Ihr Lieben , ich habe euch lange warten lassen! Entschuldigung!
kurze Zusammenfassung für alle, die weiterlesen wollen, aber keine Ahnung mehr haben, um was es eigentlich ging:
Anlässlich seines 16. Geburtstages kehrt der Kronprinz Eneas, von seinem treuen Freund Cedric "Rory" genannt, zurück an den Königshof. Dort hat sein Onkel Effed, um den sich finstere Mord-Gerüchte ranken, alle Macht in den Händen. Eneas ist misstrauisch und weiß nicht, wie er sich dem Regenten gegenüber verhalten soll. Dabei gerät er in Streit mit Cedric.
Kapitel 5
Grübelnd starrte Cedric an die mit aufwendigen Malereien verzierte Holzdecke über seinem Bett. Er hatte sich nach ihrer Rückkehr so, wie er war, auf sein Lager fallen lassen und die gewissenhafte Dienerschar, die mit Wasser und Seife, Kamm und Erfrischungen aufgeschlagen war, unwirsch hinausgeschickt. Für einen Moment brauchte er Ruhe.
Der Disput mit Rory erfüllte ihn mit Unruhe. So sehr er sich auch den Kopf zerbrach, er verstand seinen Freund einfach nicht. Schlimmer, noch nie hatte ein Streit mit ihm ein derart schlechtes Gefühl hinterlassen.
Seufzend verschränkte er die Arme im Nacken und ließ seine Gedanken zurückwandern. Zehn Jahre schon kannte er seinen Freund. Zehn Jahre …
Cedric strich sich gereizt durch die Haare. Der Aufenthalt am Hofe von Lord Symon währte erst wenige Stunden, doch bereits jetzt hatte der Junge die Nase gestrichen voll. Unmengen von Menschen drängten durch die Gänge des ehrwürdigen Palastes, dabei hatten die entsetzlichen Zeremonien und Empfänge noch gar nicht angefangen. Mit Schaudern erinnerte er sich an die lange Reihe festlich gekleideter, stark parfümierter Personen, die darauf warteten, ihrem Lehnsherrn die Aufwartung machen zu dürfen. Selbst er, obwohl erst elf, hatte neben seinem Vater ausharren müssen und sich wegen seines angeblich unziemlichen Betragens schon mehrere Rügen eingehandelt. Umso wohltuender war es nun, der Enge entkommen zu sein. Er schüttelte sich, als müsste er den Duft der muffigen Räume, der Körperausdünstungen loswerden und trabte tief durchatmend Richtung Stall.
“Was zum …?” Schon an der Boxentür bemerkte er, dass sein sonst so träger Wallach aufgeregt war. Der Braune rollte mit den Augen und wieherte unwillig, während er nervös in der Box umhertänzelte. Als Cedric beruhigend über die Nase seines Pferdes strich und es beim Halfter nahm, öffnete er mit der anderen Hand die Tür. Im Halbdunkel des Stalles dauerte es einen Moment, doch dann erkannte er, was sein Tier so aus der Fassung gebracht hatte.
Ein kleiner Junge hockte in der hintersten Ecke der Box. In den hellblonden Haaren hingen Strohhalme und er hatte sich zusammengekauert, wahrscheinlich um sich vor ungewollten Pferdetritten zu schützen. Das feine weiße Hemd unter der bestickten Weste strotzte vor Dreck.
“Hoheit?!” Cedric rutschte fast das Herz in die Hose. Er hatte den kleinen Prinzen vorhin nur flüchtig gesehen. Der Junge war anwesend gewesen, als Cedrics Vater die Grüße an Lord Symon überbracht hatte, doch wirklich interessiert hatte er Cedric nicht. Dennoch erkannte er den Blondschopf sofort wieder. Und ihm wurde klar, dass die Anwesenheit des Prinzen in seiner Pferdebox unweigerlich Ärger nach sich ziehen würde. Instinktiv trat er ein und zog die Tür hinter sich zu, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Der kleine Besucher blickte zu ihm auf. Er schien grimmig wirken zu wollen, doch in den hellen Kinderaugen blitzte auch Angst auf.
Lächelnd legte Cedric seinen Zeigefinger an die Lippen. Dann nahm er den Striegel, den er mitgebracht hatte, und fing an, unter beruhigendem Gemurmel seinen Wallach zu striegeln. Die Stallburschen mochten verwundert sein, dass ein Herrensohn diese Arbeit selber machte, doch er liebte diese Tätigkeit. Und jetzt bot sie die perfekte Deckung.
Eneas musterte ihn kritisch und folgte seinen Bewegungen argwöhnisch, als fürchtete er, dass Cedric es sich doch anders überlegen und die Palastwachen rufen könnte. Ein paar Mal öffnete er den Mund, als wollte er etwas sagen, doch dann schwieg er weiter.
Cedric drängte ihn nicht. Summend arbeitete er sich durch das Fell seines vierbeinigen Kameraden, bis dieses glänzte. Dabei wirbelte er neuen Dreck auf, der sich auf dem prinzlichen Haupt niederließ. Während er zur Hufpflege überging, kam die Gelegenheit, ein paar Worte an seinen Besucher zu richten. “Was tut Ihr denn hier?”
Trotz kroch über das schmutzige Kindergesicht und die Unterlippe schob sich bockig vor. Nein, sehr gesprächig war der Bursche nicht.
Während Cedric an einem hartnäckigen Stück Pferdemist herumkratzte, dachte er an den feierlichen Anlass seines Besuches bei Lord Symon. Der Prinz würde morgen seinen sechsten Geburtstag feiern, und wie es der alte Brauch verlangte, wurde er bei dieser Gelegenheit allen wichtigen und unwichtigen Edelleuten des Landes als der zukünftige Herrscher präsentiert. Ob der Kleine gewusst hatte, welche Rolle er spielte? Offenbar nicht. Wahrscheinlich war dies der Grund, warum der Prinz beim Empfang dagestanden hatte wie ein verschrecktes Eichhörnchen. Und todsicher hatte es etwas damit zu tun, dass sich Eneas jetzt hier in der Box versteckte.
Sicher suchte man ihn längst im Palast des Herzogs, denn es ging schon auf den Abend zu und in zwei Stunden würde das große Geburtstagsbankett in vollem Gange sein. Das Donnerwetter, das den Kleinen erwartete, wenn er in diesem Aufzug vor Lord Symon trat, konnte sich Cedric lebhaft vorstellen. Und was sein Vater dazu meinen würde, darüber brauchte er sich erst recht keine Illusionen zu machen.
Seufzend wandte er sich erneut an seinen Besucher. “Hoheit, bei allem Respekt - Ihr habt Euch eine ungünstige Box als Versteck ausgesucht.”
Nachdenklich prustete der Bursche die hellblonden Fransen aus der Stirn. “Ihr könntet so tun, als hättet Ihr mich nie gesehen”, schlug er vor.
Das war durchaus eine Möglichkeit. Doch Cedric fürchtete, wenn er jetzt einfach ging, würde in wenigen Minuten ein Stallbursche angerannt kommen und ihm mitteilen, dass sein treuer Wallach offenbar davongesprengt war. “Irgendwann werdet Ihr aber entdeckt, Hoheit. Spätestens zur Fütterungsrunde.”
“Bis dahin will ich weg sein”, entgegnete der Junge ernst.
Cedric sah seine schlimmen Befürchtungen bestätigt. Eneas schien ausrücken zu wollen, und das - hol’s der Teufel - ausgerechnet mit seinem Ross. “Mein Prinz, ich halte das für eine ausgesprochen schlechte Idee. Seht, mein Pferd ist beinahe doppelt so groß wie Ihr. Ohne Hilfe werdet Ihr niemals auf seinen Rücken kommen, ohne Zügel könnt Ihr ihn nicht reiten. Warum nehmt Ihr nicht Euer eigenes Reittier?”, fragte er und verfluchte sich im selben Moment, dass er dem kleinen Ausreißer auch noch hilfreiche Vorschläge machte.
Eneas hob eine Augenbraue und wirkte damit auf einmal sehr königlich. “Knubbel kann nicht so schnell laufen. Er ist doch nur ein Pony.”
Resigniert räumte Cedric das Putzzeug auf das kleine Regal über dem prinzlichen Haupt. “Hoheit, Ihr könnt unmöglich auf einem ausgewachsenen, ungesattelten Pferd davonreiten. Noch dazu unbemerkt. Wahrscheinlich hättet Ihr sämtliche Wachen Eures Oheims auf den Fersen, bevor Ihr überhaupt die Stadtmauern erreicht.”
Seine Worte schienen Eindruck zu machen, denn der Kleine senkte betroffen den Kopf. “Aber ich will hier nicht bleiben”, flüsterte er plötzlich erstickt. “Ich will kein König werden. Ich habe Angst.” Die schmalen Kinderschultern begannen zu beben.
Hilflos stand Cedric da und lauschte dem Schniefen. Ab und zu sah er die kleine Kinderhand zur Nase wandern und dort wenig königlich drüberwischen. Schließlich kauerte er sich vor den Prinzen und legte ihm die Hand auf die Schulter. “Es hilft nichts, vor etwas wegzulaufen. Manchmal muss man mutig sein.”
Kinderaugen, in Tränen schwimmend, richteten ihren Blick auf ihn. Der Junge lauschte ihm aufmerksam. “Ich habe auch Angst, wisst Ihr? Vor meinem Vater und den ganzen Menschen hier.”
Ein schiefes Lächeln war der Dank für seine Ehrlichkeit. “Wirklich?”, flüsterte Eneas.
“Wirklich”, gab Cedric zurück. “Aber ich möchte nicht weglaufen. Ich will mutig sein und stark werden. Damit niemand mehr über mich bestimmen kann.”
Kurz schwieg der Kleine, dann trat so etwas wie Entschlossenheit in seine Augen. “Ich will auch mutig sein.” Rasch erhob er sich, aber dann schien ihm doch wieder etwas bange zu werden. “Kommt Ihr mit mir?”