dunklen Gestalt ins Auge.
    Und als die anderen beiden den winzigen Moment der Überraschung überwunden hatten, ihre Scherter zückten und auf ihn zurannten, befand sich der zweite Pfeil auf des Elven Sehne und suchte und fand sein Ziel. Der schnelle Lauf des heranstürmenden Kriegers verstärkte die Wucht des Einschlags noch, so daß der Pfeil durch den Harnisch fuhr und am Rücken wieder heraustrat. Jeoch trug der Schwung den tödlich Getroffenen noch nahe genug an den Elven heran, um einen letzten Hieb mit seinem Schwert zu führen.
    Esthan schrie, als ihm das unreine Metall in die Schulter fuhr, ihm den Arm lähmte und das Blut zu fliessen begann. Unfähig, zum dritten Mal den Bogen zu spannen, ließ er sich auf die Seite fallen, dem Angriff des dritten Kriegers nur knapp entgehend. Er konnte die Klinge fauchen hören, die an seinem Hals vorbeifuhr.
    Esthan drückte sich auf ein Knie hoch und suchte, halbblind vor Erschöpfung, Schweiß und Schmerz nach dem Kurzschwert an seiner Seite. Halb hatte der Elv es aus der Scheide gebracht, als das bösartige Fauchen erneut die Luft des Abends durchschnitt und er den Biß der gegnerischen Klinge fühlte. Als die Schneide sich tief in seine Seite grub, wußte der Elv, daß er nicht mehr lebend von diesem Ort entkommen würde. Seine Hand umschloß das Amulett.
    Es durfte nicht sein, daß alles vergebens gewesen war. Wozu all die Anstrengungen, wenn er jetzt und hier einfach niedergemetzelt wurde?
    Er fühlte, wie ihn auch die letzte Kraft zu verlassen drohte und zwang sich mit einer verzweifelten Anstrengung zurück auf die Beine.Schweißtropfen bissen ihm in die Augen und undeutlich wuchs vor ihm die Gestalt seines Gegners auf, konnte er den wilden, gurgelnden Kampfschrei hören. Entsetzlich langsam schien dem Elven seine Bewegung, mit der er dem schwarzen Schatten vor sich das Schwert entgegenstreckte, beide Hände um den Griff gekrallt.
    Dann fühlte er den plötzlichen Ruck in den Schultern, als sein Gegner, des Sieges zu sicher, direkt in die Klinge rannte, hörte den erstaunten Ruf des Sterbenden über sich und ließ das Heft der Waffe fahren. Kraftlos fiel Esthan ins Gras und für kurze Zeit wurde ihm schwarz vor Augen.
    Dann klärte sich der Blick des Elven zum letzten Mal in seinem Leben und richtete sich in den dämmerigen Himmel. Mit ihm unbekannter Genauigkeit vermochte er jeden noch so unbedeutenden Lichtschimmer entdecken, der sich je auf den Weg gemacht hatte, über den Westlanden zu erscheinen. Esthan fühlte das Blut, welches warm an seiner Seite herabrann und sich einen Weg durch sein zerissenes Hemd suchte.Und er wußte,daß er nicht lange mehr hier liegen würde, kraftlos und voller Schmerzen.

    Ein einzelner Strahl der Abendsonnen fiel durch den Dunstschleier auf die einsame Gestalt und ein sanftes Lächeln überzog das Gesicht des sterbenden Elven.
    "All meine Kraft für dich", sagte Esthan. Dann erlosch der Schimmer in seinen Augen und sein Körper erschlaffte, ohne daß sich seine Finger von dem Amulett lösten, das um seinen Hals hing.


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  • Lieber Der Wanderer

    Die Vorgeschichte und den Prolog habe ich übersprungen. Das lag an der Formatierung und weil ich dies auch bei Büchern häufig so mache. So eine Angewohnheit von mir bei epischer Fantasy.

    Ich starte lieber direkt mit der Geschichte ohne die wortreichen Erklärungen vorab.

    Den Anfang des ersten Kapitels finde ich wirklich gut gemacht. Sprachlich sehr sicher und so wie ich es mag. Ein wenig Robert Jordan Feeling kommt da rüber.

    Es ist stimmungsvoll und wird dann direkt spannend. Wer das Amulett wohl finden wird?

  • Heyho Sensenbach

    das mit den Einleitungen kann ich gut verstehen - und in meinem Fall war's auch gar nicht verkehrt. Die "Kurze Chronik..." ist mir irgendwann einfach so eingefallen und ich dachte so ein wenig Pathos könnte vielleicht nix schaden. Was ich da erzählt habe hat aber wenig mit der eigentlichen Geschichte zu tun.

    Der Prolog ist da schon etwas näher dran...ich hoffe, im Verlauf vielleicht einige Male drauf Bezug nehmen zu können. Da muß ich aber erst noch einige Stränge der Handlung zusammenführen...

    Danke schön.

  • II.


    "Heda, Rann, fass mal eben mit zu!" rief Doren zu seinem Sohn herüber, der gerade treffsicher mit seiner Axt einen Baumstamm von seinen Ästen befreite. Auf den Ruf hin sah der Junge von seiner Arbeit auf.

    Doren kam aus dem Buschwerk gestampft, auf den Schultern einen dicken Stamm, dessen Ende hinter dem Köhler eine tiefe Furche in den weichen Waldboden grub. Sein Gesicht war vor Anstrengung gerötet.

    "Verflucht nochmal, ist das ein schweres Ding!" presste er zwischen den Zähnen hervor, während Rann rasch die Axt in den Stamm schlug und zu ihm herübereilte.

    "Du solltest nicht alleine solche Stämme heben,Vater," sagte er und lud sich das herabhängende Baumstück auf die Schulter.

    "Denk an Aldurs Worte."

    Sie gingen auf die Stelle neben dem großen Meiler zu, an der bereits eine Unmenge zugeschlagenen Holzes darauf wartete, zu Kohle verarbeitet zu werden und entledigten sich ihrer Last.

    Doren richtete sich langsam auf und rieb sich vorsichtig mit der Hand über die schmerzendeSchulter.

    "Seit ich als Köhler arbeite, habe ich die Bäume auf diese Art und Weise transportiert, Rann," sagte er in seiner bedächtigen Art. "Und ich sehe wirklich keinen Grund, warum ich das auf einmal ändern sollte."

    Er verzog das Gesicht, als seine Finger eine besonders wunde Stelle ertasteten.

    "Aldur ist ein weiser Mann," sagte Rann etwas lahm, dem auf die wahren Worte seines Vaters keine bessere Antwort einfallen wollte.

    Doren zuckte die Schultern.

    "Mag sein, daß er weise ist und ein Zauberer noch dazu. Aber die Schmieden, die unsere Kohlen brauchen, haben von seinen weisen Worten nichts."

    Er verzog den Mund zu einem Grinsen.

    "Wenn Aldur jedoch einen Zauber wüßte, mit dem die Bäume alleine zu unserem Meiler kommen, dann wäre das in der Tat etwas anderes.“

    Der Köhler reckte sich in einem vergeblichen Versuch, die Muskeln im Rücken zu entspannen, während Rann hinter ihm das Gesicht mißbilligend verzog. Zwar war sein Vater niemals unerehrbietig gegenüber dem Magier, aber sein versteckter Spott hinterließ bei Rann einen Stachel, der ihm in's Fleisch stach.

    Denn vieles, was ihm niemand erklären konnte oder wollte hatte er von Aldur erfahren. Und auch Rheadr, der Schüler des alten Magiers und sein bester Freund in den Wäldern, hatte ihm vieles erzählen können über den Aufbau der Welt im großen wie im kleinen.

    Über die allumschließende Kraft des Lichtes zum Beispiel, welche Menschen, Elven und allen anderen freien Lebewesen innewohnte. Über ihre Geheimnisse und die Möglichkeiten, sich ihrer zu bedienen. Und auch darüber, wie man diese Kraft bewahren oder verspielen konnte.

    'Wer es nicht versteht, sich die ihn umgebenden Kräfte nutzbar zu machen, der muß die ihm innewohnende Kraft gut einzuteilen wissen,' hatte Aldur ihm einmal gesagt.

    'Es sei denn,die Gebrechen frühen Alters sind ihm einerlei.'

    Das sein Vater seine Kraft frühzeitig und dauerhaft auf's Spiel setzte, war an jeder der zahlreichen Falten im bärtigen, geröteten Gesicht des Köhlers abzulesen. Und Rann erinnerte sich, daß es dem Vater eines Abends nur mit Mühen gelungen war, den Becher an die Lippen zu heben, nachdem er über zwanzig Bäume gefällt und zum Brennen vorbereitet hatte.

    Und doch vermied es Rann, weiter über dieses Thema mit dem Vater zu reden. Den Sinn dieses bodenständigen und und seiner Arbeit verhafteten Mannes zu wenden, war Aufgabe eines anderen, der bessere Argumente hatte. So beschränkte er sich darauf, Doren mit seiner eigenen Kraft nach Möglichkeit zur Seite zu stehen.

    Der Köhler warf einen Blick auf die herumliegenden Stämme und nickte zufrieden.

    "Gut," sagte er, "zusammen mit diesem Stamm wird das Holz für heute reichen."

    Doren sah seinen Sohn an.

    "Was mich betrifft, so brauche ich dich im Augenblick nicht mehr. Das hier kleinzumachen, schaffe ich schon allein. Und ausserdem," zwinkerte er Rann verschwörerisch zu," außerdem glaube ich, daß du jetzt viel lieber woanders wärst, nicht wahr?"

    Der Köhler grinste, als Rann das Blut in die Wangen schoß.

    Zu einem der Dinge, die Rann nicht verstand, gehörte die Fähigkeit seines Vaters, förmlich zu spüren, womit er oder ein anderer sich beschäftigte. Und tatsächlich hatte er gerade fragen wollen, wie lange ihn der Vater noch benötigte, denn er hatte sich mit Rheadr am See verabredet.

    Doren wartete nicht auf eine Antwort, sondern spuckte in die Hände und griff nach der Axt. Kraftvoll sauste die scharfe Klinge auf den Stamm herab.

    Rann wandte sich um und tauchte im Schatten der Bäume unter, verschmolz mit den Schemen des Waldes, während die Axtschläge langsam hinter ihm verhallten.

    Nur wenige Minuten brauchte er, um an den kleinen Waldsee zu gelangen, der ihm und Rheadr seit Beginn ihrer Freundschaft als Treffpunkt diente.

    Es war ein Ort, der ihn verzauberte, stets auf's Neue. Obgleich ihn die Entdeckung dieses Ortes um ein Haar das Leben gekostet hätte.

    Denn wenn man sich dem See von Westen her näherte, kündigte nur die Spitze eines Felsens, die den Waldboden zu durchbohren schien, von einer Veränderung der Landschaft. Im letzten Augenblich war es Rann damals gelungen, das Gleichgewicht zu bewahren, als er die zwei Meter hohe Felsnase erklomm, nur um feststellen zu müssen, das knapp dahinter das Gelände senkrecht abfiel. Befand man sich aber auf der gegenüberliegenden Seite de Felsens,so sah man folgendes:

    Ein rauher Steinriese ragte zwischen den alten Bäumen empor, sich leicht nach vorne neigend und so ein natürliches Sprungbrett formend, von dem aus man gut acht Meter tief in die stillen, dunkel glitzernden Fluten springen konnte. Das Wasser des Sees war tief, tiefer als jedes Licht der beiden Sonnen reichte. Aber das Glitzern ihrer Strahlen schien vom Wasser noch heller widergegeben zu werden, als es hineinfiel. Irgendwann einmal war einer der alten Baumriesen umgestürzt, hatte sich am Felsen zerschlagen und sich mit dem oberen Ende tief in den Schlamm des Grundes eingegraben, den Rann und Rheadr schon oft versucht hatten zu erreichen, jedesmal ohne Erfolg.

    Ein geheimnisvoller Ort, an dem Stimmen zu raunen schienen, wenn man die Augen schloß und nichts zu hören war außer dem Summen der Insekten und dem Ruf der Vögel, die hier ihr Revier kennzeichneten. Von allen Seiten von dichtem Buschwerk umstanden, wich der Wald nur am östlichen Ufer weit genug vom Wasser zurück, um einer kleinen Grasfläche Raum zu lassen, auf der man nach dem Baden herrlich im Sonnenschein dösen konnte.

    Rann spähte durch eine Lücke im Blätterdach zu den beiden Sonnen hinauf. Wenn er ihren Stand richtig einschätzte, war Rheadr bereits am See angekommen und er beschloß, dem Freund einen Streich zu spielen.

    Leise schlich er sich an die Felspitze heran, zog sich hoch und spähte nach unten.

    Und richtig:

    Unter ihm saß Rheadr im Gras, drehte einen Zweig in der Hand und blickte sich von Zeit zu Zeit nach der Richtung um, aus der er Rann vermutete.

    Ein Grinsen flog über Rann's Gesicht, als er sich ganz auf die Felsnase zog, einen wilden Kriegsschrei von sich gab und sich geschmeidig vom Felsen abstieß.

    Noch während Rheadr erschreckt aufsprang schlug dicht neben ihm auch schon Rann's zusammengerollter Körper in's Wasser. Ohne auch nur die Zeit gefunden zu haben, einen Satz nach hinten zu tun, wurde Rheadr von einem Schwall Wasser überschüttet, der ihn völlig durchnässte.

    Rann spuckte auftauchend einen Schwall Wasser aus. „Einen wunderschönen Tag wünsche ich, mein Freund!“ rief er und trat Wasser.

    Rheadr stand einen Moment bewegungslos da, während das Wasser an ihm heruntertroff.

    "Verflucht seien deine schäbigen Tricks!" stieß er endlich hervor und schüttelte sich wie ein Hund. "Das war mein letztes reines Gewand!"

    Dasselbe dann in Windeseile über den Kopf streifend, sprang er gleichfalls in's Wasser und drückte dem Freund den Kopf unter die Oberfläche. Jetzt war er es, der lachte.

    "Laß dir das eine Lehre sein, daß man einen Zauberer nicht ungestraft naßmacht, du Köhlergehilfe," sagte er.

    "Dafür müßte ja erst einmal ein Zauberer hier sein, Kräuterkrämer," kam es von Rann zurück.

    "Ich werde dir schon zeigen, wer hier der Kräuterkrämer ist, Waldschrat!"

    Rheadr schwamm, so schnell es ging, hinter dem Freund her, der seinerseits das Weite suchte. So jagten sie sich eine Zeitlang durch's Wasser, der eine den anderen dabei als Grottengnom, Baumkriecher und anderes mehr beschimpfend. Schließlich legten sie sich friedlich nebeneinander auf die kleine Lichtung, müde von der Anstrengung und genossen die Wärme der beuden Sonnen auf ihrer Haut, die langsam das Wasser trockneten.

    Schließlich setzte Rheadr sich auf.

    "Schau mal," sagte er. "Aldur hat mich in die Kraft des Feuers eingewiesen."

    Er hielt Rann die Hand vor's Gesicht und schloß die Augen. Seine Züge nahmen einen konzentrierten Ausdruck an, während Rann aufmerksam die Handfläche des Freundes betrachtete.

    Zuerst war da nichts zu sehen, aber nach wenigen Sekunden erschien ein Glimmen in Rheadr's Handmulde. Dessen Intensität nahm mehr und mehr zu, bis sich eine sanft gelb leuchtende Flamme in der Hand des Zauberschülers manifestierte, deren Helligkeit stetig zunahm. Gebannt betrachtete Rann die Erscheinung. Rheadr strich mit der anderen Hand über die Flamme und das Licht wurde blau. Eine neue Handbewegung ließ es rot scheinen und dann schlossen sich Rheadr's Finger um das Licht. Als er die Hand wieder öffnete, war die Flammenzunge verschwunden.

    Rann zwinkerte.

    "Wie hast du das gemacht?" fragte er, begeistert über das gerade Gesehene.

    Rheadr zuckte nur mit den Schultern.

    "Ich bin mir nicht sicher," entgegnete er. "Ich konzentriere mich lediglich darauf, eine Flamme in meiner Hand Gestalt werden zu lassen. Woher sie dann aber tatsächlich kommt...?"

    Mit einem erneuten Schulterzucken ließ er die Frage unbeantwortet.

    "Aber das ergibt doch keinen Sinn," sagte Rann stirnrunzelnd. "Aldur hat doch selbst gesagt, daß nichts ohne Grund geschieht. Zumindest er muß doch wissen, wodurch du die Flamme in deine Hand zwingst."

    Rheadr schüttelte den Kopf.

    "So einfach ist das nicht. Aldur hat gesagt ,daß kein Zauberer eigentlich genau weiß, was ihn befähigt, magische Dinge zu tun." Einen Augenblick zögerte Rheadr. "Ich denke, es hat etwas mit den 'verschiedenen Dingen' zu tun, von denen er oft spricht und die zusammengesehen erst wieder etwas Neues, anderes erschaffen können."

    Rann sah den Freund verständnislos an. Rheadr bemühte sich,die richtigen Worte zu finden.

    "Schau mal,es ist doch so: Wenn du dir eine Flamme in deiner Hand vorstellen würdest, dann würde trotzdem keine entstehen,oder?"

    Rann nickte beipflichtend.

    Also,"fuhr Rheadr eifrig fort, "muß es noch mehr geben, was dazu nötig ist. Meine magische Begabung, die Aldur gespürt hat zum Beispiel."

    Rheadr hielt einen Augenblick inne.

    "Und seine Schulung natürlich," fügte er dann hinzu. Der Blick des Zauberschülers verlor sich für Sekunden im Geäst der Bäume. Rann begann, mit einem Ast wirre Muster in die Erde zu ritzen, was er immer tat, wenn er über etwas nachdachte.

    "Verschiedene Dinge, die zusammenkommen," brummte er. "Verschiedene Dinge, die etwas Neues erschaffen könnnen, hm."

    Er sah zu Rheadr hinüber, dessen Atmung sich von einem Moment zum nächsten verändert hatte. Der Blick des Freundes war leer und starr geworden, gerichtet auf einen Punkt, den nur Rheadr sehen konnte. Einen Augenblick später kehrte das Leuchten in seine Augen zurück.

    "Aldur hat gerufen," stellte er fest und streifte sich sein getrocknetes Gewand über den Kopf. "Ich muß zurück."

    "Kann ich mitkommen?" fragte Rann, der keine große Lust verspürte, bereits jetzt nach Hause zu gehen oder alleine ziellos durch den Wald zu streifen.

    Rheadr machte eine unbestimmte Geste und klopfte sich einige Grashalme aus dem Hemd.

    "Warum nicht," sagte er. "Aldur ließ mich nur wissen, daß er mich nötig hat. Das kann alles und gar nichts bedeuten."

    "Dann komme ich also mit," sagte Rann und streckte die Glieder.

    "Wenn er mich nicht dort haben will, kann ich ja noch immer zurückgehen."

    Damit verließen die beiden die Lichtung und nur einige wippende Zweige zeugten davon, daß jemand auf der Lichtung verweilt hatte.

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  • Lieber Der Wanderer

    ich hab' mir jetzt mal die Chronik und den Prolog zu Gemuete gefuehrt, aber anders als bei Deiner Lovecraft-themed Geschichte ueberzeugt mich das bisher leider nicht (aber erstaunlich wie variabel Dein Schreibstil ist!)

    ich vermisse hier den persoenlichen Touch - das was Deine Geschichte besonders macht - in diesen Abschnitten. Ich erkenne viele Versatzstuecke aus der High Fantasy (das personifizierte Boese, der Hochkoenig der Menschen, Dummheit und der Zerfall des Reichs in Einzelteile, Verschwoerung, flucht zu den Elben, der Retter wird bei den Elben ausgebildet,...) - bei den meisten koennte man das sogar Themen bei Tolkien zuordnen. So eine Chronik waere eigentlich die Chance einen ersten Blick darauf zu geben wie Deine Welt sich von den vielen anderen die es in diesem Genre gibt unterscheidet.

    Es ist dann auch in einem nuechternen Chronik-Tonfall geschrieben der es mir schwer macht in die Geschichte einzutauchen - viele Namen und Ereignisse, aber es bleibt alles blass - wie ich mir das Koenigreich nun vorstelle, was fuer Bilder ich mir mache, das bleibt immer noch offen.

    Fuer einen Leser wie mich der viel auf die Stimmung einer Situation gibt und originelle Ideen zu schaetzen weiss ist das in der Kombination so leider recht zaeh zu lesen.:(

    Nachdem ich aber weiss dass Du Stimmung kannst werde ich mir nachher mal den eigentlichen Haupttext ansehen und schaun wie es da weiter geht.

  • Heyho lieber Thorsten ,

    wie ich schon weiter oben Sensenbach zu erklären versuchte:

    Die "Chroniken" waren der Ursprung des Ganzen - die habe ich geschrieben, ohne irgend eine Idee der Geschichte zu haben.

    Der "Prolog" - da war ich schon dichter dran an der Idee.

    Und dann habe ich mich eigentlich gar nicht mehr um das gekümmert, was ich da vorher aufgeschrieben habe, sondern einfach losgelegt.

    Vielleicht sollte man Prologe erst schreiben, wenn eine Geschichte mal fertig ist...aber als ich damit anfing, wußte ich's eben noch nicht besser.;)

    Jedenfalls meinen Dank für Deine Kritik - vielleicht kann ich Dich ja im weiteren Verlauf noch packen.8)

    Burk

  • Aldur spürte die Präsenz der beiden Jungen lange, ehe sie auf dem uralten Pfad auftauchten, der sich durch diesen Teil Casann's schlängelte wie ein endloser Lindwurm. Vorbei an dem von einem schmalen Turm gekrönten Haus des Zauberers führte er, herum um den kleinen Teich und dann weiter auf den Rand der Lichtung zu, mitten durch den mühsam angelegten Garten hindurch und letztlich wieder im ewigen Dämmer des Waldes verschwindend, aus dem er gekommen war.

    Das schmale Gesicht des Zauberers verzog sich in einem leichten Lächeln, als die beiden Jungen, scheinbar in eine Diskussion vertieft, aus dem Wald hervorkamen.

    'Ein ausgezeichnetes Gespann' dachte Aldur. Jeder dem anderen eine Ergänzung. Rann als der ungestümere und kraftvolle Teil, der durch Rheadrs Ruhe und Ernsthaftigkeit ergänzt wurde. Beide begabt mit einem hellen Geist, so daß der eine tun könnte, was dem anderen versagt war. Und beide noch Jungen und, viel wichtiger: Freunde.

    Der Zauberer verschwand im Dämmerlicht seiner Behausung und beeilte sich, etwas zum Essen auf den Tisch zu bringen. Aus langer Erfahrung wußte er, was ein hungriger junger Mann verdrücken konnte. Zwei davon waren für fast jede Speisekammer zuviel.

    Ein leises Klopfen kam von der Tür.

    "Nur immer herein, ihr Zwei," sagte Aldur, ohne sich umzudrehen, während er drei Schüsseln mit Suppe füllte.

    "Ihr habt nach mir gerufen?" fragte Rheadr beim Eintreten.

    "Allerdings, das habe ich," entgegnete der Zauberer, während er die Schüsseln zum Tisch trug. Mit einer Handbewegung wies er die Jungen an, sich zu setzen und ergänzte die Tafel dann noch um Brot, Käse und einen Topf mit wildem Honig.

    "Zuerst aber lasst uns etwas essen. Es ist nichts so dringlich, daß keine Zeit für eine Mahlzeit bliebe."

    Mit einem leisen Lächeln sah der Zauberer dabei zu, wie die beiden zulangten, als wäre dies ihr erstes Essen nach langer Fastenzeit.

    Schließlich aber war der Hunger gestillt und Aldur lehnte sich zurück, den Blick zwischen den beiden Freunden hin und her schweifen lassend.

    "Eine gute Entscheidung, Rheadr zu begleiten, Rann," bemerkte er dann. Rann schluckte hastig das Stück Brot, an dem er kaute herunter, um antworten zu können.

    "Danke," sagte er, unschlüssig, worauf der Zauberer hinauswollte.

    Aldur lachte leise.

    "Wie dem auch sei," sagte er, "du hast mir zumindest einen Weg erspart.“

    Dann sah er die Jungen ernst an.

    "Euch ist der Rat bekannt, nehme ich an?" Es war eine Frage die keine Antwort verlangte, denn jedem Bewohner Casann's war der Rat bekannt, wenn sich das Wissen der meisten darüber auch in engen Grenzen bewegte. Im Rat vereinten sich Männer weltlicher Macht, um ihr Wissen auszutauschen und zu mehren, um Entschidungen zu treffen und über Dinge zu reden, die Einfluß nehmen mochten auf die Geschicke der Menschen. Aber neben diesen Männern gab es auch andere, Vertreter und Abgesandte aller Völker, soweit diese sich veranlaßt sahen, in Erscheinung zu treten. Der Rat war, was sein Name bedeutete: Eine Möglichkeit, verschiedene Meinungen zu wichtigen Dingen hören zu können, ehe man seine eigene Entscheidung traf.

    "Nun," fuhr der Zauberer fort, "ich erhielt Botschaft, das meine Anwesenheit dort wichtig wäre. Worum es genau geht, weiß ich zwar noch nicht, aber es steht fest, daß ich nach Selandar gehen werde."

    "Wünscht ihr, das ich euch begleite?" fragte Rheadr erwartungsvoll, denn er hatte viel von der alten Stadt und ihren Wundern gehört, ohne bisher mit eigenen Augen sehen zu können, was wahr davon und was nur Gerede war. Aber seine Hoffnung wurde enttäuscht.

    "Nein,Rheadr," sagte Aldur und schüttelte den Kopf.

    "Weder wärst du mir von Nutzen noch würde es dich jetzt bereichern, nähme ich dich mit dorthin. Ich erwarte im Gegenteil von dir, daß du deine Studien fortsetzt und zwar mit der gleichen Sorgfalt, als wäre ich gar nicht fort."

    Die grauen Augen des Zauberers ruhten einen langen Moment auf seinem Schüler.

    Rheadr nickte. "Dann wird es genauso sein," sagte er schlicht.

    Der Zauberer nickte zufrieden.

    "Gut, so habe ich es erwartet," gab er zurück und wandte sich Rann zu.

    "Und dich möchte ich darum bitten, dafür zu sorgen, daß dein Freund nicht zu großen Pflichteifer an den Tag legt."

    Der verständnislose Blick, mit dem die beiden Jungen einander ansahen, ließ den Zauberer auflachen.

    "Damit will ich deutlich machen, daß es sowohl eine Zeit des Lernens gibt wie auch eine der Entspannung nötig ist," erläuterte er und sah von einem zum anderen.

    "Sich ausschließlich mit einer Sache zu beschäftigen ist genauso, als täte man gar nichts. Die Einheit von Körper und Geist ist nur dann gewährleistet, wenn man sowohl das Eine wie auch das Andere nicht vernachlässigt."

    Rann und Rheadr grinsten und der Zauberer zwinkerte verschwörerisch.

    Dann wurden seine Züge wieder ernst.

    "Wie auch immer, Rheadr, von Zeit zu Zeit werde ich ein geistiges Band zwischen uns knüpfen, denn ich möchte wissen, ob euch während meiner Abwesenheit etwas Seltsames oder Besonderes auffällt."

    Fragend zog Rann die Brauen in die Höhe.

    "Was meint ihr damit: Etwas Seltsames?"

    "Glaubt ihr, das etwas nicht in Ordnung ist?" setzte Rheadr hinzu.

    Der Zauberer hob die Hände.

    "Es ist nicht viel mehr als nur ein Gefühl," sagte er dann.

    "Aber ich weiß, daß ich meinem Gefühl immer vertrauen konnte."

    Er beugte sich vor.

    "Wenn euch unbekanntes Volk begegnet, das durch die Wälder zieht, lasst es mich wissen. Wenn sich Tiere in Rudeln versammeln, die sonst Einzelgänger sind, wenn ihr etwas seht, das nicht hierher gehört, dann zögert nicht, es mich wissen zu lassen."

    Aldurs Stimme war eindringlich geworden.

    "Erzahle Du auch deinem Vater davon," sagte der Zauberer zu Rann. .

    "Bitte ihn, gleichfalls aufmerksam zu sein. Und oh..."

    Aldur strich sich über den Bart, als sei ihm etwas wichtiges eingefallen.

    "Sag ihm auch, das es weder meine Absicht ist, noch daß ich die Zeit dazu habe, seine Baumstämme bis an den Meiler heranschweben zu lassen. Schließlich besteht die Arbeit eines Köhlers nicht nur aus dem Brennen der Kohlen, soweit ich mich erinnern kann."

    Rann blickte den Zauberer entgeistert an. Woher wußte Aldur denn, was sein Vater vor wenigen Stunden gesagt hatte?

    Aber Aldur war bereits mit anderen Dingen beschäftigt.

    "Morgen früh breche ich auf," sagte er und erhob sich von der Tafel. Die beiden Jungen folgten seinem Beispiel.

    "Du, Rheadr, hilfst mir, einige Dinge zusammenzusuchen, die mir von Nutzen sein können in Selandar. „Und du," er wandte sich Rann zu, "solltest jetzt nach Hause gehen. Morgen ist auch noch ein Tag, an dem die Sonne scheint."

    Rann nickte und ging zur Tür, blieb aber im Eingang noch einmal stehen.

    "Was meint ihr mit 'unbekanntem Volk', Herr?" fragte er. "Glaubt ihr, daß uns Gefahr droht?".

    "Nein, Rann," sagte der Zauberer und schüttelte den Kopf. "Ich sagte ja schon, es ist nicht mehr als ein Gefühl. Und das einzige, an das ich glaube, weil ich weiß, daß es Wahrheit ist, ist die Kraft des Lichtes, dem ich meine eigene Kraft verdanke."

    Aldur lächelte dem Jungen zu.

    "Was du unter Gefahr verstehst, habe ich bis jetzt nicht wahrgenommen. Aber es ist nicht verkehrt, beizeiten ein wachsames Auge zu haben für Veränderungen. Irre ich,so hat es niemandem geschadet. Habe ich aber recht gehabt, so ist man zumindest vorbereitet."

    Damit wandte sich der Zauberer ab und begann, den Tisch leerzuräumen. Rann warf Rheadr einen Blick zu, aber der zuckte nur mit den Schultern.

    Und so hob Doren's Sohn grüßend die Hand, trat hinaus und machte sich auf den Heimweg, während er über die Worte Aldurs nachgrübelte.

    Und er grübelte auch noch, als er bereits lange zuhause unter seinen Schaffellen lag und gegen die Deckenbalken starrte, ehe ihn der Schlaf endlich doch umfing.

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  • So, dann bin ich auf dem aktuellen Stand. Ja, da kommt die Stimmung jetzt besser rueber:), es liesst sich recht fluessig und die Charaktere nehmen schon ein bisschen Farbe an.

    Der Abschnitt mit Rann hat mir von den beiden besser gefallen - bei Esthan denke ich koenntest Du den Erzaehlstil im Moment der Bedrohung noch ein bisschen aendern und gehetzter machen um die Dramatik der Szene herauszuarbeiten.

    Anbei ein paar Kleinigkeiten die mir beim Lesen so aufgefallen sind:

    lag still im Licht der scheidenden Sonnen

    eine 'scheinende Sonne' finde ich eine schraege Metapher (wie wuerde das Licht einer nicht-scheinenden Sonne aussehen?)

    Edit: Mein Fehler - nicht genau gelesen... bitte ignorieren

    und fragte sich gleichzeitig, wo er eigentlich noch die Kraft hernahm zu solch überflüssigem Tun

    Das ist ein Beispiel fuer den Erzaehlstil - er ist voellig am Ende, hat keine Kraft mehr uebrig - normalerweise wuerde ich aus Erfahrung erwarten dass die Gedanken dann auch total abflachen und nur das unmittelbare wahrnehmen - und wir bekommen das in einem langen Satz erzaehlt wo er philosophisch darueber reflektiert was er so erlebt und wie entkraeftet er ist - das geht fuer mich nicht gut zusammen.

    Er spürte, wie seine Kräfte immer mehr schwanden. Lange würde er nicht mehr in der Lage sein, den Anhänger seiner Bestimmung zuzuführen.

    Das wuerde ich als einen Fall von 'show - don't tell' ansehen: Du erzaehlst uns dass seine Kraefte schwanden - aber wenn die Erzaehlstimme noch naeher an ihn rangehen wuerde koenntest Du uns das direkt zeigen, spueren lassen, mitleiden lassen.

    Aus dem wabernden Nebel lösten sich drei Gestalten, dunkle Schemen nur, die zwar nicht direkt auf ihn zu liefen, aber seinen Weg doch nahe genug kreuzten, um ihn bemerken zu müssen.

    Auch ein sehr komplizierter und analysierender Satz fuer jemanden der angeblich am Ende seiner Kraefte ist und jetzt einen Schreck bekommt weil Gestalten aus dem Nebel auftauchen - geht intensiver :)

    kündigte nur die Spitze eines Felsens, die den Waldboden zu durchbohren schien, von einer Veränderung der Landschaft. Im letzten Augenblich war es Rann damals gelungen, das Gleichgewicht zu bewahren, als er die zwei Meter hohe Felsnase erklomm, nur um feststellen zu müssen, das knapp dahinter das Gelände senkrecht abfiel.

    Hm, das kann ich mir ehrlich gesagt schwer vorstellen. Wenn der Waldboden ploetzlich senkrecht zu einem See abfaellt, dann sieht man das - das Unterholz ist weg, und vor allem die Baeume sind weg - da sieht man dann hellen Himmel hinter der letzten Reihe von Baeumen.

    Wir haben hier in der Gegend so eine Stelle (kattilavuori) - hier ein Still-image aus unserem Film (die Berge im Hintergrund und die drei Felsnasen sind special effects work, nur der Vordergrund existiert so) - ungefaehr auf der Haelfte der Hoehe und ein drittel von der rechten Seite kannst Du eine Felswand sehen die bis zum Seeufer hin abfaellt - von da aus in Richtung See sieht man aber sehr deutlich dass kein Wald dahinter ist.

    storm_crag.jpg

    (Ich kann den Blick von der Stelle bei Bedarf auch nochmal rauskramen, ist nur auf dem Computer auf dem ich Schnitt mache).

    Die Stelle ist jetzt auch kein Beinbruch, aber ich habe feine Antennen bei visuellen Details ;) - also bitte nicht falsch verstehen wenn ich zu einem Detail so viel schreibe :)

    Vielleicht sollte man Prologe erst schreiben, wenn eine Geschichte mal fertig ist...aber als ich damit anfing, wußte ich's eben noch nicht besser.

    Den Prolog am Ende zu schreiben wuerde ich generell empfehlen, ja.

    Ganz allgemein - stell' hier ins Forum vielleicht eher Texte rein hinter denen Du selber stehst - oder hinter denen Du nicht stehst aber ein klareres Bild bekommen willst warum die nicht funktionieren. Sonst ist das fuer den Leser ein bisschen eigenartig.

  • Hallo Thorsten ,

    Danke für Deine Ideen und Gedanken. Zu ein bis zweien würde ich gerne was sagen:

    Denn wenn man sich dem See von Westen her näherte, kündigte nur die Spitze eines Felsens, die den Waldboden zu durchbohren schien, von einer Veränderung der Landschaft. Im letzten Augenblich war es Rann damals gelungen, das Gleichgewicht zu bewahren, als er die zwei Meter hohe Felsnase erklomm, nur um feststellen zu müssen, das knapp dahinter das Gelände senkrecht abfiel. Befand man sich aber auf der gegenüberliegenden Seite de Felsens,so sah man folgendes:

    Das ist mir mal genauso passiert, nur das sich, vom gegenüberliegenden Punkt aus betrachtet, kein See drunter fand: Dichter Wald ringsum, ein Felsen vor mir und ich klettere (laufe) den hoch. Aber weil die ganzen Bäume drumherum in vollem Grün waren (alles grün!) habe ich in dem Augenblick gar nicht gemerkt, daß das Grün vor mir die Kronen der Bäume hinter dem Felsabbruch waren. Erst als ich oben ankomme und es direkt vor mir senkrecht runterging, habe ich das wahrgenommen.

    Hab mir gerade nochmal durchgelesen, was meine Erklärung dessen im Text ist, was der Betrachter von der anderen Seite zu sehen bekommt...daß mit dem (ist alles grün) kommt da nicht vor. Das erklärt mir dann auch die Schwierigkeit Deinerseits, sich die Szenerie vorzustellen. Ist nur nicht einfach, daß zu formulieren.

    Muß ich noch dran rumfeilen...

    Er spürte, wie seine Kräfte immer mehr schwanden. Lange würde er nicht mehr in der Lage sein, den Anhänger seiner Bestimmung zuzuführen.

    Das wuerde ich als einen Fall von 'show - don't tell' ansehen: Du erzaehlst uns dass seine Kraefte schwanden - aber wenn die Erzaehlstimme noch naeher an ihn rangehen wuerde koenntest Du uns das direkt zeigen, spueren lassen, mitleiden lassen.

    Da komme ich nicht mit. Was meinst Du mit "Wenn die Erzählstimme noch näher[...] rangehen würde?

    Bis hierhin erst mal vielen Dank für Deine Anmerkungen.

    Burk

  • nur das sich, vom gegenüberliegenden Punkt aus betrachtet, kein See drunter fand: Dichter Wald ringsum, ein Felsen vor mir und ich klettere (laufe) den hoch. Aber weil die ganzen Bäume drumherum in vollem Grün waren (alles grün!) habe ich in dem Augenblick gar nicht gemerkt, daß das Grün vor mir die Kronen der Bäume hinter dem Felsabbruch waren

    :)

    Ja, das mit 'kein See drunter' ist mein Punkt - wenn da ein Talgrund ist, dann sind da Baeume und Du kannst ihre Kronen sehen und das wirkt wie Unterholz. Wenn da aber ein See ist, dann sind da keine Baeume und statt Kronen faellt Licht runter und man sieht mehr hellen Himmel.:D

    Es sei denn der See ist eher ein Tuempel unter geschlossener Kronendecke - aber Du beschreibst ihn eher ein bisschen groesser als das.:)

    Wenn die Erzählstimme noch näher[...] rangehen würde?

    Einmal die Perspektive aus der Du beschreibst - das kann eine Totale sein, oder ein Close-up.

    Totale:

    Rogar rannte ueber den Huegelkamm. Die Nachmittagssonne zog schon Schatten ueber das Land, und bis zum Horizont draengten sich Anhoehen, rot und gelb in den Herbstfarben. Dahinter, halb verhuellt von Wolken, ragten die schroffen Gipfel der ewigen Berge auf.

    Close-up:

    Rogar's Fuesse klatschten mit jedem Schritt in den feuchten Waldboden. Er rannte, und mit jedem Schritt zog er einen schmerzenden Atemzug in seine Lungen. Das Gruen der Farne und das rot und gelb der herbstlichen Blaetter verschwamm vor seinen traenenden Augen zu einem bedeutungslosen Etwas - nur der Weg war wichtig.

    Genauso geht's mit den Gedanken einer Person, mit dem inneren Monolog:

    Indirekte Rede, reflektiert:

    Waehrend er rannte, fragte sich Rogar was er wohl falsch gemacht hatte. Erst hatte alles gut ausgesehen, die Spaeher Galadrions hatten ihn, ganz wie sie das vor drei Naechten am Weissen Turm geplant hatten, fuer einen des Waldvolkes gehalten. Doch irgend etwas musste ihn verraten haben, und durch den Nebel seiner Erschoepfung fragte er sich, was es wohl gewesen sein mochte.

    Nahe am Innenleben eines erschoepften dran, kurze Saetze, wenig Struktur:

    Rogar keuchte, jeder Atemzug brannte. Was war falsch gelaufen? Brennender Schmerz in seinem Oberschenkel, Traenen in den Augen. War es der Guertel gewesen? Oder die Kette? Alles um ihn verschwamm, er konnte den Weg nicht mehr klar erkennen. Hinter ihm schon das Geklaeffe der Bluthunde... oder nur Einbildung? Verfluchte Scheisse - was hat mich verraten? Schmerz im Rhythmus des Rennens, jeder Schritt ein neuer Kampf.

  • Heyho Thorsten ,

    ich glaube, ich hab' jetzt begriffen, worauf Du bei der "See" - Kiste hinaus willst. So wie ich die Stelle beschrieben habe, reicht das noch nicht. Ich habe zwar zum Eingang erwähnt, daß es sich um einen "kleinen Waldsee" handele, aber stimmt schon: "See" an sich bezeichnet etwas größeres. Ich hab' den Ort nicht so akkurat beschrieben, wie ich's für einen Außenstehenden hätte tun müssen...weil für mich alles deutlich vor'm geistigen Auge zu sehen war.

    Daher Danke für Deinen Hinweis - Die Stelle werde ich definitiv (Close-Up) überarbeiten. Merci.

    Und ebenfalls vielen Dank für die Verdeutlichung beider Schreibtechniken. Die habe ich bisher zwar immer mal irgendwo angewandt. Aber vielleicht hätte ich mich ab und zu auch mal zurücklehnen und reflektieren sollen.

    Das ist mir jetzt erst bewußt geworden...ich arbeite dran.:danke:

    Immer offen für Kritik,

    Burk

  • Könnte besser...


    Ich bin nicht zufrieden mit dem Anfang dieses Kapitls. War schon immer so. Aber ich kann das Gefühl nicht in Worte fassen. Wer eine Idee dazu hat...be welcome!

    III.


    Candors Falbe suchte sich gemächlich seinen Weg durch die hochaufragenden Stämme des Buchenwaldes, der nur hier und da von lichten Buschwerk durchsetzt war.

    Der Fürst der Krieger von Coorr überließ es seinem Pferd, den bestmöglichen Pfad zu suchen und korrigierte nur von Zeit zu Zeit mit leichtem Druck seiner Schenkel die Richtung, in die er strebte. Ansonsten bemühte er sich, eine möglichst angenehme Reitposition einzunehmen und darüber hinaus die zankenden Stimmen in seinem Rücken zu ignorieren, was ihm allerdings von Minute zu Minute schwerer fiel.

    Die Eigentümer jener Stimmen, zwei Zwerge, ritten knappe zehn Schritte hinter ihm auf ihren zottigen Bergponies daher, ohne das deren hoppelnder Gang sie gehindert hätte, mit der schönsten Regelmäßigkeit entweder über die unsinnigsten Dinge in Streit zu geraten oder aber Lieder ihres Volkes zu singen. Beides in einer Lautstärke und einem Tonfall, der Candor fast körperlich schmerzte.

    Anfangs hatte er sich sehr belustigt über das Gehabe der beiden, denn wissend, wie aufbrausend Zwerge sein konnten, wenn es um die Verteidigung der Errungenschaften ihres Volkes ging, versprach ihre Gesellschaft für manche Erheiterung gut zu sein. Neu war ihm jedoch, daß sie darüber auch untereinander in Streit geraten konnten. Und so grübelte Candor wiederholt darüber nach, welcher Dämon seines Volkes ihn veranlasst hatte, ihrem Angebot zuzustimmen, sich zu einer Reisegemeinschaft zusammenzutun.

    Je länger er darüber nachdachte, desto mehr kam er zu dem Schluß, daß es das unglückselige Zusammenspiel eines guten Bratens, ebenso guten Weines und der Wärme eines Feuers nach durchrittenem Regentag gewesen war.

    Allerdings war dort auch noch nicht abzusehen gewesen, was ihn am heutigen Tag erwartete.

    Im Gegenteil hatten Wein und Wärme in der vergangenen Nacht die Zungen gelöst. So hatten die Zwerge von den Minen Casthars erzählt, in denen sie bis vor kurzem zu Gast gewesen waren. Dies auf eine Art, wie nur ein Zwerg in's Schwärmen geraten kann über die Dinge, die sich im Dunkel der Berge verstecken. Stolz hatten die beiden ihre Funde von Thorbensilber und Gemmen magischer Schönheit vor dem Krieger ausgebreitet und ihm genauestens erklärt, wie und zu was sie ihre Schätze verarbeiten würden.

    Nein, die vergangene Nacht hatte wirklich keinen Hinweis darauf gegeben, was der heutige Tag mit sich brachte.

    Zwar waren die Zwerge erst nicht begeistert gewesen, als Candor ihnen von seinem Ziel Selandar berichtet hatte, denn Zwerge mochten Elven nicht sonderlich, obwohl man noch von keinem dafür einen triftigen Grund hatte erfahren können. Aber andererseits hatte die Aussicht auf einen kundigen Führer der hiesigen Gegend den Ausschlag gegeben, denn für die Zwerge waren die Wälder Casanns genauso fremd und eigenartig wie dessen Bewohner. Und so hatte sich eines zum anderen gefügt, wie der Kriegerfürst mit verdrießlicher Miene festellte.

    Hinter ihm hatten die Zwerge ihr Streitgespräch beendet, welches sich nur darum gedreht hatte, welche Bauten die schöneren waren: Jene in den Minen ihrer Heimat oder die, aus denen sie gerade zurückkehrten.

    Candor gestatte sich einen leisen Seufzer der Erleichterung, als die Ruhe des Waldes ihn umschloß.

    Allerdings wurde gleich darauf hinter ihm das Hufgetrappel lauter, als sich die Zwerge auf seine Höhe brachten. Links von ihm tauchte Balge auf, rechts der, der Dhak hieß.

    "Was ist mit euch, Freund Candor?" fragte Dhak leutselig und grinste vom Ponyrücken zu dem Kriegerfürsten hinauf. Dessen Mundwinkel zuckten kurz vor Erheiterung. Er hatte es vermieden, seinen Begleitern nähere Auskunft zu seiner Herkunft zu geben, obwohl das schmale, zu Mustern und Symbolen verwobene Band der Tätowierung, die über Candors Stirn verlief, jedem Eingeweihten deutlich gemacht hätte, mit wem er es zu tun hatte.

    "Seit Stunden sagt ihr keine einziges Wort, sitzt nur schweigend da auf eurem Pferd und seid auch sonst nicht gerade gesellig," stellte der Zwerg fest.

    Wieder blickte er zu Candor hinauf, der als Antwort nur die Schultern zuckte.

    "Was erwartet ihr von mir?" fragte er zurück. "Ich weiß weder zu euren Streitereien noch zu euren Gesängen etwas beizutragen. Und ausserdem ist mir die Ruhe lieber als dauerndes Gelärme um mich herum."

    Dhak war nicht im mindesten beleidigt über die scharfe Antwort, sondern richtete sich vielmehr im Sattel auf, um über die Kruppe von Candor's Falben hinweg seinem Gefährten zuzuzwinkern.

    "Hast du das gehört, Freund Balge? Es scheint, das unser Weggenosse wenig angetan ist von den schönen Liedern unseres Volkes."

    "Vielleicht sollten wir dann seinem Wunsch nach Ruhe Folge leisten, Freund Dhak," gab der Angesprochene ebenfalls zwinkernd zurück.

    Und so richteten sich beide nach Candors Art steif im Sattel auf und trabten minutenlang schweigend neben dem Krieger her, bis es mit dessen Fassung vorbei war.

    "Ich dachte, euch sei es so um die Ruhe dieses Waldes getan, Freund Candor," sagte Dhak scheinheilig, während der Krieger glucksend Atem schöpfte. Candor brach erneut in Gelächter aus.

    "Was seid ihr nur für ein seltsames Volk," sagte er dann.

    "Streiten, Singen und dann gleich darauf Scherzen, das ist mir ein wenig viel in so kurzer Zeit."

    Balge hob abwehrend die Hände.

    "Oh, wir haben uns nicht gestritten, Freund Candor," sagte er und langte nach der Axt auf seinem Rücken.

    "Streiten," er betonte das Wort, "streiten tun wir nur hiermit."

    Balges Gesicht wurde ernst und einmal mehr verwunderte sich der Kriegerfürst über den raschen Wechsel von Zwergenlaunen.

    "Man könnte, wenn ich's recht bedenke," warf Dhak von der anderen Seite prustend ein,"man könnte sogar sagen, das schon mancher über unsere Streitereien den Kopf verloren hat."

    Diese Bemerkung sorgte dafür, daß alle drei Mühe bekamen, sich im Sattel zu halten und es dauerte diesmal ein wenig länger, bis sie sich beruhigt hatten.

    "Ich habe bereits einige eures Volkes und ihre Waffen getroffen, Freund Dhak", sagte Candor schließlich."Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, daß Eure Axt anders ist als die eures Kameraden."

    Dhak nickte eifrig.

    "Ihr habt gute Augen, das muß man sagen." Ein Anflug von Stolz huschte über das Gesicht des Zwergen, als er mit spielerischer Leichtigkeit seine Waffe aus der Scheide auf seinem Rücken zog und sie einige Male über seinem Kopf kreisen ließ, bevor er sie wieder an Ort und Stelle verstaute.

    "In der Tat ist diese Axt etwas besonderes," fuhr Dhak fort. "Ich erhielt sie zur Feier meiner Volljährigkeit von meinem Vater. Sie ist sehr alt, älter vielleicht noch als die Zeit, als Arnag niederfuhr."

    "Sie heißt Braggid," übernahm Balge nahtlos die Erzählung. "Spalter in der Hochsprache," fügte er erklärend hinzu.

    "Ich bin sicher, sie hat ihrem Namen bisher alle Ehre gemacht, selbst wenn sie nicht so alt sein sollte, wie ihr gesagt habt."

    "Oh,Braggid ist wirklich so alt," nickte Balge eifrig."Eigentlich, müßt ihr wissen, bin ich Schmied und..."

    "...und ein sehr guter noch dazu," übernahm der andere Zwerg den angefangenen Satz, was sein Kompagnon mit einer wegwerfenden Handbewegung quittierte.

    "Wie oft soll ich dir noch sagen, daß du mich nicht immer unterbrechen sollst," fuhr er Dhak an. Der zuckte bloß die Schultern.

    "Wie auch immer es sei,"wandte sich Balge wieder an Candor.

    "Dhaks Waffe muß allerdings vor sehr langer Zeit geschmiedet worden sein, denn darauf verweisen die Runen im Griff. Wir haben lange gebraucht, sie zu entziffern, aber sie verheißen ihrem Besitzer Stärke und große Gewandheit mit der Waffe, solange er ehrenvoll bleibt. Daneben sind die Zeichen dessen eingeritzt, der sie geschaffen hat. Die Zeichen selbst jedoch sind noch niemandem bekannt vorgekommen. Sicher ist nur, daß sich durch die Art, wie die Klinge geformt sowie aus der Weise, in der die Runen graviert wurden ablesen läßt, daß Braggid vor sehr langer Zeit geschmiedet worden sein muß."

    Candor nickte zustimmend.

    "Und eure Waffe, Freund Balge? Ist sie auch so alt wie die eures Kameraden?"

    Balge wehrte lächelnd ab.

    "Bei weitem nicht,Candor. Um genau zu sein, schmiedete ich diese Axt vor etwas mehr als vierzig Jahren als letztes Stück für meinen Lehrmeister, der sie mir danach als Zeichen seiner Wertschätzung schenkte."

    Mit versonnenem Lächeln zog der Zwerg die Waffe aus ihrer Halterung und betrachtete das glänzende Metall.

    "Allerdings," griff Dhak erneut in das Gespräch ein,"Allerdings hat bis heute kein anderer Schmied aus Thanner es bewerkstelligen können, eine ähnlich gute Klinge herzustellen wie Rhad-Therin."

    "Rhad-Therin?" Candor's Brauen hoben sich fragend.

    "Immerscharf," sagte Balge und schob die Axt zurück.

    Eine kleine Weile ritten die drei daraufhin schweigend nebeneinander her, jeder beschäftigt mit den eigenen Gedanken. Dhak war es schließlich, der die Unterhaltung wieder aufleben ließ.

    "Und ihr, Freund Candor?" fragte er. "Geben die Coorr ihren Klingen ebenfalls einen Namen, oder brauchen sie die Kraft der Wörter nicht?"

    Der Kriegerfürst lächelte.

    "Ich glaube, ich müßte sehr weit ausholen, euch unsere Gebräuche verständlich zu machen," sagte er langsam."Es ist richtig, auch unsere Waffen haben Namen, aber nur diejenigen von ihnen erhalten einen, wenn sie sich als besonders würdig erwiesen haben."

    Candor bemerkte den befremdeten Blick, den die beiden Zwerge wechselten.

    "Zunächst einmal," fuhr er fort,"sind wir selbst die besten Waffen, die wir besitzen und unsere Namen stehen in den Geschichtsrollen unseres Volkes verzeichnet. Daher gibt es selten einen Grund für uns, unsere Kraft unseren Hilfsmitteln zu verleihen."

    Die Zwerge nickten beipflichtend zu diesen Worten, obwohl ihnen wenig klar erscheinen wollte , weshalb eine gute Klinge nicht einen Namen bekommen sollte, der ihre Kraft auch nach außen hin sichtbar machte.

    "Verstehe ich euch richtig, Freund Candor?" fragte Balge, der mit der Antwort nicht zufrieden war.

    "Euer Name ist zugleich der eurer Waffe?"

    Candor schüttelte den Kopf.

    "Nein, Freund Balge,"sagte er. "Mein Name ist mein Name und hat nichts mit dieser Waffe hier zu tun." Candor klopfte auf die dunkle Schwertscheide, die an seiner Seite baumelte.

    "Und mein Name ist die vereinigte Kraft aller Namen, die mir die Krieger meines Volkes zuflüsterten, als ich geboren wurde. Von niemandem ausgewählt, sondern nur die Essenz dessen, was all jene anderen Namen verdeutlichen."

    Candor sah den Zwerg an, auf dessen Miene sich gänzliches Unverständnis widerspiegelte. Er unternahm einen erneuten Versuch des Erklärens, obwohl er wußte, wie schwer es für Außenstehende war, den Inhalt der Zermonie des Namensfestes seines Volkes zu verstehen.

    "Es ist wie mit euren Äxten. Ihre Namen spiegeln ihre Kraft wider, sind Ausdruck und gleichzeitig ein Teil dieser Kraft. Das ist die Magie eures Volkes."

    Er hob die Hände, während sein Blick von einem Zwerg zum anderen glitt, die ihm gespannt zuhörten.

    „Aber für mein Volk sind die Namen aller Krieger unseres Stammes gleichbedeutend mit aller Kraft, die der ganze Stamm besitzt," fuhr er fort."Sagen nun alle Krieger dem Kind ihre Namen, so erhält es alle geheime Kraft, die diese Namen versinnbildlichen. Und daraus gewinnt es dann seinen eigenen Namen, seine eigene Kraft.

    Der Kriegerfürst ließ die Hände sinken, während die Zwerge beipflichtend nickten.

    "Eine seltsame Art des Zaubers, fürwahr," erklärte Balge und strich sich nachdenklich über den Bart."Aber es macht Sinn, denke ich, ja doch."

    "Und euer Schwert?"fragte er dann."Hat es nun einen Namen oder nicht?"

    Candor schmunzelte.

    "Ja, Freund Balge," entgegnete er, zog die Klinge mit leisem Sirren aus der schmucklosen Scheide und hielt sie in die Höhe. Hauchfeine Gravuren auf dem grauen Blatt, daß das Sonnenlicht nur sehr schwach reflektierte entlockten den Zwergen Ausrufe der Bewunderung.

    "Dies ist Ciamath," sagte Candor und drehte die Waffe ein wenig."Erschaffen von dem besten Schmied, den mein Volk je hervorbrachte."

    "Bei den finsteren Gruben von Adhlar,"entfuhr es Balge."Wer auch immer dieses Schwert geschmiedet hat, war ein hoher Meister seiner Kunst."

    Dhak nickte zustimmend, während er die Klinge fast andächtig musterte und bedauernd zusah, wie der Coorr sie wieder in die Scheide zurückschob.

    "Terred der Ältere schmiedete Ciamath ,den Sturmbringer, was der Name in der Hochsprache bedeutet," erläuterte Candor den Zwergen. "Er gab es dem Vater meines Urgroßvaters als Zeichen seiner Dankbarkeit für einen Dienst, den ihm dieser erwiesen hatte. Seitdem wird das Schwert vom Vater an den Sohn weitergegeben."

    "Ein großer Dienst muß das gewesen sein,"stellte Dhak fest. "Niemand verschenkt ein solches Meisterstück leichten Herzens."

    Candor nickte beipflichtend.

    "Gut gesprochen, Dhak. Mein Ururgroßvater bewahrte Terred vor dem Tode. Es gibt wenig Dienste, die größeren Wert haben.“

    Eien Zeitlang ritten sie schweigend nebeneinander her, jeder in eigene Gedanken versunken.

    Dann hielt Candor seinen Falben an und richtete sich im Sattel auf.

    "Wie sollten uns in diese Richtung wenden," sagte er und wies zu einer Stelle links von ihnen. "Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, erreichen wir bald einen Pfad, dem wir eine Zeitlang folgen können."

    "Dann will ich zusehen, daß ich ihn für uns entdecke," sagte Dhak vergnügt und stieß seinem Pony die Stiefel in die Seiten.

    Mit einem Satz schoß das Tier nach vorn.

    "He, wirst du wohl hierbleiben?" Balge war es, der dem anderen diese Worte nachrief, ehe er gleichfalls sein Reittier in Bewegung setzte, ohne sich weiter um Candor zu bekümmern.

    "Das einzige, was du mit Sicherheit finden wirst, ist der Weg in die Irre, du Narr," konnte der Kriegerfürst ihn rufen hören, während er seinem Kameraden nachsetzte.

    "Selbst ein Narr," kam es von Dhak zurückgeschallt. "Du findest ja nicht mal im Dunkeln mit einer Kerze deinen Bart."

    Candor lachte lauthals, als er den Falben ein wenig antrieb, um den Anschluß zu behalten. Ernsthaft sein und kurz danach wieder streiten, blieb eigentlich nur die Frage, wann sie wieder das Singen anfangen würden. Er schüttelte grinsend den Kopf und trabte hinter den beiden schimpfenden Zwergen her.

    'Ein seltsames Volk, in der Tat,' dachte er.

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  • Ich bin nicht zufrieden mit dem Anfang dieses Kapitls.

    Warum nicht?

    Es ist jetzt nicht brilliant und das Kapitel an das man sich immer erinnern wird, aber technisch solide erzaehlt - wir bekommen einen Eindruck von der Umgebung und der Situation, drei neue Protagonisten werden vorgestellt (ueber ihr Aussehen koennten ein, zwei Halbsaetze mehr fallen, aber es stoert auch nicht wie es ist), es liest sich gut und fluessig...

    Ich finde es eigentlich recht gelungen.

    Mir hat der Abschnitt insgesamt gut gefallen (ich steh' ja auch Hintergrundinfo - Braeuche und dergleichen - und da wird man reichlich verwoehnt). Auch die Art wie die Zwerge in ihren Launen anders geschildert werden als Menschen hat mir gut gefallen, solche feinen Einzelheiten geben einer Welt das gewisse Etwas.

    Auch ist der Abschnitt viel Dialog zwischen drei Personen, aber es ist gut geschrieben, mit genau dem richtigen Mass an Beschreibung zwischendrin und wenig Wiederholungen von 'sagte' etc. - meiner Meinung nach passt das alles gut hier.:thumbsup:

  • Heyho Thorsten ,

    dann schlucke ich Deine Kritik jetzt einfach mal...aber da ist irgendwas jedes Mal, wenn ich den Abschnitt nochmal durchlese irgendwie "komisch" für mich. Kann ich nicht anders beschreiben...

    Danke.

    Burk

  • aber da ist irgendwas jedes Mal, wenn ich den Abschnitt nochmal durchlese irgendwie "komisch" für mich.

    Du hast den Vorteil dass Du die Szene im Kopf hast und weisst wie sie sein soll - und wahrscheinlich fehlt zu der Szene die Du im Kopf hast irgendwas was nicht im Text ist.

    Aber die Szene in Deinem Kopf kenne ich ja nicht... also, schlechter als was Du Dir vorstellst kann es schon sein, aber schlecht ist es deswegen nicht.

    Ich behalte das im Kopf und lese mal weiter - vielleicht sehe ich im Kontrast zu mehr Text was Du hier meinst.

  • IV.

    Es war heiß, sehr heiß sogar.

    Rann's Atem ging rascher, während er sich den Hügel hocharbeitete. Nach Luft schnappend, blieb er schließlich auf halber Höhe einen Moment stehen und blickte um sich. Gleißendes Sonnenlicht fiel durch die Blätter der wenigen Bäume und zerfiel dabei in viele einzelne Strahlen, in deren Licht die Insekten tanzten. Ringsum herrschte Stille.

    Rann dachte an Rheadr, der jetzt wohl in der drückenden Hitze von Aldurs Haus saß und seine Meditationen praktizierte. Er kam zu dem Schluß, daß sein Feund das auch genausogut hier hätte tun können.

    Er zuckte die Achseln. Nun ja, vielleicht war Rheadr ja wenigstens dazu zu überreden, sich später ein wenig im See abzukühlen. Er selbst fühlte sich zumindest bereits bei dem Gedanken daran wesentlich frischer.

    Tief Luft holend setzte er seinen Aufstieg fort und erreichte kurz darauf die Spitze der Anhöhe. Sein einziger Lohn dafür war die Aussicht auf den dahinterliegenden Hügel. Die weitläufige, wellige Graslandschaft, die sich zwischen den beiden Erhebungen erstreckte, war die beste Adresse für Hasenbraten im weiten Umkreis.

    In der folgenden Stunde war Rann vollauf damit beschäftigt, mit dünnen Lederschlingen Fallen auszulegen. Schließlich hatte er auch den letzten Knoten zufriedenstellend geknüpft und beschloß, ein wenig durch die Gegend zu streifen, denn wie er aus Erfahrung wußte, konnte es einige Zeit dauern, bis sich Erfolg einstellte.

    So wanderte er gemächlich den nächsten Hügel hinauf und bog dann, der Kuppe folgend, nach rechts ab. Nicht weit von hier gab es einen kleinen Bach und Rann sehnte sich nach einem Schluck Wasser. Ein leises Gluckern wies ihm den Weg zum Ziel. Niederkniend schöpfte er mit beiden Händen, bis sein Durst gestillt war und spritzte sich abschließend Wasser in's Gesicht.

    Dann setzte er sich unter einen nahestehenden Baum und lehnte sich behaglich an den Stamm, den Schatten genießend, den die Blätter ihm spendeten. Eine Weile überließ er sich dem Zirpen der Grillen und den Lockrufen der Vögel und dachte dabei stillvergnügt an Rheadr, der jetzt in der Hitze von Aldurs Haus saß und sich wohl bemühte, an gar nichts zu denken, wenn Rann Aldur richtig verstanden hatte.

    'Nur wer die Konzentration und Kraft aufbringen kann, an nichts zu denken, der hat sich selbst wirklich unter Kontrolle.' rief er sich die Worte des Zauberers in's Gedächtnis zurück.

    Nun, ihn drängte es nicht dazu, solche Kontrolle zu erlangen. Es war doch viel angenehmer, an einem solchen Tag unter einem Baum zu sitzen und darauf zu warten, daß sich die mittlerweile arg gebeutelte Speisekammer Aldur's fast von selbst wieder füllte.

    'Auch eine Art von Zauberei', schoß es ihm durch den Kopf. Rann mußte lächeln.

    Allerdings war er Rheadr nicht böse, daß der Freund ihn nicht begleitet hatte. Sein Versprechen gegenüber Aldur einzulösen, anstatt sich vom Wetter zu anderen Dingen verführen zu lassen, sprach nur für den Zauberschüler.

    Rann blinzelte in's Sonnenlicht hinauf und gähnte, streckte sich dann und erhob sich träge. Ziellos begann er die Gegend zu durchstreifen, um sich die Zeit zu vertreiben.

    Plötzlich blieb er abrupt stehen. Ein zugleich süßer wie auch widerlicher Geruch stieg ihm in die Nase. Rann verzog angeekelt daß Gesicht.

    Es roch fast wie die Hirschkeule, die sein Vater einmal um Tage zu spät aus dem Erdloch geholt hatte, welches ihnen in der Winterzeit als Kühlgrube diente. Nur kurze Zeit unter dem Einfluß der Frühlingswärme hatte ausgereicht, einen saftigen Brocken Fleisch in eine schimmlige, übelriechende Masse zu verwandeln, aus der Maden gekrochen kamen und um das Heerscharen von Insekten kämpften.

    Und wie damals konnte er auch jetzt das Summen der Fliegen vernehmen, das immer lauter wurde, bis er unvermittelt durch das Buschwerk auf eine kleine Lichtung gelangte.

    Keine zehn Schritte vor ihm lag reglos ein verstümmelter und verwesender Leichnam.

    Rann fühlte, wie sich sein Magen umzudrehen begann, als er auf den von Vogelschnäbeln zerhackten und aufgerissenen Körper hinabblickte. Und auch andere Räuber mit scharfen Zähnen waren schon hier gewesen, wie ihm die linke Hälfte des toten Körpers deutlich bewies. Er konnte durch das matte, in's bräunliche übergehende zerissene Fleisch auf weisse Rippenknochen blicken.

    Überall schwirrten die Fliegen auf, als er sich vorsichtig näher heran wagte und ließen sich sogleich wieder auf den schwärenden Wunden nieder.

    Rann vermied es, allzu tief einzuatmen, aber trotzdem konnte er ein wiederholtes Würgen nicht unterdrücken, als sein Blick auf das Gesicht des Toten fiel.

    Wie abgerissene Fäden hingen aus einer leeren Augenhöhle zerfetzte Adern, zweifellos das Werk eines Schnabels, dessen Besitzer sich diesen Leckerbissen nicht hatte entgehen lassen.

    Ein eingefallener, verzerrter Mund mit vertrockneten Lippen, hinter denen weisse Zähne ein schauriges, letztes Grinsen zu zeigen schienen. Überall die Spuren von Krallen und Blut, über Wangen und Hals heruntergelaufen und schließlich getrocknet zu dunkelbraunen Rinnsalen. Eingerahmt wurde alles von Strähnen weissgelber Haare, mit denen der Wind sein Spiel trieb.

    Überwältigt von dem widerlichen Gestank und dem Bild, was sich ihm darbot, drehte Rann den Kopf zur Seite und übergab sich. Ihm schossen Tränen in die Augen, als er würgend nach Luft rang und sofort füllten sich seine Lungen wieder mit dem ekelhaften Geruch, der sich beim Atmen in einen widerlichen Geschmack auf seiner Zunge zu verwandeln schien. Halblind stolperte er an den Rand der kleinen Lichtung und brauchte einige Zeit, ehe sich sein Magen wieder beruhigt hatte.

    Es war nicht der erste Tote, den er zu Gesicht bekam, aber noch nie hatte er einen so entstellten Leichnam gesehen.

    Rann wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes über den Mund und schluckte. Der bittere Geschmack von Galle lag ihm auf der Zunge, aber dafür hatte der Brechreiz abgenommen. Sich mit den Händen die Tränen aus den Augen reibend, blinzelte er wieder zu dem Leichnam hinüber.

    Erst jetzt fielen ihm die anderen drei reglosen Körper auf, die dicht bei dem toten Elven lagen. Denn das er hier einen Toten des Waldvolkes entdeckt hatten, darüber ließen die spitzen Ohren, die zu beiden Seiten des verstümmelten Kopfes aus dem Haarschopf hervorlugten, keinen Zweifel.

    Aber etwas stimmte nicht mit diesen drei anderen Toten. Ohne Zweifel hatte es hier einen Kampf gegeben, der den Elven das Leben gekostet hatte. Aber war dieses Gefecht auch sicherlich länger als eine Woche her, so konnten es doch die anderen drei nicht gewesen sein, denn in ihren Rüstungen steckten nur noch bräunliche Gerippe. Knöcherne Hände umklammerten die Griffe von breiten Schwertern.

    Und noch etwas ließ Rann einen kalten Schauder den Rücken hinablaufen: Waren die Körper der drei Leichen auch durchaus menschlich, so erinnerten ihn die Schädel doch eher an die von Hunden.

    Verwirrt glitt der Blick des Jungen zwischen den vier Leichen hin und her.

    Flach Atem schöpfend, kniete sich Rann neben den toten Elven. Mit den Händen wedelnd, um die Schmeißfliegen zu verscheuchen, besah er sich Wunden des Toten näher.

    Zwischen all den planlos gerissenen Bissen der Waldtiere befanden sich auch zwei große Schnitte, die mit Sicherheit von Schwertern oder Äxten stammten. Eine große, klaffende Wunde an der linken Körperseite sowie ein langer, tiefer Schnitt quer über die Schulter zeugten deutlich davon, woran der Elv gestorben war.

    Und doch...

    Übrig blieb nach wie vor die Frage, wer ihn getötet hatte. Die rechte Hand des Leichnams hielt noch immer ein kurzes Schwert umklammert, während sich die Linke um etwas auf der Brust zusammengekrampft hatte. Gleich daneben lag ein Bogen im Gras, der dem Elven gehört haben mußte.

    Rann hob die Waffe auf. Es war ein schöner, schlanker Bogen aus hell schimmerndem Holz, mit feinen Schrfitzeichen verziert, die Rann seltsam vertraut vorkamen. Wenn er sich nicht täuschte, hatte er einmal in Aldur's Haus eine Schriftrolle mit ähnlichen Symbolen gesehen. Er beschloß, den Bogen mitzunehmen. Vielleicht ließ sich dadurch ja Licht in die Sache bringen, wenn der Zauberer aus Selandar zurückkehrte.

    Er wandte sich wieder der Leiche zu und schöpfte Atem. Auch wenn es ihm zuwider war, den Körper des Toten zu berühren, so gebot es die Sitte, den Elven zu bestatten und sei es auch nur für eine kurze Zeit, wollten die Waldbewohner den Toten zu sich holen.

    Entschlossen zog Rann sein Messer aus dem Gürtel und begann unweit des des Leichnams ein Loch zu graben. Mit den Händen die lockere Erde wegschaufelnd, gelang es ihm recht schnell, eine flache Mulde auszuheben. Zwar würde sie nicht tief genug sein, den Körper ganz aufzunehmen, aber einige Lagen Steine, die hier überall herumlagen, würden ausreichend sein, den Körper des Elven vor weiteren Verstümmelungen durch die Tiere zu schützen.

    Rann trat kurz zur Seite,um frische Luft zu schöpfen,dann kniete er wieder neben dem Leichnam nieder, dessen Linke einen kleinen Anhänger umschloß.

    Mit einiger Mühe gelang es dem Jungen, den Griff der steifen Finger zu lösen und den Talisman an sich zu nehmen. Er hielt einen einfach gearbeiteten Anhänger in Händen, in dessen Mitte ein ovaler, tiefblauer Edelstein für einen kurzen Moment das Sonnenlicht so auffing, daß es Rann erschien, als leuchte der Stein von innen her auf. Für einen Augenblick drehte er den Anhänger unschlüssig in der Hand. Dann streifte er sich das Lederband über den Kopf. Vielleicht konnte auch dieser Gegenstand helfen, etwas über den Toten in Erfahrung zu bringen.

    Rann warf die zuvor ausgehobene Erde auf die reglose Gestalt und wandte sich dann dem Bach zu, der ungerührt in seinem gurgelnden Gesang dahinfloß. Die größten Steine wählend, die er finden konnte, lief er einige Male schwerbeladen hin und her, bis ihm der aufgetürmte Steinhügel endlich stark genug erschien,dem Graben auch der größeren Raubtiere des Waldes genug Widerstand leisten zu können.

    Schließlich war das Werk beendet. Die Fliegenschwärme kreisten zwar noch über der Grabstelle, aber der starke Verwesungsgeruch wurde jetzt von der feuchten Erde zurückgehalten.

    Erschöpft ließ sich Rann in's Gras fallen und sah zu den drei dunklen Skeletten herüber. Seltsam, daß an diesem Ort, der schon dreien das Leben gekostet hatte, auch noch ein vierter zu Tode gekommen war.

    Einen Augenblick lang dachte Rann darüber nach, ob er auch für diese seltsamen anderen drei eine Grube ausheben sollte, aber irgend etwas riet ihm dazu, den Gerippen fernzubleiben. Noch jetzt schienen die stillen Knochen eine Bedrohung auszustrahlen.

    Rann stemmte sich ächzend hoch und ergriff den Bogen des toten Elven, als ein vielstimmiges, ärgerliches Krächzen seine Aufmerksamkeit erregte.

    Einige hundert Schritte entfernt stob ein Krähenschwarm aus den Baumwipfelen hoch, strich über die Hügellandschaft hin und ließ sich wieder nieder, nur um kurz darauf erneut unter Gekrächze aufzufliegen.

    Dieser Vorgang wiederholte sich und mit jedem Mal kam der Schwarm näher auf ihn zu, ohne das es Rann zuerst gelang, einen Grund dafür auszumachen. Allerdings mußte er auch nicht sehen, was die Tiere aufschreckte. Ein Krähenschwarm flog nicht vor einem Kaninchen davon. Es mußte entweder etwas großes oder eine ganze Gruppe sein, die die Vögel vor sich her trieb. Angestrengt suchte er im Auf und Ab der Hügellandschaft eine Bewegung auszumachen und entdeckte schließlich einen kleinen Punkt, der die Kuppe einer weit entfernten Bodenwelle erklomm. Ihm folgten weitere

    Rann beschlich ein unvertrautes Gefühl, ein Gefühl von Bedrohung. Was dort herannahte, schnell herannahte, verhieß nichts Gutes, das spürte er instinktiv.

    Rasch sah er sich nach einem Versteck um, mußte aber schnell feststellen, daß es hier an den Dickichten fehlte, die er aus den Wäldern gewohnt war. Am Rande Casann's gab es wenig Schutz vor unerwünschten Blicken.

    Einmal mehr stoben die Krähen in die Höhe, sich schnell nähernd. Und auch die dunklen Punkte wurden größer, wurden zu Gestalten, die in raschem Lauf auf ihn zukamen. Rann kniff die Augen zusammen und erblaßte, als er erkannte, was ihn da in wenigen Minuten erreicht hatte. Menschen ähnlich, aber nicht menschlich.

    Sein Blick fiel unwillkürlich auf die drei gerüsteten Skelette.

    Wenigstens zwanzig Schwerbewaffnete nahmen in schnellem Lauf eine Hügelkuppe nach der anderen, trieben die Krähen vor sich her und fluteten wie eine schwarze Wand auf ihn zu.

    Hundeähnliche Schnauzen öffneten und schlossen sich in rascher Folge, pumpten Luft in Lungen, die dafür sorgten, daß vierzig Beine stampfend das Gras zertraten.

    Noch drei Hügel!

    Verzweifelt suchte Rann die Umgebung nach einem Versteck ab und kämpfte seine Angst nieder. Es würde nicht einmal mehr die Zeit bleiben, sich unter Laub und Farnen zu verstecken. Erneut flatterten die Krähen auf. Ihr Krächzen gellte Rann jetzt schmerzhaft in den Ohren. Und dann wußte er plötzlich, wo er sicher sein würde.

    Und während der heranstürmende Trupp dunkler Gestalten im letzten Hügeltal vor seiner Position verschwand, schoß er herum und rannte, so schnell ihn seine Beine trugen.

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  • Aha, wir nehmen Fahrt auf. Hat mir von der Atmosphaere und den Details her sehr gut gefallen, und dafuer dass wir eigentlich nur einem Protagonisten folgen und an seinen Gedanken teilhaben ist es sehr lebendig geschrieben. Liest sich gut.

    Und ein sehr schoener Twist mit seinen Ueberlegungen zu den anderen Skeletten - der Leser ahnt schon was der Protagonist noch nicht wahrhaben mag :)

    Ein paar Kleinigkeiten die mir (positiv oder negativ) aufgefallen sind:

    Gleißendes Sonnenlicht fiel durch die Blätter der wenigen Bäume und zerfiel dabei in viele einzelne Strahlen, in deren Licht die Insekten tanzten.

    Tolle Beschreibung, schoen poetisch - mit sowas bin ich immer zu begeistern.

    Sein einziger Lohn dafür war die Aussicht auf den dahinterliegenden Hügel. Allerdings empfand er diesen Anblick nicht störend

    Das hier ist so ein kurzer Moment der Irritation - es wird etwas klar gestellt das nie im Raum stand. Das 'Allerdings empfand er den Anblick nicht als stoerend' wuerde passen wenn der Leser an der Stelle denkt dass der Anblick stoerend sein koennte - wenn er etwa ein Industriegebiet sieht oder so. Aber ich bin durch die poetische Beschreibung weiter oben ja schon so vorbereitet dass ich mir zauberhafte Natur ausmale - und natuerlich steht das dann fuer mich nicht im Raum dass er das als stoerend empfinden sollte.

    Allerdings war er Rheadr nicht böse, daß der Freund ihn nicht begleitet hatte.

    Dito - warum sollte er hier boese sein? Steht ueberhaupt nicht im Raum. natuerlich muss jeder der beiden seine Verpflichtungen erfuellen - die machen einen vernuenftigen Eindruck, jemandem boese sein weil er zu seiner Arbeit oder Lehre geht statt Baden zu gehen ist kindisch.

    Wie abgerissene Fäden hingen aus einer leeren Augenhöhle zerfetzte Adern, zweifellos das Werk eines Schnabels, dessen Besitzer sich diesen Leckerbissen nicht hatte entgehen lassen.

    Ein eingefallener, verzerrter Mund mit vertrockneten Lippen, hinter denen weisse Zähne ein schauriges, letztes Grinsen zu zeigen schienen. Überall die Spuren von Krallen und Blut, über Wangen und Hals heruntergelaufen und schließlich getrocknet zu dunkelbraunen Rinnsalen. Eingerahmt wurde alles von Strähnen weissgelber Haare, mit denen der Wind sein Spiel trieb.

    :ugly: Sehr schoen detailliert und guter Gruselfaktor.

    Mit einiger Mühe gelang es dem Jungen, den Griff der steifen Finger zu lösen und den Talisman an sich zu nehmen.

    Ich bin mir relativ sicher dass Finger von Leichen nur 24-48 Stunden starr sein koennen - nach dem Tod verkrampfen die Muskeln weil das ATP nicht regeneriert wird, aber sobald die Muskelzellen zu zerfallen beginnen loest sich die Starre wieder.

    (Okay, ich hab' keine Ahnung ob Elven in Deiner Welt ueberhaupt ATP haben... :/)

    Aber bei einer Leiche die schon so offensichtlich zerfaellt und verwest halte ich es fuer unwahrscheinlich dass da noch viel Muskeln sind die den Griff der Finger steif machen koennten...:dead:

  • Heyho Thorsten ,

    Nein. Elven haben kein ATP. Nicht in meiner noch in sonst einer Welt. Hat damit zu tun, daß im Tode versteifte Finger steif bleiben, zumindest in Fantasygeschichten. Wo kämen wir denn sonst hin?:):):)

    Bringen wr in unsere Geschichten die Wissenschaft mit rein, hat's ein Ende mit dem Fantastischen..

    Der "Passus" : "empfand er nicht als störend" ist allerdings unnötig. Danke für den Hinweis darauf.

    Ich freue mich über weitere Kritik Deinerseits.

    Slàinte,

    Burk